Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Der dritte Punkt, den die Schulleitungen moniert haben, ist die Überlastung. Wir haben einfach eine Vielzahl neuer Aufgaben für die Schulen und die Schulleitungen geschaffen, aber nicht mehr Arbeitszeit zur Verfügung gestellt. Das sagen alle Stellungnahmen, sie benennen eine massive Überlastung und weisen darauf hin, dass der Krankenstand entsprechend hoch ist. Die Überlastung berührt unter anderem daher, dass Lehrkräfte und Schulleitungen all die zusätzlichen Aufgaben, die ihnen von der Politik seit 2009 übertragen worden sind, in der gleichen Arbeitszeit schaffen sollen. Das ist schlichtweg nicht möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer beispielsweise eine Ganztagsschule leitet, braucht mehr Zeit für Koordinierungsaufgaben als jemand, der „nur“ einen Halbtagsbetrieb managen muss. Eine zentrale Forderung der Schulleitungen ist daher, neue Vereinbarungen zur Leitungszeit zu treffen. Die Schulleitungen haben einen Vorschlag zur Neuregelung vorgelegt, in dem einige Schulleitungen sogar solidarisch Leitungsstunden abgeben, damit die Ganztagsschulen gestärkt werden können.

Dieser solidarische Vorschlag ist aber zumindest in der letzten Woche noch nicht zum Tragen gekommen. Vielleicht wissen die Vertreter der Koalition mehr. Die Senatorin hat dazu in der letzten Woche der Bildungsdeputation gesagt, sie lehne ihn ab, weil er angeblich nicht kostenneutral sei. Hier frage ich mich: Wenn Schulleitungen solidarisch sind und Leitungsstunden abgeben, warum rechnet die Behörde so knapp nach, und warum wird das solidarische Handeln der Schulleitungen in Bremen nicht einfach honoriert?

(Beifall DIE LINKE)

Warum kann man da nicht einfach ein paar Stunden drauflegen? Insbesondere dieser Punkt zeigt doch eines der großen Probleme der Bremer Bildungspolitik auf: Es muss immer alles kostenneutral sein. Das funktioniert nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das erleben wir seit fünf Jahren!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Güngör [SPD]: Das ist Quatsch, was Sie eben gesagt haben!)

Neuerungen wie Ganztag, Neuerungen wie Oberschule, Neuerungen wie Inklusion gibt es nicht kostenneutral, Herr Güngör.

(Abg. Güngör [SPD]: Es ist nicht kostenneutral, Frau Vogt!)

Die Schulen müssen dafür zusätzliche Mittel erhalten und ordentlich ausgestattet werden. Sonst passiert das, was wir gerade erleben: Sie gehen nämlich an vielen Stellen unter!

(Beifall DIE LINKE)

Viertens wird kritisiert, dass Schulen im Moment überhaupt keine Planungssicherheit haben. In allen Stellungnahmen wird bemängelt, dass die Schulen und die ReBUZ nicht wissen, wie es weitergehen wird. Es werden zwar verschiedene Zahlen in der Bremer Presse genannt, wir wissen aber nicht, was beschlossen wird. Auch die Senatorin hat letztens ganz offen zugegeben: Es ist nicht schön, wenn Beschlüsse, die nicht gefasst worden sind, in der Presse als Vorschläge kolportiert werden, die Schulen davon ausgehen, dass es vielleicht zusätzliche Stunden gibt, dass in der Realität dann aber nicht so umgesetzt wird. Es werden verschiedene Zahlen in der Bremer Presse genannt. Was die Senatorin für das aktuelle Jahr plant, wird auch immer wieder erwähnt, aber was konkret geschieht, wissen wir nicht. Das wissen wir als Abgeordnete nicht, dass wir als Deputierte nicht, und das wissen die Schulleitungen auch nicht.

