Protokoll der Sitzung vom 15.07.2015

Mit Herrn Dr. Sieling bekommen wir nicht nur einen neuen Bürgermeister, sondern jemanden, der neue Impulse setzt und die nötige Konsequenz besitzt, Ideen umzusetzen, die Zusammenführung der Bereiche Kinder und Bildung ist hierfür nur ein Beispiel.

Unerlässliche Reformen, sei es der Abbau von Doppelstrukturen zwischen Bremerhaven und Bremen, der notwendige Umbau der Verwaltung, sei es das Setzen von Prioritäten, dann aber auch leider Posteriotäten bei Investitionen, werden nie von einzelnen Menschen umgesetzt, aber sie brauchen den Willen der Spitze. Diesen Willen hat Herr Dr. Sieling, und wir, die Fraktion und ich, sind sicher, wir, die Koalition, werden ihn dabei unterstützen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, in unserem Stadtstaat stehen wir nach wie vor vor großen Herausforderungen. Bildungserfolg und soziale Herkunft sind bei uns

immer noch viel zu eng miteinander verknüpft. Das wollen wir aufbrechen, und deshalb hat sich diese Koalition dazu entschlossen, die Bereiche Kinder und Bildung zusammenzuführen.

Das neue Ressort bekommt auch eine neue Ressortspitze. Ich freue mich sehr, dass Herr Dr. Carsten Sieling mit Frau Dr. Claudia Bogedan eine Frau gewinnen konnte, die – obwohl noch jung an Jahren – bereits über eine große politische Erfahrung verfügt. Als langjährige Abteilungsleiterin im Bereich der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung bringt sie zudem auch gute fachliche Voraussetzungen mit. Eine Unbekannte ist sie hier in Bremen übrigens auch nicht, von 2003 bis 2007 hat sie vier Jahre lang an der Universität gearbeitet und schließlich auch hier in Bremen promoviert.

Dr. Claudia Bogedan – das hat mich doch beeindruckt – hat bei ihrer Vorstellung bei unserem Landesparteitag am Wochenende gesagt, nicht Menschen müssen sich an die Institutionen und Strukturen anpassen, sondern umgekehrt, und ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Satz für die weitere Politik im Bereich Kinder und Bildung.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn sich die Gesellschaft verändert, dann muss die Politik den Mut und die Kraft haben, tradierte Organisationsformen auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls an die veränderte Realtiät anzupassen; nicht die Realität an die Strukturen, sondern die Strukturen an die Realität. Das ist keine leichte Aufgabe. Sie wird Zeit brauchen, viel Arbeit machen und vieler Überzeugungskraft bedürfen. Ich bin mir sicher, dass Dr. Claudia Bogedan das schaffen wird, auch mit unserer vollen Unterstützung. Diese sage ich hier im Namen der SPD-Fraktion zu, ich gehe auch davon aus, dass sie die der Grünen hat.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, vom jüngsten nun zum ältesten Mitglied des Senats! Wir schlagen Ihnen Herrn Senator Ulrich Mäurer als alten und neuen Innensenator vor. Bei meiner letzten Einbringungsrede habe ich gesagt – dazu wurde im Protokoll „Heiterkeit“ vermerkt –: „Wäre er ein Fußballspieler, würde man sagen, er kann rechts wie links.“ Das gilt auch heute noch.

(Beifall SPD)

Herrn Senator Mäurer und mich eint die feste Überzeugung, dass Innenpolitik nicht das Spielfeld von Ideologien ist. Gute Innenpolitik ist schmucklos. Man muss mit den vorhandenen Mitteln und Menschen das Richtige tun, um abstrakte oder konkrete Gefahren für die Bremer Bürger abzuwehren. Dies hat Herr

Mäurer in den beiden vergangenen Legislaturperioden getan und wird dies auch weiterhin tun. Lassen Sie mich aus gegebenem Anlass vielleicht noch sagen, wenn ein Imam eines isolierten, als salafistisch auftretenden Vereins einer Moschee eine Rücktrittsforderung an einen Innenminister stellt, dann kann dessen Innenpolitik nicht völlig falsch sein!

