Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Zenner, Dr. Buhlert, Frau Steiner und Fraktion der FDP folgendes Thema beantragt worden:
Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Steiner. – Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, verehrter Herr Polizeipräsident, verehrte Polizei Bremen! Die Zeiten heute sind unheimlich schnell geworden. Wanderung, Migration und Globalisierung sorgen dafür, dass uns jeden Tag neue Herausforderungen auferlegt werden. Ich bin unheimlich dankbar, dass wir in einem freien Land leben dürfen, in einem Land, in dem wir in Frieden und vor allem auch in dieser Vielfalt leben dürfen.
Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei die erlebte Sicherheit. Was genau heißt aber eigentlich Sicherheit? Sicherheit heißt frei von Sorge, frei von unvertretbaren Risiken. Sicherheit ist aber vor allem eines: Es ist ein Gefühl! Es ist nämlich die Möglichkeit, abends oder nachts durch Straßen zu gehen – ohne mulmiges Gefühl im Bauch, ohne sich hektisch umdrehen oder die Straßenseite wechseln zu müssen, nur weil mir gerade Menschen entgegen kommen, die ich nicht einschätzen kann.
Sicherheit bedeutet auch, dass ich jeden Menschen fröhlich anlachen kann und nicht konzentriert zu Boden schauen muss. Sicherheit heißt auch, die Handtasche modisch zu tragen, anstatt sie unter dem Arm einzuklemmen. Es bedeutet, die Terrassentür im Sommer offenstehen zu lassen. Das ist einfach Freiheit, und das bedeutet auch Sicherheit. Dieses Gefühl verdanken wir unseren hochgeschätzten Polizeibeamten, und dafür bin ich ihnen, die sich jeden Tag dafür einsetzen, unheimlich dankbar.
Dieses Gefühl nimmt leider in der Bevölkerung in letzter Zeit wahrnehmbar ab. Schauen wir uns doch einmal die Situation bei der Polizei Bremen an. Da stellen wir fest, dass das gar kein Wunder ist und dass die Polizei Bremen dafür eigentlich auch gar nichts kann, denn die Polizeireform in der Vergangenheit hat unsere Polizeibeamten
Schauen wir uns das einmal an: Die Einsatzdauer steigt seit Jahren. Die 110-Einsätze werden immer mehr. Die Deliktzahlen steigen, und die Anforderungen steigen offensichtlich.
Schauen wir uns einmal an, was der Senat der Polizei, unserem Freund und Helfer, zurückgibt, um die Polizeibeamten zu motivieren und ihnen unter die Arme zu greifen: Das, was wir zurückgeben, sind 330 000 Überstunden, Überbelastung, eine der niedrigsten Polizeidichten, enorme Investitionsstaus gerade im Bereich des Fuhrparks und vor allem Reviere, die in der Form heute überhaupt keine Zulassung mehr bekämen. Dabei sprechen wir nicht von Luxussanierung, sondern eher von der Herstellung eines menschenwürdigen und sicheren Zustandes wie zum Beispiel von der Behebung von Feuchtigkeitsschäden oder von Brandschutzvereinbarungen.
Zudem kommen noch verheerende Versäumnisse bei der Ausbildung gerade in den letzten Jahren hinzu. Erst jetzt haben wir erfreulicherweise einen Jahrgang mit 120 neuen Anwärtern in der Ausbildung, aber auch da besteht Handlungsbedarf, denn wir müssen uns schon jetzt für die Zukunft aufstellen. Dort werden in Zukunft Räumlichkeiten gebraucht, mehr Fahrzeuge und, und, und. Auch da sind also Investitionen möglich. Die mageren Zahlen der letzten Jahre werden uns mindestens bis 2018 um die Ohren fliegen.
Jetzt müssen wir uns überlegen, was die Erwartungshaltung ist, und die müssen wir überprüfen. Was ist die Erwartungshaltung an die Polizei? – Eines ist klar: Mit der dünnen personellen und materialen Ausstattung lässt sich das Volumen nicht mehr bewältigen. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Aufgaben muss und soll die Polizei heute wahrnehmen? – Ressourcen werden immer mehr gebunden, zum Beispiel durch die Sicherung von Groß- und Schwertransporten. In Bremerhaven sind es, glaube ich, fast vier Beamte pro Nacht, die damit beschäftigt sind. In Niedersachsen ist hingegen erfolgreich eingeführt worden, dass das durch Private gesichert wird. Vielleicht muss man sich die Frage stellen, ob das nicht auch hier eine Möglichkeit ist.
