Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Unser Ziel muss es sein, Bremen und Bremerhaven als lebens- und auch als liebenswerte Städte zu erhalten, und Bremen ist eine wachsende Stadt. Unser Ziel ist es, gerade auch die jüngeren Menschen für Bremen zu interessieren, damit sie zum einen nach Bremen kommen, sie aber zum anderen zum Beispiel auch nach ihrem Studium in Bremen zu halten.

Bremen und Bremerhaven sind attraktive Wissenschafts- und Forschungsstandorte, auch darauf ist der Bürgermeister eingegangen. Das ist ein riesiges Potenzial, das wir erhalten müssen. Hoch qualifizierte Menschen leben und arbeiten hier in Bremen, sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Renommee des Landes. Sie sind ein Aushängeschild für Bremen, und deshalb betrachten wir Grünen den Vorstoß der CDU auf Bundesebene, die Förderung für Exzellenzinitiativen zur kürzen, mit extrem großer Sorge.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, tun Sie etwas gegen diesen Unsinn Ihrer Bundestagsfraktion!

Wenn wir Bremen zukunftsfest machen wollen, dann geht es um unsere Kinder. Mit Bildung, Ausbildung und Arbeit wollen wir Armut vorbeugen. Die Grünen setzen dabei auf Teilhabe und Selbstbestimmung. In Bremen leben viele arme Menschen, das ist so. Ausgrenzung muss gezielt beseitigt werden, und zwar von klein auf. Bei Ihnen, Frau Steiner, habe ich gelernt, gibt es den „war for talents“ – ich habe mir vorgestellt, wie es aussieht, in der Schule mit Laserschwertern zu kämpfen –, aber ich kann Ihnen sagen, das ist wahrlich nicht unser größtes Problem.

Bildung ist der Schüssel für Teilhabe und gegen Armut, und es ist richtig, dass Bildung schon bei den ganz Kleinen beginnt. Es ist in unseren Augen richtig, dass der Kita- und der Schulbereich zusammen gedacht werden, denn für viele Kinder war es bisher ein krasser Schritt, wenn sie nach sechs Wochen Sommerferien plötzlich den Ernst des Lebens mitbekamen: Vorher waren sie noch ein Kindergartenkind, das in der Sandkiste gespielt hat, und plötzlich waren

sie ein Schulkind, das einen Stundenplan einhalten sollte. Es ist in unseren Augen richtig, wenn diese beiden Bereiche in Zukunft enger verknüpft werden, um den Kindern den Übergang zu erleichtern und die durchgängige Förderung, im Übrigen auch die durchgängige Sprachförderung, zu verbessern.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

In dem Zusammenhang möchte ich auch eines ganz deutlich sagen: Ich finde es absolut richtig und mehr als begrüßenswert, dass das Bundesverfassungsgericht gestern das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP)

Die Abfuhr für die unsägliche Herdprämie ist ein gutes Signal, das haben die meisten erkannt, vielleicht Herr Seehofer nicht. Warum ist es ein gutes Signal? Weil das Betreuungsgeld gerade für bildungsferne und ärmere Eltern ein finanzieller Notnagel war, der aber gerade Kinder mit Förderbedarf von der Kita ferngehalten hat! Wir Grüne wollen, dass alle Kinder von Anfang an die gleichen Chancen erhalten, und das darf nicht davon abhängig sein, ob Eltern das Geld für den Kindergarten lieber sparen, das Betreuungsgeld nehmen und ihren Kindern damit den Besuch eines Kindergartens mit hoch qualifiziertem Betreuungspersonal vorenthalten. Wir unterstützen die Forderung, das Betreuungsgeld in den Ausbau der Kita-Plätze zu stecken. Senatorin Anja Stahmann hat in der vergangenen Legislaturperiode maßgeblich mit dem Ausbau der U3-Plätze und der Kita-Plätze begonnen und eine, wie ich finde, sehr gute Grundlage für die nächsten vier Jahre geschaffen. Wir wollen die Zahl der Kindergartenplätze weiter ausbauen, genauso wie die Ganztagsschulen. Das hilft nicht nur, Kinder zu qualifizieren und ihnen damit Chancen für die Zukunft zu geben, sondern auch den Eltern und gerade den Müttern die Chance zu eröffnen, arbeiten zu gehen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und damit ihre Existenz zu sichern. Der Armutsbericht hat auch gezeigt, dass besonders Alleinerziehende von Armut betroffen sind, darauf sind auch Sie eingegangen, Frau Vogt. Der Ausbau der Kita-Plätze und die Flexibilisierung der Öffnungszeiten sind ein Beitrag zur Bekämpfung von Armut der Alleinerziehenden.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Was ist mit der Bedarfs- prüfung? Das haben Sie vor drei Jahren versprochen! In den entscheidenden Punkten kneifen Sie nämlich!)

