Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Weigelt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überschrift des Antrages der ALFA-Gruppe kommt wie ein Wolf im Schafspelz daher: „Beiräte stärken, Planungssicherheit und öffentliche Akzeptanz von Asylsuchenden erhöhen!“ lautet die Überschrift des Antrages. Damit soll der Eindruck entstehen: Wir von der ALFAGruppe haben großes Interesse an der Beiratsarbeit und der Integration von Asylsuchenden. Verfolgt wird aber ein anderes Ziel. Es geht nicht um Akzeptanz von Asylsuchenden, nicht um Integration, sondern die Reduzierung der Anzahl von Flüchtlingen, Asylsuchenden und unbegleiteten minderjährigen Ausländern.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Unter „Beiräte stärken“ versteht die ALFA-Gruppe, die Verantwortung für die Unterbringung von Flüchtlingen auf Beiräte abzuwälzen, was mit einer erheblichen Arbeitsbelastung für die Beiräte verbunden ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die internationalen Krisenherde und regionalen Bürgerkriege verlangen den Bundesländern, aber auch den Kommunen, in der Aufnahme von Flüchtlingen alles ab. Dennoch – davon bin ich fest überzeugt – haben wir in Bremen, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, diese Aufgabe bisher gut gemeistert.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin auch davon überzeugt, dass uns das auch in den kommenden Monaten gelingen wird, auch wenn von allen viel Kraft aufgebracht werden muss. Sicherlich, da stimme ich mit vielen überein, ist die Unterbringung in Zelten oder Turnhallen keine optimale Lösung und wurde auch erst in Anspruch genommen, nachdem andere Möglichkeiten kurzfristig nicht mehr zur Verfügung standen. Dass im Antrag der ALFA-Gruppe in diesem Zusammenhang von schweren Defiziten gesprochen wird, ist völlig unverständlich und aus meiner Sicht demagogisch.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich will es noch einmal deutlich sagen: Wir brauchen uns in Bremen im Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu verstecken. Wir sind inzwischen wieder dabei, die Turnhallen den Schulen und Sportvereinen so schnell wie möglich für ihre wichtige Arbeit zur Verfügung zu stellen. Vor wenigen Wochen wurde der erste leerstehende Baumarkt umgebaut, um eine vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen. Natürlich ist eine solche Unterbringung nicht ideal, aber die Umstände erfordern es.

Ich will auch auf die Eröffnung der Erstaufnahme auf dem ehemaligen Vulkan-Gelände hinweisen. Des Weiteren, meine Damen und Herren, können wir mit Zufriedenheit und Freude darauf blicken, wie viele Bremerinnen und Bremer ehrenamtlich auch in Zelten und Turnhallen Flüchtlinge betreuen. Dafür ein herzliches Dankeschön, denn das zeichnet eine Stadt aus!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Dies macht die Stadt lebens- und liebenswert, auch unter dem Stichwort Akzeptanz.

In der Begründung des Antrages der ALFA-Gruppe wird unter anderem der Eindruck erweckt, dass zwischen der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport und den Beiräten keine Kommunikation stattgefunden habe und die Verantwortung der Unterbringung von Flüchtlingen auf Stadtteile abgewälzt werde. Das ist falsch, die Beiräte wurden immer eingeschaltet. Die Beirätekonferenz hat sich im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Senatorin immer wieder mit der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen beschäftigt. Bei der Senatorin fanden und finden Gesprächsrunden mit Beiratssprecherinnen und Beiratssprechern statt. Dass es die eine oder andere Panne gegeben hat, will ich nicht unerwähnt lassen. Das war aber der trotz aller Bemühungen nicht immer einfachen Situation geschuldet.

Das Abwälzen von Verantwortung auf Beiräte sieht der Antrag der ALFA-Gruppe aber vor. Wie man, meine Damen und Herren, auf die Idee kommen kann, dass alle Beiräte, die ehrenamtlich für ihren Stadtteil arbeiten, monatlich an die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport verfügbare Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen, Asylsuchenden und unbegleiteten minderjährigen Ausländern mitzuteilen haben, ist mir ein Rätsel. Das setzt allem eine Krone auf!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Der Antrag beinhaltet aber nicht nur eine solch absurde Idee, nein, das wird auch noch als Stärkung der Rechte der Beiräte gesehen! Das kann einen nur sprachlos machen und zeugt von wenig Durchblick beim Thema Beiratsarbeit.

