Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Interfraktionell wurde vereinbart, Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung vorzunehmen.

Ich lasse deshalb darüber abstimmen, ob wir jetzt die zweite Lesung durchführen wollen.

Wer dafür ist den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Aufnahmegesetzes und des Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetzes, Drucksache 19/171, in der in erster Lesung angenommenen Fassung in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

(Einstimmig)

Möglichkeiten der Zwangsbelegung bei Wohnungsnot Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 16. September 2015 (Drucksache 19/73) Dazu Mitteilung des Senats vom 27. Oktober 2015 (Drucksache 19/124)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Fries.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich sehe, das wird nicht gewünscht.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren unsere Große Anfrage „Möglichkeiten der Zwangsbelegung bei Wohnungsnot“. In der Bürgerschaft haben wir durchaus schon einige Male Menschenrechtsfragen berührt. Mir ist es wichtig, dass wir den Aspekt in dieser Debatte ebenfalls betonen. Wohnen ist ein Menschenrecht. Die eigene Wohnung, die auch mit einer Reihe von Rechten geschützt wird, ist für die Mehrzahl der Menschen so etwas wie das Eigentum. Deshalb heißt es ja auch „die eigene Wohnung“.

Mir ist folgender Satz sehr wichtig: Wohnen ist mehr als Unterbringung, ein Zelt, eine Massenunterkunft, eine Notunterbringung. All das ist wichtig – auch die Unterbringung in Schlichthotels und so weiter, wir brauchen sie akut –, aber das ersetzt nicht das Wohnen und vor allen Dingen nicht das Menschenrecht auf Wohnen. Ich betone das so ausführlich, weil ich den Eindruck habe, dass wir in Bezug auf die Große Anfrage und auch in der Debatte um das Gesetz großräumig aneinander vorbeireden.

Meine Fraktion mit unserer Anfrage und der Senat mit seiner Antwort sind, wie ich finde, windschief aneinander vorbei. Uns geht es darum: Wenn das Menschenrecht auf Wohnen nicht anders erfüllt werden kann, dann muss der Staat Abhilfe schaffen,

(Beifall DIE LINKE)

auch mit dem Instrument der Zwangsbelegung, und zwar wenn Wohnungslosigkeit besteht. Und sie besteht! Die Zahl der Obdachlosen hat auch in Bremen eminent zugenommen, bundesweit um 50 Prozent. Ich finde, das sind bedrohliche Zahlen. Das müssen wir uns vor Augen führen. Als Wohnungslose werden auch all jene gezählt, die nur notdürftig untergebracht sind. Diese Unterbringung ist eben kein Wohnen.

Am Samstag gab es eine große Aktion, und es sollte eine symbolische Beschlagnahme stattfinden. Das ist letztendlich nicht passiert, aber es geht darum, dass die Menschen von der Bedeutung ergriffen sind. Was wird aus mir, wenn ich mir meine Wohnung nicht mehr leisten kann? Mit welchen Sorgen bin ich dann konfrontiert? Wo bekomme ich noch bezahlbaren Wohnraum her?

Es gibt aber auch Leerstand, wir haben die Liste dazu. Auch die Auseinandersetzung haben wir schon häufiger geführt. Spekulativer Leerstand ist indiskutabel. So etwas dürfen wir nicht akzeptieren, wenn gleichzeitig Menschen auf der Straße leben beziehungsweise in Zelten oder in Sporthallen untergebracht werden.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollten mit der Anfrage wissen: Besteht das Instrument der Zwangsbelegung noch? Es gab Gerüchte, in der Weise sei es gar nicht mehr vorhanden. Die Antwort ist ganz klar: Selbstverständlich besteht dieses Instrument. Daran hat sich auch überhaupt nichts geändert, es wird nur nicht angewendet. Wir finden, das ist falsch.

(Beifall DIE LINKE)

Das Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung, das inzwischen verabschiedet worden ist, hat hier große Wellen geschlagen. Wir erinnern uns an die Anhörung mit Haus & Grund. Passiert ist bislang gar nichts. Wir haben am 24. November in der Bürgerschaft eine Nachfrage gestellt. Das ist jetzt gut zwei Wochen her. Die Antwort war, es hat keine einzige Sicherstellung stattgefunden. Vor allem geht es auch darum, dass man sagt, Flüchtlinge sollen untergebracht werden. Das Gesetz regelt Beschlagnahmungen.

Unterbringung beseitigt aber nicht die Wohnungslosigkeit. Genau das sind die beiden Punkte, die in der Debatte immer so unverbunden nebeneinanderstehen. Das dürfen sie nicht. Denn selbstverständlich brauchen die Menschen, die momentan in diesen Unterbringungsorten quasi – wie soll ich sagen? – hausen, wenn man das überhaupt so nennen kann, Wohnungen. Sie sollen Bremen ja auch erhalten bleiben. Sie sollen hier entsprechende Perspektiven finden. Es ist schön, dass inzwischen auch private Anbieter genau das nutzen, dem entgegenkommen und Wohnungen melden.

