Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordneter Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Haus einig, dass Schule heute mehr ist als nur ein Dach und Lehrer. Wir benötigen insbesondere dort auch nicht unterrichtendes Personal, wo die soziale Lage im Stadtteil kritisch ist. Da muss die Schule viele Dinge auffangen, die wir eigentlich von der Familie erhoffen. Dies ist dort teilweise nicht mehr gegeben. Insofern muss die Schule dort auffangen. Dazu sind in den letzten Jahren vermehrt Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter eingestellt worden. Das ist auch gut so.

Dann ist es nur konsequent, wenn die Finanzierung für die Lehrer und die Schulsozialarbeiter aus einer Hand kommt. Darüber sind Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der Regierungskoalition, sich grundsätzlich einig. Dass das nicht bei den Kommunen liegen kann, steht zwar nicht in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, aber das liegt eigentlich auf der Hand. Hier ist das Land gefragt. Wir werden dem zustimmen.

Bemerkenswert finde ich den ersten Spiegelstrich in dem Dringlichkeitsantrag von SPD und Grünen. Sie gestehen als Regierungskoalition ein, dass es allein nicht mehr geht, sondern dass sich dieser Bildungsföderalismus in der vereinbarten Form überholt hat.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das ist aber keine neue Erkenntnis, Herr Kollege!)

Das ist eine bemerkenswerte Erkenntnis. Die Regierungskoalition stellt fest, wir schaffen es allein nicht mehr, der Bund muss unterstützen. Wir als Freie Demokraten sind schon länger der Meinung und haben das sehr scharf in unserem Bundestagswahlprogramm formuliert. Sie können das mittlerweile überall nachlesen. Es ist richtig, dass der Bildungsföderalismus an

der Politik der vergangenen Jahre gescheitert ist. Hier sind insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in der Verantwortung gewesen. Sie haben das Bildungsressort seit 70 Jahren inne und haben das Bildungssystem soweit geführt, dass Sie es allein nicht mehr aus der Misere herausführen können.

(Beifall FDP)

Das schreiben Sie hier. Dafür haben Sie unsere Zustimmung. Wir sind auch der Meinung, dass es falsch gelaufen ist, und dass Sie es allein nicht mehr können. Es ist auch richtig, dass Wolfgang Schäuble zukünftig nicht nur in Burkina Faso oder in Burma Schulen finanzieren darf, sondern auch bei uns in Bremerhaven und in Bremen. Das ist die Botschaft, die mit diesem von Ihnen eingebrachten Antrag verbunden ist.

Wir werden dem Antrag von SPD und Grünen insgesamt zustimmen. Beim Antrag der CDU beantragen wir getrennte Abstimmung; denn wir sind der Meinung, dass man das zukünftig regeln und den jetzigen Doppelhaushalt nicht wieder dafür aufbohren sollte. Punkt drei lehnen wir also ab. Es gibt keine sofortige Unterstützung für den Kämmerer, aber Zustimmung für die Zukunft. – Danke!

(Beifall FDP, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich fange einmal mit dem an, worauf Sie eingegangen sind, Herr Professor Dr. Hilz. Das war das leidige Kooperationsverbot in unserem Antrag. Wir teilen die Auffassung, dass es endlich aufgehoben werden muss.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es kann nicht sein, dass Bildungschancen von dem jeweiligen Landesetat abhängig sind. Auch für den Bund muss Aufstieg durch Bildung und damit soziale Gerechtigkeit eine zentrale Aufgabe sein. Daher benötigen wir eine gesamtstaatliche Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen im Bildungsbereich, wie Frau Böschen es eben deutlich gemacht hat, damit alle jungen Menschen an guter Bildung teilhaben können. Das heißt nicht, Herr Professor Dr. Hilz, dass die Länder ihrer inhaltlichen Gestaltungsfreiheit beraubt werden sollen. Der Bund kann die Länder aber durch die Aufhebung des Kooperationsverbotes unmittelbar bei der Finanzierung des dringend benötigten Lehrpersonals, beim Ausbau der Ganztagsschulen und bei der Inklusion unterstützen.

