Ich müsste jetzt als Erstem dem Berichterstatter das Wort erteilen. Der Berichterstatter verzichtet darauf, sodass ich den Abgeordneten Janßen, aufrufe.
Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren jetzt zu später Stunde noch den Antrag unserer Fraktion zum Kohleausstieg.
Uns geht es darum, einen Weg aufzuzeichnen, mit dem Bremen noch in absehbarer Zeit oder irgendwann endlich die eigenen Klimaschutzziele realisieren kann. Diese Bürgerschaft hat bereits vor einigen Jahren beschlossen, dass sie das Ziel hat und sich dazu bekennt, eine Reduktion des CO2-Ausstoßes vorzu nehmen. Das Ziel ist, eine 40-prozentige Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Basisjahr 1990 zu erreichen.
Festgelegt wurden Maßnahmen bereits im KEP, also im Klimaschutz- und Energieprogramm 2009, und 2015 wurde auch das bremische Klimaschutz- und Energiegesetz beschlossen. Bereits aus diesen Jah ren stammen auch Maßnahmen zur Realisierung dieses Zieles. Allerdings gibt es auch schon in diesen
Maßnahmenkatalogen eine sogenannte Klimaschutz lücke. Diese bezeichnet den Abstand zwischen den Maßnahmen, die getroffen werden sollen, und den 40-Prozent-Zielen.
Noch gravierender wird es, wenn man sich die reale Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen ansieht und welchen Anteil das Land Bremen bisher von diesen 40 Prozent erreicht hat. Denn schauen wir auf das Jahr 2013, sehen wir, dass nur eine Minderung von 7,4 Prozent bis zum Jahr 2013 gelungen ist. Mit dieser Geschwindigkeit reicht es nicht annähernd, möglicherweise nur zu einem Viertel, das Klimaschutz ziel zu erreichen, und das Land Bremen – Bremen und Bremerhaven – kommt damit seinen eigenen gesetzten Verpflichtungen nicht nach und verfehlt deutlich die hier gesetzten Ziele.
Wir haben uns als Fraktion daher veranlasst gesehen, an dieser Stelle Druck aufzubauen, aber auch einen Vorschlag zu entwickeln, wie Bremen dennoch diese Ziele erreichen könnte. Wenn wir uns die Statistik anschauen und betrachten, woher die Emissionen kommen, sehen wir, dass 40 bis 50 Prozent des CO2Ausstoßes, der derzeit stattfindet, aus der Verstromung von Kohle kommen. Wir wissen auch, und das nicht erst seit der Klimakonferenz von Paris oder jener von Marrakesch, dass wir – das hat auch die Bun deskanzlerin zu irgendeinem Zeitpunkt festgestellt – ohne eine Dekarbonisierung der Wirtschaft keine realistische Möglichkeit haben, die nationalen, aber auch die international vereinbarten Klimaschutzziele in absehbarer Zeit zu erreichen.
Deshalb legen wir Ihnen mit diesem Antrag drei Punkte vor, auf die ich jetzt angesichts der späten Stunde nur kurz eingehen möchte. Im ersten Punkt verlangen wir von Ihnen – das ist eigentlich auch eine gesetzliche Verpflichtung, die bereits seit Jahren in Kraft ist –, das KEP, also das Klimaschutz- und Ener gieprogramm, fortzuschreiben. Das derzeitige stammt aus dem Jahr 2009. Eine vierjährige Fortschreibung ist vorgesehen. Das ist nach meiner Rechnung das Jahr 2013, das heißt, eigentlich müssten wir jetzt schon zwei weitere Entwicklungsschritte haben. Dass dies nicht geschehen ist, ist aus unserer Sicht ein nicht hinzunehmender Mangel an Transparenz und Berichterstattung.
Wir wissen auch, dass die Frage des Kohleausstieges keine Frage ist, die wir abschließend nur auf lokaler Ebene klären können, sondern wir sind hier in einem nationalen Rahmen, deshalb haben wir zum Zeitpunkt Februar 2016 vorgeschlagen, den Kohleausstieg im Rahmen der Novellierung des Erneuerbare-EnergienGesetzes zu diskutieren. Die Novellierung vorüber, und zugegebenermaßen ist die Frage der Kohlever
stromung noch nicht gelöst. Deswegen brauchen wir nach wie vor das Drängen auf ein nationales, also auf ein deutschlandweit greifendes Kohleausstiegsgesetz.
Darin müssen wir auch den Ausgleich zwischen dem Klimaschutz und den berechtigten Interessen der Beschäftigten im Blick haben.
Wir haben uns im Zusammenhang mit der Antrags entwicklung mit den Beschäftigten auch der lokalen Energieversorger auseinandergesetzt, das Gespräch gesucht, und uns ist dabei noch einmal deutlich aufgezeigt worden, dass es auch aus den Reihen der Beschäftigten das deutliche Interesse und die Bereitschaft dazu gibt, diesen Weg zu gehen. Was allerdings immer wieder als klarer Wunsch an die Politik gerichtet wird, ist Planungssicherheit. Das heißt, statt des Hin und Her, des Zickzackkurses wie beim Atomausstieg brauchen wir eine verlässliche Gesetzgebung, die klarmacht, in welchen Zeitab schnitten eine Realisierung umgesetzt werden kann und wie im Sinne der Beschäftigten auch Sozialplä ne, Fortbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten gewährleistet werden können.
