Diesen Menschen müssen wir keine sechsmonatigen oder neunmonatigen Verfahren zumuten. Diese Menschen müssen eigentlich schon in der Erstunterbringung schnell eine Entscheidung über ihren aufenthaltsrechtlichen Status haben, aber sie müssen auch schnell die Integrationskurse, die Deutschkurse besuchen, schnell den Zugang zu Kindergarten, Schule und Berufsschule, schnell auch den Zugang in unseren Arbeitsmarkt finden. Es ist die richtige Integrationsantwort, diese Menschen nicht im ungewissen Status zu lassen. Diese Menschen müssen schnell und vollständig von Wohnung über Kita, Schule und Beruf in unsere Gesellschaft integriert werden.
Das ist die große Herausforderung und ist übrigens auch die Lehre aus den Fehlern der Neunzigerjahre, die wir in Bremen und Bremerhaven machen müssen.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, bei denen wir wissen, dass sie nicht allein aufgrund ihrer Herkunft Asyl erhalten. Sie kommen eben nicht aus Syrien, sondern vielleicht aus anderen Kriegsgebieten, haben aber vielleicht trotzdem individuelle Fluchtursachen. Auch den Menschen müssen wir schnell Klarheit verschaffen. Die wird wahrscheinlich länger brauchen, weil die Prüfung von individuellen Fluchtgründen durch das BAMF eben mehr Zeit in Anspruch nimmt. Das kann man eben vielleicht nicht in den drei Monaten erledigen, die sie zurzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Vielleicht braucht das Bundesamt dafür sechs Monate.
Trotzdem muss die Botschaft sein: Solange euer Aufenthaltsstatus, eure Perspektive in Deutschland nicht gesichert ist, können wir euch eben auch nicht in die Kommunen verteilen. Wenn die Kinder zum Kindergarten oder in die Schule gehen, wenn der Mann vielleicht ein Praktikum macht und die Menschen in einem Stadtteil wohnen, müssen wir ihnen sonst vielleicht nach einem halben Jahr, nach neun oder zwölf Monaten sagen: Es ist zu Ende, wir führen dich jetzt in dein Heimatland zurück. – Es ist gegenüber diesen Menschen auch nicht fair, ihnen zuerst vorzugaukeln, dass sie integriert werden, und ihnen dann zu sagen, dass wir sie in ihre Heimatländer zurückführen werden.
Nein, meine Damen und Herren, auch diese Menschen haben Anspruch auf eine ehrliche und zeitnahe Antwort. Wenn die Antwort „Rückführung“ heißt, dann haben sie Anspruch darauf, diese Antwort genauso schnell zu erfahren wie diejenigen, die auf Dauer in Deutschland bleiben.
Ich will das ausdrücklich sagen, weil mich das auch persönlich nach dem Motto betrifft, da unterteilt einer jetzt in gute und schlechte Flüchtlinge. Nein, meine Damen und Herren, es gibt keine guten und schlechten Flüchtlinge. Der syrische junge Mann, der nach Deutschland kommt, um Zuflucht zu finden und seine Familie nachzuholen, ist doch nicht mehr oder weniger wert als die schwangere Frau aus Afghanistan oder derjenige, der behauptet, als Zugehöriger zur Gruppe der Roma in Mazedonien verfolgt zu werden. Nein, bei der Frage, ob jemand zunächst einmal Anspruch darauf hat, dass seine Gründe für die Flucht nach Deutschland geprüft werden, dürfen wir die Menschen nicht sortieren und unterscheiden. Bei der Frage, wen wir unter den derzeitigen Bedingungen des Asylrechts in Deutschland aufnehmen können, sind wir es den Menschen schuldig, ihnen möglichst schnell und verbindlich die Wahrheit zu sagen. Wir sind es ihnen schuldig, ihnen die Perspektive zu bieten, in Deutschland zu bleiben oder zu sagen, dass sie in ihre in der Regel sicheren Herkunftsländer wieder zurückgeführt werden können, weil sie keinen Anspruch auf Asyl haben. Das Gegenteil wäre, dass wir die Botschaft ausstrahlen: Egal, woher ihr kommt und egal, welche Gründe ihr habt, ihr seid in Deutschland willkommen. Diese Botschaft halte ich für falsch. Sie wird unsere Systeme überfordern. Wir brauchen eine Regelung und Begrenzung von Zuwanderung. Das gilt für das Asylverfahren genauso wie am Ende für das Einwanderungsgesetz. Unkontrollierte, beliebige Einwanderung und Zuwanderung nach Deutschland wird unsere Gesellschaft nicht vertragen, meine Damen und Herren.
