Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

Ich will auf einen zweiten Punkt eingehen, der hier kritisch betrachtet worden ist, nämlich die sogenannte Dunkelfelderhellung oder Dunkelfeldforschung. Sie haben im Bereich der Dunkelfeldforschung von Zahlen gesprochen, die wir kennen. Wir glauben, sie zu kennen, das ist richtig! Es gibt aber auch Fakten, die von großer Bedeutung sind. Zu den Fakten gehört beispielsweise der Modus Operandi. Er ist nicht immer gleich, er kann sehr unterschiedlich ausfallen.

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss!

Fakt ist, dass der Modus Operandi in diesem Deliktfeld sehr unterschiedlich ist. Deshalb dient eine Dunkelfeldforschung auch zur Aufhellung des Hintergrundes, in welcher unterschiedlichen Art und Weise sich häusliche Gewalt ausprägt. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Staatsrat Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte für den Senat nur einige wenige Aspekte der Debatte aufgreifen. Ich beginne mit der Zuständigkeit der Polizei.

Die Polizei ist häufig der erste Ansprechpartner vor Ort, wenn es zu einem Konflikt kommt. Sie wird in der akuten Krisensituation gerufen. Das ist insbesondere die Berührung, bei der die Polizei neben dem Datensammeln. Wir haben die Federführung für die Beantwortung der Großen Anfrage erhalten, weil sie PKS-geführt wird. Die akute Erstintervention ist der Job der Polizei. Das heißt, unsere Kolleginnen und Kollegen sind häufig die ersten am Tatort, sie kommen in eine bestimmte Situation, in die Konfliktlage.

Zum einen freue ich mich sehr, dass sich aus den Rückmeldungen, die wir von den Beratungsstellen bekommen, ergibt, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit sehr gut machen und dass diejenigen,

die um Hilfe gebeten haben, die Arbeit der Polizei als sehr positiv wahrnehmen, dass sie den Eindruck haben, dass die Kolleginnen und Kollegen der Polizei, die einschreiten, die Situation ernst nehmen und sie nicht nach dem Motto wegwischen: „Das geht uns eigentlich nichts an, das ist eine familiäre Streitigkeit, damit wollen wir eigentlich nichts zu tun haben“. Ich bin sehr froh und stolz, die die Kolleginnen und Kollegen der Polizei hier leisten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Damit das so bleibt, haben wir dieses Thema sehr intensiv in die polizeiliche Ausbildung eingeführt. Es gehört dazu, dass man sowohl psychisch als auch mental auf solche Konfliktlagen vorbereitet wird, allerdings muss man auch lernen, dass man diese Situationen ernst zu nehmen hat und sie nicht als innerfamiliären Konflikt betrachten darf. Ich glaube, dass wir an der Stelle auf dem richtigen Weg sind.

Der Abgeordnete Fecker hat darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass in der Situation die Hilfekette schnell funktioniert und schnell eingeleitet wird. Das Wegweisungsrecht, den Schläger aus der Wohnung zu verweisen, ist ein wichtiges rechtliches Instrument, das der Polizei gegeben worden ist. Es ist auch ein wichtiges Signal, dass sich nicht das Opfer davonmachen muss, sondern der Aggressor hinaus muss. Damit ist es aber nicht getan.

Da muss sofort angesetzt werden. Das Opfer muss sofort unterstützt werden. Deshalb bemühen sich das Sozialressort und das Innenressort darum, dass der Informationsfluss zwischen den einschreitenden Polizeibeamten, den Beratungsstellen und der Sozialbehörde schnell und reibungslos läuft.

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir das Ganze bis März mit einer Einverständnisregelung der Betroffenen ausprobieren. Ich will ganz kurz Folgendes zum Hintergrund sagen: Da sich die Beratungsstellen in privater Trägerschaft befinden, kann die Polizei ihnen die Daten nicht einfach übermitteln. Es ist also nicht möglich, dass den Beratungsstellen mitgeteilt werden kann: „Wir sind zu einem Einsatz gefahren, wir haben irgendwie den Eindruck gehabt, dass es dort zu einer Gewaltanwendung gekommen ist“, eine Anzeige ist vielleicht noch nicht erstattet worden, „schaut dort einmal vorbei“.

