Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Wahr ist demgegenüber, dass Jugendoffiziere bereits seit 1958 ihre Arbeit – übrigens durchgängig und ohne Verteilen von Werbematerial – durchführen, es sind zurzeit 94 an der Zahl. Sie haben sich in den Schulen und Organisationen dabei – entgegen dem Eindruck, den Sie erzeugen wollen – hohen Respekt für eine Arbeit erworben, die ganz häufig den Bereich der Bundeswehr im engeren Sinn verlässt und in den Bereich der Sicherheitspolitik und der allgemeinen Politik hineinreicht. Indem sie diese Diskussion anregen und Politik erklären, machen sie eine Arbeit, die eigentlich eine Aufgabe der Politik selbst ist. Wir haben allen Grund, uns dafür zu bedanken!

(Beifall bei der CDU)

Auch das sicherheitspolitische Strategiespiel POL&IS diskreditieren Sie wahrscheinlich ohne jede Sachkenntnis.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Mit diesem Spiel werden politische Entscheidungen – –.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Die haben nämlich erlebt, wie einseitig die Indoktrina- tion ist! – Unruhe bei der CDU)

Hören Sie einmal zu!

In diesem Spiel werden politische Entscheidungen im internationalen Maßstab und deren Auswirkungen simuliert. Militärische Optionen spielen dabei im Prinzip eine sekundäre Rolle, Frau Vogt. Schwerpunkt der Arbeit der Jugendoffiziere ist das Gespräch. Hierbei von Spielräumen für Indoktrination zu sprechen, ist geradezu eine böswillige Unterstellung.

(Beifall bei der CDU)

Sie sind schon deshalb absurd, da die Arbeit der Jugendoffiziere an den Schulen frühestens in der neunten Klasse beginnt, einem Alter also, in dem wir uns

geradezu wünschen, dass Jugendliche in den Kontakt mit Politik kommen. Frau Kollegin Dogan, eine Ihrer Fragen ist damit vielleicht auch beantwortet.

In der Art und Weise, wie sie an den Schulen agieren, sind Jugendoffiziere nicht einmal unkritisch gegenüber ihren eigenen Organisationen und der Politik. Sie sollen es auch nicht sein. Das ist natürlich auch gut so, und das ist im Prinzip auch ganz wichtig für ihre Akzeptanz. Sie im Beschluss Ihrer Bundespartei als Propagandisten zu bezeichnen, ist ausschließlich ein Produkt Ihrer Unkenntnis und Ihrer ideologischen Vorurteile.

(Beifall bei der CDU)

Hierin liegt unserer Auffassung nach eine geradezu groteske Verkehrung der Realität, denn dies entspricht genau nicht dem Selbstverständnis dieser Jungoffiziere, die im Dienste dieser Gesellschaft tätig sind und deshalb auch vor diesen persönlichen Herabwürdigungen ausdrücklich durch uns in Schutz genommen werden.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident!

Für uns gehört die Bundeswehr in die Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU)

Wir begrüßen, dass das Landeskommando hier in Bremen erhalten bleibt, das ist ein Teil der Repräsentanz der Bundeswehr in unserer Gesellschaft. Jugendoffiziere sind ein Angebot der Bundeswehr im Dialog mit den Schulen. Wenn wir sie nicht hätten, müssten wir sie geradezu erfinden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. von Bruch, ich bin Ihnen ziemlich dankbar, ich kann nämlich etwas richtigstellen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das hörte sich eben anders an!)

Sie wissen ja gar nicht, wieso diese Anfrage zustande gekommen ist. Sie ist zustande gekommen, weil Menschen zu uns gekommen sind, die in den Genuss kamen, das Strategiespiel POL&IS mitmachen zu dürfen, und sehr erschrocken waren, wie einseitig dabei indoktriniert wird. Dafür brauchen wir keinen Bundesvorstand. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Ich möchte einmal sagen, wir sind in dieser Kritik auch nicht allein. Frau Sacher, die Geschäftsführerin von terre des hommes, sagt, die Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen an Schulen verstößt gegen die Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland und 192 weitere Länder unterschrieben haben, denn die in der Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte gelten für alle unter Achtzehnjährigen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Sie reden sich um Kopf und Kragen!)

Die Kinderrechtskonvention verbrieft das Recht auf Leben und freie Entwicklung, auf körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt, auf eine Erziehung im Geiste von Frieden und Verständigung zwischen den Völkern.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das macht die Bundeswehr!)

Der zuständige UN-Ausschuss für die Rechte der Kinder hat Deutschland 2008 sogar dafür gerügt, dass hier Rekrutierungen bereits ab 16 Jahren erlaubt sind. Er hat Deutschland 2008 auch dafür gerügt, dass die Bundeswehr nicht nur bei Jugendlichen werben darf, sie darf es sogar in einem geschützten Raum, nämlich in den Schulen, die den Kindern und Jugendlichen eigentlich Platz zum Lernen und für die Entwicklung der Persönlichkeit geben sollen. Hier tritt die Bundeswehr immer stärker auf. In welchem Umfang sich das verstärkt hat, genau das wollten wir gern vom Senat wissen. Diese Antwort haben wir nicht bekommen.

