Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich die Schafferinnen des Jahres 2016 sowie die Vorsitzenden des Rundfunkrates und unsere ehemalige Senatorin Frau Eva-Maria Lemke-Schulte. – Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen des Hohen Hauses! Zu diesem Zeitpunkt und nach dem stattgehabten Wahlwochenende gerade jetzt den Abgeordneten der Alternative für Deutschland aus dem Rundfunkrat heraushalten zu wollen – um nichts anderes geht es bei Punkt F in der ganzen Geschichte hier, das ist auch der einzige Punkt, der von überregionalem Interesse ist –, ist als eine erneute politstrategische Meisterleistung der Koalition zu werten, für die ich mich herzlich bedanke!
Nachdem bereits Ihre völlig groteske und lächerliche Anfrage zur Verfassungsschutzbeobachtung des Landesverbands Bremen der AfD nichts anderes zum Vorschein gebracht hat als, sagen wir einmal, Ihre analytische Größe der Politik, bringen Sie nun den nächsten Akt zustande. Ich kann Sie nur weiter in Ihren putzigen Ideen bestärken, da jeder Bürger, der mich in Bremen oder auch in meinem bundesweiten Vortragswesen erlebt, Schlüsse ziehen wird über den Zustand sicher nicht meines Geistes, sondern den des demokratischen Geistes hier in diesem Hohen Hause.
Sie vermögen nicht einmal mit dieser Partei und diesem Abgeordneten richtig zu kommunizieren. Was wollen Sie da mit den Bürgern auf der Straße machen? Ich sage Ihnen vielmehr: Die Verachtung, die Ihnen bei Ihrem grotesken Handeln in den nächsten Jahren von Ihren eigenen Wählern um die Ohren geschlagen wird, haben Sie zu verantworten!
Ich wünsche Ihnen vielmehr Glück, die Würde dieses Hohen Hauses in Zukunft besser zu wahren. Einen geistigen Gehalt Ihrer Komödie gegen die AfD unterstellt Ihnen jetzt allerdings schon niemand mehr. Der AfD schadet das Ganze nicht, aber – das ist die Gefahr dabei – Sie müssen aufpassen, meine lieben Kollegen von der Koalition, dass Ihnen Ihr Drehbuch nicht völlig entgleitet und dieses Bundesland im perspektivischen Demokratieranking nicht da landet, wo es in der Bildung schon steht. – Vielen Dank!
(Abg. Pohlmann [SPD]: Ah! Super! – Zurufe SPD: Oh, oh! Ihre eigenen Leute sind schuld! – Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war keine Rede zum Thema!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute erneut mehrere medienpolitische Gesetzesänderungen. Fangen wir mit dem unstrittigsten Punkt an, dem Gesetz zur Stärkung der Regionalsprache Niederdeutsch im Medienbereich! Alle Fraktionen unterstützen dieses Gesetz, und auch wir finden, Niederdeutsch soll durch Medienangebote stärker gefördert werden. Wir finden aber auch, dass man offen darüber sprechen muss, welche anderen Sprachen in der Medienlandschaft mehr Berücksichtigung finden müssen. Die vom WDR beschlossenen
(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir auch!)
Vielmehr brauchen wir einen Ausbau verschiedener Sprachen nicht nur bei „Funkhaus Europa“, sondern im gesamten Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien.
Kommen wir nun zum Radio-Bremen-Gesetz! Die Gesetzesänderung beruht weitgehend auf dem geänderten WDR-Gesetz. Leider, das muss man hier auch deutlich kritisieren, wurde die Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes ohne Not erst verzögert und anschließend in einem sehr unübersichtlichen Hauruckverfahren durchgezogen. Das ist kein transparentes und bürgernahes Verfahren, das belegen auch die teilweise sehr späten Rückmeldungen von verschiedenen Organisationen und Institutionen. Wir finden, die Änderungen im Radio-Bremen-Gesetz sind wichtig genug, um hier früh genug mit der Beratung anzufangen, damit die Öffentlichkeit und Betroffene umfangreich gehört und einbezogen werden können. Immerhin gab es eine Anhörung im Wissenschafts- und Medienausschuss. Kommen wir nun zu den Änderungen! Hier gibt es einige positive Veränderungen, die wir gut finden und mittragen. Erstens wird der Rundfunkrat um einige Plätze erweitert. Jetzt gibt es eine Vertretung der alevitischen Gemeinde, eine Vertretung des Lesben- und Schwulenverbandes und eine Vertretung durch die Humanistische Union. Wir finden diese Erweiterungen richtig und unterstützen sie ausdrücklich.
Im Wissenschafts- und Medienausschuss wurde auch der Landesbehindertenbeauftragte angehört, der sich für einen festen Sitz des Landesteilhabebeirats ausgesprochen hat. Diese Änderung wurde von der Koalition übernommen, und auch das finden wir richtig, denn auch wir wollen, dass die Belange von Menschen mit Behinderung besondere Berücksichtigung finden. Darüber hinaus finden wir es aber auch richtig, wenn der Sozialverband Deutschland mit einem Sitz im Rundfunkrat vertreten ist. Er vertritt schwerpunktmäßig die Belange von Menschen mit Behinderung. Jedoch ist das nicht alles, vielmehr setzt er sich auch für Seniorinnen und Senioren ein sowie für alle Menschen, die von Sozialleistungen abhängig sind. Wir sehen es daher als eine sinnvolle Erweiterung des Rundfunkrates an, wenn auch der SoVD dort vertreten ist.
