Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Ich weiß am Ende nicht, aus welchen Gründen es die Baugenehmigungen für die Errichtung dieser zusätzlichen Einrichtungen nicht gegeben hat. Ob es daran liegt, dass der Bausenator nicht in der Lage ist, Baugenehmigungen zu erteilen, oder ob die Finanzsenatorin mit Immobilien Bremen nicht in der Lage gewesen ist, rechtzeitig vernünftige Planungen vorzulegen? Es bleibt aber dabei: Im Ergebnis ist es eine Katastrophe, dass der Staat an dieser Stelle seine Handlungsfähigkeit gegenüber der künftigen Generation nicht zu zeigen bereit ist.

(Beifall CDU)

Deswegen sage ich, dass es eigentlich genug zu besprechen gegeben hätte. Es hätte auch, glaube ich, Möglichkeiten gegeben, sich innerhalb der Koalition zu verständigen. Sie werden jetzt allerdings gleich sagen – wie immer –, dass das von der CDU hier wahrscheinlich wieder nur eine Show sei.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: Ist auch so!)

Das haben wir zuletzt gestern gehört. Ich will nur sagen, mit der Kritik an dieser Regierung, mit der Kritik an den Ergebnissen des Koalitionsausschusses und mit der Zustandsbeschreibung dieser Koalition ist die CDU bei Weitem nicht allein. Nicht nur DIE LINKE, wenn auch mit anderen Schwerpunkten, nicht nur die von Ihnen zunehmend für ihre kritische Berichterstattung gerügte freie Presse in Bremen,

sondern auch aus Ihren eigenen Kreisen werden doch die Rufe nach einer veränderten Politik immer lauter.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich den ehemaligen Kollegen Horst Isola, den ehemaligen SPD-Landesvorsitzenden, hier noch einmal zitieren werde.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Ich auch nicht! Hat er auch nicht verdient! – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Da muss er durch! – Heiterkeit)

Wenn er mir aber eine solche Vorlage liefert, Herr Tschöpe, dann zitiere ich aus seinem Leserbrief. Im „Weser-Kurier“ von diesem Montag heißt es – ich zitiere –: „Man gewinnt täglich mehr den Eindruck, dass beide Seiten“ – gemeint ist Rot-Grün – „bemüht sind, die Gräben zu vertiefen, anstatt konsensuale Lösungen zu suchen. Aber offenbar kann man nicht mehr miteinander, schlimmer noch, man will auch nicht mehr miteinander. Empfiehlt es sich dann, die dahinsiechende und dahinkriselnde Koalition mittels Notbeatmung durch Koalitionsausschüsse noch zwei weitere Jahre künstlich am Leben zu erhalten?“ Das fragt sich Herr Isola.

Ich will Ihnen die Antwort gern geben: Nein, meine Damen und Herren, künstlich lohnt es sich nicht! Es lohnt sich aber, für die Probleme in diesem Land zu streiten und den Menschen Lösungen anzubieten. Diese Gelegenheit hat die Koalition leider verpasst. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, LKR)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Koalitionsausschuss hat getagt, und er hat auch einige Beschlüsse gefasst. Zu den Beschlüssen kann man durchaus eine Aktuelle Stunde rechtfertigen, trotzdem habe ich mich bei dem Titel der Aktuellen Stunde gefragt: Wie aktuell ist eigentlich der Stillstand der Koalition? Das ist, ehrlich gesagt, der Eindruck, den diese Koalition seit zwei Jahren verbreitet.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Es hätte nach der nicht ganz geglückten Bürgerschaftswahl im Jahr 2015 genügend Gründe gegeben, sich produktiv darüber zu streiten, wie es mit diesem Land weitergehen soll. Das hat die Koalition aber unterlassen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass die Koalition einfach deshalb fortgesetzt worden ist, weil eine Mehrheit vorhanden gewesen ist. Das entspricht der Situation von Ehepaaren: Sie bleiben zusammen, weil sie zusammen ein Haus gekauft haben, aber mehr nicht.

(Heiterkeit DIE LINKE, CDU)

In den letzten beiden Jahren habe ich in der Koalition nicht mehr viel Leidenschaft erlebt. Diese Situation muss uns hier natürlich beschäftigen, denn eine Koalition, die, wie beschrieben, aufgestellt ist, bringt keine guten Ergebnisse für unser Land hervor.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Der Koalitionsausschuss hat – siehe Stellungnahme der Grünen – den Ausbau der Kita- und Schulplätze als zentralen Handlungsbereich betont. Das wird bei Eltern, Schülern, Lehrkräften und Erziehern vermutlich nicht viel Begeisterung auslösen, denn die Aussage ist absolut ohne Konsequenz. Wenn ich mir den Eckwertebeschluss anschaue, den der Senat für 2018 und 2019 vorgelegt hat, dann sind lediglich neun Millionen Euro als Verstärkungsmittel für die Bereiche Bildung und frühkindliche Bildung vorgesehen. Ansonsten wird der Haushalt lediglich überrollt, und zwar auch unter Einschluss der Fluchtmittel. Es wäre vermutlich besser gewesen, die Koalition würde die Bedeutung des Bildungsbereichs etwas weniger betonen, aber in der Praxis etwas mehr handeln. Das wäre uns jedenfalls wesentlich lieber.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Vielleicht sollte der nächste Koalitionsausschuss – man hat sich ja darauf verständigt des Öfteren zu tagen – einmal in einer Schule im Bremer Westen oder im Bremer Norden tagen, dann würde vielleicht etwas von den realen Problemen dieser Stadt und den Schulen in dieser Stadt auf die Koalition abfärben.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: Ach ja, stimmt! Sie sind die Einzige, die sich aus- kennt!)

