den musste. Damals räumte der Senat ein, dass mehrere Personen rechtswidrig abgeschoben werden sollten. Senator Mäurer enthob den verantwortlichen Abteilungsleiter seiner Position und bedauerte – OTon – die fehlerhafte Bearbeitung in diesem äußerst sensiblen Bereich.
Heute braucht es dafür keine Abschiebeärzte mehr. Die Bundesregierung erledigt das und schreibt Kranke einfach pauschal per Gesetz gesund. Ich finde, das ist hochgradig zynisch, meine Damen und Herren!
(Abg. Tschöpe [SPD]: Die Sprache, die Sie sich an- gewöhnt haben, ist geschichtlich durchaus belastet! – Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, ALFA)
(Abg. Tschöpe [SPD]: Wer einen Rechtsstaat mit der Sprache „Selektion“ und „Deportation“ beschreibt, sollte sich geschichtlich noch einmal schlau machen! – Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, ALFA – Abg. Leidreiter [ALFA]: Das sind keine Ein- zelfälle!)
Die Psychotherapeutenkammer beschreibt den Gesetzentwurf als voreingenommen und stigmatisierend und teilt die treffende Bewertung der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht des Bremischen Anwaltsvereins, der die SPD-Parteizentrale vor einigen Tagen besucht hat. Sie sagen, das Asylpaket II gefährdet das Leben von geflüchteten Menschen und ist verfassungswidrig.
Doch damit nicht genug! Das Asylpaket, dessen moralische Unterstützung sich die CDU von dieser Bürgerschaft wünscht, beinhaltet einen weiteren Angriff auf fundamentale Grundrechte. Geflüchtete mit subsidiärem Schutz sollen künftig ihre Familie erst zwei Jahre später nachholen können. Subsidiärer Schutz bedeutet, dass einer Person im Falle einer Abschiebung unmenschliche Behandlung oder Gefahr an Leib und Leben droht. Sie erhält ein Abschiebeverbot und
ihr wird der sogenannte subsidiäre Schutz erteilt. Diesen Status bekommen derzeit vor allem Menschen aus Somalia, aus Eritrea und Afghanistan, in Zukunft vermutlich auch wieder mehr aus Syrien; das hat Innenminister de Maizière schon angekündigt.
Menschen aus diesen Ländern flüchten also vor einer anerkannten Lebensgefahr. Sie müssen illegale Fluchtwege nehmen und werden mittlerweile in Europa durch mehrere Zäune und Schließungen an den Schengen-Grenzen gestoppt.
wie den Asylberechtigten das Recht auf den Familiennachzug zugesprochen und damit ermöglicht, dass wenigstens den Angehörigen der gefährliche Weg erspart wird. Auf mehr zum Familiennachzug komme ich in der zweiten Runde zu sprechen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir im Herbst letzten Jahres zum Thema der Flüchtlingspolitik eine – ich will es einmal so sagen – sehr lebhafte Debatte hatten, habe ich mir heute vorgenommen, dass wir versuchen sollten, die großen Probleme, die viele Menschen in Deutschland, aber auch in Bremen und Bremerhaven umtreiben, in eine etwas sachlichere und ruhigere Atmosphäre zu führen. Das fällt nach Ihrem Debattenbeitrag, Frau Leonidakis, ein wenig schwer, aber ich möchte den Einstieg deshalb bewusst nicht anhand Ihrer Rede, sondern anhand einer Vorbemerkung wählen.
Wenn wir darauf zurückschauen, was Deutschland, Bremen, aber auch Bremerhaven in den letzten 70 Jahren geleistet haben in ihrer Verantwortung für Flüchtlinge nach den Grauen des Zweiten Weltkriegs, egal, ob sie in ihrer Heimat verfolgt wurden und in Deutschland Schutz gesucht haben oder vor Bürgerkrieg und Vertreibung geflohen sind, so ist dies bemerkenswert. Unabhängig von der jeweiligen politischen Regierung, von Bayern bis Schleswig-Holstein, ist Deutschland seiner Verantwortung in der Welt und gegenüber den Flüchtlingen in der Vergangenheit in vorbildlicher Weise nachgekommen.