Es wird Zeit bei der Aufnahme von einfachen Fahrraddiebstählen oder von Parkremplern verbraucht. Es gab über 17 000 Verkehrsunfälle, davon aber Gott sei Dank nur 2 000 mit Personenschaden. Der Aufwand gerade für einfache Unfälle ist unheimlich groß. Die Unfälle müssen aufgenommen werden, man muss hinfahren, schaut sich das an, fährt zurück, und für jeden Hergang wird eine Skizze angefertigt, sodass die Polizeibeamten bestimmt allein auf dem Revier noch einmal 30 bis 40 Minuten gebunden sind, um
dies aufzunehmen. Ich frage Sie: Ist das wirklich Aufgabe und Hauptaufgabe der Polizei? Es ist nicht meine Aufgabe, das heute zu definieren, aber wir sehen es auf jeden Fall als unsere Aufgabe an, eine Diskussion darüber zu führen, welches denn heute die Erwartungen an die Polizei sind.
Die Menschen sind es gewohnt, dass die Polizei wegen jeder Kleinigkeit kommt. Das war immer so. Wir müssen uns aber die Frage stellen, ob das auch heute noch der Fall ist und ob das auch heute noch gelten muss. Wir regen an, eine Expertenkommission zu bilden – sie kann besetzt sein aus Polizei, Politik, niedersächsischen Vertretern und Bürgern –, um die Anforderungen und die Erwartungen hinsichtlich der Aufgaben der Polizei neu zu definieren, um kurzfristig der völlig überlasteten Polizei zu helfen und sie zu entlasten.
Es ist zu überlegen, gewisse Einfachheiten in einen Servicebereich auszulagern. Es bedarf nicht immer gleich Polizeibeamter. Essentiell ist in diesem Zusammenhang übrigens eine verlässliche Planungssicherheit. Liebe Kollegen, wir müssen von dem Denken in Amtsperioden wegkommen. Wie soll denn seitens der Polizei langfristig geplant werden, wenn die Zeitrechnung nur in Doppelhaushalten funktioniert?
Die Polizei braucht Planungssicherheit beim Personal, bei der Ausbildung, aber eben auch bei Ressourcen, um wirtschaftlich handeln zu können. Das sind wir unseren Polizeibeamten schuldig. Ein Bieterwettbewerb um Zielzahlen für die nächste Wahl hilft vielleicht der einen oder anderen Partei, aber bestimmt nicht unserer Polizei.
Unsere Polizei braucht Entlastung, und wenn es nach uns ginge, sollten wir die Einsatzwagen mit Tablets ausstatten, um kleinere Delikte schnell, einfach und effektiv zu erfassen. Auch das führt zu mehr Zeit für die Kernaufgaben, für die Aufklärung, für unsere innere Sicherheit. Es wird Zeit, dass wir der Polizei wieder Respekt und Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient und die ganze Zeit verdient hat.
Das geht übrigens damit los, den Einsatz für die Polizei als Lobbyanträge abzustempeln, und endet mit der Gewalt gegenüber Polizeibeamten, die immer höher wird und die mich sehr nachdenklich stimmt. Damit muss jetzt endlich Schluss sein! Unsere Polizei braucht Unterstützung, und unsere Polizei braucht Wertschätzung! – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion begrüße ich es immer, wenn die innere Sicherheit thematisiert wird und wir uns diesem Thema widmen, insbesondere in diesem Rahmen hier in der Bremischen Bürgerschaft. Besonders positiv hervorzuheben ist auch die Anwesenheit des Polizeipräsidenten, von Mitgliedern des Personalrats, des Personalratsvorsitzenden Rolf Oehmke sowie von Beamtinnen und Beamten unter anderem aus der Leitungsebene und des Landesvorsitzenden der GdP Jochen Kopelke. – Auch von mir noch einmal ein herzliches Willkommen!
Was kann die Polizei? Was muss die Polizei? – Zwei grundlegende Fragen! Die Rolle der Polizei in einem Rechtsstaat ist allen Anwesenden wohlbekannt. Sie ist die Trägerin des Gewaltmonopols und für die Sicherheit und Ordnung in unserem Land zuständig. Den Beamtinnen und Beamten ist hier jeden Tag in jedem Einsatz eine große Verantwortung übertragen, der sie auch, wie ich finde, hervorragend nachkommen. Dafür möchte ich mich auch an dieser Stelle bedanken und meine Wertschätzung für diese nicht immer leichte Arbeit zum Ausdruck bringen.