Entspannen Sie sich, Frau Vogt, sonst bringe ich Ihnen ein Glas Wasser, damit Sie sich etwas abkühlen können!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir wollen in dieser Legislaturperiode ein Projekt für eine 24-Stunden-Betreuung von Kindern umsetzen, das entlastet gerade auch Eltern, meistens sind es Mütter, die im Schichtbetrieb arbeiten. Wir wollen Alleinerziehende aber auch mit einem Netzwerk intensiver unterstützen. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wollen wir auf Frauen abstimmen, Teilzeitausbildung und den Wiedereinstieg fördern. Wir entwickeln einen sozialen Arbeitsmarkt und tragen der Tatsache Rechnung, dass manchen Menschen der sogenannte erste Arbeitsmarkt verschlossen bleibt.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen es schaffen, die hohe Quote bei der Leiharbeit in unserem Land deutlich zu reduzieren. Politik gibt den Rahmen vor. Wir sind allerdings nicht der Arbeitgeber, auch das muss man hier einmal sagen.

Wir wollen auch den Menschen mit Behinderung Teilhabe ermöglichen. Eine barrierefreie Stadt ist gut für ältere Menschen und Kinder.

Meine Damen und Herren, bei Teilhabe geht es uns aber nicht nur um Kinder, gerade Jugendliche müssen auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wir müssen uns ehrlich damit auseinandersetzen, dass es in unserer heutigen Gesellschaft Familien gibt, in denen die Kinder und damit auch die Jugendlichen leider nicht mehr so von den Familienmitgliedern betreut werden, wie man es sich idealerweise vorstellt. Die offene Jugendarbeit leistet wertvolle Präventionsarbeit, sie orientiert sich an der Lebenswelt der jungen Menschen, und wir wollen diese Jugendarbeit stärken,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

indem wir das Konzept der offenen Jugendarbeit umsetzen. Das heißt auch, sie finanziell besser ausstatten zu wollen. Um Jugendlichen einen Weg aus verfestigter Armut zu eröffnen, werden wir die Jugendberufsagenturen und die Ausbildungsplatzgarantie zu einem Erfolg machen, das ist unser Ziel.

Meine Damen und Herren, wir müssen auch bei der Aufstellung der Haushalte darauf achten, dass wir solche wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben wie Jugendarbeit und aufsuchende Sozialarbeit weiterhin gut finanzieren. Allerdings möchte ich in Richtung der LINKEN sagen: Frau Vogt, das, was Sie vorgestern in Form einer Pressekonferenz eingefordert haben, um Armut zu bekämpfen, steht größtenteils im Koalitionsvertrag.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Nein! Wo denn? Sie haben überhaupt nichts hinterlegt!)

Doch, ich habe Ihre Pressemitteilung sehr genau gelesen! Sie geben nur die Inhalte wieder, die sich die Koalition auf die Fahnen geschrieben hat. Aber die

se Koalition unterscheidet sich von der LINKEN darin, dass wir den Menschen eben nicht das Blaue vom Himmel herunter versprechen.

Sie fordern wieder einmal einfach 36 Millionen Euro mehr zur Bekämpfung von Armut. Ehrlich gesagt, Frau Vogt, bin ich froh, dass Bremen nicht dem Modell Griechenland folgt und Schulden über Schulden macht. Gerade an Griechenland kann man doch sehen, was passiert, wenn man nicht versucht, Schulden einzudämmen, sondern einfach immer mehr und mehr Geld aufnehmen möchte.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Das ist aber ein ganz schwieriger Vergleich!)

Griechenland zeigt uns allen eines: Unter der Verschuldung öffentlicher Haushalte leiden nicht die Reichen am meisten, die ihr Geld längst im Ausland deponiert haben, sondern gerade die arme Bevölkerung, und das wollen wir nicht. Ich bin froh, dass wir die Schuldenbremse in Bremen in der Verfassung verankert haben,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das hat auch lange genug gedauert!)

uns auch in den nächsten vier Jahren zur Einhaltung des Sanierungspfades bekennen und das wirklich Machbare für die Menschen umsetzen werden.

Auf Bremen werden auch in den nächsten vier Jahren große Herausforderungen zukommen. Wir müssen zusehen, dass wir den vielen Flüchtlingen aus aller Welt, die zu uns kommen, eine adäquate Unterkunft bieten können. Meine Damen und Herren, das ist eine Mammutaufgabe.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir werden mehr Flüchtlinge aufnehmen und setzen auf eine humanitäre Politik. Dazu brauchen wir auch die finanzielle Unterstützung des Bundes. Bremen setzt sich weiterhin für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und für Möglichkeiten zur schnelleren Arbeitsaufnahme für Flüchtlinge ein, auch das bekämpft Armut. Meine Damen und Herren, Integration geht uns alle an.