Wir müssen darüber hinaus in Bremen und Bremerhaven natürlich darüber reden, was wir besser machen können. Ich möchte mich bei all denen bedanken, die den bisher gekommen Flüchtlingen – in beeindruckender Weise, wie ich finde – Hilfe, Unterkunft, Verpflegung und Fürsorge haben angedeihen lassen. Es ist schon beeindruckend, welches Engagement man in den Einrichtungen erlebt. Ich will an dieser Stelle sagen, es ist auch beeindruckend, dass es funktioniert, obwohl es eine Verwaltung gibt. Das ist jetzt keine Kritik an der Senatorin für Soziales. Die Wahrheit ist aber, einen solchen Flüchtlingsstrom kann man nur dann tatsächlich in den Einrichtungen bewältigen, wenn es nicht immer nach der Richtlinie geht, sondern wenn dort Menschen sitzen, die einfach pragmatische Lösungen für die Betroffenen finden. Ich finde, da haben Bremen und Bremerhaven ein richtig gutes Netzwerk. Da gibt es mehr Telefon als Richtlinie.
Es hat in Bremen und Bremerhaven in beeindruckender Weise gut funktioniert, wie ich finde. Dafür möchte ich mich bei all denen, die dafür Verantwortung tragen, natürlich auch im Namen der CDU-Fraktion ganz herzlich bedanken. Es ist beeindruckend, was dort geleistet wurde.
Trotzdem gibt es Dinge, von denen wir sagen müssen, dass man sie besser machen kann. Die müssen wir sogar besser machen, wenn wir uns auf den dauerhaften Zustrom einstellen. Natürlich ist das in erster Linie die Wohnungssituation. Auch da sage ich ganz ehrlich, wir haben die richtigen Instrumente.
In der Debatte über die Zukunft der GEWOBA hat es immer eine Rolle gespielt, dass wir gesagt haben, wir brauchen die GEWOBA als Instrument der Wohnungsbaupolitik. Aber wann haben wir Wohnungsbaupolitik eigentlich nötiger gehabt als jetzt? Die GEWOBA hat im letzten Jahr 37 Millionen Euro Gewinn gemacht. Das ist gut. Die Hälfte wurde an die Aktionäre ausgeschüttet, übrigens auch an uns. Das ist auch gut. Die andere Hälfte wurde in die Rücklagen eingestellt. Das letzte Jahr war auch gut.
Wenn die GEWOBA in der Wohnungsbaupolitik eine Rolle spielt, dann muss sie in dieser Situation auch Verantwortung im Rahmen eines Neubauprogramms für sozialen Wohnungsbau in Bremen und Bremerhaven übernehmen, meine Damen und Herren. Die richtige Antwort auf die Wohnungsnot ist nicht ein staatliches Wohnungsbauprogramm, sondern die Instrumente zu nutzen, die wir haben. Die GEWOBA kann das. Sie ist dazu finanziell, organisatorisch und – wie ich übrigens auch finde – sozial hervorragend aufgestellt. Wir brauchen die GEWOBA in dieser Situation für die Wohnungsbaupolitik.
Deswegen ist es mein dringender Appell, schnell in Verhandlungen zu treten, wie wir bezahlbaren Wohnraum, insbesondere für Flüchtlinge, aber auch für Studenten, in Bremen mit Hilfe der GEWOBA schaffen können. Da ist Wohnungsbau dann eben einmal wichtiger als Rendite, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir müssen darüber reden, wie wir die Gesundheitsfürsorge für Flüchtlinge organisieren. Da geht noch eine Menge besser. Beispielsweise weiß ich, dass wir für das Gesundheitsamt Ärzte zur Betreuung von Flüchtlingen suchen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, die ausgeschriebenen Stellen möglichst schnell zu besetzen.
Der bürokratische Weg: Wenn jemand in einem Zeltlager in der Überseestadt krank wird, muss er zunächst eine Fahrkarte beantragen, um in die Steinsetzerstraße zu fahren. Das sind diejenigen, die noch keine Gesundheitskarte haben. Dort muss er sich einen Berech
tigungsschein holen, um zu einem niedergelassenen Arzt zu gehen. Dann fährt er wieder zurück, um einen Termin beim niedergelassenen Arzt zu machen und dann zu dem niedergelassenen Arzt zu gehen. Der Infekt ist häufig vorbei, bevor die Behandlung stattgefunden hat. Deswegen brauchen wir zumindest in den großen Übergangswohneinrichtungen, in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen Sprechstunden des Gesundheitsamtes vor Ort. Wir müssen nicht die Flüchtlinge durch die Stadt schicken, sondern wir sollten sicherstellen, dass die Gesundheitsfürsorge vor Ort organisiert wird. Ansonsten ist die natürliche Antwort in unserem System: Bevor ich tagelang durch die Stadt reise, um zu einem Arzt zu kommen, rufe ich lieber den Notarztwagen zu mir. Das ist doch auch volkswirtschaftlich eine völlig idiotische Idee. Wir müssen diesen Menschen in den Einrichtungen Gesundheitsfürsorge durch Sprechstunden des Gesundheitsamtes bieten. Dafür bin ich. Das kann man besser machen als wir das bisher tun.
Bei der Frage nach Sachleistungen oder Geldleistungen will ich auch in einem kleinen Punkt widersprechen, Herr Bürgermeister Sieling. Wir geben den Menschen, die zurzeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind, im Wege der Sachleistungen alles, was sie für Unterkunft und Verpflegung brauchen. Sie bekommen 143 Euro Taschengeld. Das ist auch gut so. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, es muss ein Minimum geben. Man muss nicht für jeden Kleinstartikel, den man für die persönliche Hygiene braucht, einen dreiseitigen Antrag stellen und monatelang auf Bewilligung warten. Deswegen muss es auch natürlich weiterhin Geldleistungen bei den Flüchtlingen geben. Das ist die Ansicht der CDU, meine Damen und Herren. Es ist völlig unvorstellbar, dass wir alles nur in Sachleistungen gewähren. Bei der Frage, was die Menschen mit ihren Geldleistungen machen, lohnt es sich schon, noch einmal genauer hinzuschauen. Ein Großteil gibt übrigens viel Geld dafür aus, um Handyverträge mit Datenvolumen zu kaufen. Damit können sie zum Beispiel mit ihrer Familie Kontakt halten, die vielleicht auch aus Syrien geflüchtet ist, aber noch in der Türkei festsitzt. Das kann man doch auch verstehen. Deswegen sagen wir, es ist besser, diesen Flüchtlingen im Wege der Sachleistungen beispielsweise ein kostenfreies WLAN in den Unterkunftseinrichtungen zur Verfügung zu stellen als sie zu teuren Handyanbietern zu treiben. Auch da gilt, Sachleistung ist nicht immer schlechter als Geldleistung. Manchmal ist den Flüchtlingen mit der Sachleistung besser geholfen als mit einer Geldleistung, meine Damen und Herren.
was die Menschen am meisten umtreibt, sagen sie immer: Das Erste ist, wir wollen wissen, was mit uns wird. Wir wollen wissen, was wir für eine Bleibeperspektive in Deutschland haben. Das wollen wir schnell wissen. Dann dauern die Verfahren zu lange. Darüber haben wir gesprochen.
Dann kam aber ganz oft das Zweitwichtigste: Ich kümmere mich um das Schwarzfahren. Viele dieser Flüchtlinge werden ohne gültigen Fahrschein in öffentlichen Verkehrsunternehmen aufgefunden, wenn sie in dieser Stadt unterwegs sein müssen. Das führt, wie es die deutsche Gründlichkeit erfordert, natürlich zur Festsetzung eines erhöhten Beförderungsentgeltes, Klammer auf: Was Flüchtlinge von 143 Euro nie werden bezahlen müssen! Wenn sie mehrfach erwischt werden, führt es außerdem dazu, dass sie ein Strafverfahren am Hals haben. Vielleicht wird am Ende eine Geldstrafe verhängt, die wahrscheinlich aber auch nie im Leben wird vollstreckt werden können.