Ich sage für die CDU-Fraktion ganz offen: Mir wäre es am liebsten, es wäre alles so geblieben, wie es im Jahr 2014 war. Ja, es stimmt, wir haben das SchengenAbkommen auch als Deutsche nicht eins zu eins umgesetzt. Ja, es stimmt, wir haben als Deutsche auch nicht darauf gedrungen, dass die Außengrenzen nach dem Dublin-III-Abkommen eins zu eins so geschützt werden, wie es eigentlich Vertragslage war. Ja, es stimmt, wir waren bei der Einordnung von Bürgerkriegsflüchtlingen unter die Genfer Flüchtlingskonvention bis 2014 in allen Ländern in Deutschland großzügiger, als es der Gesetzeswortlaut hergegeben hat. Ja, es stimmt, wir haben auch aus humanitären Gründen die eine oder andere Duldung mehr erlaubt, als wir rechtlich dazu verpflichtet gewesen wären. Das möchte ich vorweg sagen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Schwerpunktsetzungen im Detail war dies der gesellschaftliche Konsens in Deutschland bis zum Jahr 2014, und ich habe die Hoffnung und Erwartung, dass wir auch die anstehenden großen Probleme, die wir zurzeit wegen des hohen Zustroms von Flüchtlingen haben, im Respekt vor dieser historischen Leistung in Deutschland, Bremen und Bremerhaven auch in Zukunft bewältigen, meine Damen und Herren.
Deshalb möchte ich eine zweite Vorbemerkung machen, weil ich, wie viele andere auch – ich denke, ja, ich würde fast sagen, 99 Prozent dieses Hauses – entsetzt darüber bin, was sich in Bautzen und Clausnitz in den letzten Tagen ereignet hat. Ich finde, dass sowohl Deutschland seine humanitäre Seite in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, aber ich finde auch, dass sich die Menschen, die aus fremden Religionen, aus fremden Ethnien, aus fremden Ländern zu uns gekommen sind, bis auf wenige Einzelfälle überwiegend gut in unsere Gesellschaft integriert haben, dass sie unsere Gesetze und Grundrechte achten und respektieren und ein wertvoller Teil unserer deutschen Gesellschaft geworden sind.
Ich habe den Eindruck, dass mancher, der auf diesen Wegen zu uns gekommen ist, von unseren Menschenrechten mehr versteht als mancher, der in Bautzen und Clausnitz in den letzten Tagen laut das Wort ergriffen hat.
Wenn wir schon bei der Sprache sind, will ich noch einmal ausdrücklich in Richtung DIE LINKE sagen: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer in einer solchen Debatte Begriffe wie Selektion und Deportation oder Abschiebeärzte benutzt, der stellt die politische Exekutive in Deutschland in eine wörtliche Reihe mit den schwersten Verbrechen, die von deut
Ich habe schon in der letzten Bürgerschaftsdebatte etwas erregter darauf hingewiesen, dass man darüber streiten kann, welche auch im Parlament vertretene politische Partei eine größere Nähe zu totalitären Systemen und Menschenrechtsverletzungen hatte. Aber dass Sie die gesamte Gesellschaft, die Bundesregierung und die Koalition in Berlin in eine Reihe mit den schwersten Verbrechen stellen, die von deutschem Boden ausgegangen sind, finde ich unverantwortlich, und das ist von der Sprache her auch völlig unverständlich.
Ich sage ganz bewusst: Wenn Sie so weitermachen, wenn das der Gegenstand Ihrer parlamentarischen Auseinandersetzung ist, dann werden wir uns in gleicher Weise mit Ihrer Geschichte und Ihren inhaltlichen Ausführungen auch hier im Parlament auseinanderzusetzen haben. Ich sage ganz bewusst: Ich finde, dass wir alle gemeinsam zu Recht stark gegen die Hetzparolen der AfD argumentieren, und ich stimme dem Kollegen Herrn Sükrü Senkal vollständig zu: Wenn diese Aussagen Anlass dazu sind, die AfD zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes in Bremen und in Deutschland zu machen, dann werden Sie die Unterstützung auch der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft haben.