Wir fordern Sie daher im zweiten Punkt des Antrages auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die entsprechenden Schritte zu gehen und sich auch über die Finanzierung einer solchen Umstellung Gedanken zu machen. Ich nenne nur ganz kurz zwei Stichpunkte dazu: Die Frage einer Umlage über den Strompreis ist eine kontroverse Frage, die man noch ausdiskutieren muss. Die andere Möglichkeit wäre eine Finanzierung, wie sie ver.di vorschlägt, über die Erlöse, die sich im Rahmen des Zertifikatehandels ergeben.
Denn die können, so die europäische Rechtspre chung, für Maßnahmen eingesetzt werden, die zur Reduzierung der Emissionen beitragen, und das wäre mit Sicherheit für einen Kohleausstieg zutreffend.
Der letzte Punkt – das haben wir auch bereits in der Deputation kontrovers diskutiert, wenn auch nur in überschaubarem Rahmen – ist die Frage der kommunalen Verantwortung und des kommunalen Handlungsspielraums. Wir haben auch aus der Pres se bereits erfahren, dass bei der SWB selbst schon Diskussionen laufen, wie mit den Kohleblöcken per spektivisch umgegangen werden kann. Der Markt regelt es derzeit nicht. Die umweltfreundlicheren Technologien wie Gasturbinen sind nicht ausreichend.
Deshalb braucht es den politischen Druck, und wir müssen ihn auch lokal entwickeln, auch wenn wir wissen, dass nur national eine abschließende Lösung gelingen kann. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Janßen, ja, Sie haben recht, wir müssen raus aus der Kohle. Ja, wir werden aus der Kohleerzeugung aussteigen. Davon bin ich fest überzeugt. Trotzdem werden wir Ihren Antrag ablehnen, denn so, wie Sie uns das hier zeigen, ist es zwar nicht falsch, aber es ist auch nicht der richtige Weg.
Wir haben schon öfter in der Deputation und in der Bürgerschaft über den Energieausstieg aus der Koh le diskutiert und sind uns mehr oder weniger alle einig. Wir sind dabei aber immer an einem Punkt angekommen, an dem wir gesagt haben, dass es eigentlich keine parteipolitische, sondern mehr eine regionalpolitische Diskussion ist. Dass das so ist, dafür haben Sie, Ihre Fraktion oder Ihre Partei im Grunde die Bestätigung gegeben, denn als EWE gesagt hat, sie steigen aus der Steinkohleenergieerzeugung aus, war auch Herr Rupp derjenige, der gefragt hat: Was ist mit den Arbeitsplätzen? – Das ist ja gerade die Krux beziehungsweise die Diskussion. Es hat sich ja nun herausgestellt, dass EWE gar nicht aussteigen kann, weil sie überhaupt keine Kohlekraftwerke haben; aber das nur so nebenher zu Ihrem Antrag.
Ich gehe einmal davon aus, dass das so auch passiert, dass das nachgearbeitet wird. Dass wir es schaf fen, wenn wir jetzt die Kohlekraftwerke abschalten würden, das würde funktionieren, aber welche an deren Auswirkungen es hat, können wir noch nicht einschätzen. Aber ich will einmal mehr auf die zwei anderen Punkte eingehen.
Ich denke, dass sich hier politisch eigentlich schon abzeichnet, dass wir den Weg gehen werden. Die Frage ist nur: Machen wir es 2050, oder machen wir es 2040? – Ich glaube, dass es bis 2040 dauern wür de, aber eines ist hier positiver als beim spontanen Ausstieg aus der Kernenergie, nämlich dass alle jetzt sagen: „Ja, wir wollen es!“, sodass wir diese grund sätzliche Diskussion nicht mehr führen, wie wir sie bei der Kernenergie zum Teil hatten, und sich nur noch die Frage stellt: Wie schnell geht das? Wie schnell bekommen wir diese zweite Energiewende hin?
Letztlich ist es schon jetzt so, dass neue Investitionen in Kohlekraftwerke dreimal überlegt werden und dass man ohnehin sagen könnte: Das läuft ohnehin aus, denn irgendwann werden die Ersatzteile und die Mitarbeiter fehlen. – SWB sagt uns ja auch, sie haben ein Problem, überhaupt Mitarbeiter zu finden. Wer
würde heute noch den Lehrberuf Bergmann lernen? Das würde niemand mehr tun, und so ist es mittler weile auch bei den technischen Berufen innerhalb der Kohleenergieerzeugung.
