So unschön das Ganze ist, müssen wir sicherlich auch den Mut haben, abgelehnte Asylbewerber – selbstverständlich unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien und vor allem unter Wahrung humaner Bedingungen – in ihre Länder zurückzuführen.
Ich habe die ganz großen Herausforderungen genannt. Schauen wir uns einmal die Chancen näher an! Die Chancen überwiegen bei dem Zustrom massiv. Beziehen wir es einmal auf Bremen! Die Bremische Wirtschaft klagt massiv über den sich verschärfenden Fachkräftemangel. Menschen, die zu uns kommen, aus Syrien, aus dem Irak und aus vielen anderen Ländern, sind entgegen vielen Vorurteilen oft sehr gut ausgebildet. Solch eine Flucht, das müssen wir uns klarmachen, ist auch für diese Menschen unglaublich teuer, und diejenigen, die es schaffen – sie sprechen oft tatsächlich auch englisch und sind sehr gut
gebildet –, sind so viele Menschen, die wir alle auch hier aufnehmen wollen, die wir brauchen und denen wir hier wirklich eine Zukunft und Perspektive geben wollen.
Ein Ende des Krieges ist noch lange nicht in Sicht, und es ist auch nicht absehbar, das heißt, wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass diese Flüchtlinge nur ein paar Jahre in Deutschland leben, sondern diese Menschen kommen, um zu bleiben, und wir sind hier in der Verantwortung, sie auch zu integrieren, sie willkommen zu heißen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen.
Gerade aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, diese Menschen auch sehr frühzeitig zu integrieren. Der Schlüssel liegt – darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig – tatsächlich in der deutschen Sprache, aber es ist erschreckend, wenn man sich die Situation in der Luxemburger Straße einmal anschaut, wo 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zusammen leben. Es besteht dort die Möglichkeit, am Deutschunterricht stets von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr teilzunehmen, und es haben sich ganz viele freiwillige, ehrenamtliche Helfer, pensionierte Lehrer bereit erklärt zu helfen, und sie bieten dort den Deutschunterricht an. Meine Fraktion und ich sind ihnen sehr dankbar, und wir möchten auch an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, allen Helfern, egal wer es ist, unseren großen Respekt und Dank auszusprechen!
Umso fraglicher ist es, wenn man dann sieht, wer überhaupt an diesen Angeboten im Deutschunterricht teilnimmt, es sind nämlich leider gerade einmal die Hälfte der Flüchtlinge, die dieses Angebot wahrnehmen, denn der Rest sagt, der Beginn des Deutschunterrichts um 9.00 Uhr sei zu früh, und es entspreche eben nicht den Prinzipien ihrer Herkunft. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In unseren Augen ist dieser Unterricht nicht nur die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, sondern er schweißt vor allem auch die Flüchtlinge als Gemeinschaft zusammen und bildet dadurch Freundschaften. Eigentlich ist es verpflichtend, daran teilzunehmen, denn es ist unglaublich wichtig, um sich langfristig zu integrieren und auf lange Sicht eben auch eine Gemeinschaft zu bilden.
Ich glaube, an mancher Stelle dürfen wir doch noch mehr Bürokratie abbauen, und es muss nicht jeder Lehrer sein oder gewesen sein, um Deutsch zu unterrichten, gerade in Bezug auf die Flüchtlinge. Genauso müssen wir ein wenig großzügiger sein im Bereich der Arbeitsregeln. Die Arbeitsverbote gehören abgeschafft.
Nicht arbeiten – das wissen wir, glaube ich, alle – führt langfristig zu einer Isolation, es führt aber auch zu einer Demotivation, und wenn es ganz schlecht läuft, macht Arbeitslosigkeit sogar krank.
Wenn man es sich anschaut, eine Idee wäre es doch, im Gesundheitsbereich, wo wir sicherlich relativ schnell Personalmangel haben werden, wo Personal fehlt, die qualifizierten Flüchtlinge, die beispielsweise Ärzte sind, frühzeitig mit einzubinden, sodass sie die Möglichkeit bekommen, sich auch schnell in den Alltag zu integrieren und auch zu etablieren.