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, mit Frau Professor Dr. Quante-Brandt setzen wir auf eine bewährte Ressortspitze, die sich neben dem Bereich Wissenschaft künftig auch um den Gesundheitsbereich kümmern wird. Schon durch ihre persönliche Lebensgeschichte, ihre frühere Tätigkeit als Professorin und Leiterin der Akademie für Arbeit und Politik an der Bremer Universität, ist das für unsere wirtschaftliche Entwicklung wichtige Thema Wissenschaft bei ihr gut aufgehoben. Als Wissenschaftssenatorin hat sie in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Wissenschaftsplan unter Beweis gestellt, dass sie ohne ständig steigende Mittel darauf hinwirken kann, dass wir gut aufgestellte Hochschulen und eine hoch innovative Wissenschaftslandschaft haben. Die zukünftige Ausgestaltung der GeNo ist allein schon wegen der finanziellen Dimension und der existenziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt Bremen eine Gesamtaufgabe des Senats. Trotzdem braucht eine solche kollektive Aufgabe jemanden, der treibt und vorangeht. Wir sind froh, dass wir für diese Aufgabe eine erfahrene und kommunikative Politikmanagerin gefunden haben, die bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, die vielleicht wichtigste Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und für Teilhabe an unserer Gesellschaft ist ein sicherer Arbeitsplatz, gute, fair bezahlte, nicht prekäre Arbeit. Eine ebenso vorausschauende wie nötige Wirtschaftspolitik, die sich an den Stärken unserer beiden Städte orientiert, sichert Arbeitsplätze und ist auch das beste Mittel, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Mit Herrn Günthner schlägt Ihnen die SPD einen Senator vor, der in den letzten Jahren bewiesen hat, dass er sein Handwerk versteht, und zwar buten wie auch binnen, ob Gewerbeflächenentwicklung in Hemelingen, Schwerlasthafenbau in Bremerhaven oder Raumfahrt in den USA. Herr Günthner ist in Sachen Standortpolitik ein ebenso geschätzter wie anerkannter Sachwalter der wirtschaftlichen Interessen des Landes, seiner Unternehmen und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen.

(Beifall SPD)

Bei diesem im Übrigen dienstältesten Wirtschaftsminister Deutschlands ist die Bremer Wirtschaft in gu

ten Händen gewesen und wird es in den nächsten vier Jahren auch sein.

(Beifall SPD)

Selbstverständlich wird es so sein, dass die SPD die Vorschläge vom Bündnis 90/Die Grünen unterstützt. Frau Bürgermeisterin Linnert, Herr Dr. Lohse, Frau Stahmann, ich sichere Ihnen im Namen der SPD-Bürgerschaftsfraktion eine faire und konstruktive Zusammenarbeit in den kommenden vier Jahren zu.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Herbert Wehner, das, glaube ich, relativ gut zur Situation in Bremen passt: „Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.“

Ich wäre zufrieden, wenn in 20 Jahren eine dann sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende bei ihrer Einbringungsrede zu einem Senat sagen könnte: RotGrün hat von dem Jahr 2015 bis zum Jahr 2019 auch ohne Milliarden und ohne übergroße Mehrheiten das Notwendige möglich gemacht und Perspektiven für unser Bundesland und die hier lebenden Menschen geschaffen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich mich auf diese Rede vorbereitet habe, habe ich mir das Szenario dieser Debatte vorgestellt: Die beiden Regierungsfraktionen stellen die Erfolge ihrer Koalitionsverhandlungen und die Ziele ihrer Politik für die nächsten vier Jahre vor, und ritualgemäß werden die Oppositionsparteien beklagen, dass all dies Murks sei. Das ist auch erst einmal okay so, die Opposition muss den Finger in die Wunde legen, denn wir als Regierung brauchen auch immer ein Richtmaß, um zu sehen, ob wir richtig liegen, oder manche Kritik stimmt und wir nachbessern müssen.

Meine Damen und Herren, ich möchte diese Debatte aber nutzen, um zunächst noch einmal auf jene zurückzublicken, für die wir überhaupt Politik machen. Ich finde, uns allen hier im Haus muss die Wahl ernsthaft zu denken geben, bei der Frage, ob es hier Gewinner oder Verlierer gab, stelle ich eines fest: Wir alle hier haben verloren! Wir in der Politik – egal welche Partei – haben das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik in großem Maß verloren. Bei einer Wahlbeteiligung von 50,2 Prozent kann man da nichts mehr schönreden. Die Hälfte aller Bremerinnen und Bremer hat die Lust am Wählen verloren

und traut ganz offensichtlich keiner Partei mehr zu, ihre Interessen zu vertreten.

Meine Damen und Herren, freie Wahlen sind die Voraussetzung für Demokratie. Wenn die Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik haben, wenn sie nicht mehr wissen, warum und wen sie wählen sollen, dann haben wir ein riesiges Problem.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich denke daher, wir sollten heute hier in Demut vor diesem ernst zu nehmenden Signal der Menschen debattieren.

Ein wichtiges Ziel, das uns alle von Beginn dieser Legislaturperiode an verbinden sollte, muss sein, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Das kann nur gelingen, wenn wir zu den Menschen hingehen, uns ihre Anliegen und Probleme anhören und sie ernst nehmen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Sicherlich lässt sich nicht jedes Problem lösen, aber uns darum zu bemühen, eine Lösung zu finden, das muss unser Anliegen sein.

