Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

(Dafür FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, LKR, Abg. Tassis [AfD])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Weidehaltung von Rindern in Bremen fördern Antrag der Fraktion der CDU vom 19. April 2016 (Drucksache 19/383) Wir verbinden hiermit: Weidehaltung von Rindern in Bremen fördern Bericht der staatlichen Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft vom 13. Dezember 2016 (Drucksache 19/873)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat der Abgeordnete Imhoff das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem wir jetzt lang über Steuern diskutiert haben, kommen wir einmal zu etwas ganz typisch Bremischem, dem Grünlandgürtel und der Weidehaltung!

Weidehaltung ist etwas Gutes für die Umwelt, sie ist gut für die Tiere und gut für die Pflege unseres Grünlandgürtels. Trotzdem nimmt die Weidehaltung immer mehr ab, und das hat mehrere Gründe, ich möchte nur zwei anführen, zum einen den Strukturwandel, der sich immer weiter fortsetzt, und zum anderen die Wirtschaftlichkeit, die auf der Weide einfach nicht so gegeben ist wie im Stall. Deswegen haben wir von der CDU-Fraktion schon in der letzten Legislaturperiode einen Antrag gestellt, dass Weidehaltung gefördert werden soll, der überwiesen wurde. Er ist dann leider nicht mehr bearbeitet worden, wir haben ihn deswegen in dieser Legislaturperiode noch einmal neu gestellt, und er ist erneut an die zuständige Deputation überwiesen worden. Der Antrag beinhaltet, dass ein Konzept entwickelt werden soll, wie die sommerliche Weidehaltung von Rindern gefördert, Anreize dafür geschaffen und Beratungsstellen dafür eingerichtet werden können. Übrigens ist das kein Einzelfall, so etwas gibt es schon. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern wird so etwas gefördert.

In der Sitzung der Deputation am 24. November wurde unser Antrag dann aber leider abgelehnt, obwohl es schon gute Beispiele dafür gibt. Begründung der Ablehnung war, in Bremen gäbe es kein Problem mit der Weidehaltung, die Weidehaltung nehme nicht ab. Zahlen dazu kann der Senat allerdings nicht vorlegen, höchstens ein paar Einschätzungen, er stellt aber gleichzeitig fest, dass die Weidehaltung in Norddeutschland insgesamt rückgängig ist. Es wird in der Mitteilung des Senats, also in der Deputationsvorlage, unter anderem auch festgestellt, dass

die Stallhaltung nicht unbedingt wirtschaftlicher sei als die Weidehaltung.

Herr Senator, ich weiß nicht, vielleicht hören Sie mir noch einmal eben zu, es betrifft ja auch Sie! Ich bin ganz froh, dass Sie kein Landwirt sind, denn wenn Sie Landwirt wären, dann würde ich über das wirtschaftliche Engagement Ihres Betriebes ganz dunkle Wolken herziehen sehen. Dabei wäre mir nicht wohl, nicht dass Sie nachher noch bei 28 000 Euro in eine Situation kommen, die Sie gesellschaftlich schlecht darstellen könnten, Herr Senator! Na ja, gut, sei es drum, Herr Senator!

Der Strukturwandel setzt sich aus einigen Gründen fort. Sie wissen ja, jede Auflage, die wir von unserer Gesellschaft her formulieren – ob es das Tierwohl ist oder der Umweltbereich –, macht es für die Familienbetriebe immer schwieriger. Deswegen müssen sie grundsätzlich unabhängig vom Milchpreis immer in Cent oder sogar praktisch unter der Cent-Grenze in den Preissegmenten rechnen. Deswegen müssen wir auch sehen, dass die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, wenn eine Stallhaltung da ist. Deswegen fordern wir gern, die Weidehaltung zu unterstützen.

Herr Senator, Sie als Person und auch Ihre Partei fordern bei jeder Gelegenheit mehr Tierwohl ein. Wenn es dann konkret wird und einmal Konzepte oder irgendwelche Ideen auf den Tisch gebracht werden sollen, dann wird gesagt, nein, das sollen die Landwirte schon allein hinbekommen, das ist kein Problem. Das hat übrigens Herr Saffe so auch selbst in der Deputation gesagt.