Arbeiten schafft auf jeden Fall Aufgaben, Arbeiten schafft Verantwortung, Integration und Perspektiven, und wir müssen den Flüchtlingen die Chancen ermöglichen, denn wir brauchen die Menschen in unserem Arbeitsmarkt.
Jetzt kommt das, was sicherlich viele nicht hören wollen, dennoch ist es unsere Auffassung, und ich glaube fest daran. Ich glaube, dass wir uns in dem Fall mit der Zahlung des Mindestlohns überhaupt keinen Gefallen tun werden.
Ich weiß, dass hier viele total dagegen sind, keinen Mindestlohn zu gewähren, und dass sie die Gefahr des Lohndumpings sehen. Als Unternehmerin kann ich ihnen aber sagen, dass ich nicht daran glaube, denn wir alle sehen unsere Verantwortung, wir alle wollen helfen, und es ist keiner dabei, der die Menschen ausnutzen möchte.
Ich sehe in dem Fall einen Praktikanten vergleichbar mit einem Auszubildenden, denn die Aufgabe der Unternehmer ist es, diese zu qualifizieren, zu unterrichten, weiterzubilden und natürlich auch anzulernen. Wenn man sich dann anschaut, da 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen, ist es schwierig zu vermitteln.
In diesem Fall werben wir also massiv dafür, die Mindestlohnregelung für Praktika für Flüchtlinge auszusetzen.
schnell in Lohn und Brot zu bringen, denn ist eigentlich nichts frustrierender, als am Tage nur herumzusitzen, zum Nichtstun verdammt zu sein, und dies führt dann, wenn wir Pech haben, sogar zu unerwünschtem Verhalten. Was diesen Bereich betrifft, machen gerade die Handels- und Handwerkskammern einen sehr guten Job, und ich finde, man sollte sich auch in dieser Situation einmal bei den Kammern massiv bedanken, denn sie sind sehr gute Partner und setzen sich für die Vermittlung von Flüchtlingen und auch für die Anerkennung ihrer Qualifikationen ein.
Der Arbeitsmarkt ist unter anderem wirklich eines der wichtigsten Instrumente zur erfolgreichen Integration. Bei all den Bemühungen muss eines jedoch für alle gelten, die wir hier willkommen heißen: Deutschland ist ein sehr liberales, weltoffenes Land, wo Geschlechter gleichberechtigt sind, wo Homosexualität auch nicht verboten ist, wo Muslima frei entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen, was sie machen und auch wen sie heiraten möchten. Diese Vielfalt und Toleranz sind tatsächlich unsere Stärken, das ist es, was uns auszeichnet, und diese Werte wollen wir auch beibehalten.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Thema Kommunikation. Wir müssen die Bremerinnen und Bremer noch viel mehr auf diesem Weg mitnehmen.
Ich verstehe die Problematik der Unterbringung der Flüchtlinge und weiß darum, und gerade deshalb sollten wir die Bürger in Zukunft besser beteiligen. Sportvereine werden erst sehr kurzfristig vor der Inanspruchnahme der Turnhallen benachrichtigt, obwohl ja vorher sogar noch eine Liste ausgearbeitet wurde, welche Turnhallen man gegebenenfalls nutzen könnte oder nicht. Ich glaube, diese Beteiligung hätte vorher stattfinden können, denn so ist die Situation sehr unglücklich.
Herr Möhle, Sie sprachen vorhin das Thema Borgfeld an. Ich glaube, es ist egal, wohin man schaut, die Stadtteile in Bremen sind sehr engagiert, es sind viele Menschen dort ehrenamtlich tätig, und Negatives gibt es da bestimmt nicht, daran glaube ich nicht. Wenn bei Ihnen ein derartiger Eindruck entsteht, dann ist es meines Erachtens wieder der fehlenden Kommunikation geschuldet.
Ich plädiere in diesem Fall wirklich massiv für mehr Kommunikation zwischen uns, dem Senat und den Bürgern.
Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz meine Vorstellungen von Europa aufzeigen. In meinem Europa übernehmen die Mitgliedsstaaten solidarisch die humanen Verpflichtungen der Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge. In meinem Europa gibt es überhaupt keine Religionsfeindlichkeit, keine Grenzmauern und -zäune, und in meinem Europa werden auch Flüchtlinge human und mit Würde behandelt. In dem Europa traut man sich auch, weltweit Solidarität in der Flüchtlingsfrage einzufordern, denn ich finde es gelinde gesagt peinlich, wenn die USA sich dafür feiern, in drei Jahren 10 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Ich finde, dass auch die USA Partner in dieser Frage sein sollten und sich dem Ganzen stellen müssen.
In meinem Europa sind wir eine Gemeinschaft und leben wirklich respektvoll miteinander, und was jetzt passieren muss, ist eigentlich klar. Wir brauchen mehr Unterstützung vom Bund bei der Flüchtlingsfrage, wir müssen die Unterbringungen der Flüchtlinge sicherstellen, wir müssen die Flüchtlinge als Chancen begreifen, und wir müssen dementsprechend auch handeln. Wir müssen die Integrationsbemühungen bei den Flüchtlingen mit guten Aussichtschancen verbessern und sicherstellen, dass die Bevölkerung mitgenommen wird.
Nur wenn uns das gelingt, können wir in Zukunft als vielfältiges, gemeinschaftliches Volk gemeinsam miteinander leben. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten zweieinhalb Stunden haben wir sehr viele Detailaspekte zu einem großen Thema gehört: von WLAN in Unterkünften über die Frage, wie der ÖPNV zu regeln ist, und die Frage, ob Turnhallen oder Zelte jetzt eigentlich das Mittel der Wahl sind. Wir haben uns auch über Finanzierung unterhalten und darüber, ob es nun zu höheren Zuschüssen vom Bund kommen soll oder ob die
Kommunen und Länder mehr tragen müssen. Letztlich ist das eine rein akademische Frage, weil wir Steuerzahler es am Ende natürlich alle zahlen.
Ich würde gern noch einmal zu etwas grundsätzlicheren Betrachtungsweisen kommen. Das Interessanteste, was ich heute Morgen gehört habe, war für mich der Einwurf von Frau Dr. Schaefer, die sagte, sie möchte nicht zwischen Flüchtlingen erster und zweiter Klasse unterscheiden. Das bewegt uns wirklich alle, glaube ich. Herr Bürgermeister Sieling hatte eingangs schon erzählt, dies sei häufig der Tatsache geschuldet, dass es jede Menge anderer Gründe gebe, die dem entgegenstehen wenn abgelehnte Asylbewerber nach abgeschlossenem Asylverfahrens nicht nach Hause geschickt werden.
In der letzten Woche habe ich in der internationalen Presse beobachtet, dass sich die BBC dafür verteidigen musste, dass sie den Ausdruck „migrate crisis“ benutzt hat, wie es die englischsprachige Presse weitestgehend macht. Man hatte ihr nahegelegt, das Wort „Flüchtlingskrise“ zu benutzen, wie es die Deutschen machen, weil es Flüchtlinge und keine Migranten sind.
Ich glaube, die Frage, ob es Flüchtlinge oder Migranten sind, ist tatsächlich eine akademische. Wenn jemand mit seiner Familie unter der Gefahr in ein Boot steigt, sein Leben und das Leben seiner Lieben dabei zu verlieren, um ein neues Land zu erreichen, ist es nicht wirklich wichtig, ob ihn ein Gewehr, völlige ökonomische Perspektivlosigkeit oder politische Verfolgung dazu treibt.
Die Menschen treibt eine existenzielle Not dazu, zu uns zu kommen. Insofern sind diese 60 Millionen Flüchtlinge weltweit, von denen heute die Rede war, noch viel zu kurz gegriffen. Zu diesen 60 Millionen Flüchtlingen im eigentlichen Sinne kommen Menschen aus der Subsahara, aus dem Jemen, aus Nigeria und aus vielen, vielen Ländern der Welt, die genauso getrieben und perspektivlos sind, die ebenfalls existenzielle Not haben und weg möchten, einfach nur weg möchten!