Frau Schaefer, Sie müssen nicht dazwischenquatschen, ich kann es Ihnen aber trotzdem noch einmal sagen!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜNEN]: Doch, ich darf das! – Abg. Frau Böschen [SPD]: Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen schmeißen!)

Es fehlen aktuell vier bis sechs komplette Schulen. Gebaut wird nicht, es werden Container versprochen. Sie werden aber nicht rechtzeitig beschlossen, und deshalb werden sie auch nicht rechtzeitig aufgestellt. Das ist alles schon vorgekommen. Eine Handlungsfähigkeit sieht anders aus, und eine Planung sieht auch anders aus.

Der Kollege Röwekamp hatte schon zu Recht gesagt, dass Lehrkräfte fehlen. Eigentlich müsste sich die Koalition statt über die Themen, über die sie sich gestritten hat, dringend darüber streiten, wie viel Geld der Bildungsbereich braucht, dringend darüber

streiten, wie die Personal- und Schulentwicklung aussehen muss, und vielleicht sollte sich die Koalition auch einmal darüber streiten, wie das Bildungsressort aufgestellt sein muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Ein weiterer wichtiger Punkt, über den sich die Koalition überhaupt nicht mehr verständigt und nicht einmal mehr streitet, ist das Thema der Integration von Geflüchteten. Ich habe das Gefühl, seitdem der Senat akzeptiert hat, dass der Stabilitätsrat die fluchtbedingten Mehrkosten nicht anerkennt, hat sie das Thema einfach liegen gelassen. Die Dinge laufen jetzt einfach. Wir haben eine ganz, ganz große Anzahl von unbegleiteten Minderjährigen, für die es so wenige Ausbildungsplätze gibt, wie es eben nur geben kann. Für viele gibt es nicht einmal die Möglichkeit, einen adäquaten Schulabschluss zu erreichen, der sie für eine Ausbildung befähigt. Es passiert einfach nichts, darüber wird nicht einmal mehr geredet.

Das Hineinwachsen der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt vollzieht sich weitestgehend ungeplant, eher urwüchsig. Der Senat delegiert alles an die Jobcenter, und sie drängen auf eine schnelle Arbeitsaufnahme. Im Ergebnis entsteht genau das, über das wir seit Jahren reden und vor dem wir seit Jahren gewarnt haben, wir erleben nämlich gerade einen neuen Arbeitsmarkt mit schlecht bezahlten und ungesicherten Arbeitsplätzen, in dem sich Flüchtlinge, auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, als neues Subproletariat hineindrängen.

Die Menschen, die im Hafen oder die im Logistikbereich arbeiten, erzählen uns davon, jedoch nicht nur uns, sondern auch allen anderen. Das sind aber auch nicht die Orte, an denen sich ein Koalitionsausschuss trifft.

Der dritte Schwerpunkt, über den die Koalition nicht mehr redet, nachdem der Koalitionsvertrag unterzeichnet worden ist, ist der Ausbau des bezahlbaren Wohnens. Der Ausbau des bezahlbaren Wohnens ist im Koalitionsausschuss als zentraler Handlungsbereich betont worden. Inzwischen muss man ja schon sagen, es ist beunruhigend, wenn diese Koalition etwas betont, weil es fast so verstanden werden könnte, als sei es verordneter Stillstand.

Für den Wohnungsbaubereich werden keine vernünftigen Programme aufgelegt. Die Wohnraumförderungsprogramme werden einfach fortgeschrieben. In den letzten fünf Jahren sind auf diese Weise 450 Sozialwohnungen entstanden, während dreimal so viele weggefallen sind. Die öffentlichen Flächen sind weitgehend verkauft worden. Das erleben wir gerade als Desaster für die Kita- und Schulplanung. Die öffentlichen Flächen sind verkauft worden, bis kaum noch Flächen übrig geblieben sind. Sie sind verkauft worden, weil mit den Einnahmen Haushaltslöcher gestopft worden sind.

In der Koalition gibt es darüber keinen Streit. Das finde ich sehr bedauerlich, weil uns das jetzt alles um die Ohren fliegt.

(Beifall DIE LINKE)

Der Wohnungsbau für Geflüchtete, die eigentlich gute Idee eines seriellen Bauens mit sozialer Nachnutzung, ist bereits im letzten Jahr beerdigt worden. Man hört davon nichts mehr. Wenn man sich den Eckwertebeschluss für den neuen Doppelhaushalt anschaut, dann ist der Wohnungsbau dort kein zentraler Bestandteil.

