Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1847
Schaefer – sind beide Regierungsparteien, nicht nur die Grünen, sondern auch die SPD, bei der Wahl am 10. Mai 2016 abgestraft worden.
Die Allererste, die nach dem Wahldebakel von RotGrün öffentlich verkündet hat, dass für sie trotz des Wählervotums ein Kurswechsel nicht infrage kommt, war die Finanzsenatorin.
Auch das haben wir nicht vergessen, und einen entsprechenden Haushalt des „Weiter so“ haben Sie auch letzte Woche verabschiedet. Wir haben dem Haushalt natürlich nicht zugestimmt. Das Ergebnis des restriktiven Sparkurses ist ja im Grunde seit Jahren für alle sichtbar. Wir wissen, dass es immer noch bei der Inklusion hapert. Wir wissen, dass immer noch Lehrerinnen und Lehrer fehlen, dass der Lernerfolg aller Schülerinnen und Schüler gefährdet ist. Wir wissen, dass auf dem Stadtamt das reine Chaos herrscht und man auf dem Standesamt im Moment kein Aufgebot bestellen kann. Wir wissen auch – das wird hier auch immer wieder thematisiert –, dass die Schere zwischen armen und reichen Stadtteilen im letzten Jahrzehnt, und zwar seitdem Rot-Grün regiert, immer weiter auseinandergegangen ist und der Senat im Moment nichts tut, um diese Schere wieder zu schließen.
Ich will es einmal ganz deutlich sagen: Für Jugendliche in Gröpelingen, Blumenthal, Kattenturm, Tenever, aber auch in Bremerhaven-Lehe im GoetheQuartier stehen die Bildungschancen schlecht, und es gibt anschließend keine Ausbildungsplätze für sie. Das ist eine Situation, die sich in den letzten neun Jahren durchaus noch einmal verschärft hat. Denn Bremen ist mittlerweile Spitzenreiter bei der Arbeitslosigkeit und Verlierer jedes Bildungsvergleichs. Unter Rot-Grün – das muss Ihnen doch auch zu denken geben – ist Bremen das Bundesland geworden, das inzwischen die höchste Armutsquote hat.
Ich finde das leider nicht zum Klatschen! Jedes dritte Kind ist arm, und das gibt es in dieser Deutlichkeit in keinem der 15 anderen Bundesländer. Die Quote alleinerziehender Frauen im SGB-II-Bezug ist in Bremen höher als anderswo. Bremens Wirtschaft boomt, aber wir haben die höchste Leiharbeitsquote, und wir sind Spitzenreiter in Sachen prekäre Beschäftigung. Ehrlich gesagt, es hilft auch nichts, dass die Facharbeiter in Bremen im bundesweiten Vergleich
ein vergleichsweise hohes Lohnniveau haben, wenn die weniger qualifizierten Arbeitsverhältnisse in diesem Bundesland deutlich schlechter bezahlt werden als in den anderen 15 Bundesländern.
Es ist ziemlich eindeutig, weshalb ich das hier noch einmal in Erinnerung rufe, denn die Rahmenbedingungen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung setzt die Politik, und sie werden in Bremen nun einmal seit neun Jahren durch Rot-Grün bestimmt. Für alle Bereiche des öffentlichen Lebens sagen Sie immer: Wir würden ja gern, aber die Haushaltslage hindert uns daran, und zwar frei nach Brecht: Wir wären gut, anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
Vor einem Jahr habe ich im Wahlkampf gesagt, dass das Problematische an dieser Haltung ist, dass es die Menschen in diesem Bundesland auch in ihrer Kreativität lähmt. Von diesem Zustand in beiden Städten und in diesem Bundesland haben die Menschen die Nase voll, und sie wollen, dass sich etwas ändert und sie wieder eine Perspektive bekommen. Das war der Denkzettel der letzten Bürgerschaftswahl, den Sie von den Regierungsparteien am 10. Mai bekommen haben.
Sie haben damals gesagt, Sie hätten verstanden. Ehrlich gesagt, haben die Ergebnisse der letzten Wochen gezeigt, wie wenig Sie verstanden haben.
Sehr geehrte Frau Kollegin! Sie machen so eine Art Generalabrechnung. Das macht man bei den Haushaltsberatungen.
Herr Präsident! Was unser Thema ist, weshalb wir diesem Misstrauensvotum zustimmen, obliegt ja wohl uns, es hier zu erläutern, oder?
Sehr geehrte Frau Kollegin, da irren Sie sich. Wir haben eine Geschäftsordnung, und ich kann Ihnen die Paragrafen vorlesen, was es bedeutet, am Thema vorbeizureden.
(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, ALFA – Abg. Rupp [DIE LINKE]: Und warum dürfen das die anderen?)