Aufgabe der Politik ist hingegen einerseits im Sinne einer funktionierenden Gewaltenteilung die Kontrolle der polizeilichen Arbeit. Das wird dann und wann nicht so gern gehört, aber so funktioniert das Konstrukt richtigerweise. Es ist die Politik, die für die Setzung der Rahmenbedingungen polizeilicher Arbeit verantwortlich zeichnet. So weit sich der Titel dieser Aktuellen Stunde interpretieren lässt, so klar ist es auch, dass Letzteres heute angesprochen ist. Unter welchen Voraussetzungen kann die Polizei welche Aufgaben vollbringen? Welche muss sie erbringen, wo ist es nicht mehr möglich, und welche Anpassungen müssen vorgenommen werden? – Ich sagte es gerade schon: Die polizeiliche Arbeit ist nicht immer leicht. Das bringt zum einen ein Stück weit der Beruf selbst mit sich, zum anderen aber auch die gerade angesprochenen Rahmenbedingungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir befinden uns gerade in der Aufstellung des Haushalts. Hier werden die finanziellen Voraussetzungen abgesteckt. Als Bundesland auf dem Konsolidierungspfad unterliegt Bremen hierbei besonderen Restriktionen. Die SPD-Fraktion hat dieses Mal schon früh die beiden
Wir haben verstanden, was die Menschen in Bremen bewegt, und wissen, was uns bewegt. Trotzdem unterliegen auch wir schwierigen Voraussetzungen. Das Geld, das man bei den einen investiert, muss man woanders wegnehmen. Es gibt nichts obendrauf, und das Mehr auf der einen Seite bedeutet ein Weniger auf der anderen Seite. Wenn ich in die Reihen meiner Fraktionskollegen schaue, stelle ich fest, jeder einzelne Fachsprecher hat sicherlich berechtigte Mehrbedarfsforderungen für seinen Fachbereich. Es ist klar, dass es für die Opposition einfach ist, überall mehr zu fordern. Ich bin dann aber auch auf die Finanzierungsvorschläge gespannt, denn erst dann kann man ernsthaft darüber sprechen.
Natürlich möchte auch ich eine sorglos oder sogar bequem ausgestattete Polizei, den sofortigen Abbau der Zu- und Überstunden durch Ausbezahlung oder Freizeitausgleich und weitere Dinge mehr. Liebe Opposition, das ist auf einen Schlag aber nicht machbar. Das zu behaupten, ist Augenwischerei und unredlich.
Ich freue mich auf konstruktive Vorschläge mit hinterlegter Finanzierung. Mich hat in dieser Richtung leider bisher noch nichts erreicht.
Der letzte Antrag der FDP mit der Überschrift „Innere Sicherheit muss Vorrang haben“ dazu hat das Dilemma ganz gut widergespiegelt und zeichnet gleichzeitig nicht das ganze Bild mit dem Plus auf der einen und dem Minus auf der anderen Seite. In diesem Antrag wurde allein gefordert – mehr nicht! Meine sehr geehrten Damen und Herren der FDP-Fraktion, beim Vorrang hört es aber nicht auf, sondern da beginnt es erst. Es heißt also, Schwerpunkte setzen! Das haben wir getan. Bereits in den Koalitionsverhandlungen haben wir eine höhere Zielzahl bei der Polizei festgesetzt.
Das ist zu einer Zeit passiert, als das volle Ausmaß der Flüchtlingszahlen und der damit verbundenen Aufgabenerweiterung bei den Polizeien in Bremen und Bremerhaven nicht ersichtlich war. Auch da
Es wurde schnell und maßnahmenbezogen gehandelt. Der Polizei wurden im ersten Maßnahmenpaket 26 Stellen zugesprochen, von denen bis heute leider noch nicht alle besetzt sind. Wenn es also finanzielle Möglichkeiten gibt, Stellen zu besetzen, muss alles dafür getan werden, um das zeitnah zu tun.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verschließen unsere Augen nicht vor den Realitäten. Wir leben selbst auch in Bremen und Bremerhaven, und manche von uns sind selbst Polizisten. Was Polizei muss, ist gesetzlich definiert: Gefahrenabwehr, Hilfeleistung, Ermittlungstätigkeiten nach dem Legalitätsprinzip und so weiter. Ohne gesetzliche Grundlage gibt es auch keine Handlungskompetenz. In Anbetracht dessen ist also klar, das, was sie nicht muss, muss hinterfragt werden: Objektschutz, Begleitung von Schwertransporten und Weiteres.