Vierter Punkt! Es wird zwischen SPD und Grünen auch nicht mehr über die Zukunft des Sanierungspfads gestritten. Dieses Thema gilt wahrscheinlich auch als zentraler Handlungsbereich, der nicht mehr angefasst werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, entgegen aller Jubelmeldungen zur schwarzen Null hat Bremen inzwischen den Sanierungspfad gerissen. Die Ausgaben des letzten Jahres hätten mit normalen Mitteln nicht einmal mehr in die Obergrenze des Saldos hineingepasst. Man hat also im Vorjahr Kredite zulasten künftiger Haushalte aufgenommen.

Die Sondervermögen sind weitgehend geleert worden, obwohl das Geld bereits beschlossene Projekte decken sollte. Ausgaben wurden mit aller Gewalt, das haben wir erlebt, in dieses Jahr verschoben. Eigentlich sind wir bei einer Form von kreativer Einhaltung des Sanierungspfads, den Rot-Grün, insbesondere die Grünen, immer von sich gewiesen haben, aber mit einem ungedeckten Scheck auf den nächsten Doppelhaushalt, und das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Das wäre eigentlich der Punkt gewesen, an dem sich die Koalition hätte fragen müssen: Was machen wir eigentlich in den Jahren 2018 und 2019? Müssen wir jetzt nicht endlich darauf bestehen, dass der Sanierungspfad an die Einigung des Länderfinanzausgleichs angepasst wird? Müssen wir mit Sondervermögen oder außerhaushaltsmäßigen Krediten arbeiten, weil wir sonst gar nichts mehr erledigen können, Stichworte Schulneubauten, Einstellung von Personal, Kitas und Wohnungsbau? Ich glaube nicht, dass der Koalitionsausschuss darüber geredet hat, denn sonst hätten wir es vielleicht erfahren.

Ich habe inzwischen den Eindruck, dass die Koalition darauf hofft, dass die Einsparungen, die sie im Personalbereich vorgenommen hat, so weit gehen, dass der beschlossene Haushalt sowieso nicht mehr umgesetzt werden kann. Wir haben ja den Effekt, dass sechs bis acht Jahre vergehen, bis eine Schule entsteht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das liegt ja nicht an Ausschreibungsfristen, sondern es liegt einzig und allein daran, dass in der Verwaltung niemand mehr existiert, der weiß, wie Beton fließt, der weiß,

wie man plant, der weiß, wie man baut und wie man das umsetzt. Das, finde ich, ist das eigentlich Tragische am Stillstand dieser Koalition. Die öffentlichen Kapazitäten sind inzwischen so weit ausgedünnt, dass diese Verwaltung immer weniger planen, bauen und umsetzen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Bei Immobilien Bremen fehlen Architekten, im Wirtschafts- und Arbeitsressort fehlen die Sachbearbeiter, die nötig wären, um beispielsweise die EU-Förderperioden sachgerecht ausschöpfen zu können. Ehrlich gesagt, es sind in weiten Teilen keine Haushaltssperren mehr nötig, weil vakante Stellen einfach nicht mehr nachbesetzt werden. Es ist immer öfter das Problem wahrzunehmen, dass sich niemand mehr auf ausgeschriebene Stellen bewirbt. Es wäre überfällig gewesen, dass Rot-Grün endlich einmal aus der PEPQuote aussteigt und eine handlungsfähige Verwaltung schafft, anstatt über das Personalvertretungsgesetz zu schwafeln,

(Beifall DIE LINKE)

denn es gibt inzwischen so etwas wie eine innere PEP-Quote. Wenn der Senat Stellen ausschreibt, dann bewirbt sich niemand auf diese Stellen, und das hat Gründe. Es liegt zum einen daran, dass die Bezahlung zum Teil schlechter als in den anderen Bundesländern ist. Es liegt aber zum anderen vor allen Dingen daran, dass eine derart ausgepowerte und lustlose Verwaltung kein richtig einladender Arbeitsplatz ist.

Es liegt aber auch daran, dass jahrelang der öffentliche Dienst schlecht geredet worden ist. Das ist ein Grund, aus dem ich sage, die Ideologie des schlanken Staates und der Liberalisierung, die auch gerade hier unter den Grünen vehement Einzug gehalten hat, frisst sich im Grunde genommen selbst, weil der öffentliche Dienst offensichtlich nicht mehr für Leute, die von der Universität kommen, attraktiv ist.

Es kann mir niemand die Gründe dafür nennen, dass Immobilien Bremen fünf Architektenstellen ausschreibt, aber keine Bewerbungen eingehen. Es sind immer noch Architekturstudenten vorhanden, die die Universitäten verlassen. Diese Koalition muss sich doch einmal selbst fragen, welche Arbeitsplätze sie anbietet, wenn sie niemand haben möchte. Diese Situation hätte der Koalitionsausschuss erörtern und sich auf eine Lösung verständigen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, es ist im Ergebnis das schlimmste Ergebnis der fast zehnjährigen Regierungszeit der rot-grünen Koalition, dass wir keinen handlungsfähigen Staat mehr haben. Das passt zum Nichthandeln der Regierungsfraktionen und des Senats. – Vielen Dank!