Es sieht derzeit so aus, als ob der Senat erst die Haushaltsbeschlüsse der Bürgerschaft abwarten wird, und die Bürgerschaft wartet auf die Eckwerte des Senats. Im Moment müssen wir davon ausgehen, dass sich der Beschluss über den Haushalt noch einmal um einen Monat oder zwei Monate nach hinten verschieben wird.

Dieser Zeitplan ist, ehrlich gesagt, für die Schulen eine Katastrophe, nicht nur, weil das neue Schuljahr beginnt, sondern weil die Schulen eigentlich jetzt verlässliche Planungszahlen für das Schuljahr bekommen müssen. Wir als Politik – das ist der Umkehrschluss – müssen einen Weg finden, den Schulen jetzt zusätzliche Mittel bereitzustellen, unter anderem für die Herausforderung, über 2 000 Kinder von Geflüchteten in den Schulen aufzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

An diesem Punkt hat die GEW völlig recht: Wir brauchen bis zu den Osterferien eine Planung, und zwar eine Personal- und Standortplanung für das nächste Schuljahr, die den gewachsenen Herausforderungen Rechnung trägt.

(Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hatten wir hier im vergangenen Herbst im Übrigen beantragt. Es ist leider abgelehnt worden, auch wenn die Vertreter der

Regierungsfraktionen zugegeben haben, dass es ein Problem ist, dass die Standortplanung nicht fortgeschrieben worden ist.

Ich komme für die erste Runde zum Schluss! Ich glaube, wir brauchen diese Standortplanung ganz dringend, denn nur so können wir den Schulen auch mittelfristig helfen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Liebe Frau Kollegin, Sie haben jetzt Ihre gesamte Redezeit ausgeschöpft.

(Beifall SPD, CDU)

Ich höre Ihnen immer gern zu. Sie haben aber 16 Minuten geredet. Es ist jetzt Ende.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Gut, aber ich bin auch zu allem gekommen!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! In den vergangenen Tagen hat es mehrere Wortmeldungen in der Öffentlichkeit gegeben, die im Prinzip alle den gleichen Tenor hatten, ob die Grundschulen aus dem Westen, die Schulleiter oder die Aussagen im Zuge der Personalversammlung: Es geht immer darum, dass Schulen am Limit ihrer Möglichkeiten sind, dass sich Erwartungen an Schulen und Ressourcen immer weiter auseinander entwickeln. Das ist für die CDU-Fraktion mehr als ein rituelles Aufzeigen und Lautgeben rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen. Das sind Hilferufe. Das sind Warnungen, die wir und die insbesondere Sie ernst nehmen sollten, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Die Stichworte sind schnell benannt: Inklusion, Ganztag und Entwicklung der Oberschulen waren und sind Reformvorhaben, die schon in der Vergangenheit, aber auch bis in die Gegenwart wirkend zusätzliche Herausforderungen für die Schulen darstellten und darstellen. Sie sind an sich schon mit erweiterten und veränderten Ressourcen verbunden. Sie sind aber nicht nur ein Mehr, sondern sie stellen auch die Eckpfeiler einer anderen Schule dar. Ihre Entwicklung bedarf Zeit. Insbesondere bei der Inklusion, die wir alle gemeinsam wollten und wollen, meine Damen und Herren, ist das so.

Inzwischen sprechen Sie selbst – man kann das als erstmalige kritische Einsicht betrachten – von einer forschen Einführung. Wir haben immer zu Sorgfalt vor Eile geraten, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Wir haben immer angemahnt, in andere Bundesländer zu schauen, die die Inklusion ja auch umsetzen, aber eben in Schritten. Wir haben immer angesprochen, dass Ressourcen quantitativ ausreichend, insbesondere im Hinblick auf Qualifikationen, aber auch zeitgerecht zur Verfügung stehen müssen, und dass das ganz wesentliche Gelingensbedingungen für Reformvorhaben wie zum Beispiel die Inklusion sind, übrigens nicht nur bei den Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch in den Feldern persönliche Assistenz und Unterstützung durch ReBUZ und ZuP.

