Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

Weiter müssen wir die Riester-Rente vom Kopf auf

die Füße stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Private Riester-Verträge können die gemachten

Versprechungen schon lange nicht mehr halten, und das nicht erst seit der Finanzkrise. Da können

Sie einmal Herrn Gottschalk fragen, der dazu ein kompetentes und umfangreiches Wissen hat. Nur staatlich verwaltete Fonds können die Möglichkeit der Sicherheit schaffen. Das machen uns die skandi navischen Länder übrigens sehr gut vor, Schweden ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Das wollen auch wir Grünen mit der Bürgerversicherung erreichen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind der Meinung, dass die Bundesregierung

handeln muss, um den Anstieg der Zahl der Grund sicherungsempfänger im Alter zu bremsen. Hierzu reicht es unserer Meinung nach nicht, die immer höher werdenden Kosten zu übernehmen, wie sie es seit Jahren macht, sie übernimmt jetzt einfach die Kosten. Die Länder sagen, dass ein wenig Druck herausgenommen wurde, aber das ist ja nicht die Lösung für das Problem, sondern wir brauchen eine Lösung, die dieses immer größer werdende Problem in den Griff bekommt. Wir Grünen sind der Meinung, dass zum Beispiel die grüne Bürgerversicherung eine Möglichkeit wäre. Ich hoffe, dass es demnächst einmal richtig diskutiert wird und wir uns demnächst einmal mit einer grünen Bürgerversicherung oder einer Bürgerversicherung im Allgemeinen befassen können. – Danke, dass Sie mir zugehört haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Yazici.

Frau Präsidentin, meine

sehr geehrten Damen und Herren! Etwa fünf Prozent der über 65-jährigenn im Land Bremen leben heute von der Grundsicherung im Alter, diese Menschen sind arm. Arm bedeutet für diese Menschen nicht nur, dass sie wenig Geld haben, um ihren Alltag zu bestreiten, sie sind auch aus vielen gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, es fehlt ihnen oftmals an Mobilität, und im schlimmsten Fall leben sie in Einsamkeit. Das wirkt sich natürlich auch auf das Selbstwertgefühl aus. Deswegen halten wir als CDUFraktion es für die Pflicht der Politik, dafür Sorge zu tragen, dass Menschen, die 40 lang Jahre arbeiten, auch von ihrer Rente leben können.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch die Pflicht der Politik, dafür Sorge zu

tragen, dass der Generationenvertrag eingehalten wird, damit Menschen, die irgendwann einmal im Rentenalter sind, angemessen versorgt werden. Das bedeutet, dass wir aber auch heute keine Ren tengeschenke verteilen, die die junge Generation übermäßig belasten.

Ein ganz wichtiger Punkt ist – ich denke, da sind

wir fraktionsübergreifend einer Meinung –, dass

Altersarmut nicht im Alter entsteht. Deswegen ist die beste Prävention vor Altersarmut eine wirksa me Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik und reelle Bildungschancen. Genau daran scheitert es hier in unserem Bundesland, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn Anstrengungen spürbar sind, ist es nach

wie vor so, dass die Verknüpfung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in unserem Bundesland eklatant ist. Es fehlen zentrale Bausteine, um eine Entkopplung zu erreichen. So produzieren wir nach wie vor Bildungsverlierer und somit Menschen, die früher oder später in Armut kommen.

Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht, den der

Senat kürzlich vorgelegt hat, gibt leider auch keine Hoffnung, keinen Anlass zu Optimismus. Im Ge genteil, die Ergebnisse sind eigentlich erschütternd. Fast ein Viertel der Bremerinnen und Bremer ist von Armut betroffen. Das ist ein Spitzenplatz im Bundes vergleich. Die Zahlen zu betroffenen Kindern und Jugendlichen sind geradezu skandalös. 34 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Bremen leben in Armut. Das ist eine Schande für unser Bundesland.

(Beifall bei der CDU)

6 000 dieser Kinder leben bei alleinerziehenden

Eltern. Die Wahrscheinlichkeit, dass alleinerziehende Eltern in Armut abdriften, ist wiederum in keinem anderen Bundesland so hoch wie in Bremen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möch

te Ihnen an dieser Stelle weitere Zahlen nennen, weil sie für diesen Diskurs wichtig sind. 78 000 Bre merinnen und Bremer leben in einer kritischen Überschuldungssituation. Die Arbeitslosenquote ist im Bundesvergleich „top“. Die verfestigte Langzeit arbeitslosigkeit ist ein zentrales Problem; das hat Herr Reinken schon richtig gesagt. Dass allerdings die Joboffensive das richtige Instrument dagegen sein soll, möchten wir als CDU-Fraktion bezweifeln. Die Tatsachen, die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Wir vermissen eine tatsächliche Integration in den Arbeitsmarkt durch die Joboffensive. Hier muss dringend nachgebessert werden.

