Protokoll der Sitzung vom 21.01.2016

(Beifall FDP)

Dass das eine Herausforderung ist – wenn Sie nur darauf aufmerksam machen müssten, dazu hätte es Ihrer Intervention nicht bedurft –, das wissen wir alle, die wir hier sitzen.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ehrlich gesagt, erinnere ich mich gern an eine Sache beim Bremer Unternehmerforum im letzten Herbst. Dort war Ingo Kramer als Präsident des BDI.

(Abg. Frau Steiner [FDP]: BDA!)

BDA! Danke! Er hat deutlich gesagt, 50 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, haben keinen Abschluss! 50 Prozent der Menschen sind auch unter 25 Jahre alt. Jetzt fragen Sie sich einmal, wie viel Menschen im Alter von unter 20 oder 25 Jahren bei uns einen Abschluss haben. Die meisten haben keinen, die meisten gehen zur Schule, befinden sich in einer Berufsausbildung und absolvieren ein Studium. Das ist genau dieselbe Situation bei den Zugewanderten wie bei uns, nur dass die Zugewanderten noch mehr lernen und die Sprache lernen müssen. Das ist für alle eine Herausforderung, die es als Gesellschaft anzunehmen gilt.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Natürlich kann man immer darauf hinweisen, dass das Glas halb voll ist, aber ich bin ein optimistischer Mensch, und es geht darum, hier die Chancen zu nutzen und nicht nur die Probleme zu sehen. Wenn Sie die Probleme sehen wollen, dann schauen Sie ins Mauseloch, aber das ist nicht gut! Schauen Sie lie

ber in die Sonne, das hebt das Gemüt, was auch Ihnen vielleicht einmal guttäte!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Abschließend noch eine Sache, Frau Dogan, nicht um falsch verstanden zu werden! Deutsch als Zweitsprache ist richtig: Es dauert bloß, bis die Menschen ausgebildet werden. Mir ist nur wichtig, dass wir, bis wir über das Mehr an Personen verfügen, auch diesen Menschen etwas anbieten, denn vier Jahre zu warten, wäre zu lang, aber da sind wir uns sicherlich einig. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ja eine sehr lebhafte Debatte. Zunächst einmal bin ich froh, dass alle sagen, es ist ein atmendes und kein totes Konzept, das kann man an dieser Stelle auch noch einmal positiv erwähnen. Es ist klar geworden, dass Integration kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Wenn die Kanzlerin sagt, wir schaffen das, dann sagt der Senat heute auf diesen 59 Seiten, so schaffen wir das als Bundesland, und gibt den Weg vor. Das war der Job, den wir im Auftrag des Parlaments erledigen sollten, und wir haben gesagt, das wollen und werden wir auch angehen. Wir schaffen es. Frau Grönert, die Sozialsenatorin macht es nicht allein! Ich kann nicht allein 10 000 Wohnungen bauen. Mit wird angst und bange, wenn Sie sagen, die Sozial-senatorin muss das alles allein vornehmen. Nein! Es gelingt nämlich nur, weil wir das alles zusammen tun, weil die gesamte Stadt, das gesamte Land bekunden, das ist unsere gemeinschaftliche und unsere gemeinsame Aufgabe.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Was ist neu an diesem Konzept? Ich habe erklärt, dass das Sozialressort eine riesige Arbeit geleistet hat. Wir reden auch nicht nur, wir sind nicht das Ressort, das im Konjunktiv spricht, Frau Grönert. Wir sind das Ressort, das im vergangenen Jahr 10 287 Menschen in Bremen aufgenommen hat, und zwar vernünftig aufgenommen hat, das Anträge entgegengenommen hat, Essen gegeben und Sprachkurse organisiert hat. Wir haben unsere Arbeit gemacht. Wir sind nicht das Ressort, das Kaffee trinken geht, dazu habe ich überhaupt keine Zeit.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir gehen noch nicht einmal Kaffee trinken, auch dazu haben wir gar keine Zeit. Wir sind das Sozialressort,

das sagt, wir tun unseren Job, und wir brauchen euch aber auch im Senat. Ihr anderen müsst ebenso alle sagen, was wir unternehmen, wenn die Menschen jetzt hier sind. Wo und wie können sie in die Kita gehen, wo kommen sie in die Schule, was bieten wir an, was können andere tun?

