Ich möchte noch einen letzten Satz dazu sagen. Ich glaube, dass wir generell in Anbetracht der Lage und der Anzahl unbegleiteter minderjähriger Ausländer gut beraten sind, in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam darüber zu sprechen, ob unser deutsches Jugendhilferecht die richtigen Antworten für die Probleme dieser jungen Menschen gibt. Das deutsche Jugendhilferecht ist einmal für jene Jugendlichen geschaffen worden, die, durch die Eltern erzogen oder am Ende staatlich in Obhut genommen, in Einzelfällen eine ergänzende pädagogische Betreuung brauchen.
Die Zielgruppe, die wir zurzeit im Auge haben, wird meiner Ansicht nach nicht wirklich vom Jugendhilferecht erfasst. Sie geht in der Regel nicht in eine deutsche staatliche Schule. Sie hat in der Regel keinerlei Bezugspersonen in Deutschland. Deshalb möchte ich am Schluss, egal, wie die Abstimmung heute ausgeht, dafür werben, dass auch der Senat vielleicht im Bundesrat dahin gehend initiativ wird, dass das deutsche Jugendhilferecht auch dieser Personengruppe die passenden zeitnahen und wirksamen Hilfen anbietet. – Vielen Dank!
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendgerichts aus Bremen begrüßen. – Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, es ist unbestritten, dass wir hier in Bremen – wie aber auch andere Großstädte und Kommunen – eine Anzahl von Jugendlichen haben, die kriminell und gewalttätig sind und als Intensivtäter gelten, und es ist unbestritten, gerade auch im Sinne des Opferschutzes, dass hier dringend Abhilfe geschaffen werden muss. Die Menschen erwarten zu Recht Lösungen für dieses Problem.
Hierzu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, aber auch Einschätzungen, welche Lösung geeignet ist. Herr Röwekamp, Sie haben uns Grünen gerade vorgeworfen, wir würden Lösungen verzögern. Wir Grünen haben uns nun schon mehrmals – bis hin zu Landesmitgliederversammlungen – dazu bekannt, dass wir zu der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen fakultativ geschlossenen Unterbringung der Jugendlichen als Ultima Ratio stehen. Sie sagten vorhin, wir würden das verzögern. Sie haben auch Susanne Wendland und andere Teile der Fraktion angeführt. Ich sage: Susanne Wendland sieht aus tiefster Überzeugung eine geschlossene Unterbringung kritisch bis ablehnend, andere auch, im Übrigen auch der Kinderschutzbund und die Vereinigung der Niedersächsischen und Bremer Strafverteidiger sowie viele Experten und Fachleute aus dem gesamten Jugendhilfesystembereich.
Meine Damen und Herren! Es ist ein so wichtiges Thema, wie wir gegen diese Jugendlichen vorgehen und welche Lösungen wir finden, dass ich es auch nicht schlimm finde, wenn in unserer Fraktion jemand eine kritische Haltung dazu hat. Wir wissen aus den Erfahrungen in anderen Bundesländern, in denen es solche Einrichtungen gibt, dass diese entweder schon wieder geschlossen worden sind oder nicht optimal funktionieren. Wenn wir nicht die gleichen Fehler machen wollen, ist es doch richtig, dass man sich dieses Thema aus allen Blickwinkeln, auch aus kritischen, anschaut.
Insofern sage ich aus tiefster Überzeugung – und das sage ich allen hier –, ich bin froh, einer Fraktion und einer Partei anzugehören, in der es möglich ist, dass es zu einem Thema die unterschiedlichsten Meinungen gibt, auch kritische, und vielleicht auch einmal unterschiedliche Abstimmungsergebnisse innerhalb einer Fraktion. Das Wichtigste ist am Ende, dass die Mehrheit – und wir stehen heute geschlossen hier – einer Koalition zu einem Thema eine Meinung und eine Entscheidung findet. Aber ich bin überzeugt, dass es zu einem demokratischen Prozess dazugehört, dass nicht von oben diktiert wird, was die allgemeine Meinung ist, sondern dass es auch innerhalb einer Partei kritische und unterschiedliche Meinungen gibt.
Ich teile nicht den Duktus und auch nicht auch Argumentation des CDU-Antrages, der uns Grünen vorwirft, wir würden aus rein ideologischen Gründen lieber Jugendliche in U-Haft bringen anstatt in eine deutlich mildere, aber sinnvollere intensivpädagogische Betreuung mit gegebenenfalls einer geschlossenen Unterbringung. Ehrlich gesagt, finde ich das absurd.
