Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

Ich eröffne die 22. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

(Unruhe – Glocke)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich die Klasse 9a des Gymnasiums Horn. – Wenn Sie das sind, seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 13 frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Polizeiliche Kennzeichnungs- und Ausweispflicht“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Zicht, Fecker, Frau Dr. Schaefer und Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Bitte, Herr Kollege Zicht!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Aus welchen Gründen trugen bei den diesjährigen Demonstrationseinsätzen am 24. Januar und 28. Februar, jeweils in Bremerhaven, und am 26. März in Bremen mehrere Polizistinnen und Polizisten keine individuelle Kennzeichnung auf ihrer Uniform, obwohl es sich augenscheinlich um geschlossene Einsatzeinheiten handelte?

Zweitens: Woran können Bürgerinnen und Bürger im Einzelfall erkennen, ob es sich um Polizeivollzugsbedienstete in Einsatzeinheiten bei geschlossenen Einsätzen handelt, die eine individuelle, fünfstellige numerische Rücken- und Frontkennzeichnung zu tragen verpflichtet sind?

Drittens: Inwieweit findet der Erlass des Senators für Inneres vom 23. März 1967 bei der Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven noch Anwendung, wonach Polizeivollzugsbedienstete verpflichtet sind, auf Verlangen ihren Dienstausweis vorzuzeigen und eine Namenskarte zu überreichen?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Der Verpflichtung zum Tragen der personenbezogenen Kennzeichnung unterliegen Polizeivollzugsbedienstete aus den Einsatzeinheiten in geschlossenen Einsätzen. Bei den zwei Demonstrationen in der Stadtgemeinde Bremen am 26. März 2016 wurden keine Einsatzeinheiten eingesetzt. Die Demonstration wurde vom Wach- und Einsatzleiter beziehungsweise von Teilkräften der Verkehrspolizei begleitet.

Bei den Demonstrationseinsätzen in Bremerhaven wurden der Einsatzzug sowie Kräfte des regulären Einsatzdienstes und des Beweis- und Dokumentationstrupps eingesetzt. Die Kräfte des Einsatzzuges waren entsprechend der Bedarfslage gekennzeichnet.

Zu Frage zwei: Bürgerinnen und Bürger können davon ausgehen, dass die Polizei den Erlass zur Kennzeichnung konsequent umsetzt.

Zu Frage drei: Der Erlass vom 23. März 1967 findet weiterhin Anwendung. Die Inhalte werden zukünftig überarbeitet und in ein neues Regelwerk einfließen. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich habe Ihrer Antwort entnommen, dass es durchaus nicht ungewöhnlich ist, wenn es in Großeinsätzen der Polizei Polizistinnen und Polizisten gibt, die keine Kennzeichnung tragen, weil sie aus den normalen Einheiten kommen. Nun wollen wir gerade bei solchen Einsätzen eine Kennzeichnung. Darum erscheint mir besonders wichtig, dass der Erlass, den damals Innensenator Koschnick in die Welt gesetzt hat, auch Anwendung findet.

(Dr. Thomas von Bruch [CDU]: Ist das eigentlich eine Frage?)

Er sieht vor, dass es eine Ausweispflicht gibt. Weil auch der Erlass beschreibt, dass es dem Vorgesetzten zu melden ist, wenn der Ausweis nicht vorgezeigt wird, frage ich, ob es in den letzten Jahren vorgekommen ist, dass Polizistinnen ihren Dienststellenleiter darüber informiert haben, dass sie einer Bitte um Vorzeigen des Ausweises nicht nachgekommen sind.

Ich möchte eine kleine Bemerkung vorweg machen, weil ich die Eingangsthese nicht ganz so stehen lassen möchte, dass wir regelmäßig in Demonstrationsbegleitung Einheiten einsetzen, die aus anderen Einsatzgebieten der Polizei kommen. Es ist jedenfalls nicht die Regel, diese anstelle von geschlossenen Einsatzeinheiten einzusetzen. Es gibt zum einen Demonstrationen, bei denen überhaupt gar keine Auseinandersetzungslage erwartet wird, bei denen der Streifenwagen vorwegfährt, um die Verkehrsführung zu regeln oder es eine reine Ver

kehrsbegleitung gibt. Ansonsten setzen wir Einheiten anderer Polizeieinheiten bei Demonstrationen maximal zur Verstärkung ein, wenn sich ungeahnt weitere Eventualitäten ergeben haben. Wenn es zur Begleitung von Demonstrationen kommt, sind im Grunde nach die Einsatzeinheiten entsprechend gekennzeichnet.