(Beifall bei der CDU)

Ferner hat sich in den letzten Jahren die soziale

Schere zwischen den Quartieren in den Stadtgemein den weiter geöffnet. Es ist ein deutliches NordostSüdwest-Gefälle erkennbar. Herr Möhle hat schon auf den Armutsatlas des PARITÄTISCHEN verwiesen, in dem dieses Thema ebenfalls angesprochen wird. Bremen wird erwartungsgemäß wieder ein katast rophales Zeugnis ausgestellt. Um beim Thema zu bleiben: Seit 2006 hat sich die Armutsquote unter den Rentnerinnen und Rentnern in Bremen verdoppelt.

All das sind weitere Belege und für uns klare Indi

katoren dafür, dass es in Bremen an einer wirksamen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik mangelt.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, sehr geehrte Frau Vogt, denke ich, dass

die zu starke Verengung auf das Rentenniveau zu kurz greift. Wir sollten nicht darüber sprechen, wie wir Menschen im Alter alimentieren, sondern dar über, wie wir es schaffen, dass die Menschen gar nicht in Armut kommen. Der Senat ist angehalten, die richtigen Weichen zu stellen, insbesondere in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, damit wir die Menschen erst gar nicht in Armut sehen. Insoweit haben wir ein zentrales Problem. Deshalb fordern wir den Senat abermals auf, aus dem Winterschlaf aufzuwachen und die richtigen Weichen zu stellen. Heute sind 34 Prozent der Kinder arm. Wir möchten nicht, dass daraus arme Rentner werden. – Danke schön, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort

Frau Kollegin Vogt.

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorweg folgende Anmerkung: Ich habe vorhin gesagt, dass mich die Antwort auf die Frage, ob Bremen im Bundesdurchschnitt liegt, was die Entwicklung der Altersarmut angeht, irritiert hat. Ich habe einen fleißigen Mitarbeiter, der das gleich in der Debatte aufgegriffen und den Fehler entdeckt hat, Herr Senator. Er hat nämlich bemerkt, dass Sie von der Bundesstatistik nicht nur die Spalte zu den Renten im Bundesgebiet, sondern auch die Spalte mit den niedrigen Auslandsrenten verwendet haben. Das verfälscht natürlich das Bild ein wenig. Aber kommen wir weg von den Statistiken!

Der Begriff „Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik“

ist in dem Beitrag des Vorredners gefallen. Ich kann mich an die Debatte zum Armuts- und Reichtumsbe richt im Rahmen unserer Aktuellen Stunde von vor einem Monat erinnern. Damals sagte Ihr Fraktions vorsitzender, Herr Röwekamp, die Debatte verlaufe so, wie er das vermutet habe. Wir würden hier nur über Umverteilung und Wirtschaft reden, und das habe mit Armut nichts zu tun. Ich habe mich schon damals gefragt, wie man zu diesem kühnen Schluss kommen kann.

Richtig ist, dass es nicht nur darum geht, wie wir

Menschen so absichern können, dass sie im Alter nicht arm sind. Ich verwahre mich aber gegen das Wort „Alimentierung“; denn viele Menschen sind arm, obwohl sie arbeiten. „Alimentierung“ hat zum einen etwas Gönnerhaftes und ist zum anderen ein im Beamtenrecht klar definierter Begriff. Ich finde, dieser

Begriff gehört nicht in eine solche Debatte hinein, weil in der Außenwahrnehmung schräg ankommt.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. D r. M a i k e S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen] – Präsident W e b e r übernimmt den Vorsitz.)

Man muss im Vorfeld darauf achten, dass Men

schen im Alter nicht arm sind. Darauf haben Sie zu Recht hingewiesen. Jetzt greife ich die Worte Ihres Fraktionsvorsitzenden auf und sage, natürlich hat das etwas mit Wirtschaft zu tun. Bremen ist eine Hoch burg atypischer Beschäftigung, auch in der Industrie. Wir reden hier nicht nur von der Verkäuferin oder den Frauen und Männern in der Gastronomie. Wir reden auch über Lürssen, Siemens, Mercedes; alle greifen auf Leiharbeit oder Werkverträge zurück. Die Menschen, die im industriellen Sektor arbeiten, gelten gemeinhin als vergleichsweise gut bezahlt. Die Menschen aber, die auf der Grundlage von Werkverträgen bei Lürssen arbeiten, sind es nicht. Sie haben auch keine gesicherten Perspektiven.