Es ist gut, dass die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBA ein gewisses Kontingent zur Verfügung stellt, aber es reicht nicht. Wir können das Problem nicht allein durch Zwangsbelegungen lösen, wir brauchen den sozialen Wohnungsbau.

(Beifall DIE LINKE)

Wir können nicht allein über Akutlösungen diskutieren, die es im Übrigen in der Realität nicht gibt, und uns aber nicht darum kümmern, wie es mit dem Wohnungsbau weitergeht!

Der Senat nennt in der Antwort übrigens ein sehr seltsames Argument. Er sagt, Zwangsbelegung durch Beschlagnahme, also Sicherstellung, so wie sie das bestehende Polizeirecht ermöglicht, wäre ja einzelfallbezogen. Für massenhafte Wohnungsnot würde das nicht greifen. Das heißt, wenn ein Grundrecht im Einzelfall verletzt wird, dann muss der Staat eingreifen, wenn es aber massenhaft verletzt wird, dann wäre es das falsche Instrument. Das ist, finde ich, ehrlich gesagt eine merkwürdige Argumentation.

Ich habe es schon einmal erwähnt, der Druck in der Stadt steigt. Wenn die Zahl der Wohnungslosen zunimmt, wird es auch nicht mehr gelingen, die Geflüchteten innerhalb von drei Monaten in eigene Wohnungen zu vermitteln. Wir können doch nicht zulassen, dass die Unterbringung und Lösungen allein auf der Ebene die einzige Antwort darauf sind. Die Beiräte kennen die Objekte. Wir haben eine ganze Menge Rückmeldungen dazu, was in den Stadtteilen leer steht, nicht nur die Baumärkte und ehemaligen Postzentralen.

Ich möchte zum Schluss noch sagen, bei den Leerständen, die momentan ins Auge gefasst worden sind, geht es immer um Hunderte Plätze. Es gibt keine kleineren Einheiten. Das halte ich ebenfalls für falsch. Insofern bin ich der Meinung, dass wir diese beiden Probleme zusammen diskutieren müssen. Darauf zielte auch unsere Anfrage ab. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pohlmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fand es gut, dass die Kollegin Bernhard im Rahmen der Beantwortung des Senats der Großen Anfrage der LINKEN insgesamt eingeordnet hat: Was ist überhaupt die Perspektive des Senats? Wie ordnen wir die Möglichkeit, nach der Sie gefragt haben, in eine wohnungsbaupolitische Strategie ein?

Ich möchte noch einmal betonen, dass es sehr wichtig ist – und das haben ja alle Fraktionen dieser Bürgerschaft während der letzten Sitzung gehört, der Senat hatte uns über das Bündnis für Wohnen informiert, ich gehe einmal davon aus, dass das auch die Ergebnisse sind, die der Senat uns mit einem Sofortbauprogramm des Wohnungsbaus vorgestellt hat –, dass noch einmal deutlich geworden ist, dass der Senat alle Segmente, ob das nun Wohnungen für Studierende sind, ob es Fragen der Erstunterbringung der Flüchtlinge im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus sind, als ein Gesamtkonzept ansieht. Das finde ich erst einmal von der strategischen Linie her richtig.

Frau Staatsrätin, Sie waren auch anwesend. Ich glaube, dass sowohl der Bausenator als auch der Bürgermeister den Sachverhalt richtig dargestellt haben. Ich finde, dass der heutige Tagesordnungspunkt, den wir aufgrund der Großen Anfrage heute diskutieren, genau an dieser Stelle diskutiert werden muss.

Sie haben in der Debatte ausgeführt, dass es keine Spaltung geben darf. Das ist vollkommen richtig. Wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass wir sowohl neben der Erstunterbringung für Menschen, die hier eine Zuflucht suchen, als auch für Wohnungslose beziehungsweise für Obdachlose eine große Verantwortung übernehmen. Der Kernpunkt ist – und das ist die Position dieser Koalition –, dass wir zusätzliche bezahlbare Wohnungen benötigen, die auch gebaut werden müssen.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Dann bauen Sie doch!)

Das hat der Senat deutlich aufgezeigt, und wenn ich es richtig sehe, will er das auch in einer der nächsten Senatssitzungen beschließen. Ich glaube, dass das die richtige Antwort auf die bestehenden großen Herausforderungen ist, die in der Zukunft vor uns stehen, also Integration.

In der Debatte zum Bündnis für Wohnen – wenn ich es richtig in Erinnerung habe – hat entweder der Bürgermeister oder der Bausenator, aber auf jeden Fall einer der beiden einladenden Herren, gesagt, die Problematik dürfe nicht auseinanderdividiert werden, es gebe kein spezielles Programm für Menschen, die eine Zuflucht suchten, sondern die Problematik müsse im Rahmen einer Gesamtstrategie gelöst werden. Diese Auffassung teile ich, sie ist vollkommen richtig.