Erstens – das sagen wir Grünen ganz klar – ist Freiheitsentzug ein massiver Eingriff in ein Grundrecht. Deshalb ist es erst einmal richtig, dass die Hürden auch im Jugendstrafrecht relativ hoch sind.
Bei der CDU klang das bisher ganz anders. Frau Grönert stand in der letzten Debatte hier vorn und hat bedauert, dass es in Bremen keine Jugendeinrichtung gibt, in der den Jugendlichen auch einmal die Tür vor der Nase zugeschlossen werden darf. Sie stand hier und hat gesagt, dass sie es bemerkenswert finde, dass jugendliche Flüchtlinge, die sich in U-Haft wiederfänden, also eine Weile weggesperrt würden, dort plötzlich anfingen, über ihr Leben nachzudenken. Das klang, ehrlich gesagt, bisher ganz anders.
Meine Damen und Herren, eine geschlossene Unterbringung sehen wir als einen Mosaikstein gerade zur Haftvermeidung, aber ebenso als eine Einrichtung für Jugendliche, die nach einer Haftstrafe vielleicht noch nicht so resozialisiert sind, dass sie ohne Probleme in die Gesellschaft entlassen werden können.
Was mich an allen Debatten – nicht nur der heutigen Debatte –, die wir bisher zu geschlossenen Einrichtungen geführt haben, stört, ist, dass sie von der CDU, aber auch von anderen immer als eine Art Allheilmittel angepriesen werden,
dass das Problem der delinquenten Jugendlichen ein für alle Mal und zu hundert Prozent löse. Das ist eben nicht der Fall.
Die geschlossene Unterbringung ist einzig für Jugendliche unter 18 Jahren. Die geschlossene Unterbringung unterliegt dem Jugendhilfegesetz. An eine solche Einrichtung sind dementsprechend ganz hohe Standards baulicher, fachlicher und personeller Art gesetzlich festgesetzt.
Bei Ihnen, Herr Röwekamp, klang es eben so, als sei es die einzige Möglichkeit, mit der man die Gesellschaft schützen könne, als sei es eine Art Knast light. Es handelt sich eben um eine Einrichtung der Jugendhilfe, und Jugendliche dürfen dort nur kurze Zeit ei
nen Freiheitsentzug erfahren. Dort dürfen eben auch nur extra geschulte Pädagogen und nicht Justizvollzugsbeamte eingesetzt werden. Wir brauchen also nicht nur einen geeigneten Standort, sondern auch ein geeignetes schlüssiges Konzept. Man muss zum Beispiel auch die Frage beantworten, wie man den Schulunterricht für die Jugendlichen gewährleisten kann, und wir brauchen geeignetes Personal.
Bremen und Hamburg – Sie sagten, es sei überhaupt nichts passiert; das kann man so nicht stehen lassen – führen intensive Gespräche und haben sich bereits auf einen Standort im Blockland geeinigt. Dort bedarf es aber eines Neubaus. Der Neubau muss zudem finanziert werden. Ich möchte eine kleine Rechnung aufmachen. Sieht man sich eine vergleichbare Einrichtung zum Beispiel in München an, stellt man fest, sie hat fünf Millionen Euro gekostet. Die laufenden Kosten betragen dort für 14 Plätze und einem Tagessatz von bis zu 350 Euro also 10 000 Euro pro Monat. Das ist ein Jahresetat von 1,7 Millionen Euro. Das ist viel Geld, gerade für ein Haushaltsnotlageland wie Bremen. Da die GU zusammen mit Hamburg betrieben werden soll, wird auch mit Hamburg über die Finanzierung verhandelt. Wie in dem Antrag der CDU gefordert, aus der GU einen Eigenbetrieb zu machen, um die Einrichtung zu betreiben oder zu finanzieren, finde ich, ehrlich gesagt, eine abstruse Idee.
Meine Damen und Herren, wir Grüne sind davon überzeugt, dass wir neben der pädagogisch betreuten U-Haft und der fakultativ geschlossenen Einrichtung zur Prävention vor allem intensivpädagogische Maßnahmen brauchen und ausbauen müssen. Wir setzen zum Beispiel auf Straßensozialarbeit. Die Jugendlichen befinden sich nämlich auf der Straße. Dort muss man sich um sie kümmern. In Hamburg hat man damit sehr gute Erfolge erzielt.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin! Dort kann man nämlich den Kontakt und Vertrauen zu Jugendlichen aufbauen, sie präventiv stabilisieren, bevor sie straffällig werden. In Hamburg – ich erspare Ihnen die Details der Rechnung – hat man mit 170 000 Euro im Jahr mit 250 Jugendlichen erfolgreich gearbeitet.
