Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Ehrlich gesagt, ich war am Dienstag ziemlich fassungs los, als der Staatsrat in der Fragestunde auf meine Anfrage hin keine Lösung präsentieren konnte. Man konnte auch merken, dass es ihm dieses Mal sichtlich unangenehm war. Ich finde, es ist ein Unding, wenn der Senat insgesamt sagt, wir müssen den Bedarf einer Schule anhand der finanziellen Rahmenbedingungen ermitteln. Ich finde, das geht überhaupt nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Darüber hinaus muss man auch einmal sehen, dass dieser Schulneubau dem Beirat Gröpelingen in der vergangenen Woche bereits angekündigt gewesen ist. Das bedeutet, um es mit den Worten des Zent ralelternbeirats, die gestern gefallen sind, klar aus zudrücken, dass die schulische Grundversorgung in einem Stadtteil in Bremen im kommenden Schuljahr massiv gefährdet ist.

Es geht inzwischen auch gar nicht mehr darum – und das ist ein riesiges Problem –, dass wir uns über die Qualität der Bildungsangebote streiten. Das ist eine Diskussion gewesen, die wir bereits vor Jahren hier geführt haben. Wir reden im Moment darüber, ob wir überhaupt alle Kinder adäquat unterbringen können.

Ich finde, dass der Senat am Dienstag keinen Beschluss zur Schulgründung in Gröpelingen gefällt hat, be deutet auch, dass es der Senat in seiner Gesamtheit aufgegeben hat, in Bremen aktiv Bildungspolitik zu betreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Das bedeutet, dass der Senat auf einem zentralen Feld der Landespolitik nicht mehr handlungsfähig ist. Die Leidtragenden sind die Kinder und Jugend lichen in Bremen. Auf sie wartet schlimmstenfalls

eine Schullaufbahn im Container. Die Schüler der Schule am Ohlenhof erleben das bereits. Wenn dort der erste Bagger anrollt, dann ist der erste Jahrgang bereits einmal komplett im Rahmen einer Containe runterbringung durch die Schule gelaufen.

Diejenigen, die im Jahr 2015 oder 2016 geboren wor den sind, haben in einigen Stadtteilen die Aussicht, den halben oder sogar den gesamten Bildungsweg in Mobilbauten zu erleben. Diejenigen, die in diesen Jahren geboren werden, werden regelmäßig von nicht abschließend ausgebildetem Personal, sprich von Masterstudierenden, unterrichtet werden.

Das heißt, wenn man sich die gesamte Situation anschaut, dann stellt man fest, dass sich der Senat auf dem Gebiet der Bildungspolitik als nicht hand lungsfähig erweist und dass er eine vernünftige Politik im Bildungsbereich wieder einmal dem Primat der Finanzpolitik beziehungsweise dem herausgegebenen Spardiktat unterordnet. Die Finanzsenatorin hat am Dienstag per Interview im „Weser-Kurier“ verkündet, dass die Schuldenbremse auch in diesem Kalender jahr eingehalten werden soll, und zwar sogar unter Einbeziehung der fluchtbedingten Zusatzausgaben.

Für dieses Ziel sollen sämtliche Steuermehreinnahmen eingesetzt werden, und damit bin ich zur Begrün dung einer Forderung unseres Antrags gekommen. Außerdem müssen alle Ressorts erneut Ausgaben reduzieren. Bei dieser Politik bleiben diejenigen auf der Strecke, die die Unterstützung am nötigsten haben, nämlich die Kinder und Jugendlichen im Lande Bremen.

Wir schlagen hier eine ganz andere Politik vor. Wir schlagen einen Weg für die Finanzpolitik vor, der unseres Erachtens nicht weniger solide ist als das, was das Finanzressort als solide betrachtet. Wir schla gen vor, dass Sie sich einfach an den Haushaltsplan halten, den Sie hier im Sommer beschlossen haben. Dazu gehört eben auch, dass Bremen in dem Rahmen neue Schulden aufnimmt, der im Sommer beschlossen worden ist.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Das ist keine Verpflichtung zur Verschuldung!)

Dann könnten Sie die 114 Millionen Euro Mehrein nahmen, die wir tatsächlich im Jahr 2016 haben, auch für die Bildungspolitik einsetzen.