Deswegen ist auch da die Frage: Ist eigentlich die Botschaft: „Ihr könnt euch von 143 Euro eine Busfahrkarte kaufen“ die richtige Antwort? Oder wäre es nicht richtiger, mit den kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Verhandlungen darüber einzutreten, ob man den Flüchtlingen nicht pauschal erlauben kann, den öffentlichen Personennahverkehr in Bremen unter Anrechnung auf die Geldleistungen verbilligt zu nutzen? Denn auch ein Stadtticket von 40 Euro ist jemandem, der nur 143 Euro im Monat zur Verfügung hat, meiner Ansicht nach nicht zuzumuten.
Viele andere Dinge können im Alltag besser gemacht werden. Ich meine, dass wir ein großes Augenmerk auf die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge legen müssen. Herr Bürgermeister Sieling, Sie haben darauf hingewiesen: Über 2 000 von ihnen werden Ende des Jahres bei uns in Bremen und Bremerhaven Zuflucht suchen. Ja, es ist richtig, dass wir auch darüber reden, wie wir die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Deutschland anders verteilen, aber ehrlicherweise gilt auch da: Was machen Sie denn mit dem, der, obwohl er eigentlich nach Köln oder nach Mecklenburg-Vorpommern muss, siebenmal wieder nach Bremen zurückkommt? Fahren Sie ihn immer wieder nach Köln oder nach MecklenburgVorpommern zurück?
Ist das die richtige systemische Antwort? Ich meine, wir werden uns darauf einrichten müssen, dass wir unsere Systeme auf diese hohe Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ausrichten. Vieles läuft da noch nicht rund, kann auch nicht rundlaufen. Wenn ich höre, dass mehrere Hundert dieser Flüchtlinge in Hotels als Unterbringungseinrichtung untergebracht sind, in denen wir die Anforderungen an die Fürsorge für Jugendliche natürlich nicht erfüllen können, dann sehe ich dort einen enormen Handlungsbedarf.
Kurzum: Wir müssen neben den europäischen und nationalen Fragen auch sehen, wie wir in Bremen und Bremerhaven mit den Flüchtlingsströmen umgehen. Die Anforderungen an unsere Gesellschaft werden dabei riesig sein. Der Bürgermeister hat auf die Anzahl der Kinder hingewiesen, die in unsere Bildungssysteme aufgenommen werden müssen. Ich finde im Übrigen, dass es in unserer demografischen Entwicklung ein wunderbares Zeichen ist, dass wir wieder mehr Kinder haben, die unsere Schulen besuchen. Das will ich an dieser Stelle auch sagen.
Das stellt uns jetzt vor Herausforderungen, aber es wird uns in Deutschland auf Dauer natürlich helfen, gut ausgebildete junge Menschen zu haben, die für unseren Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und in der Lage sind, die niedrigen Geburtenraten auszugleichen.
Deswegen will ich damit schließen, dass ich sage: Ich kann verstehen, dass viele Menschen, obwohl sie mit dem Zustrom in diesem Jahr in vorbildlicher und humanitärer Weise umgegangen sind, Sorgen darum umtreiben, was kommt und kommen mag. Mit diesen Sorgen müssen wir achtsam umgehen. Darauf müssen wir die richtigen Antworten finden. Wir müssen sie im Rahmen unserer Verantwortung in der Europäischen Union finden, wir müssen sie im Rahmen der Anpassung unserer deutschen Gesetze finden, und wir müssen sie ganz konkret auch in Bremen und Bremerhaven finden.