Das ist aber noch nicht der Gipfel der Scheinheiligkeit, denn am 7. Dezember kam dann eine Pressemitteilung. Wohlgemerkt, am 24. November hatten wir einen Antrag in der Deputation, der abgelehnt worden ist! Nicht einmal zwei Wochen später unterzeichnen Sie dann medienwirksam eine Charta Weideland Norddeutschland. In der Pressemitteilung heißt es, ich zitiere: „Herr Umweltsenator Lohse betont, Für die Bremer Landwirtschaft hat Milchviehhaltung eine große Bedeutung, und die Charta soll die Weidehaltung als wichtigen Imageträger der Milchwirtschaft stärken. Weidehaltung ist absolut sinnvoll.“ „Mit der Unterzeichnung der Charta bekräftigt Senator Lohse eine stetige Unterstützung der Weidehaltung von Milchkühen in Bremen.“ Gerade der letzte Satz gefällt mir, mit der Unterzeichnung der Charta bekräftigen Sie, Herr Senator, eine stetige Unterstützung der Weidehaltung von Milchkühen in Bremen. Ja, wie genau sieht denn Ihre Unterstützung da aus? Also, bis heute hat davon vor Ort noch niemand etwas gemerkt!

(Beifall CDU)

Ihre grünen Wähler, die überwiegend in der Stadt wohnen und größtenteils auch nicht unbedingt von Fakten oder der Landwirtschaft beseelt sind, bejubeln Sie wahrscheinlich dafür, aber bei den Landwirten

erzeugt die Charta nicht einmal ein müdes Lächeln, denn das ist praktisch nur eine Absichtserklärung. Da könnten Sie auch auf Ihrem Parteitag irgendetwas beschließen, das interessiert auch nicht so wirklich jemanden!

(Beifall CDU)

Es handelt sich also bloß um eine Absichtserklärung.

Nicht nur, dass die Charta nicht verbindlich ist, sie ist in einigen formulierten Zielen an Schwammigkeit auch kaum zu übertreffen! Zum Beispiel der fünfte Punkt: „Die Wirtschaftlichkeit der Weidehaltung muss gewährleistet bleiben.“ Das klingt ja erst einmal nett, aber was steckt denn konkret dahinter? Wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass die Weidehaltung wirtschaftlich bleibt? Sie behaupten einfach, in Bremen gäbe es das Problem nicht, hier überwiege die Weidehaltung und Ende! Ich sage Ihnen, so einfach können Sie es sich nicht machen!

Es mag sein, dass die Verhältnisse in Bremen jetzt noch in Ordnung sind, gerade auch, weil hier noch viele Familienbetriebe, familiengeführte Betriebe existieren, wie Sie selbst in Ihrer Vorlage schreiben. Der bundesweite Trend zur verstärkten Stallhaltung wird vor Bremen aber nicht haltmachen. Es ist unsere Aufgabe, frühzeitig gegen solche Entwicklungen anzugehen, gerade auch, damit die kleinen familiengeführten Höfe eine Chance haben und im Wettbewerb bestehen können, denn wenn die bisher als Weideland genutzten Flächen erst einmal anderweitig verpachtet sind und Kühe den Sommer über im Stall stehen oder Rinder immer im Stall stehen, dann lässt sich solch eine Entwicklung nur schwer rückgängig machen.

Wir hier im Parlament haben heute alle die Chance, noch einmal in uns zu gehen und zu sagen, wenn wir das wirklich wollen, wenn wir sagen, Weidehaltung ist toll, und wir wollen sie unterstützen, dann ist die Möglichkeit da, dass der Senator etwas für die Weidehaltung tut, und zwar über die zweite Säule der Subventionen, die er nicht einmal selbst zu bezahlen braucht, sondern praktisch aus der EU-Kasse für Umweltauflagen erhält. Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu und nicht der Erklärung des Senators! – Danke!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Saffe das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Imhoff, ich muss jetzt einmal anders anfangen! Ich habe eben herausgehört, als würden der Senat und auch die Grünen aktiv gegen Weidehaltung vorgehen. Das ist überhaupt nicht der Fall,

das ist nicht unser Bestreben, und das ist eine böse Unterstellung, hier so etwas zu behaupten. Ich will ganz im Gegenteil einmal sagen: Rinder nach draußen und mehr Weidehaltung sind natürlich Anliegen, mit denen Sie bei uns auf offene Ohren stoßen. Natürlich wollen auch die Grünen, dass Rinder statt im Stall ohne Auslauf draußen auf der Weide sind, wo sie sich bewegen können, wie es ihnen beliebt. Das sind wir den Tieren als unseren Schutzbefohlenen natürlich schuldig.

Ich freue mich auch, wenn es stimmt – Sie haben ja Kritik daran geübt –, dass laut Bericht der Deputation 90 Prozent der Rinder in Bremen auch auf die Weide kommen. Ich weiß jetzt nicht, woher das kommt, das steht auch irgendwo.

(Zuruf Abg. Imhoff [CDU])

Wer weiß das denn genau? Müssen wir durch alle Ställe gehen?

(Abg. Imhoff [CDU]: Pi mal Daumen!)

In Ordnung! Mehr Weidehaltung mit ausreichendem Raum für die Tiere bedeuten natürlich auch mehr Grasland, auf dem Rinder grasen können, und dass sie auch mehr Gras fressen als unter hohem Energieaufwand erzeugtes Kraftfutter oder Futterpflanzen, die mit Mineraldünger gedüngt wurden.

Mehr Grasland, auf dem dann auch Rinder stehen, extensiv bewirtschaftet, fördert auch die Humusbildung und ist klimafördernd, auch das ist wichtig, das haben wir einmal bei einer gemeinsamen Veranstaltung vom Bauernverband und der Bremer ErzeugerVerbraucher-Genossenschaft gelernt. Eine Tonne Humus spart 1,8 Tonnen CO2, und so wird durch die Weidehaltung auch ein bisschen das Klima geschont.

Sie fordern jetzt dieses Konzept für die Förderung von Weidehaltung, und der Senat solle einmal etwas mehr tun. Das ist für mich wieder so ein bisschen ein Antrag nach dem Motto „Hand auf“. Ich finde, in dem Bericht wurde einiges genannt: die Förderung durch das Programm PFEIL, das Projekt Systemanalyse Milchvieh, und es gibt das Weidemilchprogramm des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen.

Entschuldigung, Herr Saffe, aber legen Sie bitte Ihre Zettel ein bisschen weiter nach unten, sonst hört man Sie nicht so gut! Achten Sie bitte darauf! – Fahren Sie bitte fort!

In Ordnung! Diese Systemanalyse stellt sehr interessante Fragen, die ich auch als eine Beratung ansehe. Wir sind über die Landwirtschaftskammer dabei, sie ist am Grünlandzentrum beteiligt, und sie machen gute Sachen.

Ich will einmal ein paar Fragen vortragen, die in der Systemanalyse behandelt werden, zum Beispiel: Wel

che Effekte haben die Systeme – auf der einen Seite Weidegang/Stallhaltung – auf Tiergesundheit, Verhalten und Wohlbefinden der Tiere? Welche Systeme würde ein Tier selbst wählen? Wie sind die Effekte Weidehaltung/Stallmilch auf die Qualität der Milch? Gibt es Konsumentenpräferenzen für Weidemilch oder Stallmilch? Ich glaube, die gibt es.

Damit bin ich bei den Verbrauchern, die natürlich eine Präferenz dazu haben, und das zeigt sich auch immer mehr im höheren Angebot von Weidemilch in den Supermärkten und anderen Läden. Es gibt mittlerweile Arla, ich glaube, Hansano oder Molkerei Ammerland bieten Weidemilch an, aber natürlich müssen auch die Verbraucher die Bereitschaft zeigen, mehr zu zahlen, und das tun sie auch, da kostet der Liter 80 Cent statt 50 oder 46 Cent für normale Milch. Das sind meine letzten Zahlen, vielleicht liegen sie höher.