Diese Daten dürfen nicht ohne Weiteres weitergegeben werden. Wir versuchen es im Moment mit einer Einverständnisregelung. Im März wollen wir das Ganze auswerten. Ich sage an dieser Stelle aber auch ganz deutlich: Sollten wir den Eindruck haben, dass das nicht funktioniert, müssen wir über eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen reden. Dann muss möglicherweise das Polizeigesetz angepasst werden, damit die Beratungsstellen schnell an die Informationen kommen, die sie benötigen, um ihre Arbeit aufzunehmen. Das ist nämlich genau das, was angesprochen worden ist.

Wir haben mittlerweile in dem Bereich steigende Zahlen. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass wir mehr Fälle haben, sondern es kann auch sein, dass es zu einer ansteigenden Anzeigenbereitschaft gekommen ist. Ich kann das an dieser Stelle nicht abschließend beurteilen, sondern das muss man sich einmal in der Langfristbetrachtung anschauen.

Wir wissen allerdings auch, dass es vielfach nach der ersten Anzeige zu einer Rücknahme der Anzeige und zu einer Aussageverweigerung kommt. Wenn wir dem entgegenwirken wollen, dann geht das nur, wenn wir uns sofort nach der Aufnahme der Anzeige ganz intensiv um das Opfer kümmern, dem Opfer die Stärke und den Rückhalt geben, die es braucht, um den Weg des gesamten Strafverfahrens bis zum Ende durchzustehen.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist – das sagen mir auch die Kollegen der Staatsanwaltschaft – ein ganz mühseliges Unterfangen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, es ist ja nicht nur die Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer, die möglicherweise dazu führt, das man sagt: „Wir versuchen es doch noch einmal, vielleicht hat er es nicht so gemeint, irgendwie liebe ich ihn ja doch“, sondern es ist möglicherweise das gesamte soziale Umfeld, das auf das Opfer einwirkt. Es ist die Familie des Täters, vielleicht ist auch die eigene Familie, die sagt: „Stell dich doch nicht so an, ihr habt doch Kinder zusammen, es muss doch irgendwie weitergehen“. Das Opfer ist in dieser Situation häufig ganz allein, und alle, die ihm lieb sind, die ihm nahe stehen, alle, zu denen es über enge emotionale Beziehungen verfügt, wirken auf das Opfer ein: „Hör auf mit den staatlichen Institutionen, wir regeln das in der Familie!“

Das ist eine unglaubliche Belastung für das Opfer. Es ist unser Job, das Opfer in dieser Situation zu stärken und dem Opfer die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, die es braucht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Im Übrigen möchte ich im Prinzip den fachlichen Disput zwischen Herrn Fecker und Herrn Hinners über den Täter-Opfer-Ausgleich fortsetzen. Die ZGF vertritt die Ansicht, dass sie den Täter-Opfer-Ausgleich in der Regel nicht für das geeignete Instrument hält, und zwar deshalb nicht, weil sie sagt, dass der TäterOpfer-Ausgleich auf Augenhöhe stattfinden muss. Die Beziehungsgewalt findet eben nicht auf Augenhöhe statt, sondern weist auf ein Machtverhältnis innerhalb der Beziehung hin. Deshalb ist der Täter-OpferAusgleich nicht das richtige Instrument.

Ich vermute, dass das in den meisten Fällen richtig ist. Allerdings würde ich den Täter-Opfer-Ausgleich als Instrument nicht völlig vernachlässigen. Es gibt gerade in letzter Zeit häufiger Fälle, in denen es

zu Gewalt oder Bedrohungen in bereits beendeten Beziehungskonstellationen kommt. Ich halte es nicht für vollkommen ausgeschlossen, dass man in einer Vereinbarung den weiteren Umgang auf die Weise miteinander regelt, dass man versucht, den Konflikt herauszunehmen. Es werden Einzelfälle sein.