Sie aber laufen nun einer Entwicklung hinterher, die Sie immer selbst forciert haben und die Ihnen hoffentlich schlussendlich nicht aus den Händen gleitet. Sie gefährden dann vollends nicht nur das Reformvorhaben wie die Inklusion in der Sache, Sie gefährden schon jetzt mit Ihrem Tun – sagen wir lieber: mit Ihrem Unterlassen – die Akzeptanz für ein im Prinzip für richtig gehaltenes Ziel, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

In der letzten Legislaturperiode hieß das Trostpflaster: Schippe drauf! Jetzt heißt die magische Antwort: 200 zusätzliche Lehrkräfte! Dass inzwischen eine neue, in den Dimensionen vielleicht noch gar nicht abschließend abschätzbare Entwicklung stattgefunden hat, kommt in Ihren ressourcenbezogenen Planungen, wenn überhaupt, erst rudimentär vor.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Wenn es nicht abschätz- bar ist!)

Die aktuelle Zuwanderung stellt die Schulen noch einmal vor neue Herausforderungen. Es kommen nicht nur zusätzliche Schülerinnen und Schüler, es kommen Schülerinnen und Schüler mit sehr heterogenen Voraussetzungen und Erfahrungen. Wenn es uns nicht gelingt, Schulen auch in Bezug auf diese nochmals veränderte Situation angemessen auszustatten und zu unterstützen, dann werden nicht nur in erster Linie die Schulen der Gefahr ausgesetzt zu scheitern, schlimmer noch: Dann wird die Integration sehr vieler Menschen in Gesellschaft und Beruf grundlegend gefährdet, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Kurzum: Es geht um vieles. Es geht darum, Schulen vor Überforderung zu schützen. Schulen können nicht die Reparaturwerkstatt der Gesellschaft sein, schon gar nicht allein und dann auch noch mit unzureichenden Rahmenbedingungen. Schulen sind Einrichtungen mit einem Erziehungs, insbesondere aber auch mit einem Bildungsauftrag.

Es ist jetzt schon schwierig genug, diesen wahrzunehmen. Schon jetzt nimmt die Zahl derer, die Sprachförderbedarf in die Grundschule mitbringen, trotz Sprachförderung im vorschulischen Raum nicht ab, sondern zu. Zwar mag das Ziel einer schnellen Integration von Flüchtlingen in den Regelunterricht ein plausibeles Ziel sein, aber für den Mathematikunterricht müssen andere Voraussetzungen als für den Sportunterricht gelten. Ohne angemessene Sprachkenntnisse ist am Ende niemandem geholfen, weder den Schülern mit Förderbedarf noch den Schülern ohne Förderbedarf, und an diese Schüler dürfen wir auch gelegentlich denken. Den Lehrerinnen und Lehrern ist im Übrigen erst recht nicht geholfen, denn sie sind schon jetzt mit der Heterogenität im Klassenzimmer mehr als ausreichend belastet.

(Beifall CDU)

Deshalb: Für eine Herabsetzung von Standards, für ein Heraufsetzen von Klassenfrequenzen oder anderen potenziellen Verschlechterungen gibt es bei uns, erst recht aber in der Bevölkerung und in den Schulen, keine Zustimmung. Im Zweifel brauchen wir keine größeren, sondern zusätzliche Klassen. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Qualität in den Schulen. Zusätzliche Schülerinnen und Schüler sind aber nicht nur eine Herausforderung für das unmittelbar lehrende Personal, sondern wir brauchen auch geeignete und auskömmliche Rahmenbedingungen etwa für die Schulleitungen, die völlig zu Recht auf ihre Situation aufmerksam gemacht haben.