(Zuruf Abg. Tschöpe [SPD])

Ganz konkret schlagen wir vor, Herr Kollege Tschöpe, die 100 Millionen Euro noch im laufenden Haus haltsjahr in das Sondervermögen Infrastruktur und Technik zu überführen. Dieses Geld könnte dann in den kommenden Jahren für den Neubau von Kin dertagesstätten und Schulen eingesetzt werden, und dann kommen wir vielleicht nicht in die Situation, dass sich Eltern im Januar anmelden müssen, aber

nicht wissen, bei welcher Schule sie sich anmelden sollen, es würde dann nämlich hier ein Beschluss für eine Schulneugründung vorliegen.

(Beifall DIE LINKE)

Der von uns vorgeschlagene Weg hätte natürlich die Konsequenz, dass Bremen – wie bereits im Sommer angekündigt – den Sanierungspfad nicht einhalten würde. Der Senat hat im Sommer extra ein juristisches Gutachten eingeholt, in dem bestätigt worden ist, dass Bremen die fluchtbedingten Zusatzkosten als notwendige Mehrausgaben gegenüber dem Stabi litätsrat geltend machen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben damals gesagt – und der Kollege Rupp hat es heute Morgen noch einmal bestätigt –, dass wir diesen Weg des Senats als richtig angesehen haben. Wir finden es auch weiterhin richtig, dass Bremen diesen Weg weitergeht, denn Bremen sollte jetzt offensiv in die Auseinandersetzung mit dem Stabilitätsrat gehen, um das Überschreiten der Schuldengrenze wegen fluchtbedingter Mehraufwendungen zu verteidigen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Senat macht aber im Moment genau das Gegenteil davon, er geht in die Defensive und behauptet ge genüber Berlin und gegenüber den anderen Ländern, dass in Bremen unter dem gegebenen Finanzrahmen doch noch alles in Ordnung sei. Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die vorgestern Zeitung gelesen oder Fernsehen geschaut haben, wissen, dass das Gegenteil der Fall ist. Wenn im Land Bremen in dieser Woche noch nicht einmal mehr eine Kapazitätsverordnung beschlossen wer den kann, sodass jedes schulpflichtige Kind, das in Bremen lebt, ab dem nächsten Schuljahr ganz sicher einen Schulplatz bekommt, spätestens dann ist dieser Konsolidierungskurs krachend gescheitert.

(Beifall DIE LINKE)

Neben diesem finanzpolitischen Punkt zu den Investi tionen im Baubereich sieht unser Antrag weitere drei Vorschläge vor, ich fasse sie einmal kurz zusammen.

Für das Land Bremen ist eine Ausbildungsoffensive für das Lehramt notwendig, aber auch für die So zial- und Erziehungsberufe. Die zusätzlichen Aus bildungsplätze für das Referendariat sowie bei den sozialpädagogischen Assistenzen sind bisher als nicht ausreichend anzusehen. Wir wissen, dass für viele Schulen zum Beispiel keine Lehrkräfte mehr gewonnen werden können, sodass die Schulen auf Studierende zurückgreifen müssen. In den letzten Wochen haben wir Schulen besucht und erfahren, dass bis zu 20 Prozent des Unterrichts von Studieren den abgedeckt werden. Es werden sogar regelmäßig

Klassenleitungen übernommen. Es sind sich ja wohl alle darin einig, dass das nicht geht.

(Beifall DIE LINKE – Glocke)

Ich kann die anderen beiden Punkte gleich noch einmal während meines zweiten Redebeitrags vor stellen. Im Wesentlichen geht es um eine gezielte Sprachförderung und um die Entlastung der Schulen in den ärmeren Stadtteilen. Diese beiden Punkte kann ich in wenigen Worten erläutern. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin der Linksfraktion, Sie haben zum Schluss noch ein bisschen zu Ihrem An trag gesprochen. Ich will hier einmal ein bisschen deutlicher damit beginnen:

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ich muss ihn ja auch erst einmal begründen!)

Sie führen in den ersten zwei Absätzen auf, dass derzeit circa 1 000 Kinder in Bremen und Bremerha ven keinen Kitaplatz haben. Weiterhin fehlen nach aktuellen Berechnungen demnächst Schulplätze. Das alles haben wir im Übrigen im November in einer Aktuellen Stunde – beantragt von der FDP-Fraktion – auch diskutiert.

Ihr Antrag trägt den Titel „Systematisches Versagen in der Bildungspolitik stoppen – ,Sofortprogramm Bildung‘ starten“. Die fehlenden Plätze in Kita und Schule fassen Sie unter dem Begriff „Bildungskrise“ zusammen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Nein, nicht nur die!)