Ein zweiter Punkt sind umfangreiche Änderungen bei der Wahl zum Verwaltungsrat. Hier wird nicht daran geglaubt, dass der Rundfunkrat in der Lage ist, eigenständig einen qualifizierten Verwaltungsrat zu wählen. Deshalb will man hier gesetzlich nachsteuern und mit einer Regelung klarmachen, welche formalen Fähigkeiten die Mitglieder des Verwaltungsrates haben sollen. Der Verwaltungsrat – so steht es in der Gesetzesbegründung – soll ein Expertengremium werden. Wir meinen, dass er das schon längst ist. Eine Person soll mit der Gesetzesänderung einen Abschluss in BWL haben, eine andere Person soll eine Befähigung zum Richteramt haben, und noch weitere Qualifikationen müssen laut Gesetzesentwurf bei verschiedenen Personen formal vorhanden sein, damit sie gewählt werden dürfen. Wir halten diese Beschränkungen in der Wahl zum Verwaltungsrat für eine unverhältnismäßige Einschränkung der Wahlfreiheit des Rundfunkrates.
Darüber hinaus halten wir diese formale Qualifizierung für nicht geeignet, um wirklich Expertinnen und Experten für den Verwaltungsrat zu finden. Wir stellen deswegen einen Änderungsantrag, der die Auflistung der formalen Qualitätskriterien streicht und dem Rundfunkrat die Verantwortung gibt, ein Gremium aus Expertinnen und Experten zusammenzustellen.
Am bisherigen Entwurf kritisieren wir außerdem, dass man die angeblichen fachlichen Qualifikationen wichtiger findet als eine geschlechterparitätische Verteilung im Verwaltungsrat. Auch das halten wir für die falsche Schwerpunktsetzung.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das ist auch falsch! Es ist falsch! – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Es gibt auch genügend qualifizierte Frauen!)
Da es sich bei dieser umfangreichen Änderung zur Besetzung der Mitglieder im Verwaltungsrat eben nicht um eine kosmetische Korrektur, sondern um einen tiefen Einschnitt in die Wahlmöglichkeiten des Rundfunkrats handelt, machen wir unsere Zustimmung zu dem Gesetz auch davon abhängig, ob unser Änderungsantrag angenommen wird. Bleibt die Koalition bei ihrer Position, müssen wir uns enthalten, obwohl wir, wie bereits erwähnt, einige Änderungen wichtig und richtig finden. Jetzt liegt der Ball bei der Koalition. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
sen, was diese Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes verdient gehabt hätte. Leider hat die Koalition, hat der Senat, haben SPD und Grüne hier etwas vorgelegt, was viele Flüchtigkeits- und Fahrlässigkeitsfehler enthielt, wie in der Beratung des Medienausschusses eingestanden wurde.
Das hätte man besser machen können, denn es war bekannt, dass am 23. Mai 2016 die Dauer der Mitgliedschaft der jetzigen Mitglieder des Rundfunkrates von Radio Bremen endet. Die Fristen sind so – nur deshalb haben wir jetzt diese Lesung –, dass in der kommenden Woche die Vorsitzende des Rundfunkrates die Neuausschreibung für die Neubesetzung verschicken muss.
Meine Damen und Herren, Frau Strunge hat es schon gesagt. Wir reden über ein Plagiat des Mediengesetzes aus Nordrhein-Westfalen, und zwar ein schlechtes Plagiat, denn Radio Bremen ist nicht der Westdeutsche Rundfunk, und die Freie Hansestadt Bremen ist nicht Nordrhein-Westfalen. Wir haben einen eigenen Sender, der sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt hat, und wir haben Sorge – das sage ich ganz deutlich –, dass Sie, die Koalition, mit dieser Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes die gute Selbstständigkeit unseres Senders mutwillig in Gefahr bringen. Denn das, was Sie vorhaben, ist mehr, als nur den Rundfunkrat etwas aufzuweiten, wie es eben schon beschrieben wurde.
Wir lehnen die Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes ab, und ich sage Ihnen, warum. Wir haben es mit einem Eingriff in den Arbeitsauftrag des Senders zu tun. Ein wichtiges Thema, das die Gesellschaft im Moment beschäftigt – die Flüchtlingsfrage –, wird explizit im Gesetz aufgenommen.
Nein, das ist eben nicht richtig, Frau Dr. Schaefer! Sie haben nicht verstanden, was in ein Gesetz gehört und was regulär die redaktionelle Unabhängigkeit von Journalisten bedeutet, meine Damen und Herren!
(Beifall CDU, ALFA – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich habe es verstanden, aber ich teile Ihre Auffassung nicht!)