Ich möchte noch auf Beschlusspunkt drei eingehen. Entsprechend der multiplen Problemlagen der Jugendlichen ist es wichtig – das zeigen auch Erfahrungen aus Hamburg –, jeden Fall als Einzelfall zu prüfen. Was genau kann helfen? Welcher Träger, welche Maßnahmen? Um diese Fragen gemeinsam zu beraten, ist uns eine Koordinierungsstelle wichtig.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass wir die Gesellschaft vor kriminellen Jugendlichen schützen müssen. Der Senat arbeitet derzeit zusam
men mit Hamburg an der Realisierung einer GU. Ja, wir brauchen bis zur Fertigstellung geeignete Zwischenlösungen, aber wir brauchen ebenso und vor allem intensivpädagogische Maßnahmen, die bei den Jugendlichen effizient greifen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte ist schon eine interessante Situation. Alle in dieser Bürgerschaft vertretenen Fraktionen haben sich mit ihren jeweils eigenen Anträgen, wobei wir als Koalition natürlich einen gemeinsamen Antrag eingebracht haben, zur notwendigen sozialpädagogischen Hilfestellung für die in Bremen und Bremerhaven lebenden Jugendlichen bekannt, die Hilfe bedürfen. Das ist schön. Allerdings haben Sie das mit jeweils verschiedenen Schwerpunkten und, wie ich wohl auch sagen darf, unterschiedlichen Graden an Polemisierung des Themas getan.
Für unsere Fraktion, für die Regierungsfraktionen insgesamt und auch für den Senat kann ich sagen – da schließe ich mich meiner Vorrednerin an –, dass wir uns der Versorgung dieser jungen Menschen und natürlich auch den jungen Menschen, die zu uns geflüchtet sind, mit Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit und je nach persönlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen und Bedarfen mit diversen sozialpädagogischen Angeboten widmen, die geboten sind.
Zu diesen besonderen Angeboten, die hier notwendig sind, gehören intensivpädagogische Betreuungsangebote für Minderjährige mit komplexem Hilfebedarf. Zu diesen gehört auch – da sind die Koalitionsfraktionen geschlossen – die Möglichkeit einer fakultativ geschlossenen Einrichtung, um, wenn möglich, eine kriminelle Entwicklung zu verhindern, zumindest aber, um für straffällige Jugendliche die pädagogisch deutlich schlechtere und weniger erfolgversprechende Untersuchungshaft und Jugendstrafe zu vermeiden.
Denn der Jugendvollzug – da stimme ich Herrn Röwekamp ausdrücklich zu – ist keine Jugendhilfeeinrichtung. Jugendstrafe ist eine strafrechtliche Freiheitsentziehung. Auch wenn ich als ehemalige Jugendrichterin und für den Jugendvollzug zuständige Vollstreckerin, Vollstreckungsleiterin – –.
Manchmal wünschen wir, dass wir auch die Vollstrecker und Vollstreckerinnen sind, meine Kolleginnen und Kollegen, aber natürlich leiten wir die Vollstreckung!
Ich halte viel von der dort geleisteten Arbeit und weiß auch, dass es für manche jungen Straftäter richtig ist, wenn man ihnen klare Kante zeigt und die Sanktion der Jugendstrafe verhängt. Ich weiß aber auch, dass es für jeden jungen Menschen immer auch einen Weg aus der Kriminalität jenseits des Vollzugs geben muss und dass wir verpflichtet sind, ihnen diesen Weg zu zeigen und anzubieten.
Eine andere Sichtweise wäre nicht nur aus Sicht von Jugendgerichtsbarkeit und Jugendhilfe verfehlt, sondern auch zynisch!
Eine ganz kurze Bemerkung, weil das gerade im Raum stand! Ich bin leider ein bisschen pessimistischer als womöglich der eine oder andere von Ihnen. Weder das Strafrecht noch das Jugendstrafrecht noch die Jugendhilfe werden Kriminalität abschaffen können.
Das wäre schön. Das werden wir aber nicht schaffen. Wir werden immer die Angebote machen müssen, die richtig sind, und versuchen müssen, so viel Schutz wie möglich zu garantieren.
Die Notwendigkeit der fakultativ geschlossenen Unterbringung ist unbestritten. Das ist kein Hardlinertum. Das ist auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit.
Mein ehemaliger Kollege beim Jugendgericht hat das auch deutlich in eines seiner Urteile geschrieben, das mehr Öffentlichkeit als manche anderen Urteile erlangt hat. Aber er hatte Recht damit. Ich erlaube mir zu zitieren: