Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

(Beifall und Heiterkeit)

Ich glaube, ich rede für alle, wenn ich sage, dass

wir uns als Parlament insgesamt zu Artikel 4 des Grundgesetzes und der darin verbürgten Glaubens- und Religionsfreiheit bekennen. Im Übrigen will ich sagen, dass dazu eben auch, Herr Dr. Korol, die negative Religionsfreiheit gehört, auch diese steht unter dem Schutz des Grundgesetzes.

(Beifall)

Das gilt übrigens – auch da spreche ich hoffentlich

für das gesamte Parlament – nicht nur für Artikel 4 des Grundgesetzes, sondern man kann für meine Fraktion sagen, ich denke, für die anderen auch, wenn ich keinen Widerspruch höre, die ganze Bremi sche Bürgerschaft steht hinter jedem Artikel unseres gemeinsamen Grundgesetzes, ohne dass wir das in jeder Sitzung beschließen, Herr Dr. Korol.

(Beifall)

Herr Staatsrat Professor Stauch, Herr Staatsrat

Ehmke reicht das, um aus dem Beobachtungswinkel des Landesamtes für Verfassungsschutz wieder her auszukommen, , oder muss ich noch mehr Bekenntnis zum Grundgesetz geben?

(Staatsrat E h m k e : Schauen wir einmal! Könnte reichen! – Heiterkeit)

Die Wahrheit ist eine andere. Es geht Ihnen nicht

um Artikel 4 des Grundgesetzes, sondern es geht Ih nen um die Debatte und um die Auseinandersetzung mit einer Predigt des Pastor Latzel. Darüber hat das Parlament hier schon debattiert. Im Übrigen bin ich ausdrücklich anderer Auffassung als Sie. Auch über das, was in Kirche gelehrt, gesprochen und gepredigt wird, muss eine zivilisierte Gesellschaft kontrovers debattieren können, sehr geehrter Herr Dr. Korol.

(Beifall)

Ich finde sogar, sie ist geradezu dazu aufgerufen, es zu tun. Umgekehrt gilt es genauso. Ich stellte mir vor, wir würden einen Evangelischen Kirchentag in Deutschland haben, ohne dass dort über Politik ge redet wird. Das ist doch überhaupt nicht vorstellbar!

(Beifall)

Natürlich heißt die Trennung von Kirche und Staat

in der gesellschaftlichen Debatte nicht, dass man getrennt voneinander redet. Genauso wie sich die Religionsgemeinschaften eine Meinung über das bilden, was wir im Parlament sagen, welche Gesetze wir verabschieden, wie wir mit Flüchtlingen umgehen, wie wir die Religionsfreiheit achten, genauso ist es umgekehrt unser Recht, darüber nachzudenken, was in Bremen in der Predigt auf der Kanzel gesagt wir. Entspricht das unseren politischen Auffassungen oder nicht? Ich nehme das für mich auf jeden Fall immer in Anspruch, auch als Mitglied einer Kirche, eines Kirchenvorstands, als Glied einer Gemeinde, aber eben auch als Abgeordneter hier in der Bremischen Bürgerschaft. Ich will den kontroversen Dialog auch in Glaubensfragen und in Fragen von Glaubens- und Gewissensfreiheit.

(Beifall)

Unter uns gesagt, natürlich hat die Predigt Anlass

dazu gegeben, über die dort enthaltenen Thesen kontrovers in dieser Stadt zu debattieren, weil sie eben nicht nur religiös waren, sondern weil es auch politische Botschaften waren, und weil man ehrli cherweise mit Blick auf Artikel 4 des Grundgesetzes an der einen oder anderen Stelle sagen muss, dass Artikel 4 kein Schutz für missionarischen Eifer dar stellt. Das will ich an dieser Stelle sagen, auch in Ihre Richtung, nach Ihrer Rede, Herr Dr. Korol.

Wenn wir Ihren Antrag jetzt ablehnen, tun wir das

erstens, weil wir verfassungstreu sind und uns nicht nur zu einem Artikel des Grundgesetzes bekennen, sondern zu allen im Grundgesetz enthaltenen Artikeln und dort verbürgten Menschenrechten von Artikel 1 bis Artikel 20; auch in den folgenden Artikeln gibt es das eine oder andere Grundrecht. Wir tun es zweitens, weil wir Ihre Bewertung der Predigt von Pastor Latzel zumindest nicht in allen Punkten und differenziert nach Fraktionen auch unterschiedlich beurteilen. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass man über das, was er gesagt hat, in unserer Gesellschaft debattieren muss, und dass Artikel 4 kein Verbot der Auseinandersetzung mit einzelnen Predigten enthält, sondern geradezu dazu auffordert, dies zu tun.

(Beifall)

Nachfolgendes ist jetzt nicht abgestimmt mit den

anderen Fraktionen, für die ich rede. Ich lehne Ihren

Antrag ehrlicherweise auch wegen der von Ihnen vorgetragenen Begründung ab, die ich an keiner einzigen Stelle teile, weder von der historischen Herleitung noch vom Inhalt her. Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner erhält das

Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Herr Präsident, meine

sehr geehrten Damen und Herren! Mit Anträgen muss man eigentlich zum Ausdruck bringen will. Herr Dr. Korol, das Problem war, als ich diesen Antrag meinen Mitarbeitern zur Bearbeitung gegeben habe, waren sie völlig ratlos, weil sie nicht wirklich wussten, worauf sich der Antrag richtet. Wenn man einen Beitrag zu der Äußerung von Herrn Pastor Latzel leisten will, muss man sich inhaltlich dazu verhalten, und man muss ganz deutlich sagen, an welcher Stelle man anderer Auffassung ist oder bestimmter Auffassung ist. Daran fehlt es. Sie haben sich einfach zu wenig Arbeit mit diesem Antrag gemacht. Der Antrag muss auf ein bestimmtes Handeln gerichtet sein, er muss substantiiert sein.

Sie verlangen ein Bekenntnis zu Artikel 4 Grund

gesetz. Die Grundrechte sind unmittelbar geltendes Recht. So steht es bei uns im Grundgesetz in Artikel 1 Absatz 3 Grundgesetz. Das ist der Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung, in der die Grundrechte nicht unmittelbar geltendes Recht waren. Jetzt sind sie unmittelbar geltendes Recht. Wir müssen nicht zu geltendem Recht Bekenntnisse abgegeben, das ist ganz klar.

(Beifall)

Bekenntnisse gibt man ab, wenn man im Zweifel

ist. Ich habe überhaupt keinen Zweifel an der Religi onsfreiheit. Ich habe auch überhaupt keinen Zweifel an der Religionsfreiheit in Bremen. Natürlich kann man kontrovers diskutieren. Man darf auch kritisiert werden. Keine Meinung kann Anspruch auf Geltung erheben. Das ist auch hier der Fall. Es bedarf nicht eines Bekenntnisses zu Artikel 4 Grundgesetz. Es ist selbstverständlich, dass es gilt. Das ist durch nichts infrage gestellt ist. – Vielen Dank!

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag der Gruppe BÜR

GER IN WUT mit der Drucksachen-Nummer 18/1743 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt

den Entschließungsantrag ab.

Evaluierung der Umsetzung der EU-Strategie der Freien Hansestadt Bremen für die 18. Legislaturpe

riode vom 10. Juli 2012