Wir wollen bezahlbares Wohnen sicherstellen, unter anderem auch für wohnungslose Menschen und für erwachsene Flüchtlinge, aber auch Jugendwohnungen schaffen. Das Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ hat sich bewährt und wird ausgebaut, es unterstützt den sozialen Zusammenhalt sehr effektiv.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich gebe Ihnen recht, wir müssen das Tempo bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erhöhen,

denn die Zuwanderungen nehmen zu, das zeigen die neuesten Zahlen. Wir sind eine wachsende Stadt. Herr Röwekamp, ja, wir wollen auch gerade jungen Familien ein Zuhause bieten. Ich fand es recht interessant, in der Mitte zu sitzen, denn auf der einen Seite haben Sie gesagt, wir würden Wohnungen nur entweder für Reiche oder für Benachteiligte schaffen, aber nicht für die jungen Familien. Auf der anderen Seite habe ich von Frau Vogt gehört, wir würden überhaupt keinen sozialen Wohnungsbau schaffen. Die einen kritisieren immer, wir würden zu wenig für den Wohnungsbau tun, denn die anderen boykottieren jede Deputationsvorlage in der entsprechenden Deputation, wenn es um Wohnungsbau geht. Mir zeigt das manchmal, dass wir dann genau auf dem richtigen Pfad sind, wenn man es beiden Extremen nicht recht machen kann.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Ein toller Politikansatz!)

Wir wollen Bremen zu einer unwiderstehlichen Stadt für junge Leute machen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Hochschulabsolventen wollen wir dafür gewinnen, in Bremen zu bleiben, hier zu leben, zu arbeiten, Familien zu gründen und die Stadt zu prägen. Dahinter steckt auch die Hoffnung, dass diese Jahrgänge, die die Basis der Wissensgesellschaft bilden, Bremen voranbringen können, und zwar auf allen Gebieten. Dabei geht es auch, aber nicht nur um den bekannten Fachkräftemangel, vor allen Dingen geht es aber um unsere Perspektive, um noch ganz andere Chancen und Potenziale.

Herr Röwekamp, Sie haben vorhin gefragt, wo denn Wohnungsbau stattfinde, es heißt übrigens Innenentwicklung, nicht Innenverdichtung. Ich nenne einmal das Hulsbergviertel,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wann kommt das denn?)

aber auch Huckelriede, Oberneuland, die Horner Mühle und die Aumunder Wiesen. Die politischen Beschlüsse dafür, Herr Röwekamp, sind doch schon längst gefasst worden.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wann kommt es? Wann kommt Hulsberg denn? Erzählen Sie doch mal! – Zuruf Abg. Kastendiek [CDU])

Oh, Herr Kastendiek, ich bin jetzt wirklich schwer beeindruckt. Ich sage Ihnen eines: Diese Menschen wollen in die Stadt. Es geht um die Stadteile, die auch eine Veränderung begreifen, um eine Öffentlichkeit, die neugierig und offen ist und um eine Wirtschaftsförderung, die sich Experimente zu machen traut und ihre Wahrnehmungsfähigkeit für Neues schärft. Wenn wir darauf bestehen, dass Bremen seine wunder

baren grünen Qualitäten sorgsam weiterentwickelt, wenn wir Platz für das Rad schaffen und stolz darauf sind, dass die Kammerphilharmonie in Tenever und in Tokio auftritt, dann sind das meines Erachtens starke Signale in die richtige Richtung.

Alle Städte ringen mit der Aufgabe, die Flüchtlinge aufzunehmen und in die Stadtgesellschaften zu integrieren, aus der Perspektive von Humanität, aber vor allem auch aus dem Motiv heraus, dass diese Einwanderer und Flüchtlinge nicht zum ausgeschlossenen nicht produktiven, nicht gebildeten, also in der Armutsfalle steckenden Teil der Gesellschaft werden sollen. Wer nicht will, dass diese Menschen, die jetzt zu Tausenden vor der Tür der zentralen Aufnahmestellen stehen, nur in die Sozialsysteme einwandern, der muss für den Zugang zum Arbeitsmarkt für diese Menschen sorgen, das heißt, ihnen die Möglichkeit zu geben, Deutsch zu lernen, Abschlüsse anzuerkennen und dem Aufstiegswillen eine Chance zu geben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir wollen Wohnraum schaffen, das habe ich vorhin schon gesagt, aber wir müssen dabei die Balance halten, um bei allem Wohnungsbau nicht die Attraktivität unserer Stadt zu gefährden. Daher setzen wir weiterhin auf Innenentwicklung. Wir werden die Wohnungsbauprojekte Am Hulsberg, in der Neustadt, in Woltmershausen und anderswo realisieren. Es wird vermehrt Angebote für Baugruppen, Generationsübergreifendes Wohnen und neue Wohnformen geben,