Die Integration von Geflüchteten, über die wir sehr oft reden, gerade wenn es um Bildungschancen geht,

ist eine nationale Aufgabe, die die Länder allein nicht meistern können. Nur durch gute schulische Bildung kann Teilhabe gelingen. Bildungspolitik ist auch Integrationspolitik. Dieser Teil fehlt in Ihrem Antrag, Frau Schnittker. Dennoch freut es mich sehr, dass wir hier versuchen, konstruktiv miteinander zu diskutieren, weil es uns um die Sache geht. Das möchte ich deutlich sagen. So haben Sie es formuliert, Frau Schnittker. Das finde ich sehr gut. Auch Herr Professor Dr. Hilz hat schon gesagt, dass er unserem Antrag zustimmen wird.

(Zuruf FDP)

Sie haben es hier vorn für die Fraktion gesagt!

Es ist nicht nur im Interesse der Stadt Bremerhaven, sondern auch im Interesse der Stadtgemeinde Bremen.

Ich möchte explizit noch einmal auf Bremerhaven eingehen. Einige Kollegen haben es schon gesagt. Bremerhaven hat sich in den letzten Jahren leider nicht auf den Weg gemacht und hat keine neuen Ganztagsschulplätze aufgebaut. Man muss ganz ehrlich sagen, dass sich die Standards zwischen der Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven in den letzten Jahren verändert haben. Während man hier mehrere Hundert Ganztagsschulplätze geschaffen hat, ist das in Bremerhaven leider nicht passiert, obwohl wir in Bremerhaven eine hohe Anzahl von Flüchtlingen hatten. Es ist nicht richtig, wenn sich zwei Stadtgemeinden auseinanderentwickeln.

Deswegen war es aus meiner Sicht richtig, eine Zuweisungsrichtlinie zu schaffen, aus der transparent hervorgeht, wer wie viel und warum bekommt. Darauf sind Sie, Frau Böschen, richtigerweise eingegangen. Es ist ein richtiges Ziel, dasselbe auch für das nichtunterrichtende Personal zu erarbeiten. Vor 15 Jahren hatte man neben dem Lehrpersonal nicht auch Erzieher, Sozialpädagogen und anderes Personal. Es ist total wichtig, dass Ganztagsangebote weiterhin in beiden Städten aufgebaut werden, weil sich das Erwerbsverhalten von Frauen, auch alleinerziehenden Frauen, ändert. In vielen Debatten reden wir darüber. Die Bildungsförderung durch die Ganztagsschulen führt dazu, dass die Aussicht auf ein finanziell gesichertes Leben dieser jungen Menschen steigt. Das haben ganz viele Studien ergeben. Diese verbesserte Betreuungssituation wird verstärkt dazu führen, dass vor allem in Bremerhaven mehr Menschen arbeiten gehen können.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin sehr froh, dass wir hier ganz große Zustimmung haben. Ich bin gespannt, wie sich die LINKEN zu dem Antrag äußern.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das erkläre ich Ihnen sofort!)

Ich bin froh, dass wir so konstruktiv diskutiert haben, und ich glaube, wir sind mit dem hier vorgelegten Antrag im Sinne von Bremerhaven auf einem guten Weg. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dogan, ich werde es Ihnen sofort erklären. Mir liegt bislang nur ein Antrag der SPD-Fraktion vor. Ich gehe aber davon aus, dass er dann doch ein koalitionärer Antrag geworden ist. Egal! Ich gehe davon aus, dass es Ihrer ist und er nicht anders aussieht als der Antrag, den ich habe.

Ich komme auf den Kern zurück. Die Schulsozialarbeit ist in den vergangenen Jahren tatsächlich als neue Aufgabe an Schulen ausgeweitet worden. Das hat sich allein dadurch ergeben, dass Schulen ganz andere Aufgaben zu meistern haben als früher. Ich finde es völlig selbstverständlich, dass diese Aufgaben nicht von den Kommunen allein gestemmt werden können.

Die beiden vorliegenden Anträge übernehmen Anliegen, die wir in den letzten Haushaltsberatungen bereits aufgenommen haben, nämlich dass sich das Land an den Kosten der Schulsozialarbeit beteiligen möge. Beide Anträge haben also im Prinzip eine richtige Stoßrichtung. Wir finden am Antrag der CDU schwierig, dass er die Aufgabenteilung von Kommunen und Land an den Schulen verändert, ohne dies vorher mit den Stadtgemeinden, insbesondere mit Bremerhaven, abzustimmen.