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1848
hier nur sagen, dass wir ganz klar gesagt haben, dass dieser Senat in den letzten Wochen die Möglichkeit gehabt hätte, den Kurs umzulegen, und er hätte ganz klar die Möglichkeit gehabt, in den Haushaltsverhandlungen ganz deutlich andere Maßstäbe zu setzen. Wir haben auch ganz klar gesagt, dass diese Möglichkeit bestanden hätte. Ehrlich gesagt: Was ich in dieser ganzen Auseinandersetzung nicht verstehe, ist das, was heute insbesondere von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen gekommen ist: Sie werfen uns vor, dass wir dem Misstrauensvotum der CDU zustimmen.
Sie gehen dabei aber von der Annahme aus, dass wir eine Art Wurmfortsatz dieser rot-grünen Koalition sind und sie immer mittragen,
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Sie müssen sich selbst einmal überlegen, was Sie haben wollen, Frau Vogt!)
ohne dass wir irgendeine Möglichkeit hätten, auf den Haushalt oder die Bremer Landesbank Einfluss zu nehmen, liebe Frau Kollegin Dr. Schaefer!
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich wundere mich nur über Ihr Demokratieverständnis, Frau Vogt!)
Sie hätten ja einmal einem einzigen Antrag zustimmen können! Wo sind Sie denn uns einfach einmal entgegengekommen, sodass wir sagen könnten, diese Finanzsenatorin hätte – –.
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Da- rum geht es nicht! Es geht darum, dass Sie sich über- legen müssen, ob Sie den Bürgern in Wut zustimmen wollen, Frau Vogt! Es ist ein destruktives Misstrau- ensvotum! Darum geht es!)
Nein, darum geht es sehr wohl, und das hat übrigens auch der Kollege Rupp sehr deutlich gemacht, Frau Dr. Schaefer: Der Vorwurf, dass wir unterschiedliche Sprachen in der Bewertung Ihrer Haushalts- und Finanzpolitik sprechen würden, ist komplett absurd.
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber bei der Bremer Landesbank hat Herr Rupp eine deutlich andere Meinung als Sie, Frau Vogt!)
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich von Herrn Rupp jemals etwas anderes gehört hätte als die Tatsache, dass dieser Sanierungskurs, für den Sie sind, für den diese Finanzsenatorin ist, schädlich für unser Bundesland sei und wir ihn vehement ablehnen. Das hat Herr Rupp immer gesagt.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Da müssen Sie uns auch als Par- lament ablehnen! – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Man hat ihr das Spielzeug weggenommen!)
Ehrlich gesagt, Sie hätten ja auch einmal versuchen können, sich mit dieser Argumentation, mit der wir Ihnen von links dauernd entgegentreten, ansatzweise auseinanderzusetzen.
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Doch! Sehr intensiv, Frau Vogt! Aber ich teile nicht Ihre Meinung!)
Nein, Sie haben sich damit überhaupt nicht auseinandergesetzt, Frau Dr. Schaefer, überhaupt nicht, nicht ansatzweise! Frau Linnert hat letzte Woche mehrfach in der Haushaltsdebatte gesagt, dass sie diesen Sanierungskurs nicht infrage stellt, dass sie ihn immer noch für richtig hält und sie immer noch von Generationengerechtigkeit ausgeht.
Ja, das sehen Sie auch so, und deshalb haben wir kein Vertrauen in Ihre Politik und die Politik Ihrer Finanzsenatorin, Frau Dr. Schaefer!
(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Deshalb haben wir die Mehrheit in diesem Parlament, und es ist ein destruktives Miss- trauensvotum! Aber das verstehen Sie ja nicht!)
Wir sagen seit Jahren ziemlich klar und eindeutig, wohin dieser Kurs führt. Das ist auch ganz klar begründet, und das wissen Sie inzwischen auch selber, weil Ihnen die Leute davonlaufen und die Menschen auf der Straße in dieser Stadt – –.
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, uns nicht, aber Ihnen, Frau Vogt! – Unruhe SPD, Bündnis 90/Die Grünen)
Liebe Frau Kollegin! Sie tun alles, damit es unruhig wird. Das ist Ihr gutes Recht, und das ist auch in einem Parlament so üblich. Aber ich zitiere Ihnen jetzt einmal den Paragrafen 46 unserer Geschäftsordnung: „Spricht eine Rednerin oder ein Redner nicht zur Sache, so wird sie oder er vom Präsidenten darauf hingewiesen.“
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 25. (außerordentliche) Sitzung am 24.06.16 1849
Und ich sage Ihnen noch einmal, dass ich zur Sache spreche. Ich sage Ihnen, warum wir dieser Finanzsenatorin nicht vertrauen, und das hat Gründe. Wenn ich die hier nicht äußern darf, dann finde ich das in einer so wichtigen Debatte, in der wir heute reden, höchst befremdlich! Das muss ich hier auch einmal sagen.