Sie legen Hand an die Rundfunkfreiheit. Was ist denn das nächste Thema, das vielleicht so wichtig ist, dass Sie ein Gesetz dafür ändern, meine Damen und Herren? – Unabhängigkeit des Journalismus bedeutet, dass man auch Vertrauen zu den Journalisten haben muss und ihnen nicht per Gesetz aufschreiben soll, was sie machen sollen.
Sie gehen die Mitglieder des Verwaltungsrates an. Frau Strunge hat das eben schon ausgeführt. Der Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks ist deutlich größer und anders zusammengesetzt als der von Radio Bremen. Der Verwaltungsrat von Radio Bremen ist deutlich kleiner, und die Mitglieder des Rundfunkrates, die ja eine große Breite gesellschaftlicher Institutionen vertreten, besetzen den Verwaltungsrat. Sie haben jetzt scharf beschrieben, wer da künftig sitzen soll. In der Ausschusssitzung letzte Woche ist Ihnen das um die Ohren geflogen. Alle Experten haben Ihnen dort bestätigt, dass das, was Sie vorhaben, so nicht funktioniert. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates hat Ihnen sogar noch eine Brücke gebaut, wie Sie das hätten heilen können.
Aber nein, Sie gehen Ihren Weg, weil das der Weg ist, den Sie momentan vor sich sehen, und weil Sie glauben, dass Sie im Moment hier irgendwelche ideologischen Pflöcke einschlagen sollten. Das ist ein Fehler, den Sie hier machen werden, und wir sagen Ihnen das, bevor Sie den Fehler machen.
Zu der Erweiterung des Rundfunkrates! Vor einigen Jahren haben Sie den Rundfunkrat massiv verkleinert. Jetzt haben wir die Situation, dass Sie ihn wieder vergrößern. Ja, ein Anpassen an die gesellschaftlichen Realitäten! Wir haben das hier einmütig beschlossen, was zum Beispiel die ZDF-Gremien angeht. Dazu hat es seinerzeit einen Antrag der Grünen gegeben. Wir finden es richtig, dass der Lesben- und Schwulenverband künftig im Rundfunkrat repräsentiert sein soll. Wir haben einen Staatsvertrag mit den Aleviten geschlossen.
Ich habe das Herrn Öztürk – SPD-Öztürk – letzte Woche gefragt: Warum und mit welcher Rechtsgrundlage taucht die Humanistische Union jetzt hier auf? – Die Antwort war: Da sitzen ja so viele Kirchenvertreter. – Meine Damen und Herren, die sitzen da wegen der Staatsverträge, die geschlossen wurden. Warum die Humanistische Union? – Da gab es keine Nachfrage. Ich frage: Warum die Humanistische Union und nicht der Humanistische Verband Deutschland, Landesverband Bremen? Die haben letzte Woche, weil sie mitbekommen haben, dass die Konkurrenz-Atheistenvereinigung jetzt dort sitzen soll, auch gefragt. Warum nicht die? – Es gibt keine Antwort. Es ist eine ideologische Frage, warum Sie die da hineinsetzen. Das hat doch nichts mit irgendeiner Substanz zu tun.
Die Lampe, mit der der Präsident mir leuchtet, meine Damen und Herren! – Darf eigentlich jeder? – Wenn man SPD und Grünen folgt, darf ja fast jeder – außer Herrn Tassis, der sich ja eben als armes Opfer dargestellt hat. Politisch muss man schon eine Grundlage in der Gesellschaft haben. Die AfD hat diese Fraktionshürde in Bremen nicht übersprungen, und deshalb gehören Sie auch nicht in den Rundfunkrat, Herr Tassis!
Sie sind hier Einzelabgeordneter. Sie werden hier auch keine Fraktionsstärke haben, und darum gehören Sie da nicht hinein. In dieser Sache sind wir demokratischen Fraktionen uns im Übrigen sehr einig, bevor Sie hier die Opferrolle für sich in Anspruch nehmen. – Soweit mein erster Beitrag. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mit ein paar Mythen aufräumen, die heute in diesem Haus erzählt worden sind – jedenfalls, was meine Fraktion und den Diskussionsprozess in meiner Fraktion anbelangt. Ich fange einmal vorne an, und zwar mit dem Antrag der LINKEN, den SoVD einzubeziehen. Wir haben diesen Antrag genauso wie die beiden Anträge der Koalition in den Ausschuss überwiesen, und wir hatten uns in der Sitzung des Ausschusses vor der Beratung dieses Gesetzes über ein Verfahren zu dem Gesetz verständigt, weil wir wussten, dass dieser Gesetzesvorschlag kommt. Wir allen wussten, dass es eng wird. Wir hatten die Bitte der Senatskanzlei vernommen, noch im März die zweite Lesung durchzuführen.
Ich hätte es auch gut gefunden, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Wir haben uns aber alle gemeinsam dieser Mühe unterzogen, daher Lob und Anerkennung für den Ausschuss, insbesondere auch für Frau Danèl, die das im Wesentlichen als Mitarbeiterin dieses Hauses am Freitag umsetzen und sich dafür, glaube ich, sehr anstrengen musste.