Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

mann, Sie haben eine ernsthafte und ideologiefreie Debatte eingefordert. Ich kann sie, offen gestanden, auf Ihrer Seite nicht erkennen. Es hat einen Versuch mit Lang-Lkws gegeben, und der ist ausgewertet worden. Er hat Erkenntnisse gebracht, die hier heute noch nicht ausgesprochen worden sind, deshalb erlaube ich es mir, das noch einmal kurz anzusprechen.

Das Amt für Straßen und Verkehr stellt fest, dass der Versuch eine ausreichende Grundlage für eine verkehrspolitische Grundsatzentscheidung schon bereitstellt. Durch einen erneuten Versuch ist kein Erkenntnisgewinn zu erwarten. Es sind technische Probleme, Verkehrssicherheitsprobleme – viele davon sind von meinen Vorrednern angesprochen worden – und natürlich verkehrspolitische Überlegungen, aber wir wissen genug. Deswegen ist es falsch und verlogen, so zu tun, als bräuchte man einen flächendeckenden Feldversuch in 16 Bundesländern über fünf Jahre, um dann festzustellen, dass es möglicherweise eine schlechte Idee war.

Nehmen Sie diesen Versuch denn ernst? Haben Sie nicht vielleicht auch Angst vor den Ergebnissen dieses Versuchs? Es können sich ja nach eineinhalb Jahren eine bestimmte Zahl toter Fahrradfahrer, eine bestimmte Anzahl von Kilometern in Ortsdurchfahrten, in Ortsdurchfahrten, in denen die Banketten zerpflügt sind, in denen die Gehwegplatten auf 45 Grad stehen, weil wir wieder eine Vollsperrung auf der Autobahn Hamburg/Bremen hatten, wie zweimal in den letzten drei Wochen, herausstellen.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Was Sie jetzt machen, ist sachlich?)

Stellen Sie sich doch einmal vor, was passiert. Die Lkws werden umgeleitet, fahren dann auf Umgehungsstrecken, die alle nicht dafür ausgelegt sind. Wir haben schon von den Kreiseln gehört, die nicht entsprechend ausgelegt sind, die Bahnübergänge und die Sicherheitsfragen in den Tunneln. Das sind alles Dinge, bei denen man weiß, wo die Probleme sind, und deswegen ist nicht klar, warum man einen flächendeckenden Versuch machen will.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Umleitungsstrecken kennen wir alle!)

Man könnte ja, wenn man es seriös vorantreiben will – ich möchte es auch nicht ausschließen, und da gebe ich dem Abgeordneten Saxe vollkommen recht –, ich kann mir durchaus vorstellen, dass unter bestimmten Rahmenbedingungen, unter bestimmten streng definierten Bedingungen, unter bestimmten Kriterien diese Fahrzeuge tatsächlich einen Nutzen bringen können, aber ich muss dann auch die Kriterien entsprechend definieren. Die Mühe macht sich keiner. Dafür muss ich nicht in 16 Bundesländern flächendeckend einen Feldversuch machen.

Jetzt überlegen Sie sich einmal, nach eineinhalb Jahren stellen wir fest, das war keine gute Idee. Dann haben die Unternehmen diese Fahrzeuge angeschafft. Sie gehen ein hohes wirtschaftliches Risiko ein. Sie haben ihre Höfe umgebaut, erweitert, und dann sagen wir: Marsch, marsch zurück, die Fahrzeuge müssen von der Straße. Dann kommen sie alle zu uns und sagen, wir wollen eine Abwrackprämie für unsere Gigaliner, weil wir mit denen hier nicht mehr fahren können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was wir vonseiten des Senats tun! Ich betone noch einmal, weil es in den letzten Tagen auch ein bisschen durcheinander gegangen ist: Ich vertrete ja nichts anderes als die abgestimmte Senatsmeinung, die schon, lange bevor ich hier in Bremen war, im Mai 2010 so festgelegt worden ist.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Deswegen muss die ja nicht richtig sein!)