(Beifall SPD)

Es geht noch weiter. Die wichtige Vereinbarung unter den Bundesländern, in welchem Umfang Flüchtlinge, Asylsuchende und unbegleitete minderjährige Ausländer auf die Bundesländer verteilt werden, der Königsteiner Schlüssel, wird infrage gestellt. Dem Senat ist es nach schwierigen Verhandlungen gelungen, eine faire Vereinbarung zu erreichen und gerade auch die unbegleiteten minderjährigen Ausländer nach diesem Schlüssel auf die Bundesländer zu verteilen. Für unser Land bedeutet das, dass wir über einen längeren Zeitraum keine sehr jungen Flüchtlinge aufnehmen müssen, weil wir viele im Land Bremen aufgenommen haben beziehungsweise diese gegebenenfalls umverteilt werden. Diese Vereinbarung stellen Sie zur Disposition.

Die abenteuerlichen Überlegungen der ALFA-Gruppe sehen für den Fall, dass die von den Beiräten ermittelten Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Asylsuchende und unbegleitete minderjährige Ausländer überschritten werden, eine Überlastanzeige an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor. Des Weiteren soll die Verantwortung für ihre Versorgung und Unterbringung auf den Bund übertragen werden.

Damit soll den Beiräten der Auftrag übertragen werden, eine Zielzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen, Asylsuchenden und unbegleiteten minderjährigen Ausländern festzulegen. Wie wird eigentlich die Zielzahl für Bremerhaven ermittelt? Wie ist es nur möglich, in diesem Haus einen so naiven Antrag einzubringen?

Noch ein wichtiger Hinweis an die ALFA-Gruppe, obgleich ich die Hoffnung hatte, dass auch dort das Wissen zu dieser Frage vorhanden ist! Jeder Flüchtling, der unser Land erreicht, hat das Recht, einen Asylantrag zu stellen und dass dieser ordnungsgemäß überprüft wird. Das benötigt Zeit, und für diesen Zeitraum werden Unterbringungsmöglichkeiten benötigt. Muss ich noch deutlich machen, dass wir – ich spreche für die demokratischen Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, CDU, DIE LINKE, FDP und SPD – den Antrag ablehnen? Ich glaube nicht! – Vielen Dank!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der ALFA-Gruppe mit der Drucksachen-Nummer 19/227 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür ALFA)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Stimmenthaltungen?

(Tassis [AfD])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Ganztagsschulangebote auch auf Flüchtlingskinder ausrichten Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 14. Januar 2016 (Drucksache 19/245)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Schulen stehen angesichts der hohen Zuwanderungszahlen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen vor besonderen Herausforderungen. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit lasse ich Zahlen beiseite. Manche Kinder haben traumatische Erlebnisse aus der Heimat mitgebracht, andere waren lange Zeit auf der Flucht und sind daher traumatisiert. Außerdem gibt es unter den Flüchtlingen ein starkes Leistungsgefälle: Während einige von ihnen im Herkunftsland weder lesen noch schreiben gelernt haben, haben andere eine gute Schulbildung genossen. Es gibt Kinder, die aufgrund der Flucht einen erheblichen Lernrückstand haben.

Hinzu kommen Belastungen, die durch die Unterbringung in Notunterkünften entstehen. Die Angst vor möglichen Rückführungen trägt gewiss einen Teil dazu bei. Das sind ernsthafte Probleme. Wir können nicht sagen, dass die Schulen das schon regeln oder bewältigen. Ganztagsschulen sind in diesem Zusammenhang vielleicht nicht die Lösung, aber ein unterstützender Baustein für diese Aufgabe.