Im Rathaus habe ich am Montag 450 Ehrenamtliche begrüßt. Es ist einfach sagenhaft, wir müssen sehr stolz sein auf Bremen und Bremerhaven sowie darauf, was wir hier mobilisieren. Wer kommt alles ins Rathaus! Ich habe eben zu Claudia Bogedan gesagt, es sind sehr viele pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, sehr viele ehemalige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Ruhestand, Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Schülerinnen und Schüler. Alt und Jung waren dort im Rathaus und haben sich gemeinsam auch zum Thema ausgetauscht, wer eigentlich was tut. Sie haben sich zu Recht feiern lassen. Es waren Menschen, die Deutschkurse geben, die Kunsthalle erteilt Malkurse und sucht Menschen mit einer künstlerischen Begabung. Es sind Friseure dort, die Ausbildungsplätze anbieten. Die Kammern und Beiräte, die mitteilen, sich zu engagieren.

Was die Kirchen in den letzten zwei Jahren unternommen haben! Es ist schier unglaublich, jede Gemeinde in Bremen – angefangen von der Schura bis hin zur katholischen und evangelischen Kirche – hat sich mit den Themen Krieg, Flucht und Integration in Bremen beschäftigt.

Wir sind das Bundesland, das Integration kann. Ich glaube, dabei sind wir nicht Klassenletzte. Wir sind Bremen, wir können das.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben eine Bevölkerung – Herr Dr. Buhlert hat es gesagt –, die das eben auch biografisch mitbringt. Die Kammerphilharmonie Bremen, die Bremer Philharmoniker sind zu nennen. Das Theater in Bremen hat eine Benefizveranstaltung für REFUGIO veranstaltet, auf der 900 Menschen waren, die durch den Kauf ihrer Karte die psychosoziale Arbeit und die Beratungsangebote von Refugio unterstützen wollen. Frau Grönert, allein kann keine Sozialsenatorin die Menschen hier integrieren, nein! Wir müssen das als eine Gemeinschaftsaufgabe begreifen und alle die vorhandenen unterschiedlichen Fähigkeiten dabei mit einbringen. Bei dem einen ist es so, dass er gut Fahrräder zusammenschrauben kann, und der andere kann den Menschen Sprache beibringen. Nur so wird uns das in den nächsten Jahren gelingen.

Ich muss einfach noch einmal wegen Ihrer geäußerten fundamentalen Kritik zum Thema Lagezentrum ansprechen, dass ich erwartet hätte, Sie nach dieser fundamentalen Kritik wenigstens einmal dort begrüßen zu dürfen! Frau Dogan hat ja gesagt, sie habe es sich angeschaut. Sie haben behauptet, Sie fühlten sich geblendet aus der Vorlage. Vielleicht schauen

Sie es sich einmal live an, und dann dürfen Sie auch sagen, dass Sie sich geblendet fühlen!

(Abg. Frau Grönert [CDU]: Wir fühlen uns nicht ge- blendet! – Abg. Bensch [CDU]: Das stimmt!)