Im Ergebnis gilt: Alles, was wir jetzt an Integration und Entscheidungen vernachlässigen oder aussetzen, wird uns auf Dauer in der Gesellschaft teuer zu stehen kommen und mit großen Schwierigkeiten einholen. Deswegen gilt: Lassen Sie uns offen bleiben für die Menschen, die zu uns kommen! Lassen Sie uns ihnen möglichst schnell eine dauerhafte Perspektive in Deutschland bieten, wenn wir wissen, dass sie hierbleiben! Lassen Sie uns nicht komplizierte und langwierige Antworten finden, die zu traurigen Schicksalen in Deutschland führen, sondern Antworten, die zu schnellen, verlässlichen Entscheidungen und Integrationsmaßnahmen führen! – Vielen herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat denke auch ich, dass Europa am Scheideweg steht, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen selbstverständlich in der Frage, wie Europa mit der Aufnahme der Flüchtlinge umgeht, aber ich finde zum anderen auch – ich formuliere es als einen Wunsch –, ich würde mich freuen, wenn die europäische Au
ßenpolitik dazu beitragen könnte, Kriege in dieser Welt zu verhindern. Ich denke, dass man die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen untersuchen muss. Kriege sind immer noch eine Geißel der Menschheit übelster Art. Ich meine, dass man in der ganzen Debatte nicht das außen vor lassen darf, was friedenspolitisch eigentlich auch diskutiert werden muss und in dieser Situation nötig wäre.
Ich denke übrigens, dass der alte Satz von Clausewitz, Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, lange funktioniert hat, dass er aber grundverkehrt ist. Ich finde, Krieg darf keine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Ich meine, nicht nur Europa hat da eine Aufgabe, sondern alle Länder dieser Welt sollten einen Beitrag dazu leisten, dass die Welt friedlicher wird.
60 Millionen Flüchtlinge insgesamt auf dieser Welt machen das meines Erachtens deutlich. Es wird ja vor den Schrecken des Krieges, des Bürgerkrieges und Ähnlichem mehr geflohen, natürlich auch vor Umweltkatastrophen. Wenn Dürren in Afrika Menschen dazu zwingen, Länder zu verlassen, weil die biologischen und ökologischen Lebensgrundlagen wegbrechen, dann muss man sich auch die Frage stellen, ich sage es etwas pathetisch: Wie können wir diese Welt besser machen?
Ich meine dennoch, dass es eine große Akzeptanz in der Bremer Bevölkerung gibt, Flüchtlinge aufzunehmen. Das freut mich außerordentlich, weil man, wenn man sich die Republik anschaut, erkennt, dass das nicht in allen Bundesländern der Fall ist. Ich bin jedes Mal schwer geschockt, wenn ich in den Nachrichten erfahre, höre, lese, wie auch immer: Flüchtlingsheime brennen in Deutschland. Ich finde, auch das darf man bei aller Empathie in dieser Diskussion nicht außen vor lassen. Ich meine, dass wir gut beraten sind, Rassismus in Bremen nicht zuzulassen – eigentlich überhaupt nirgends, aber in Bremen haben wir die Verantwortung –, und dass wir dafür sorgen, dass das hier nicht überhandnimmt.
In den Niederungen des Internets – ich verfolge das sehr sorgfältig – tut sich unter dem Deckmantel der Anonymität so einiges, was ich beängstigend finde, um auch das zu sagen.
Wir sind vor einiger Zeit, als es darum ging, die Standorte für Container in Bremen vor Ort zu diskutieren in den Stadtteilen gewesen. Ich war auf einer Versammlung in Borgfeld. Ich bin fest davon überzeugt gewesen, dass sich über die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger, die anwesend waren, nicht getraut hat,
öffentlich zu hetzen, aber eine Faust in der Tasche hatte und gesagt hat, sie wollen das eigentlich nicht. Inzwischen steht das Containerdorf da. Ich war vor gar nicht so langer Zeit in Borgfeld und habe mich da umgehört. Inzwischen heißt es: Eigentlich war die Aufregung ganz umsonst, denn da passiert eigentlich gar nichts, das ist ganz friedlich. Wir nehmen es eigentlich gar nicht wahr, dass die Jugendlichen da in den Containern wohnen.
Ich denke, genau das ist entscheidende Punkt: Die Begegnung von deutschen Bremerinnen und Bremern mit diesen Flüchtlingen findet viel zu wenig statt. Erst wenn man den Flüchtlingen von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und sich deren Schicksal klarmacht, wächst auch das Verständnis gegenüber den Fluchtbeweggründen.