Herr Hinners, eines können wir nicht tun. Sie fordern den Senat auf sicherzustellen, dass die Täter an der Vereinbarung mitwirken. Ich finde die Täterarbeit wichtig, und ich finde sie auch an dieser Stelle wichtig. Sie setzt allerdings immer die Bereitschaft des Täters voraus, daran mitzuwirken. Diese Mitwirkung können wir seitens des Senats nicht ersetzen.

Ich glaube deshalb, dass der Täter-Opfer-Ausgleich in Einzelfällen durchaus angewandt werden kann.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Man kann es auch nicht erzwingen! – Präsident Weber übernimmt wie- der den Vorsitz.)

Ich glaube jedoch nicht, dass es als Regelinstrument greift. Der Senat kann nicht mehr tun, als die Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir können niemanden zwingen, sich zu beteiligen, denn dann ist der TäterOpfer-Ausgleich nicht von Erfolg gekrönt.

Ich will jetzt nicht alles aufgreifen, aber ich will mit einem Punkt schließen, den ich wichtig finde. Das Umfeld, in dem häusliche Gewalt stattfindet, ist das gesamtgesellschaftliche Umfeld, in dem wir uns befinden. Die Fragen: „Wie ist es um die Anzeigenbereitschaft bestellt? Wie sieht es mit der Aussagebereitschaft aus? Inwieweit wird auf das Opfer eingewirkt: ‚Halte durch oder lasse es bleiben‘“, hängt ganz viel mit dem gesamtgesellschaftlichen Klima zusammen: Akzeptieren wir häusliche Gewalt als innerfamiliäre Konfliktbewältigung, oder sagen wir: „Das gibt es bei uns nicht“?

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Vor diesem Hintergrund finde ich die heutige Debatte schon um ihrer selbst willen unglaublich wichtig, denn von solchen Debatten geht das Signal aus, dass Gewalt kein Mittel der Erziehung ist, Gewalt in Beziehungen nichts zu suchen hat, wir nicht akzeptieren, dass Gewalt in Beziehungen stattfindet, und wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen werden.

Man muss ein bisschen in die internationalen Seiten der Presse schauen, um festzustellen, dass das im Jahr 2017 keine Selbstverständlichkeit ist. In Russland ist gerade die Debatte darüber entbrannt, ob die innerfamiliäre Körperverletzung zur Ordnungswidrigkeit heruntergestuft worden soll. Das zeigt, dass die Debatte durchaus auch in eine andere Richtung gehen kann.

Deshalb ist es wichtig, dass wir klare Signale geben und dass wir uns auch in dem nächsten Bericht, der

2018 vorgelegt und diskutiert werden wird, noch einmal mit dieser Situation auseinandersetzen. Gerade durch die Entwicklung in den letzten eineinhalb Jahren sind viele neue Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen nach Bremen gekommen, in denen zum Teil andere Traditionen und gesellschaftliche Wertvorstellungen gelten. Es ist ganz wichtig, dass wir an dieser Stelle eine ganz klare Position einnehmen.

Ich bin der ZGF sehr dankbar dafür, dass sie sehr entschlossen zu Beginn gesagt hat, dass ein Gewaltschutzkonzept notwendig ist, aber auch die Kommunikation. Wer wen heiratet, entscheiden in Deutschland die Menschen, die heiraten wollen, allein, aber niemand anderer für sie. Niemand muss in einer Beziehung Gewalt erdulden, auch dann nicht, wenn man verheiratet ist. Es hat niemand das Recht, seinen Partner zu schlagen. Es hat niemand das Recht, seine Kinder zu schlagen.

Ich bin der ZGF und Ihnen allen für die klaren Worte in der Debatte sehr dankbar, weil wir damit ein ganz klares Signal aussenden und dann den gesellschaftlichen Rahmen dafür bilden können, dass wir am Ende gegen häusliche Gewalt erfolgreich sein können. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/952 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, LKR, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der FDP abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/962 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP)