Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich auch von dem enttäuscht bin, was es bundesweit gibt. Ich habe mich auf die Suche gemacht, um herauszufinden, welche auf die Wirtschaft bezogenen Frauenförderprogramme bundesweit existieren. Mager sieht es aus!

Schauen wir nach Davos zum Weltwirtschaftsgipfel! Wir haben eine Teilnehmerzahl von 17 Prozent Frauen. Seit dem Jahr 1995, seit der Veranstaltung in Peking beklagen wir, dass dies auch global ein riesiges Problem ist. Jetzt schaue ich auf die Bundesrepublik und auf unsere bremische Landespolitik und sehe unsere Zahlen an. Wir hätten es bitter nötig, was das angeht, etwas nachhaltiger, ganzheitlicher und offener zu denken. Wir brauchen die Frauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich rede jetzt nicht von Job-Speed-Datings oder von einem kleinen Frauenbonus, das sind Mikroorganismen, die praktisch Kleinigkeiten hervorbringen, dem Schuldgefühl anheimgestellt, dass wir auf der Frauenebene tatsächlich etwas tun müssen. Wir brauchen aber nicht nur die Quote für die Führungspositionen, sondern wir brauchen auch in den frauenspezifischen Bereichen eine Existenz sichernde Bezahlung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es hilft uns nicht weiter zu sagen, wir legen Programme auf, und dann schauen wir einmal, wie hoch der Frauenanteil ist. Ich bin da durch unser Landesarbeitsmarktprogramm, das sogenannte BAP, und das, was wir daraus machen, leidgeprüft. Es heißt immer, die EU gebe uns natürlich die Anteile von 50 oder 60 Prozent Frauen vor, aber die Programme müssten von vornherein so aufgelegt werden, dass man den Fokus darauf legt, was den Frauen nützt. So muss dieses Programm erst einmal aussehen. Für die Wirtschaftsförderung gilt genau dasselbe.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist positiv zu sagen, wir machen ein weiteres Cluster. Im Moment gehen wir mit der Clusterpolitik im EFRE rückwärts. Es spricht für sich, wenn im Gleichstellungsausschuss der wirtschaftspolitische Mitarbeiter, als wir dieses Thema auf der Tagesordnung hatten, auf die Frage, was denn der EFRE für Frauen macht, noch nicht einmal eine Antwort wusste. Ich muss ehrlich sagen, das ist ein Armutszeugnis für die Auseinandersetzung mit dem Thema, und darauf treffe ich leider überall wieder. Bei der WFB und bis in den letzten Winkel dieses Wirtschaftsressorts müsste es diesbezüglich eine andere Denkweise geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich stehe hier, um einen Appell zu senden. Die Zahlen im Armuts- und Reichtumsbericht sprechen

doch Bände. Es ist nicht so, dass wir in irgendeiner Weise ein Defizit an Inhalten, Qualität oder Analyse hätten, das haben wir nicht. Wir wissen doch, woran es liegt. Trotzdem erhöhen wir den Frauenbonus von 5 000 auf 10 000 Euro in Branchen, bei denen wir ganz genau wissen, dass es die Frauen nicht erreicht. Gefühlt sichern wir unglaublich viele Männerarbeitsplätze, wir sichern auch ganz viele Arbeitsplätze für das niedersächsische Umland, damit haben wir kein Problem, aber wir haben letztendlich ein Problem damit, dass wir die Frauenförderung an allen Ecken und Enden vernachlässigen, und gerade in diesem Ressort gibt es ein sehr großes Defizit. Deswegen stehe ich hier für dieses Thema, und wir haben auch diesen Antrag so formuliert, dass ein Appell erfolgt, um einmal einen Denkprozess anzustoßen und dieses Thema anders zu sehen. Man sieht doch an der Besetzung des Plenarsaals, welchen Stellenwert dieses Thema einnimmt, das ist letztendlich immer wieder eine Aussage, die ich hier treffen kann.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das hängt mit der Tageszeit zusammen!)

Ja, selbstverständlich ist das eine Aussage, das ist nicht nur heute so, das passiert ja des Öfteren. Die Prioritäten werden auch in diesem Plenarsaal anders gesetzt, und das ist falsch. Es ist nicht mein persönlicher Privatspaß, es ist für unser gesamtes Land falsch. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich versuche, mich wieder ein bisschen mehr auf die Fakten zu fokussieren. Wir haben im Jahr 2013 mit einer Million Euro aus dem LIP Unternehmen unterstützt, mit einer Million Euro! Damit sind 55 Arbeitsplätze in Bremen geschaffen worden, davon drei für Auszubildende und 20,5 Arbeitsplätze für Frauen. Damit Sie eine Bezugsgröße bekommen, worüber wir reden: Bei Daimler sind 12 500 Menschen, in der Luft- und Raumfahrtindustrie gut 12 000 Menschen und bei der Zulieferindustrie für die Automobilindustrie gut 12 000 Menschen beschäftigt. Man könnte das jetzt für die hier schon in unterschiedlichen Zusammenhängen angesprochenen Branchen gern weiter aufzählen. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass wir bei den Mitteln aus dem LIP, über die wir reden, aus dem GRW-Fördertopf, aus dem EFRE und von anderen über einen sehr kleinen Ausschnitt von bremischen Arbeitsplätzen und von der Wirtschaft in Bremen sprechen.

Man kann natürlich versuchen, den Hebel hier anzusetzen und zum Ausdruck zu bringen, von welch herausragender Bedeutung es ist – wie das hier auch in Teilen beschrieben worden ist –, weitere Förder

möglichkeiten zu eröffnen. Wir reden dann allerdings weiterhin über diese sehr kleine Größenordnung. Insofern bin ich natürlich für alle guten Vorschläge weiterhin offen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir mit dem, was wir im Bereich der Wirtschaftsförderung in diesem kleinen Segment machen, schon viele dieser möglichen Vorschläge aufgenommen haben, weil wir nämlich genau schauen, wie es uns gelingen kann, in den Branchen, die ich angesprochen habe, über die ich auch mit Frau Hauffe schon häufig diskutiert habe, eine höhere Beteiligung von Frauen zu erreichen. Ich war vorgestern bei der BLG im Ausbildungsbereich, dort wird für zwei junge Mütter eine Teilzeitausbildung angeboten. Wie kann es uns gelingen, zusammen mit Unternehmen im wesentlich stärkeren Ausmaß zu solchen Lösungen zu kommen? Wie kann es uns gelingen, zusammen mit den Unternehmen – auf diese kommt es letzten Endes an – zu erreichen, dass wir in den vorhandenen Zukunftsbranchen, insbesondere in den industriellen, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen erreichen? Es gibt übrigens ganz viele gute Vorstellungen in Unternehmen, wie sie sich auf diesen Weg machen können, wie es uns gemeinschaftlich gelingen kann, das zentrale Ziel zu erreichen, Existenz sichernde Löhne auch für Frauen sicherzustellen. Wir können über viele Ausweitungen, über die wir auch in der Deputation schon miteinander diskutiert haben, weiter sprechen, wie wir beispielsweise die Kreativwirtschaft stärker einbinden können, für die es schon möglich ist, wie wir unternehmensnahe Dienstleistungen erweitern können, für die es schon möglich ist, aber am Ende dürfen wir uns doch nichts vormachen: Wir reden über einen extrem kleinen Ausschnitt, auf den wir mit diesem Programm Einfluss nehmen können. Die Frage, wie es uns gelingen kann, im Schulterschluss mit den Kammern, den Gewerkschaften, den großen Unternehmen, die wir hier am Standort haben, aber auch mit den Zukunftsbranchen, die wir darüber hinaus haben, den Anteil von Frauen in Existenz sichernder Beschäftigung zu erhöhen, muss doch der zentrale Antrieb sein und nicht die Diskussion über kleinere Programmsätze in kleineren Programmen, die es im Wirtschaftsbereich gibt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/1570 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und BIW)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Streikrecht verteidigen – Tarifbindung stärken