Aber genauso vehement, wie wir die Sprache dieser Rechtspopulisten zurückweisen, genauso energisch weise ich Ihre linkspopulistischen Äußerungen, Frau Leonidakis, zurück.
Worum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren? Es geht darum, dass wir – nicht nur wir, sondern alle in Europa – darüber diskutieren, wie wir wieder Herr der Lage werden. Ich habe schon gesagt, es geht aus unserer Sicht, aus Sicht der CDUFraktion, eben nicht so weiter mit der Flüchtlingspolitik, wie wir es bis zum Jahr 2014 und auch noch im Jahr 2015 gemeinsam verabredet haben.
Wie verändert sich die Lage? Ich denke, zunächst einmal ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Lage in der Welt verändert hat. Die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, kommen ja nicht aus Spaß und guter Laune hierher, sondern hinter jedem dieser Menschen steckt ein Schicksal, das, glaube ich, keiner von uns teilen und mit dem keiner von uns tauschen möchte. Trotzdem ist es so, dass man zwar
zu der Auffassung kommen kann – wie die CDUFraktion auch –, dass das deutsche Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention natürlich keine Obergrenze kennen. Aber die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft, unsere Systeme von Kinderbetreuung über Schule bis hin zum Arbeitsmarkt kennen sehr wohl eine Obergrenze von Menschen, die wir in unsere gesellschaftlichen Systeme integrieren können.
Deshalb ist die Frage der Obergrenze nicht so sehr eine juristische und eine Frage von Tageskontingenten – von denen ich im Übrigen auch nichts halte –, sondern die Frage: Welche Integrationsleistungen sind wir in Deutschland bereit und in der Lage zu erbringen, und wie können wir versuchen, möglichst viele Menschen in die Teilhabe an dieser Integrationsleistung einzubinden, und was bedeutet das für jene, die ohne Asylgrund und ohne Anspruch auf Flucht nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu uns kommen?
Diese Debatte selektiert nicht, sondern sie versucht, eine Antwort auf die große gesellschaftliche Herausforderung der Integration der Menschen zu geben, die zu uns kommen wollen und die wir in unserer Gesellschaft integrieren können. Das ist nicht oberflächlich und Selektiererei, sondern verantwortungsvoller Umgang mit der Situation, wie sie sich objektiv darstellt.
Ich finde, der französische Staatspräsident François Hollande hat recht, wenn er sagt, dass es in Syrien nicht nur um einen Bürgerkrieg geht. Seien wir ehrlich: Das, was dort stattfindet, ist – um es mit seinen Worten zu sagen – ein Weltkrieg. Dort spielen nicht nur nationale Interessen und Interessen vermeintlicher Separatisten und ethnische Konflikte eine Rolle. An dieser Stelle ist das Brennglas von Weltpolitik sichtbar, wie sich multinationale Interessen in einem Land kristallisieren und zu verheerenden Zuständen führen. Deshalb ist Deutschland in der Verantwortung, sich einzubringen, um in solchen Krisenregionen für eine politische Befriedung zu sorgen sowie dafür, dass die Menschenrechte auch dort wieder gelten, wo sie zurzeit verletzt werden. Ich bin der Bundeskanzlerin und dem Bundesaußenminister FrankWalter Steinmeier sehr dankbar, dass beide mit großer Verantwortung Deutschland in den Diskussionen verantwortungsvoll vertreten, und ich kann sagen: Ich unterschreibe jeden Satz, der zu diesen Zusammenhängen von der Bundesregierung geäußert wird, meine Damen und Herren.
Die Flüchtlingskrise ist auch eine Debatte um Europa. Auch dort will ich als Zeugen nicht einen Christdemokraten nennen, sondern den Parlamentspräsiden
ten Herrn Schulz. Ich finde, auch er hat recht. Wenn man sich die neuesten Ergebnisse der BertelsmannStudie ansieht, dann ist es nicht so, dass die Völker Europas etwas gegen den Zustrom von Flüchtlingen haben. Eine Million Flüchtlinge ist für Europa bei 508 Millionen Einwohnern in Wahrheit überhaupt kein Problem, wenn nur jede nationale Regierung auch bereit wäre, ihren Beitrag dazu zu leisten.