Jetzt komme ich zu Ihrer Frage im Hinblick auf den Aspekt, ob es Beschwerden oder Hinweise darauf gibt, dass der Ausweispflicht nicht nachgekommen wurde. Der Senatorischen Behörde sind keine solchen Fälle bekannt. Die Erlasslage, auf die Sie anspielen, sieht vor, dass der Polizist, der aufgefordert worden ist, seine Dienstnummer herauszugeben und das nicht getan hat – aus welchen Gründen auch immer, weil es aus dem Einsatzgeschehen nicht möglich war –, sich direkt bei seinem Wach- und Einsatzleiter meldet. Es besteht allerdings keine Verpflichtung, das immer an die Senatorische Behörde weiterzuleiten. Insofern kann ich das nicht für jeden Einzelfall ausschließen, aber eine gehäufte Problemlage ist uns hier nicht bekannt.

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, stellt es nach Ansicht des Senats eine Verletzung der Dienstpflicht vor, wenn ein Polizist das Vorzeigen des Dienstausweises verweigert, wenn es in der konkreten Situation zumutbar ist und die Amtshandlung dadurch nicht gefährdet ist?

Als Jurist würde ich mit „es kommt darauf an“ antworten. Ich könnte auch sagen, dem Grunde nach ist das vorstellbar. Das Vorzeigen seines Dienstausweises oder das Abgegeben einer Namenskarte ist eine Dienstpflicht. Die Verletzung einer Dienstpflicht kann natürlich eine Dienstpflichtverletzung darstellen, auch disziplinarische Konsequenzen haben. Es kommt aber auf die Betrachtung des Einzelfalls an. Ich kann jetzt hier nicht für alle Fälle generell sagen, wann es zumutbar und wann es nicht zumutbar ist und welches die Kriterien für zumutbar sind. Wenn ein Polizeibeamter dieser Ausweispflicht in der konkreten Situation nicht nachkommt, wäre das gegebenenfalls auch auf dienstrechtlichen Konsequenzen zu überprüfen.

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Nun sind Bremer Polizeibeamte auch oftmals in anderen Bundesländern im Einsatz. Tragen sie dort eigentlich auch ihre Kennzeichnung, wenn die Voraussetzungen, die in Bremen dafür festgeschrieben sind, bei dem Einsatz in dem anderen Bundesland gegeben sind?

Soweit mir bekannt ist, regelmäßig ja. Nach den mir vorliegenden Informationen sind die Bremer Einheiten so gekennzeichnet, wie wir das vorgesehen haben. Es wird nicht zwischen dem Einsatzort unterschieden. Das ist, soweit mir das heute Morgen mitgeteilt worden ist, im Übrigen auch die Praxis aller Bundesländer, dass die Einsatzeinheiten entweder individuell gekennzeichnet sind und sich dann so in den Einsatz begeben oder auch nicht, je nach den Rechtslagen ihrer Herkunftsländer, und dass regelmäßig nicht vom Einsatzort her andere Uniformen ausgegeben werden.

Herr Kollege Zicht, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Kritiker der Kennzeichnungspflicht hatten vorhergesagt, dass es dazu kommen könnte, dass Polizisten zu Hause aufgesucht oder bedroht werden könnten. Sind dem Senat solche Fälle seit Einführung der Kennzeichnungspflicht bekannt geworden?

Nein! Mir sind solche konkreten Fälle bisher nicht bekannt geworden. Mir ist allerdings jüngst bekannt geworden, und das macht vielleicht die Besorgnis einfach noch einmal transparent, dass auf einer Internetseite, auf der es unter anderem auch ein Gewaltranking linksautonomer Gruppen gibt, Bilder von Polizeibeamten in Zusammenhang mit Einsätzen gepostet werden. Es werden Fotos von Beamten im Umfeld des Einsatzgeschehens gemacht. Diese werden dann auf dieser Internetseite mitgeteilt, nach dem Motto: „Schau mal, das sind die Polizeibeamten, die im Umfeld dieser Demonstration eingesetzt worden sind!“ Nein, mir ist nicht bekannt, dass aufgrund der Kennzeichnung Versuche unternommen worden sind, Polizeibeamte individuell zu identifizieren und zu Hause aufzusuchen. Aber ja, ich betrachte schon mit Sorge, dass es offensichtlich in bestimmten Kreisen den Versuch und das Bemühen gibt, Polizeibeamte aus dem Einsatzgeschehen heraus zu identifizieren und sich persönlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das macht mir, ehrlich gesagt, wirklich große Sorgen.