Bremen will an diesem Versuch so nicht teilnehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es hat seit Mai 2010 keine neuen Erkenntnisse gegeben. Die Begrenzung auf 44 Tonnen, die hier immer betont wird: Die Fahrzeuge sind auf 60 Tonnen ausgelegt. Es werden keine Leichtkonstruktionen für Deutschland und den deutschen Markt gebaut. Es werden die gleichen Konstruktionen, die in Schweden, Australien und anderen Ländern gefahren werden, dort sind andere Straßenverhältnisse, Bedingungen und Entfernungen, gebaut. Es werden dieselben Fahrzeuge sein. Wir stellen heute schon bei Überladungskontrollen fest, dass wir einen hohen Anteil überladener Lkws haben. Wir können es kaum kontrollieren. Wir werden diesen Damm auch kaum halten können, wenn die Fahrzeuge einmal da sind, denn dann kommt der Druck, wir möchten etwas mehr Fracht auf die Fahrzeuge bringen. Man sieht es ja nicht sofort an der Brücke. Man sieht es nicht nach 15 oder 25 Jahren, dass sie wiederhergestellt werden muss.

Ich möchte auch eines klar sagen, das wissen, glaube ich, auch alle: Wir haben viel zu wenig Geld für den Straßenverkehr. Wir haben zu wenig Geld für die Bauten, die wir brauchen. Wir haben zu wenig Geld für den Unterhalt. Jedes Frühjahr haben wir die Probleme mit den Winterschäden, die sich Monate hinziehen, teilweise sind die Straßen im Herbst noch nicht saniert. Jetzt kommt ein zusätzlicher Verkehrsträger mit diesen Verkehrsmitteln und hat eigene Infrastrukturanforderungen. Längere Autobahnrastplätze werden gerade für viele Millionen Euro für die Standard-Lkws ausgebaut, nicht für die Gigaliner.

Heute Morgen höre ich im Radio, ich dachte, ich höre nicht richtig, Minister Ramsauer schlägt vor, auf Bundesstraßen jetzt abschnittweise dritte Spuren für sicheres Überholen einzurichten.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Woher hat Herr Ramsauer das Geld?)

Warum kommt das ausgerechnet jetzt? Wo entsteht denn jetzt der Bedarf? Es war die letzten 15 Jahre kein Thema. Wir haben ständig rückläufige Zahlen von Verkehrsopfern. Wir hatten früher in Frankreich die dreispurigen Bundesstraßen. Sie kennen das. Das ist doch kein Problem mehr. Warum muss dieses Problem jetzt gelöst werden? Kann dort ein zeitlicher Zusammenhang mit diesem Gigalinerversuch bestehen, um die ADAC-Autofahrerlobby jetzt doch ins eigene Lager zu ziehen? Der ADAC, die Gewerkschaft der Polizei und der Auto Club Europa haben sich klar positioniert. Es gibt so viele. Herr Saxe hat es gesagt, es gibt auch Wirtschaftsunternehmen, Speditions- und Transportunternehmer und viele andere, die sich dagegen aussprechen, auch mir gegenüber.

Wir müssen doch eines sehen: Diese Fahrzeuge, die vielleicht 0,01 Prozent der Verkehrsteilnehmer ausmachen, behindern 99,99 Prozent der Verkehrsteilnehmer, die wir schon haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie nehmen denen das Geld weg. Der Verkehrsetat reicht für den Straßenbau nicht aus. Für alles, was wir an Infrastruktur schaffen, für andere Kreisel, Bahnübergänge, mehr Sicherheit in Tunneln, dritte Spuren für sicheres Überholen auf Bundesstraßen und dergleichen, wird das Straßeninvestitionsbudget nicht ausgeweitet. Das heißt, es fehlt an anderer Stelle. Ich mache mir auch wirklich Gedanken darüber, welche Interessenvertretung eigentlich die CDU und auch die Handelskammer gegenüber der Wirtschaft machen. Die 99,99 Prozent sind nämlich auch viele Wirtschaftsunternehmen, nicht nur Transportunternehmen, sondern auch andere mit schnellen und wendigen Fahrzeugen, Lieferdienste, Botendienste und dergleichen, die alle auch darauf angewiesen sind, dass das Straßennetz funktioniert. Es wird nicht funktionieren. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass Bremen als Haushaltsnotlageland es sich am allerwenigsten leisten kann, sich hier zu verspekulieren, hohe Kosten zu haben, um die Straßen dann wieder instand zu setzen.