Es ist einfach beachtlich, wie die Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten und was wir dort erreicht haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Thema Integration in den Arbeitsmarkt ist viel gesagt worden. Ich freue mich, wenn die Partei, die ich seit den Neunzigerjahren darin erlebt habe, Spezialist zu sein, Zugewanderte vom Arbeitsmarkt fernzuhalten, jetzt sagt: Herzlich willkommen, die Zugewanderten sollen hier eine Chance haben auf dem Arbeitsmarkt! Liebe CDU, ich finde, dazulernen ziemt sich auch an dieser Stelle, und es ist gut, dass auch die CDU sagt, dass der Arbeitsmarkt und seine Gesetze sich öffnen müssen. Die Menschen, die hierherkommen, müssen hier eine Chance haben, dürfen hier auch ankommen, und zwar mit Haut und Haaren und mit ihrer Familie.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Zum Schluss möchte ich noch einmal aussprechen, dass wir uns jetzt die Bundesrepublik anschauen und sagen können, einige haben Beauftragte ins Leben gerufen, andere haben sie schon wieder entlassen. Schaut einmal nach Berlin! Mein Kollege Mario Czaja von der CDU hatte einen Flüchtlingsbeauftragten, der ist nicht mehr da. Er hat es auch nicht leicht; in Berlin kommen viele Flüchtlinge an. Hamburg hat einen Eigenbetrieb gegründet. Ich glaube, dass wir es im laufenden Betrieb für die nicht vorhersehbare Aufgabe geschafft haben, die auf uns zugekommen ist und von der jemand sagte, es habe im Jahr 2011 ja niemand vermutet, dass dies das große Thema in den Jahren 2014 bis 2016 und folgende sei, in Bremen gute Strukturen aufzubauen.

Der Blick in die Landesverfassung hilft an der Stelle auch weiter, denn sie schreibt den Ressorts eine starke Stellung zu. Im Artikel 120 der Landesverfassung heißt es: „Die Senatoren tragen nach einer vom Senat zu beschließenden Geschäftsordnung die Verantwortung für die einzelnen Verwaltungsbehörden und Ämter.“

Es steht dort nicht, dass irgendjemand beauftragt werden kann, der die Aufgabe stellvertretend für die Senatorin übernimmt. Die Verantwortung liegt bei den Senatorinnen und Senatoren. Wir sind ein Kollegialorgan. Ich muss sagen, natürlich gibt es manchmal auch Probleme, ich kritisiere den einen oder anderen, oder es wird nachgefragt. Das gehört dazu. Kritik verbessert die Arbeit. Wir arbeiten als Senat bei der Bewältigung dieser Aufgabe sehr gut zusammen. Dass ich ungeduldig bin und manchmal nach dem

einen oder anderen Sachstand frage, wissen meine Kolleginnen und Kollegen.

Frau Leonidakis, vielen Dank, dass Sie mich eben gelobt haben! Ich werde das Lob an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben, denn es ist keine Einzelleistung, sondern eine Teamleistung. Ich möchte mich auch noch einmal bei der LINKEN, insbesondere bei Herrn Tuncel, für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank richtet sich auch an die anderen Abgeordneten aus der Deputation. Alle Deputationen und Ausschüsse sind bei der kommenden Integrationsarbeit gefragt, sie müssen das Thema Integration zu ihrem Thema machen.

Eine Anekdote zum Schluss! Die Flüchtlingsproblematik verändert uns alle. Früher hätte ich in der Lobby der Bürgerschaft gesessen und festgestellt, dass die Bürgerschaft ein neues Kaffeeservice besitzt und es gut aussieht. Jetzt denke ich, ich muss Christian Weber unbedingt fragen, was mit dem alten Service passiert ist, ob es nicht gespendet werden kann, damit wir es für die Flüchtlinge nutzen können.

Ich sage einmal, dieser Gedankengang ist ein Ausdruck der Veränderung, die bei mir eingetreten ist, seitdem ich mich mit dem Flüchtlingsthema beschäftige. Es ist eine Anekdote, die ich Ihnen gern erzählen wollte. Die Flüchtlinge verändern uns, und die Flüchtlinge verändern sich durch uns. Es wird etwas Neues, etwas Gutes und etwas Großartiges daraus entstehen. Ich bin mir sicher! – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/156 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/156 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, ALFA)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

(Abg. Tassis [AfD])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/157 abstimmen.