Ich möchte noch einmal darauf eingehen: Das wäre ja ein Weg, den man gehen könnte. Das geht uns zu schnell. Ich weiß aber auch, da wir auch mit den Ge werkschaften gesprochen haben, dass sich letztlich alle einig sind und die Arbeitsplätze, die verlorengehen würden, kompensiert und Übergangsinstitutionen und neue Perspektiven geschaffen werden müssten. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist im Grunde auch ein regionalwirtschaftlicher. Wenn zum Beispiel bestimmte Gebiete in Nordrhein-Westfalen oder ge rade in Sachsen, in der Lausitz, keinen Kohleabbau mehr haben, dann ist das auch eine Infrastruktur maßnahme. Es müsste dann dort auch für neue Dinge investiert werden.
Das ist letztlich eine Frage des Geldes, und wenn man es einmal durchrechnet, dann wäre es überhaupt nicht zu teuer, aber ich denke, im Moment fehlt es ein wenig am politischen Willen, oder es gibt die politi sche Angst, jetzt noch auf die Energiewende, die ja schon relativ viel kostet, eins draufzupacken. Aber eine Art neuer Kohlepfennig ist ja mehr im Gespräch. Ich denke, das wäre eine Sache, und dabei haben die auch unsere Unterstützung. Trotzdem glaube ich, dass wir den Weg auch weiterhin gemeinsam gehen, aber so ein Antrag wird uns nicht helfen, weil das, was Sie hineinschreiben, jetzt schon von allen Parteien und Fraktionen hier gemacht wird, auch auf Bundesebene. Wir haben den Weg erkannt, und das ist auch richtig. Jetzt nur wieder hier in Bremen etwas zu machen, würde uns allen nichts nützen. Deshalb glaube ich, dass dieser gemeinsame Weg, den wir in Deutsch land gehen, vernünftig ist. Man kann ihn vielleicht beschleunigen – bis 2040. Vielleicht schafft man das. Wir sind dabei auf einem guten Weg. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Natürlich müssen wir spätestens seit den Be schlüssen aus Paris etwas tun, mehr tun, uns mehr anstrengen, um die Klimaziele zu erreichen, und auch die Energieerzeugung ist davon natürlich nicht ausgeschlossen. Aber – Herr Janßen, Sie sagten das – das Ganze ist natürlich auf Bundesebene an gesiedelt. Dort werden die Weichen gestellt. Auch in Bremen sind wir auf eine bundesweite stabile Energieversorgung angewiesen. Wir müssen uns auch Gedanken machen, welche Kraftwerke wir zu welchem Zeitpunkt abschalten wollen. Dabei geht es natürlich zuerst nach CO2-Ausstoß. Die – ich nenne es einmal salopp – Dreckschleudern, die am meisten CO2 ausstoßen, müssen natürlich zuerst abgeschaltet werden, während die effizienteren Kraftwerke als Letztes abgeschaltet werden müssen.
Deshalb ist es auch richtig, dass auf Bundesebene die Braunkohlekraftwerke jetzt in die Sicherheitsreserve überführt worden sind. Das ist ein erster Schritt, um hier zu tragbaren Ergebnissen zu kommen.
Ein zweiter Punkt, der zu beachten ist, ist die Wär mekoppelung. Wenn wir Kraftwerke abschalten, dann sind davon viele auch an Wärmekoppelung gebunden. Das heißt, man muss immer schauen: Welche schalten wir zuerst ab? – Erst die Braunkohle, davon zuerst die ohne Wärmekoppelung, dann die mit Wärmekoppelung; die Steinkohle, erst ohne, dann mit Wärmekoppelung, und dann das Erdgas. In Bremen haben wir bis auf das Kraftwerk Farge Kraftwerke mit Wärmekoppelung, und alle sind Stein kohlekraftwerke. Also sind wir, wenn man der Logik folgt, die wir befürworten, erst in zweiter Linie mit dem Abschaltungsprozess an der Reihe.
Dazu muss man sehen, dass die Kohlekraftwerke auch Systemdienstleister sind, also eine Sicherheit bieten, um Frequenzen zu fahren und eine Stromversorgung zu sichern, auch wenn Flaute ist oder und Nacht. Das kann man, wenn man entsprechende Netze hat, über erneuerbare Energien in anderen Regionen Deutsch lands zukünftig ausgleichen, aber derzeit geht das noch nicht. Die Netze sind noch nicht so tragfähig, dass es zur sofortigen Abschaltung der Kohle kom men könnte, ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden und die Preise zu gefährden. Denn wir brauchen auch für die Menschen und für die Wirtschaft in unserem Bundesland bezahlbare Energiepreise.
Auch das gilt es dabei zu beachten. Also insofern sollten wir hier nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Wir brauchen zuerst die Netze, dann brau chen wir eine Bundesstrategie, wie wir entsprechend dem CO2-Ausstoß und natürlich der Koppelung an
Wärmenetze dort Kraftwerke abschalten. Falls Sie darauf hingedrängt haben, uns auf diese Frage auf merksam zu machen, dann ist Ihnen das gelungen, aber wir hätten es auch ohne Sie gemerkt. Insofern: Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen und hof fen auf ein besseres Konzept von der Bundesebene. – Vielen Dank!