Protokoll der Sitzung vom 22.09.2016

Den Ruf nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder gar nach einer Reservistenarmee aus Freiwilligen nach dem Vorbild der US-Nationalgarde lehnen wir entschieden ab, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wir sind überzeugt, dass wir neben einer gut ausge statteten Polizei vor allem flächendeckende, niedrig schwellige und effektive Präventionsprogramme unter Einbindung der Zivilgesellschaft einschließlich der Religionsgemeinschaften und der Migrantenselbstor ganisationen sowie die konsequente psychologische Betreuung Traumatisierter und einen verbesserten, rechtsstaatlich organisierten, europaweiten Informa tionsaustausch über Gefährder brauchen.

Meine Damen und Herren, Herr Tassis, Integration ist ein ganz wichtiger Baustein, auch in der Terror bekämpfung. Schauen wir uns die Terroranschläge an, auch die in Belgien, stellen wir fest, sie sind doch gerade von Menschen, Jugendlichen, verübt worden, die keine Perspektive hatten, nicht integriert waren. Das führt zu einer Radikalisierung. Deswegen brau chen wir eine gute Integration.

Es bedarf dringend einer EU-weiten Anpassung der zum Teil erheblich differenzierten waffenrechtlichen

Vorschriften. Wir brauchen aber auch einen effekti veren rechtsstaatlichen Informationsaustausch. Wir glauben, dass bestimmte Analysen möglicher Terror lagen auch durch Bundeseinrichtungen durchgeführt werden könnten. Lassen Sie mich abschließend sagen, es wird nie eine hundertprozentige Sicherheit vor Terroranschlägen geben. Das wissen wir aus anderen europäischen Län dern, auch Deutschland, ob es die IRA oder ETA oder in Deutschland die RAF, die NSU oder jetzt Täter mit islamistischem Hintergrund waren. Es wird nie eine hundertprozentige Sicherheit vor Terroranschlägen geben. Aber wir dürfen uns nicht so verunsichern lassen, dass wir unsere Werte, die für uns wichtig sind – Demokratie und Freiheit –, nicht mehr leben können. Wir müssen dafür eintreten, dass wir diese Werte erhalten. Es gibt Maßnahmen, die für eine bessere Terrorbe kämpfung sorgen können, aber wir dürfen uns nicht aus Angst vor Terroranschlägen davon anstecken lassen, Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit Vorschub zu leisten. Im Gegenteil, ich finde, wir müssen dem Ganzen geschlossen entgegentreten! – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns über Amok und Terror. Der Terror ist seit dem Sommer dieses Jahres zumindest durch Einzelanschläge auch in Deutsch land angekommen. Deswegen macht es Sinn, sich über die neue Situation zu unterhalten, allerdings besonnen und sachlich. Wir haben es mit Tätern zu tun, auch wenn man den Antrag der LINKEN einbezieht, die persönli che Probleme haben, psychisch deformiert sind, in psychiatrischer Behandlung und verblendet sind – entweder persönlich oder politisch – und zu diesen Gewalttaten kommen. Es ist eindeutig und völlig klar, dass solche Taten zu verabscheuen sind, dass unsere Anteilnahme den Angehörigen und unser Dank den Sicherheitsbehörden gilt.

(Beifall FDP, CDU)

Wir halten es auch für wichtig, so wie heute Morgen, zeit- und ortsnah den Ausdruck der parlamentari schen Vertretung deutlich zu machen, dass wir dies in diesem Sinne ablehnen und uns dafür einsetzen, dass Sicherheit gewährleistet wird.

(Beifall FDP, SPD)

Allerdings sind die Themen, mit denen wir uns heute beschäftigen, keine, die erst seit drei, vier Wochen auf

der Tagesordnung des Parlamentes stehen. Amok gibt es seit vielen Jahren. Aus Schulen sind Amokläufe bekannt, dem einen oder anderen sicherlich noch erinnerlich. Deswegen verstehe ich es nicht ganz, dass man für eine so wichtige Debatte, in der eigentlich Geschlossenheit erforderlich ist, ein oder zwei Tage vorher mit Dringlichkeitsanträgen aufwartet. Ich würde mir parlamentarischen Stil wünschen, der zu mehr Einigkeit, einer breiteren Entschließung und einer tieferen Debatte führen kann.