Lassen Sie uns doch, wenn andere diesen Versuch jetzt machen wollen, schauen, welche Erfahrungen gesammelt werden. Ich bin mir sicher, in drei Viertel der Fälle wird man sagen, das war nicht gut. Bei einem Viertel der Fälle wird man möglicherweise sagen, unter den und den Bedingungen kann es ge

hen. Dann kommen wir wieder zusammen, schauen es uns an, und dann haben wir auch der Bremer und Bremerhavener Logistikwirtschaft keinen Schaden zugefügt, sondern einen großen Gefallen getan, weil wir sie nämlich davor bewahrt haben, jetzt blindlings ins Risiko zu gehen, unternehmerisch diese Fahrzeuge zu kaufen, diese ganzen Investitionsentscheidungen zu treffen und dann festzustellen, die Fahrzeuge werden dauerhaft nicht zugelassen. Wenn man hundertprozentig sicher ist, dass sie zugelassen werden, dann ist es kein Versuch, dann ist es ein Verstoß gegen die föderalen Rechte der Länder, daran beteiligt zu werden, und das ist hier nicht geschehen. Ich denke, in dem Fall müsste man sich wirklich auch der angekündigten Verfassungsklage anschließen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/91, Neufassung der Drucksache 18/83, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bundeswehr an Schulen im Land Bremen – Art und Umfang der Werbeoffensive

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 21. September 2011 (Drucksache 18/59)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 25. Oktober 2011

(Drucksache 18/80)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/80, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren, ehrlich gesagt, einigermaßen erschrocken, wie unsere Anfrage beantwortet wurde. Wir haben uns gefragt, wieso die Bildungsbehörde für die Beantwortung eigentlich den vollen Zeitraum samt Fristverlängerung ausgeschöpft hat, wenn quasi auf nichts geantwortet wurde.

Wir haben einmal verglichen: Eine Kleine Anfrage der Grünen zu Nahrungsmitteln aus artgerechter Haltung mit fünf Fragen wurde deutlich ausführlicher beantwortet als unsere 22 Fragen in dieser Anfrage. Bei einem Gespräch mit Herrn Bürgermeister Böhrnsen am letzten Dienstag wurde deutlich, dass Anfragen von anderen in der Bürgerschaft vertretenden Oppositionsparteien, nämlich der CDU, nur unzureichend beantwortet wurden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ernst nimmt der Senat eigentlich die Rechte des Parlaments und die der Opposition? Werden hier Initiativen spontan nach Lust und Laune abgearbeitet? Wer verantwortet es eigentlich, wenn hier teilweise sogar nachweislich die Unwahrheit behauptet wird, nur weil einem die Fragen nicht passen?

Blicken wir einmal auf die politischen Rahmenbedingungen, in denen die Bundeswehr an Schulen wirbt! Das Bundesverteidigungsministerium stellt bei jeder Gelegenheit klar, dass die Werbung der Offiziere an Schulen in die Kulturhoheit der Länder fällt. Der Senat sagt nun, ihm sei die Sachlage nicht bekannt, und er sei auch gar nicht zuständig – Zitat –: „Diese Daten werden nicht erfasst.“ Einsätze der Jugendoffiziere, POL&IS-Seminare und Wehrdienstberatung an Schulen müssen in Bremen nicht angemeldet werden. Es gibt aber eine Anwesenheitspflicht für die Veranstaltungen. Nur die Informationen über Art und Umfang hat die Bildungsbehörde angeblich nicht, die Bildungsbehörde führe nämlich keine Statistik, die Schulen seien jeweils selbst verantwortlich, soweit die Senatsantwort.

Als Zwischenfazit bleibt: Weder die Bundesregierung noch die Landesregierung erklären sich für zuständig. Die Bundeswehr kann in Bremen also offiziell tun und lassen, was sie will. Sie muss dabei nicht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

einmal kritische Nachfragen aus der Opposition fürchten, denn dort verhindert ja schon der Senat, dass stichhaltige Informationen öffentlich werden könnten. Das ist ein unhaltbarer Zustand!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten im Begründungstext der Anfrage extra geschrieben, dass die Informationen von den zuständigen Wehrbereichskommandos zu haben sind. Das Wehrbereichskommando Küste, dem die Jugendoffiziere organisatorisch unterstehen, ist nämlich auch für Hamburg zuständig. Dort wurde eine entsprechende Anfrage der Fraktion DIE LINKE detailliert beantwortet. Dafür musste sich der Hamburger Senat einfach nur an das Wehrbereichskommando wenden. Dort gibt es zeitnah und unbürokratisch entsprechende Daten. Der zuständige Jugendoffizier wird in der „taz“ vom 1. November 2011 dann auch wie folgt zitiert: „Es sei für ihn grundsätzlich kein Problem, die Daten herauszusuchen.“ Nach allem, was wir wissen, hat er recht, und der Senat scheint es gar nicht erst versucht zu haben.