(Zuruf)

Sie verändern in Ihrem Antrag die Aufgabenverteilung. Die Kollegin Böschen hat schon darauf hingewiesen, dass das nicht in einem Schnellschuss geht. Dieser Schnellschuss macht offensichtlich nicht nur uns Bauchschmerzen, sondern auch der Koalition. Im Übrigen wäre das mit unseren Haushaltsanträgen nicht passiert. Wir hätten nicht in die kommunale Aufgabenbeschreibung eingegriffen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Koalition ist nicht damit einverstanden, teilt aber generell Ihr Anliegen. Deswegen hat sie einen eigenen Antrag eingereicht, nämlich den, dass Magistrat und Senat Verhandlungen aufnehmen sollen. Das halten wir für das richtige Vorgehen. Deswegen stimmen wir dem Antrag der Koalition zu.

Uns sind dabei ein paar Sachen wichtig. Wir möchten bei den Verhandlungen sicherstellen, dass das Bildungsressort die vollen Mittel zur Verfügung gestellt

bekommt, wenn es zusätzliche Aufgaben übernimmt, und Bremerhaven auf das Bremer Niveau bei der Ausstattung mit Schulsozialarbeit hochgezogen wird, Bremerhaven durch das Vorgehen entlastet wird und Luft im kommunalen Haushalt spürt und generell das Niveau der Versorgung mit Schulsozialarbeit angehoben wird. Ziel ist für uns nach wie vor und weiterhin, dass jede Schule in Bremen und Bremerhaven über eigene Schulsozialarbeiterinnen oder Schulsozialarbeiter verfügt.

(Beifall DIE LINKE)

Im Antrag der Koalition wird der Senat zudem aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Aufhebung des Kooperationsverbotes einzusetzen. Der Zusammenhang mit der Schulsozialarbeit ist zwar nicht so ganz ersichtlich, wir unterstützen das Anliegen aber natürlich weiterhin. Herr Dr. Hilz, Sie waren in der letzten Legislaturperiode nicht da. Wir hatten das Vergnügen, dass sich alle vier vertretenen Bürgerschaftsfraktionen einmütig und teilweise auch im Gegensatz zu ihrer Bundestagsfraktion eine ganze Legislaturperiode durchgängig zur Aufhebung des Kooperationsverbotes bekannt haben. Dafür haben wir jetzt wirklich nicht auf die FDP gewartet, auch die SPD nicht. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schnittker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Böschen, ich möchte noch ganz kurz auf Ihren Beitrag eingehen. Sie sagten, es sei utopisch, dass man noch 2017 irgendwelche Verhandlungen aufnimmt oder es regelt. Das haben wir – das habe ich deutlich gemacht – ganz bewusst aufgenommen, weil die Kosten für das nicht unterrichtende Personal im kommenden Schuljahr nicht im Haushalt enthalten sind. Ich frage mich wirklich, woher das Geld dann kommen soll, wenn wir die Hilfe aus Bremen schon für dieses Jahr nicht bekommen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Sie das wüssten. Deswegen haben wir explizit diesen Punkt drei in unseren Antrag aufgenommen. Sie werden ja in Bremerhaven damit befasst sein; aber ich bin gespannt, aus welchen Reserven wir diese Finanzierung noch herholen wollen.

(Beifall CDU – Abg. Kastendiek [CDU]: Weiß das jetzt Frau Böschen, oder weiß sie es nicht?)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich

sagen, dass es mir wichtig ist, dass hier nicht wieder das Bild gezeichnet wird, wie grauenvoll unterausgestattet das bremische Bildungswesen ist. Das ist ja hier – Frau Schnittker hat ihren Redebeitrag so begonnen – das Mantra. In der Ausstattung liegen wir mit Sicherheit hinter den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg, aber vor Nordrhein-Westfalen. Man muss die Kirche auch im Dorf lassen. Wem ist eigentlich damit gedient, wenn man postfaktisch erzählt, dass wir überall die Laterne haben und dass alles ganz furchtbar ist?

Ich hatte selbst zwei Kinder in der Schule und kenne Schatten und Licht. Ich kann Ihnen aber sagen – das wird hier vielleicht für Gelächter sorgen –, dass ich auf einem ziemlich elitären Mädchengymnasium in Bielefeld war.

(Zuruf CDU: Wann war das?)

Das ist ziemlich lange her. Meine Kinder haben auf einer Bremer Schule mit Sicherheit mehr gelernt als ich in meiner Schulzeit.

Aufgrund meiner recht großen Familie habe ich auch einen Überblick darüber, was Gleichaltrige in anderen Bundesländern und Gemeinden gelernt haben. Es ist wirklich nicht sinnvoll, dass wir das Bremer Bildungswesen auf eine solche Art und Weise immer weiter beschädigen.