(Beifall FDP)

Wir haben unterschiedliche Anträge vorliegen, zu nächst den von der CDU, dann Dringlichkeitsanträge von der SPD und den Grünen sowie von den LIN KEN. Wir sind in allen wesentlichen Punkten einig, das hatten wir gesagt. Entscheidend ist aber, nicht immer nur zu klagen, sondern zu fragen, was wir tatsächlich sicherheitspolitisch leisten können. Das ist das Entscheidende!

Wir hatten hier vor einigen Wochen eine ausführliche Debatte. Damals ging es um den Pakt der inneren Sicherheit – auch ein Antrag der CDU –, der in die Deputation für Inneres überwiesen worden ist und dort sachlich abgearbeitet werden soll.

Das macht Sinn. Deswegen sehen wir heute, was den Antrag der CDU anbelangt, auch wenn er in die rich tige Richtung zielt und die Ereignisse des Sommers aufgreift, Überschneidungen. Vieles wiederholt sich, wird also noch einmal verfestigt dargetan. Alles, was Sie in diesem Antrag schreiben, wurde im Wesentli chen schon gesagt. Wir sind in der Innendeputation dabei, dies abzuarbeiten. Es muss nicht immer sein, dass man einen Antrag in dieser Breite wiederholt.

(Beifall FDP)

Womit wir erhebliche Probleme haben, ist Ihre Ziffer zwei, der Einsatz der Bundeswehr im Bereich der Gefahrenabwehr. Dieser Schlenker ist uns zu voreilig, zu wenig überlegt. Da muss mehr Sorgfalt an den Tag gelegt werden.

(Beifall FDP)

Wir halten gar nichts davon, in dieser Situation der inneren Bedrohung des Landes schon jetzt sprachlich mit der Bundeswehr, die für den Angriff auf unser Staatsgebiet zuständig ist, zu argumentieren. Es kann Öl ins Feuer von Terroristen sein, wenn wir von uns aus den Bundeswehreinsatz zur Sprache bringen. Die Bundeswehr ist für Katastropheneinsätze zuständig und hat auch Amtshilfe zu leisten, aber das Entschei dende ist: Die Polizei macht Gefahrenabwehr. Des wegen finden wir es gut, dass Bundesinnenminister de Maizière die Bundespolizei um einige Tausend Personen aufstocken will. Darin sehen wir einen Anknüpfungspunkt, den Bund mit in die Pflicht zu

nehmen, den polizeilichen Gefahrenabwehrbereich für Terrorismus zusätzlich zu übernehmen, aber nicht darin, in diesem Zusammenhang die Bundeswehr ins Spiel zu bringen.

(Beifall FDP)

Über erkennungsdienstliche Maßnahmen haben wir vor einigen Tagen schon diskutiert. Sie sprechen von einem Landesintegrationsgesetz; ein Bundesintegra tionsgesetz ist für uns ausreichend. Wichtiger ist aber, dass wir endlich ein Einwanderungsgesetz schaffen

(Beifall FDP, Abg. Tassis [AfD])

und die Einwanderung gezielt steuern können. „Aus reise schneller durchsetzen“ – Herr Hinners weiß es: In jeder Deputationssitzung bekommen wir vom Innensenator eine Übersicht, wie die Abschiebung im Einzelnen läuft. Im Wesentlichen wird all das in der Innendeputation schon bearbeitet.

Ein wichtiger Punkt scheint mir noch zu sein, dass es nicht nur darum geht, die Prävention staatlich zu gestalten. Alle in der Gesellschaft sind aufgefordert, durch eine Kultur des Hinsehens das Augenmerk da rauf zu richten, wo sich eine Gewalttat, Terrorismus, einzelnes Abdriften von psychisch auffälligen Perso nen ereignen können. Da sind Schüler aufgefordert, Elternhäuser, Arbeitgeber. Vielleicht – ich gebe das einfach einmal so in die Debatte, ich bin noch nicht sicher, wie ich mich entscheiden würde – ist es auch eine Pflicht der Ärzte, die entsprechende Personen behandeln, bei Gefahren, die erheblichen Schaden für die Allgemeinheit, für Menschen verursachen können, unter gewissen Voraussetzungen Auskunft zu erteilen.

Summa summarum: Den Antrag der CDU können wir nicht unterstützen. Wir haben das alles hier quasi schon gemacht, und der Schlenker mit der Bundes wehr ist uns zu unausgereift.

(Beifall FDP)

Zum Antrag der Koalition! Dass wir die Anschläge verurteilen und den Dank an die Sicherheitskräfte mit schultern, ist eine Selbstverständlichkeit. Das braucht man in so einem Beschluss nicht zu wiederholen. Das haben Vertreter aller politischen Parteien anlässlich der Anschläge im Sommer schon kundgetan.

Was Sie weiter zu Kernaufgaben der Sicherheitsbe hörden aufführen – sie zu verbessern, sie in die Lage zu versetzen –, da müssen Sie sich mit Blick auf die Unzulänglichkeiten der Polizeiausstattung in Bremen ein bisschen an die eigene Nase fassen.

Auch das, was die Bundeseinrichtungen anbelangt, werden wir in der Deputation mit behandeln, wenn es um Ihren Antrag „Pakt für die innere Sicherheit“ geht. Gleiches gilt für die europäische Vernetzung

der Sicherheitsbehörden. Auch hier gilt letztlich: Zwar alles richtig, aber nichts Neues!

Zu dem, was Sie zu Prävention, Kontrolle und Kultur des Hinsehens bemerken – das habe ich schon ausge führt –: Alle Mitglieder der Gesellschaft sind aufge fordert, sich durch Zivilcourage daran zu beteiligen.

Zum Antrag der LINKEN! Es ist richtig, nicht nur im Nachhinein zu reagieren, sondern auch im Vorhinein die psychosozialen und kriminologischen Aspekte zu berücksichtigen; völlig d’accord! Aber, liebe Kolle ginnen und Kollegen von der LINKEN, wir hatten vor einigen Wochen oder Monaten eine größere Debatte auf Anfrage der CDU darüber, dass in diesem Bereich viele ehrenamtliche und auch staatliche Organisati onen schon tätig sind. Das Thema ist dort eigentlich im Wesentlichen abgearbeitet worden.

(Glocke)

Der Landeszentrale für politische Bildung quasi von oben herab etwas anzubieten, halten wir für proble matisch, dies muss freiwillig geschehen.

Zum Waffengesetz! Es gibt schon erheblich strenge Regeln, was die Aushändigung von Waffen anbelangt. Die Vorfälle im Sommer dieses Jahres waren keine, die mit diesen Waffen zu tun hatten: Messer, Axt, Machete – alles Waffen, die mit dem Waffengesetz im engeren Sinne nichts zu tun haben.

(Glocke)

All diejenigen, die mit einer entsprechenden Waffe etwas veranstalten wollen, werden sie sich auf andere Weise besorgen.

Da in allen Anträgen durchaus die eine oder andere Nuance gebraucht und eingebracht werden kann – wir werden das in der Innendeputation mit leisten –, wollen wir die anderen beiden Anträge nicht ableh nen, sondern werden uns enthalten. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Stunde erlauben Sie mir, dass ich mich auf wenige Anmerkungen zur heutigen Debatte beschränke.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, ALFA)

Ich räume frei ein, dass ich Probleme hatte, bei der Lektüre der Anträge zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Die Anträge von CDU auf der einen Seite und auf der anderen Seite der SPD und den Grünen weisen ein hohes Maß an Übereinstimmung

auf. Ich habe mir die Frage gestellt: Wäre es mit ei nem bisschen guten Willen nicht möglich gewesen, aus beiden Papieren ein gemeinsames zu machen?

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Knapp vorbei!)

Selbst im Beitrag von Frau Vogt, zu der meine Nähe nicht immer so groß ist, waren Dinge, die man wun derbar in einem Antrag hätte unterbringen können. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten. Das hätte man vielleicht auch einmal sagen können. Die ganze weitere Debatte hat mich bestätigt, dass dies so nicht notwendig gewesen wäre.

Herr Röwekamp, zu Ihrer Einschätzung der Lage! Ich habe mitgeschrieben, weil ich dachte, Sie würden einige Akzente setzen, von denen ich dann sagen kann: Das geht überhaupt nicht! Sie haben aber pas sende Worte gefunden. Das Ganze ist ein Alptraum, haben Sie gesagt, ein Angriff auf den Kern unserer demokratischen Ordnung. Flüchtlinge seien nicht die Ursache, Perspektivlosigkeit führe zu Anfällig keit, wir hätten es mit dem Problem zu tun, dass die Bevölkerung massiv verunsichert sei.