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 11. November 2014 (Drucksache 18/1615)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unser Antrag beschäftigt sich mit dem Gesetz zur Tarifeinheit, dessen Entwurf vorliegt. Kern des Gesetzes ist die Festlegung, dass in jedem einzelnen Betrieb künftig nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, die in diesem einzelnen Betrieb die meisten Mitglieder hat. Andere Gewerkschaften können diesen Tarifvertrag mitzeichnen, aber sie können nicht mitverhandeln, das heißt, sie können keinen eigenen Tarifvertrag aushandeln, und demzufolge können sie auch nicht streiken.

Aus unserer Sicht ist dieses Tarifeinheitsgesetz ein Tabubruch, weil es etwas regelt, was der Gesetzgeber schließlich nicht zu regeln hat. Wir finden, von der Frage, wann eine Gewerkschaft einen Tarif abschließen kann und wann nicht, und damit auch von der Frage, wann eine Gewerkschaft streiken kann und wann nicht, hat der Gesetzgeber die Finger zu lassen!

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wird die Koalitionsfreiheit, ein Grundrecht von Beschäftigten, verletzt. Die Koalitionsfreiheit ist wenig wert, wenn man für seine Forderungen nicht streiken kann.

Das gilt auch für Gewerkschaften, die seit langem erfolgreich in Tarifeinheit praktizieren, wie etwa im öffentlichen Dienst.

Um ein Beispiel zu nennen: Die GEW könnte dann zwar weiterhin mit am Tisch sitzen, wenn ver.di sie lässt, aber sie wäre keine streikfähige Gewerkschaft mehr, es sei denn, in Bereichen, in denen es quasi umgekehrt ist und mehr Beschäftigte bei der GEW organisiert sind. Bei den Krankenhäusern würde es möglicherweise von Klinik zu Klinik differieren, je

nachdem, ob gerade mehr Menschen im Marburger Bund oder bei ver.di organisiert wären.

Es gibt eine Fülle ungelöster Fragen in diesem Tarifeinheitsgesetz. Zum einen gibt es natürlich die Frage, wie sich überhaupt ein Betrieb definiert, wie wir in Erfahrung bringen, wer die meisten Mitglieder hat, zu welchem Stichtag es geschehen soll und so weiter. Zum anderen läuft es natürlich darauf hinaus, dass auch unter den Gewerkschaften eine gnadenlose Konkurrenz entstehen wird.

Es ist zum Beispiel bei der Bahn bislang völlig unklar, welche Gewerkschaft denn die tariffähige Gewerkschaft wäre und welche nicht. Ich finde, es ist eine für eine Tarifautonomie schwer erträgliche Vorstellung, dass dann die Arbeitsgerichte jeweils darüber entscheiden müssen, welche Gewerkschaft in welchem Betrieb die Stärkere ist und gerade das Sagen hat. Es ist auch deshalb extrem bedenklich, weil der Betrieb eine Einheit ist, die jeweils gestaltbar wäre, und das heißt, der Arbeitgeber könnte auch Unternehmensstrukturen je nachdem verändern, wie ihm gerade die Gewerkschaftsanteile recht sind. So etwas geht nicht, und wir halten es für ein gewerkschaftsfeindliches Gesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Moment, die Diskussionen haben Sie sicher alle mitbekommen, ist es ja augenscheinlich in erster Linie ein Gesetz gegen die GDL. Fakt ist aber, dass die Diskussion darüber natürlich schon sehr viel älter ist. Seit dem Jahr 2010 ist es ja so, dass das Bundesarbeitsgericht entsprechend entschieden hat, also ist auch die Behauptung falsch, mit dem Gesetz würde der Zustand wiederhergestellt werden, der vor dem Jahr 2010 geherrscht habe, denn es gab ja auch vorher die Tarifpluralität.