Wir brauchen auch und insbesondere mit Blick auf eine wirkungsvolle Sprachförderung ein schnelleres und pädagogisches Zusammenwachsen der Kitas und der Schulen, das Sie nach wie vor viel zu zögerlich angehen. Manches in der Politik hat eben nicht nur mit dem „wie viel“, sondern auch mit dem „wie“ zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Deshalb ist Ihre Politik im Personalbereich besonders ärgerlich. Seit Jahren ist bekannt, dass Lehrerinnen und Lehrer, aber insbesondere auch Sozialarbeiter knapp sind, unter anderem auch, weil bestimmte Länder gerade dabei sind, ihre Personalkörper aufgrund der Altersstruktur stark zu verändern. Das war lange absehbar! Selbst dann, wenn Sie etwas anderes behaupten, sind Ihre Einstellungspolitik, Ihre Nachwuchsarbeit und Ihre Personalentwicklung Bereiche, zu denen ich immer wieder vielfältige Kritik aus dem schulischen Alltag höre. Lassen Sie mich anführen: Politik sollte mit einem Blick auf die Realität beginnen und sich an Bedarfen orientieren, aber nicht an Wunschvorstellungen und Schönfärbereien, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Dazu gehört auch, ein attraktives Berufsbild für Lehrerinnen und Lehrer zu erhalten. Dazu gehört letztlich mehr als eine konkurrenzfähige Bezahlung. Dazu gehört immer ein attraktiver Arbeitsplatz Klassenzimmer, ein Arbeitsplatz, der nicht pausenlos Spitzenbelastungen für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet, wie gerade jüngst in der Studie zu Bremen als Arbeitgeber belegt. Im Gegenteil, wir brauchen Arbeitsplätze, die von bürokratischem Beiwerk entlasten und eine Förderung von Schülerinnen und Schülern ermöglichen, die begleitet werden durch eine Personalentwicklung, die ihrerseits fördert und unterstützt, die dies für die Betroffenen machbar und attraktiv gestaltet, zum Beispiel durch angemessene Stundenentlastungen. Wir werden Lehrerinnen und Lehrer nicht vor den Veränderungen der Gesellschaft bewahren können, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass wir sie in die Lage versetzen müssen, sich mit diesen Veränderungen offensiv auseinandersetzen zu können.

(Beifall CDU)

Dazu müssen Sie zunächst Ihre Hausaufgaben machen, als Stichwort nenne ich die Zuweisungsrichtlinie. Sie ist eigentlich die Grundlage für eine seriöse und transparente Ressourcenplanung, insbesondere dann, wenn man sich im Haushaltsaufstellungsverfahren befindet. Seit Monaten und seit Jahren hört man: „Jetzt geht‘s los!“ Letztmalig war sie für die Februar-Sitzung der Deputation angekündigt. Was war? Wieder Fehlanzeige! Wenn ich hier sagen würde, Sie arbeiten im Schneckentempo, dann wäre das eine Beleidigung für manche Schnecke, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Sie werden die Verantwortung für die Ressourcendiskussionen und die Angemessenheit von Forderungen tendenziell bestreiten oder zumindest relativieren, dabei sind Sie selbst dafür verantwortlich. Sie liefern mit der fehlenden Zuweisungsrichtlinie gerade nicht die notwendigen und dann dazu zu akzeptierenden Maßstäbe für eine transparente Diskussion, bei der jeder nachvollziehen kann, was ihm zusteht, was er erwarten kann oder was er eben auch nicht erwarten kann. Die Diskussion, an welcher Stelle berechtigte Forderungen bestehen, wäre ganz anders führbar, denn in Haushaltsnotlagezeiten kann auch ein pauschales Mehr und ein nochmaliges Mehr nicht endlos die Lösung sein. Wir kritisieren Ihre Ressourcenpolitik, wir lassen uns aber nicht auf ein Wettlauf, wer mehr bietent, ein. Diesen Wettlauf gewinnt im Zweifelsfall immer DIE LINKE, und mit der wollen wir in dieser Hinsicht auch nicht identifiziert werden.

(Beifall CDU)