Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 12, Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeit mit delinquenten Jugendlichen, für diese Sitzung auszusetzen.
Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Eckhoff, Röwekamp und Fraktion der CDU folgendes Thema beantragt worden:
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, um auch dem Parlament Gelegenheit zu geben, über die dramatischen Ereignisse bei der Landesbank, insbesondere in den letzten Tagen und Wochen, zu reden.
Die Ausgangslage für diese sehr dramatische Situation ist sicherlich der Markt der Schiffsfinanzierungen, seit dem Herbst 2008 ein Markt, der durch Krisen gebeutelt ist. Lang ist bekannt, dass die Schifffahrt eine problematische Branche ist. Die leichte Erholung in den Jahren 2010 und 2011 sowie in den Jahren 2014 und 2015 wurde leider nicht genutzt, um das Portfolio der Bremer Landesbank deutlich zu bereinigen. Es wurden sogar in den Jahren seit 2009 durch Veränderungen von Konsortialgeschäften zusätzliche Risiken ins Portfolio der Bremer Landesbank aufgenommen, und man hat seit dem Jahr 2009 zusätzliche Geschäfte in der Kreditfinanzierung von Schiffen in einer Größenordnung von knapp drei Milliarden Euro gemacht. Also, Verantwortung auf die Zeit vorher abzuschieben, springt einfach zu kurz.
Im November 2015 war bekannt, dass die EZB aufgrund des eingebrochenen Marktes von Schiffscharterraten seit Mitte des letzten Jahres Sonderprüfungen vornimmt. Bereits im November wurde der Landesbank mitgeteilt, dass man zusätzliche Wertberichtigungen erwartet. Die Landesbank hat daraufhin das Ergebnis für das Jahr 2015 noch einmal deutlich verändert. Seit dem 29. März dieses Jahres ist auch den Trägern bekannt, dass auf die Landesbank eine Wertberichtigung für ihr Schiffsportfolio von 700 Millionen Euro zukommen wird.
Was ist seitdem passiert, was ist seitdem für eine Lösung getan worden, Frau Bürgermeisterin? Man muss hier sicherlich Fragen stellen, auf die es leider keine Antworten gibt. Warum ist nicht gleich Ende März ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben worden, um die vier Optionen, von denen Sie gesprochen haben, rechtlich zu bewerten? Warum hat die Freie Hansestadt Bremen in diesem Zeitraum keine Wirtschaftsprüfer engagiert, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der vier Optionen zu überprüfen?
Warum, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es keine Expertise, inwieweit frisches Geld aus Bremen für die Bremer Landesbank einen beihilferechtlichen Charakter hat oder nicht? Wann, Frau Bürgermeisterin, sind Sie in Brüssel gewesen, um gegebenenfalls direkt mit der EU-Kommission über den beihilferechtlichen Tatbestand Gespräche zu führen? Wann wurde das Wirtschaftskabinett tatsächlich über die Situation informiert? Haben Sie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen rechtzeitig informiert?
Was haben Sie dafür getan, meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine Bremer Strategie zu entwickeln? Oder aber, wie hoch sind die Beteiligungen bremischer Gesellschaften, die von der Bremer Landesbank gehalten worden sind beziehungsweise gehalten werden? Warum hat man nicht die Möglichkeit überprüft, der Bremer Landesbank über ein Herauskaufen der Beteiligungen, die sicherlich mit einen höherem Wert bewertet werden müssen, als sie in den Büchern der Bremer Landesbank stehen, Liquidität zur Verfügung zu stellen? Hieraus wäre ein Liquiditätszufluss für die Bank möglich gewesen.
Warum wurde der Haushalts- und Finanzausschuss nicht früher, spätestens Anfang April, durch Sie persönlich informiert, sondern erst am 20. Mai durch die Einladung von Herrn Dr. Kaulvers? Diese Anregung – und das will ich hier auch noch einmal sagen – kam aus den Reihen der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In dieser ganzen Zeit, Frau Bürgermeisterin, haben Sie wertvolle Zeit verschlafen, anstatt sich um die Rettung der Bank aus dieser Misere zu kümmern, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das Problem waren und sind nicht die 700 Millionen Euro. Das ist eine Größenordnung, die man natürlich in irgendeiner Form hätte handhabbar machen können. Das Problem ist, dass die Situation am 2. Juni dieses Jahres durch eine Ad-hoc-Meldung der Bremer Landesbank öffentlich wurde und Sie zu diesem Zeitpunkt, Frau Bürgermeisterin, keine Problemlösung präsentieren konnten. Das ist das, was die Landesbank tatsächlich in diesen gefährlichen Strudel nach unten gerissen hat, und das ist die Situation, die Sie persönlich zu verantworten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem 2. Juni ist dann tatsächlich der Banken-GAU für die Landesbank eingetreten. Es fing eine öffentliche Diskussion über den Zustand der Bank und die Frage der Notwendigkeit der Wertberichtigung von 700 Millionen Euro an, ein Problem und keine Lösung! Es wurden immer mehr Fragen gestellt, und die Öffentlichkeit interessierte sich für das Thema. Noch immer gab es keine gemeinsame Bremer Strategie, und es gab keine Strategie mit dem Partner aus Niedersachsen.
Frau Bürgermeisterin, Sie wechselten dann Ihre Taktik und haben das Nichtbearbeiten des Problems in eine Beschimpfungsstrategie des Partners übergehen lassen. Sie können doch nicht ernsthaft erwarten, dass der Mitgesellschafter einer Bank, ein Partner, zu einer Lösung tendiert, die im bremischen Interesse sein könnte, wenn Sie ihn öffentlich der Erpressung bezichtigen und sagen, man dürfe sich dem Diktat aus Niedersachsen nicht beugen! Derjenige, der diese Worte benutzt, will zu keiner Lösung des Problems kommen, sondern einen Scherbenhaufen anrichten!
Am letzten Freitag wurden die Ergebnisse der Trägerversammlung bekannt. Nach unserer Auffassung bilden sie ein verheerendes Ergebnis für unser Bundesland ab. Es blieben nur noch zwei Ihrer vier Optionen auf dem Tisch. Die eine Option, dass Niedersachsen einseitig zahlt, war gleich vom Tisch. Selbst die Option, dass beide Gesellschafter entsprechende Finanzmittel zuschießen, ist offensichtlich auch vom Tisch. Als Ergebnis bleibt nur der Verkauf der Bremer Landesbank nach Niedersachsen, und zwar entweder gegen eine Beteiligung bei der Nord/LB oder aber gegen liquide Mittel. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für Bremen steht jetzt eine Wahl zwischen Pest und Cholera bevor.
Die Konsequenzen sind problematisch. Wir werden in Bremen leider einen Arbeitsplatzabbau zu verzeichnen haben. Niedersachsen bekommt Zugriff auf die
Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, denn die Landesbank hält dort ja auch Anteile, und damit auf die bremischen Häfen. Meine Damen und Herren, es ist doch vollkommen klar, was dies bedeutet. Wenn die Anteile dort bleiben, dann hat demnächst das Land Niedersachsen ein Mitspracherecht bei unserer Hafenpolitik. Ich glaube, das kann hier beim besten Willen in diesem Parlament niemand wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Als Sie angetreten sind, haben Sie eine Beteiligung von 7,5 Prozent und eine stille Einlage von 480 Millionen Euro übernommen. Ich behaupte an dieser Stelle, dass Sie diese Werte nicht erzielen werden.
Sie werden hierbei mindestens einen Verlust in der Größenordnung eines dreistelligen Millionenbetrages erleiden, Frau Bürgermeisterin. Dies ist auch verheerend für unser Bundesland in den Finanzsituationen, in denen wir uns im Moment befinden.
Das Verhältnis zu Niedersachsen ist problematisch, und das Ergebnis konnte man gestern im „Handelsblatt“ nachlesen. Auf die Frage: „Bremen wird auf Standort- und Beschäftigungsgarantien pochen. Wie kritisch sehen Sie das?“ erzählte der niedersächsische Finanzminister ganz eindeutig: „Eines ist klar, Auflagen haben ihren Preis.“
Frau Linnert, in diese Situation haben Sie uns befördert. Wir können Auflagen nur noch durchsetzen, wenn wir an der Schraube des Kaufpreises nach unten drehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Ihre Verantwortung.
Die Presseberichterstattung ist bundesweit verheerend, nicht nur für die Bremer Landesbank, sondern auch für unser Bundesland. Frau Linnert, wir haben heute im „Weser-Kurier“ lesen können: Niemand ist schuld.
Selbst wenn natürlich niemand an der Situation der Schifffahrt und der weltweiten Entwicklung der Charterraten schuld ist, hat alles etwas mit Verantwortung zu tun. Als Aufsichtsratsvorsitzende sind Sie natürlich dafür verantwortlich, wie viele Finanzierungen ins Portfolio hineingenommen worden sind. Sie sind dafür verantwortlich, welche Risikovorsorge in den letzten Jahren getroffen wurde. Sie sind auch mit dafür verantwortlich, ob diese Risikovorsorge ausreichend ist oder nicht.
Insbesondere aber Ihre Fehleinschätzungen und das unterlassene Handeln in den Monaten April und Mai führten zu einem katastrophalen Ergebnis für unser Bundesland. Frau Linnert, deshalb hat Politik nicht nur etwas mit Schuld, sondern auch etwas mit Verantwortung zu tun. Sie, Frau Bürgermeisterin, müssen tatsächlich in einer ruhigen Minute in sich gehen und sich fragen: Wie wollen Sie jetzt eigentlich für unser Bundesland noch ein gutes Ergebnis erreichen bei dem Scherbenhaufen, den Sie insbesondere in den letzten acht Wochen angerichtet haben? Das wird nicht möglich sein.