Wir als Fraktion DIE LINKE sagen aber ganz klar, Bundeswehrwerbung hat nicht den Charakter politischer Bildung, sie soll vielmehr für Intervention und Besetzungseinsätze der Bundeswehr geeigneten Nachwuchs heranziehen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das hat man in der DDR erlebt!)

Damit verstoßen die Einsätze der Armee an Schulen klar gegen die UN-Kinderrechtskonvention und gegen das Indoktrinationsverbot im Beutelsbacher Konsens, der nämlich eine ausgewogene politische Bildung fordert. Wir sagen auch, die Rekrutierungen für solche Einsätze sind überhaupt nicht vom Grundgesetz gedeckt, genauso wenig wie es die Einsätze, die wir gerade haben, selbst sind. Wenn Offiziere in den Klassenzimmern die Sicht ihres Dienstherrn über die Bombardierung der Tanklaster in Kunduz wiedergeben, wie es auch hier in Bremen geschehen ist, dann laufen wir Gefahr, an unseren Schulen die Relativierung und die Beschönigung von Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das Völkerrecht zuzulassen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Immer diese Be- hauptungen! – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Kriegsverbrechen?)

Ja, Kriegsverbrechen! Wir sagen ganz klar, dieses Verbrechen, das in Kunduz geschehen ist, war ein Kriegsverbrechen und ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Die Bundeswehr hat nämlich, und das war auch einer der Anlässe für unsere Anfrage, das Budget für Anwerbung und Öffentlichkeitsarbeit massiv erhöht. Der Etat wurde seit 2002 auf 29 Millionen Euro pro Jahr verdreifacht, und in der Zivilgesellschaft versucht die Bundesregierung, verstärkt für die Attraktivität des Kriegsdienstes zu werben. Das tut sie nicht nur in den Schulen, das ist uns bewusst, sie ist mittlerweile auch bei jeder Jobmesse präsenter als vorher und irgendwie auch ständig vor dem Arbeitsamt aktiv.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Das ist pure verdrehte Ideologie!)

Diese Entwicklung steht in einem engen Zusammenhang zu den neuen geostrategischen Aufgaben der Bundeswehr als schlagkräftige und global einsetzbare Interventionsmacht. Das ist genau das, was wir daran kritisieren: Wenn der Beutelsbacher Konsens hier verletzt wird, wenn Jugendoffiziere in die Schulen gehen und dort Strategiespiele einseitig ohne Aufsicht der senatorischen Behörde stattfinden können, dann gibt man diesem Ziel nach. Das Verteidigungsministerium gibt unumwunden zu, dass die Aufgabe nicht mehr in der Sicherung der Landesgrenzen nach außen besteht, sondern in der Sicherung von Handelswegen und des Ressourcenzugriffs weltweit. Aus diesem Grund braucht die Bundeswehr auch dringend neues und qualifiziertes Personal, das läuft ihr nämlich seit Abschaffung der Wehrpflicht davon, und deswegen kommen auch bundesweit immer mehr Offiziere in die Klassenzimmer. Wir als LINKE sagen ganz klar: Die Bundeswehr hat gerade deshalb nichts an Schulen zu suchen. Wir wollen kein Werben für das Sterben.

(Unruhe bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU – Abg. B e n s c h [CDU]: Diese Frau steht nicht auf dem Bo- den des Grundgesetzes!)

Damit stehen wir nicht alleine, damit stehen wir an der Seite der GEW, der Kinderschutzorganisationen, der Friedensbewegung und von immer mehr Lehrern, immer mehr Eltern und immer mehr Schülern!

(Glocke)

Wir werden die Werbeoffensive an Bremer Schulen weiter kritisch begleiten und Widerstand dagegen unterstützen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Vogt, ich weiß nicht, was für Hirngespinste Sie in Ihrer Argumentation aufbauen,

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

aber zu behaupten, die pädagogischen Spielräume für Indoktrination seien sehr groß und der einseitigen Bundeswehrpropaganda sei Tür und Tor geöffnet, ist doch maßlos überzogen. Das ist eine Beleidigung der Lehrkräfte hier im Land Bremen, Frau Vogt.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Wenn es Fälle in Bremen gibt, in denen die Bundeswehr hemmungslose Werbung macht und schamlos indoktriniert, dann benennen Sie diese, und dann unterhalten wir uns über Maßnahmen dagegen. Hören Sie aber doch auf, krampfhaft etwas zu behaupten, was Sie gar nicht belegen können!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Sie stehen hier jetzt in einer Bringschuld! Im Übrigen, das Spiel POL&IS würde ich Ihnen gern einmal erklären, dann würden Sie internationale Beziehungen besser verstehen. Benennen Sie uns aber doch bitte einmal die Schule oder die Schulklasse, die durch das Spiel POL&IS einseitiger Propaganda ausgesetzt war, dann werden wir uns gemeinsam über Maßnahmen unterhalten! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Frau Vogt, vielleicht sollten Sie das einmal spielen, dann müssten Sie Fidel Castro nicht mehr gratulieren!)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.