Dieses Prinzip ist jetzt ein reines Mehrheitsprinzip, und das wiederum schwächt die gewerkschaftliche Interessenvertretung und die Koalitionsfreiheit. Wir sind der Meinung, dass Bremen dem nicht zustimmen kann und nicht zustimmen sollte, auch wenn das Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Es ist natürlich auch wichtig, ein Signal zu senden.

Der Entwurf des Gesetzes zur Tarifeinheit wurde am 11. Dezember letzten Jahres von der Bundesregierung beschlossen, war also Gegenstand im Kabinett, und am 6. Februar wurde es bereits zum ersten Mal im Bundesrat thematisiert. Es ist ein Entwurf der Bundesregierung, insofern wird es dem Bundesrat vorgelegt. Der Bundesrat hat darüber abgestimmt, ob es Einwendungen gibt, 13 von 16 Bundesländern haben dafür gestimmt, dass es keine Einwendungen gibt. Thüringen und Brandenburg haben sich in diesem Punkt enthalten. Ich glaube nicht, dass das dritte Bundesland Bremen war, aber das kann uns vielleicht der Senat hier ja noch erläutern.

Ich möchte hier nur noch einmal betonen, wir gehen davon aus, dass es von Bremen nicht positiv beschieden wird und unser Antrag in diese Richtung Unterstützung erfährt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der LINKEN wird ja unter der Überschrift „Streikrecht sichern“ eingebracht und erweckt damit Zustimmung erheischend den Eindruck einer Bedrohung der Grundrechte. Ich möchte deswegen vorab eines klarstellen: Eine Einschränkung des Streikrechts wird es mit der SPD nicht geben!

(Beifall bei der SPD)

Tarifautonomie, Koalitionsfreiheit und Streikrecht gehören für uns zu den Grundfesten unserer Demokratie, dazu standen wir, das ist unsere Tradition und Überzeugung. Der Antrag der LINKEN und auch Ihr Diskussionsbeitrag erwecken den Eindruck, die SPD wolle dies abschaffen. Das kann man so machen, wenn man in der Opposition ist, gut, man muss dem aber nicht hinterherlaufen, sondern man sollte sich mit den Inhalten beschäftigen. Die Inhalte sind in der Tat etwas komplizierter als der Anschein, den der Antrag beim ersten Lesen erweckt.

Zur Vorgeschichte! Im Jahr 2011 hatten sich der DGB und der BDA darauf geeinigt, von der damaligen Bundesregierung ein Gesetz zu fordern, das die Tarifeinheit klärt. Anlass war, dass das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 mit der oft zitierten Entscheidung zur Tarifpluralität von früherer Rechtsprechung abgewichen war. Bis zum Jahr 2010 ging das Bundesarbeitsgericht vom Rechtsgrundsatz der Tarifeinheit aus, das hieß aber im Konkreten, dass immer nur der Tarifvertrag in einem Betrieb Anwendung finden sollte, der nicht der speziellere war. Der allgemeine Tarifvertrag konnte vom spezielleren Tarifvertrag abgelöst werden. Das, Frau Bernhard, war das Einfallstor für die Unterlaufungstarifverträge, für die Unterbietungstarife und die Vertragskonkurrenz, insbesondere durch die Tarifverträge der christlichen Gewerkschaften!

Ich persönlich habe in anderer Funktion in einem Bremer Metallbetrieb erlebt, wie ein sozusagen speziellerer Tarifvertrag den Flächentarifvertrag unterlaufen hat und höchstrichterlich festgestellt wurde, dass der speziellere Tarifvertrag der gültige Tarifvertrag war, weil er nur für diesen Betrieb gültig war. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 2010 war also nicht so toll. Sie war richtig und hat einige Probleme geklärt, dafür aber einige neue aufgeworfen.