Vor uns liegen vier entscheidende Jahre, um Bremen zukunftsfest zu machen, umso wichtiger ist es, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen. Unsere Aufgabe ist es, ein nachhaltig wachsendes Bremen für und mit den Menschen lebenswert zu gestalten. Es geht darum, dass Kinder ordentliche Förderung und Bildung bekommen. Es geht darum, dass Alleinerziehende eine größere Chance erhalten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Es geht darum, dass Familien eine bezahlbare Wohnung finden. Es geht darum, dass junge Menschen einen Ausbildungsplatz erhalten und mehr Menschen der Wiedereinstieg in den Beruf gelingt. Es geht darum, dass junge Kreative hier ihr Standbein auch zum Nutzen der übrigen Wirtschaft haben. Es geht darum, dass Flüchtlinge hier gut aufgenommen werden und unsere Städte auch mit ihren Talenten voranbringen. Es geht darum, dass Wirtschaftsförderung sich um die Anliegen von Handwerksbetrieben oder Einzelhändlern genauso kümmert wie bei den Konzernen. Es geht darum, das wertvolle Grün in der Stadt für die biologische Vielfalt und die hohe Lebensqualität zu bewahren, und es geht nicht zuletzt darum, den Klimaschutz zu verstärken, damit Bremen nicht im wahrsten Sinn des Wortes untergeht und absäuft.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Diese Liste ließe sich noch lange fortführen. Im Kern unserer Politik geht es darum, den Menschen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zu eröffnen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Für mich sind Bremen und Bremerhaven zwei Städte mit jeweils zwei Gesichtern. Es gibt die Sonnenseite: die prosperierende, lebensfrohe, bunte, hilfsbereite, attraktive und auch alternative Großstadt. Die Umfragen zeigen, dass die Bremerinnen und Bremer ihre beiden Städte lieben, meine Damen und Herren. Das ist etwas, worauf wir in Bremen und Bremerhaven stolz sein können, das ist ein Pfund, das wir auch bewahren müssen.

Wir sind Bremen, die Stadt am Fluss, die Stadt mit einer quirligen Kulturszene, die Stadt mit viel Grün, das die Lebens- und Wohnqualität besonders ausmacht, die Stadt mit einer erfolgreichen Wissenschaftslandschaft, die Stadt, in der gerade junge Familien gern wohnen, in die aber auch immer mehr ältere Menschen aus dem Umland wieder zurückziehen. Wir sind aus diesem Grund auch eine wachsende Stadt. Wir sind fünftgrößter Industriestandort Deutschlands, aber außerhalb der Innenstadtbereiche ländlich geprägt mit einem unglaublich schönen Grüngürtel.

Bremerhaven ist unsere maritime Stadt mit erfolgreichen Seehäfen, mit maritimem Flair, sie ist attraktiv für Touristen, sie ist Klimastadt mit hoch renommierten Meeres- und Klimaforschungseinrichtungen, mit einer gut laufenden Fisch- und Lebensmittelverarbeitungsindustrie, und sie ist 1a-Offshore-Standort Deutschlands. Bremerhaven hat sich in den letzten Jahren enorm positiv verändert, meine Damen und Herren, und das müssen und wollen wir weiter fördern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Beide Städte sind attraktiv, sie haben viele Potenziale, und die Bremerinnen und Bremer sind offen, das sieht man auch an der besonderen Willkommenskultur hier in Bremen. Ich sage Ihnen, ich bin stolz, in einem Bundesland zu leben – wie wissen, es gibt andere Beispiele in Deutschland –, in dem die absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Flüchtlingen ein neues Zuhause gibt, tolerant ist und versucht, die Menschen, die aus ihren krisengeschüttelten Ländern geflohen sind, zu unterstützen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Beide Städte unseres Landes haben aber auch eine Schattenseite, nämlich eine hohe Armuts- und Arbeitslosenquote. Wir können es uns einfach nicht erlauben, darauf zu verweisen, dass das ein typisches Großstadtphänomen ist, im Gegenteil, es muss uns Ansporn sein, dagegen anzukämpfen, denn daran hängen hier Tausende von Einzelschicksalen, meine Damen und Herren! Unsere Aufgabe als Politik ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Bildungschancen, ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe möglich sind, und wir bauen

dabei keine Luftschlösser, sondern gehen das pragmatisch an.

Die Analyse zeigt, dass vor allem Alleinerziehende mit ihren Kindern vermehrt von Armut betroffen sind und auch Altersarmut ein Problem ist. Wir werden daher in den nächsten vier Jahren zum Beispiel Alleinerziehende in der Arbeitsmarktförderung verstärkt berücksichtigen, die Kinderbetreuung flexibilisieren und Ganztagsschulen ausbauen, denn klar ist, nur wer ein auskömmliches Einkommen hat und sich nicht täglich Sorgen um seine Existenz machen muss, kann wirklich am gesellschaftlichen Leben teilhaben.