Herr Kollege Zicht, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Dann möchte ich vielleicht doch noch einmal zur Klarstellung fragen: Gibt es einen Zusammenhang zur Kennzeichnungspflicht, oder geht es eher darum, die Bilder der Polizisten mit oder ohne Kennzeichnung zu veröffentlichen?

Nein! Das sind Fotos von Polizeibeamten. Ich wollte damit sagen, dass wir konkret im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht keine

derartigen Bemühungen festgestellt haben, einzelne Polizeibeamte zu identifizieren. Wir steigen deshalb auch nicht aus der Kennzeichnung aus. Ich will nur sagen, die Sorge, dass es bestimmte Kreise gibt, die auch interessiert daran sind, Polizisten individuell zu betrachten, gibt es durchaus. Deshalb muss man diese Sorge auch ernst nehmen. Bezogen auf die Kennzeichnungspflicht haben wir in dieser Hinsicht bisher aber keine konkreten Problemlagen feststellen können.

Herr Staatsrat, es gibt eine weitere Zusatzfrage von dem Abgeordneten Hinners. – Bitte, Herr Kollege!

Ich würde gern noch einmal auf den Erlass von 1967 eingehen. In dem Erlass wird auch dokumentiert, dass es nach dem Einsatzgeschehen zu beurteilen ist, ob sich Polizeibeamte ausweisen sollen oder überhaupt können. Wie ist die Praxis der Polizei? In welchen Fällen wird es ohne Schwierigkeiten gemacht? Haben Sie darüber Kenntnis? In welchen Fällen haben die Polizisten erhebliche Schwierigkeiten, dieser Forderung überhaupt nachzukommen, meinetwegen aufgrund einer Auseinandersetzung oder Ähnlichem?

Es ist klar, dass in der Konfliktsituation regelmäßig wenig Raum besteht, um die Dienstnummern auszutauschen. Das ist am Ende auch einer der Gründe gewesen zu sagen, wir müssen Polizeieinheiten in geschlossenen Einsätzen kennzeichnen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die auch vorher gekennzeichnet waren. Es bestand nie eine Differenz darüber, dass man Polizeibeamte in besonderen Situationen, in denen das Ausweisen regelmäßig nicht möglich sein wird, auch besonders gekennzeichnet, damit hinterher die Identifikation der betroffenen Kolleginnen und Kollegen möglich ist. Die Frage war immer nur, ob es erforderlich ist, das auch auf den jeweils einzelnen Beamten herunterzubrechen, oder ob eine Gruppenkennzeichnung ausreicht. Uns sich auch vorher keine Fälle bekannt geworden, in denen es nicht gelungen ist, den Beamten zu identifizieren. Unabhängig davon hat man gesagt, dass wir das auch für die Zukunft sicherstellen wollen, und hat individuell gekennzeichnet.

Es bestand und besteht kein Dissens über die Frage, dass man Polizeibeamte in bestimmten Situationen besonders kennzeichnet, weil regelmäßig nicht damit zu rechnen ist, dass gesagt werden kann: „Können Sie mir einmal Ihren Dienstausweis zeigen? Ich möchte mir gern die Nummer notieren.“ Das sind insbesondere die Situationen, in denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zweite Anfrage bezieht sich auf die „Kosten der Unterkunft – Satzungsermächtigung nach Paragraf 22 a SGB II“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Dr. Yazici, Frau Neumeyer, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Herr Dr. Yazici!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Warum hat der Senat bisher nicht von der Satzungsermächtigung nach Paragraf 22 a SGB II Gebrauch gemacht?

Zweitens: Welchen Unterschied hätte eine solche Satzung gegenüber der in Bremen geltenden Verwaltungsanweisung für die Verfahren vor dem Sozialgericht?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Stahmann.