(Abg. Imhoff [CDU]: Der Landwirt bekommt aber nur einen Cent mehr für die Weidemilch!)

Da sind wir ganz dicht beieinander! Das ist für mich der Skandal, dass sie nicht genügend bekommen! Da sind wir uns einig, das haben wir schon sehr oft besprochen, aber irgendwie liegt der Ball auch mit bei den Landwirten. Wenn sie ihre Weidemilch vermarkten wollen, dann müssen sie sie auch als solche kennzeichnen, denn die Verbraucher müssen ja sehen, was Weidemilch ist und was nicht, was Stallmilch oder Milch aus sommerlicher Weidehaltung ist, mit dem Kriterium, dass die Tiere 120 Tage à sechs Stunden nach draußen müssen, da gibt es schon einiges. Das ist wahrscheinlich schwierig. Wir brauchen hier eine Weidemilchmolkerei oder DMK, wo sie sind, Herr Eckhoff, muss auch irgendwie sagen, in Ordnung, machen Sie Weidemilch, die nehmen wir Ihnen ab, wir zahlen Ihnen mehr, oder noch Eigeninitiative. Das wäre natürlich auch, was die Upländer Bauernmolkerei in Hessen macht, das habe ich hier schon einmal erzählt.

In der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof nördlich von Hamburg haben sich Landwirte zusammengetan und sich unabhängig von den Großen gemacht, das wäre ein Stück weiter, oder wie hier der Landwirt Drewis, er macht natürlich Bio. Ich finde aber, das sind Maßnahmen, bei denen man selbst etwas macht, und warum soll man nicht auch einmal selbst die Initiative ergreifen?

Ich will jetzt nicht so viel mit Öko anfangen, ich nenne abschließend einmal zwei ermutigende Beispiele von zwei konventionellen Landwirten in Bremen-Borgfeld und Oberneuland. Mir hat sehr gut gefallen, dass der Hof Haltermann in Oberneuland eine Milchtankstelle eröffnet hat. Sie haben gesagt, wir fordern nicht immer nur, wir finden, wir machen das selbst und erfinden uns selbst neu, wir sind auch selbst gefragt und unternehmen uns selbst. In Borgfeld hat eine Landwirtin, die wir auch kennen, jetzt vor, einen Hofladen zu eröffnen. Ich weiß selbst, was so ein

Hofladen bedeutet, ich betreibe ja auch einen solchen Laden mit. Davor habe ich hohen Respekt, und davon brauchen wir viel mehr Beispiele, das ist absolut unterstützenswert. Ich möchte daran appellieren, nicht immer nur zu fordern und zu schimpfen, dass die anderen es nicht so machen, wie wir es wollen.

(Abg. Imhoff [CDU]: Aber vor zwei Jahren haben Sie hier noch gestanden und gesagt, die Biobauern brauchen mehr Geld!)

Ja, die Biobauern bekommen ja auch mehr, weil natürlich das Ökofutter viel teurer ist. Es wird nicht irgendwie über Brake geliefert wie das Futter für die Massentierhaltung, irgend so ein Dreckszeug –

(Zuruf Abg. Imhoff [CDU])

ja, das ist so! –, das ist hier vor Ort angebautes Grasland. Es gibt hier auch konventionelle Landwirte, die vor Ort ihr Futter anbauen, zum Beispiel Jürgen Drewes in Oberneuland baut bei sich Mais an, und zwar nicht für die Biogasanlagen, sondern für seine Tiere. Da habe ich gedacht, sehr gut, bei mir machst du Punkte, als er mir das gezeigt hat. Das finde ich richtig klasse, wenn man einen bestimmten Anteil des Futters selbst vor Ort macht, und das ist das Beste, wozu ich noch einmal aufrufen möchte.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)