Das sind die ersten beiden Absätze in Ihrem Antrag, wenn Sie sich den Antrag einmal vornehmen, Frau Vogt, und dann kommt von Ihrer Seite aus systemati scher Unsinn! Ich zitiere: „Ergebnis der Bildungskrise ist das stets miserable Abschneiden des Bundeslandes Bremen bei Bildungsvergleichsstudien, in fast allen Bereichen landet das Bundesland Bremen fortwährend auf dem letzten Platz.“

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ist das nicht Fakt?)

Das ist ein Zitat aus Ihrem Antrag.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ja, aber es ist doch auch so!)

Ihre Analyse ist richtig, es fehlen zurzeit Kitaplätze und Schulplätze, aber Ihre Schlussfolgerung ist doch völliger Unsinn!

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Eine Zustandsbe schreibung, Herr Güngör!)

Die demnächst fehlenden Grundschulplätze und die jetzt fehlenden Kitaplätze sind das Ergebnis und für das schlechte Abschneiden in der Vergangenheit verantwortlich? Das ist doch völliger Quatsch! Da ist Ihnen, glaube ich, ein Fehlschluss in Ihrem Antrag unterlaufen.

(Beifall SPD – Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das ist eine Zustandsbeschreibung und Begründung, keine Schlussfolgerung, Herr Güngör!)

Sie können doch aber nicht zwei Problemfelder auf führen, die wir ausdrücklich teilen und auch schon hier mehrfach diskutiert haben,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber nicht handeln!)

und daraus dann eine Schlussfolgerung für die letzten 15 Jahre PISA ziehen! Das ist Quatsch, Frau Vogt, was Sie da aufgeschrieben haben!

Im Übrigen werden diese Schlussfolgerungen auch dem Handeln der letzten neun Jahre einfach nicht ge recht. Das stark gegliederte Schulsystem umzubauen, hat sich nicht die rot-grüne Koalition ausgedacht, son dern nach langen Beratungen mit Bildungsexperten, nach Anhörungen und etlichen Sitzungen haben wir das gemeinsam mit der CDU hier in diesem Hohen Haus verabschiedet, und wir haben in den letzten Jahren die Klassenfrequenzen bewusst abgesenkt, liebe Frau Vogt, was in den letzten Jahren auch zur Folge hatte, dass viele Klassen mit Unterfrequenz gearbeitet haben.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Ohne Erfolg offen sichtlich!)

Das war auch gut so. Nun sind wir mit den Kapazitä ten an unsere Grenzen gekommen. Sie wissen aber trotzdem, dass das nicht der Grund für das schlechte Abschneiden bei den Vergleichsstudien ist.

Man kann nur immer wieder wiederholen und daran erinnern, in welcher Ausgangslage Bremen sich im Ländervergleich befindet. Armut, bildungsfernes El ternhaus und Erwerbslosigkeit spiegeln sich in keinem anderen Bundesland so stark in der Schülerschaft wider wie hier in Bremen. Beim letzten Mal haben wir auch wieder diskutiert, dass wir in Bremen auch andere Wege gehen müssen. Das werden wir in den nächsten Monaten auch gemeinsam mit der Opposition tun, und wir werden uns insbesondere auch Hamburg anschauen, denn Hamburg hat es geschafft, seine

Ausgangssituation im Hinblick auf die Sozialindika toren zu verbessern, vor allem aber die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, Letzteres unter ande rem mit einer anderen systematischen Überprüfung der Qualität des Unterrichts, einer anderen Art des Qualitätsmanagements und einer anderen Rolle der Schulaufsicht; auch haben wir gesagt, dass Bremen pro Kopf mehr ausgeben muss, um den Anschluss zu bekommen. Insbesondere müssen wir uns in diesem Sinne auch die Unterrichtsstunden in Deutsch und Mathematik anschauen und besser ausstatten. Meine Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, was Sie eigentlich konkret fordern: Punkt eins, ein Sofortprogramm in Ihrem Sinne ist doch schon längst angelaufen. Als Fraktion unterstützen wir selbstverständlich jeden Schritt nach vorn und sind auch für außergewöhnliche Wege offen, wenn diese zur Lösung der Probleme beitragen. Die bereits vom Senat eingeleiteten Maßnahmen, mittels einer Task Force schnellere und reibungslosere Abläufe zu er reichen, begrüßen wir weiterhin. Eines muss nun aber allen Akteuren klar sein: Es müssen bald Ergebnisse erkennbar sein, und die bereits eingeleiteten Interimslösungen mit Contai nern sind gewiss nicht die beste Lösung, auch darin sind wir uns einig. Letztlich folgt aber anschließend der Ausbau durch eine schnellere Modulbauweise, und das haben wir auch in der letzten Sitzung der Deputation für Kinder und Bildung diskutiert.