(Beifall SPD)

Mit mehr Lernzeit und mit mehr Betreuungszeit wird es möglich sein, geflüchteten Kindern und Jugendlichen eine bessere Integration zu ermöglichen und ihnen vielleicht auch das Gefühl von Sicherheit, Normalität oder Willkommensein zu vermitteln. Wir sind davon überzeugt, dass entsprechende Angebote im Ganztag wichtig sind. So bleibt auch mehr Zeit

für die individuelle Förderung, nicht ausreichende Sprachkenntnisse können weiter gefördert werden. Die Teilhabe an Sport, Kunst, Musik ist möglicherweise ein weiterer Baustein für einen Übergang aus den Fluchterfahrungen in ein normales Leben.

Eine große Chance und der größte Beitrag zur Integration besonders der Kinder ist auch die Möglichkeit, gemeinsam zu lernen, zu spielen und sich kennenzulernen. Wir brauchen nicht nur einen weiteren Ausbau von Ganztagsangeboten, sondern auch die vielen unterschiedlichen Konzepte für den Ganztag müssen in diesem Zusammenhang neu gedacht werden.

(Beifall SPD)

Daher fordern wir mit dem Antrag den Senat auf, ein Konzept vorzulegen, welches besondere Bedürfnisse und Integrationserfordernisse berücksichtigt, konkrete Maßnahmen benennt und aufzeigt, welche zusätzlichen Ressourcen hierfür gegebenenfalls benötigt werden.

Weil wir den Antrag viel früher auf den Weg gebracht haben, ihn aber erst jetzt im April debattieren, muss es im Beschlussteil des Antrags „zweites Quartal“ heißen, nicht „Ende des ersten Quartals“. Das wäre im Beschlussteil noch zu ändern. – Ich bitte um Unterstützung und danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Güngör, Sie haben etwas deutlich gemacht, was auf den ersten Blick möglicherweise plausibel klingt. Man könnte auf die Idee kommen und sagen: Auch Flüchtlingskinder können von der Ganztagsbeschulung profitieren, es kann förderlich sein, dass sie länger als in einer Halbtagsschule üblich mit Kindern, die Deutsch sprechen, zusammen sind und dieser Spracherwerb die Integration fördert. Was im Antrag steht, liest sich zunächst plausibel.

Wir aber sagen Ihnen: Für uns ist das der zweite Schritt vor dem ersten. Sie sollten sich nach unserem Verständnis zunächst mit dem Naheliegenden befassen, der schulischen Versorgung aller Jugendlichen. Nicht einmal sie ist zurzeit gewährleistet.

Auch die Wirklichkeit in Ganztagsschulen sieht im Jahre 2016 anders aus. Sie schaffen in diesem Jahr genau eine Ganztagsschule. Ob es im nächsten Jahr zu den weiteren kommt, die Sie angekündigt haben, ist offen. Die gestrige Fragestunde hat ergeben: Auch diejenigen, die bereits bestehen, ächzen – Beispiel Düsseldorfer Straße – unter der derzeitigen Belastung. Die derzeitige Ausstattung scheint schon jetzt nicht

geeignet, das notwendige Angebot vorzuhalten. Konsolidieren Sie erst das Bestehende, bringen Sie es auf eine konzeptionelle Basis, legen Sie uns erst vor, wie Sie das Bestehende weiterentwickeln wollen! Dann kann man möglicherweise über Erweiterungen nachdenken. Ja, es ist richtig: Ganztagsschulen sind geeignet, Chancen zu verbessern, Chancengerechtigkeit zu befördern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Sie brauchen aber Entwicklung, Akzeptanz, nicht nur im eigenen Bereich, im Kollegium, sondern insbesondere auch gegenüber den Eltern und Schülerinnen und Schülern. Ganztagsschulen sind ein Produkt von Entwicklung, nicht von Hauruck, schon gar nicht von Überraschungsaktionen. Schon das, was Sie in den letzten Wochen gemacht haben, war kontraproduktiv, hat die Ganztagsschulentwicklung eher behindert und zurückgeworfen, als dass sie befördert wurde. Sie haben der Ganztagsschulentwicklung einen Bärendienst erwiesen. Wir sind dafür, dass man zunächst die Situation konsolidiert, bevor man sie mit den nächsten Belastungen und Problemen konfrontiert. Wir glauben, das ist nicht der richtige Weg, meine Damen und Herren!