Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Ich finde, es ist im Ergebnis das schlimmste Ergebnis der fast zehnjährigen Regierungszeit der rot-grünen Koalition, dass wir keinen handlungsfähigen Staat mehr haben. Das passt zum Nichthandeln der Regierungsfraktionen und des Senats. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Röwekamp, auch wenn ich nicht vorhabe, Herrn Rupp nachzueifern und eine Rede auf Englisch zu halten, zum Titel der Aktuellen Stunde ist mir als erstes eingefallen: nice try! Der Titel hört sich zwar gut an, er hat aber mit der Realität, Stillstand und Streit, nichts zu tun.

Dass Sie ein Zitat von Herrn Isola bemühen müssen,

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ein Vorgänger von Ihnen!)

das ist, finde ich, fast schon enttäuschend.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn einem aber selbst nichts mehr einfällt, dann ist es möglicherweise so, dass man sich bei Horst Isola bedienen muss.

Der Koalitionsausschuss trifft sich regelmäßig. Das letzte Treffen war am Montag der vergangenen Woche. Ja, wir haben lange getagt. Wir haben intensiv und ergebnisorientiert gearbeitet, aber wir haben nicht gestritten, und wir haben nicht stillgestanden.

Vielleicht zuerst! Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, an welchem Standort wir sinnvoll und angemessen ein Mahnmal aufstellen lassen wollen, um daran zu erinnern, dass es viele gegeben hat, die von der Vernichtung und Vertreibung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus wirtschaftlich profitiert haben. Herr Röwekamp, Sie haben das direkt in den Medien und heute auch noch einmal als Pipifax bezeichnet. Das finde ich, ehrlich gesagt, unglaublich und regelrecht unanständig.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abg. Röwekamp [CDU]: Den Streit habe ich so bezeichnet!)

Dafür habe ich, meine Damen und Herren von der CDU, überhaupt kein Verständnis.

Für mich und für die SPD ist die Frage, dass und auf welche Weise wir mahnend an die Beraubung der vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus erinnern, an das profitierende Ausnutzen der sozialen, ökonomischen und auch physischen Auslöschung der Juden in Europa, gesellschaftspolitisch sehr wichtig. Sie verdient eine intensive Diskussion. Sie verdient eine fachlichhistorische und vor allen Dingen eine würdige Antwort, und darüber haben wir nicht gestritten.

(Abg. Rohmeyer [CDU]: Sie haben billigen Partei- enstreit daraus gemacht! Wir haben keine schädliche Debatte geführt! Jetzt stellen Sie sich hier so hin? Unerträglich ist das! – Widerspruch SPD)

Vielleicht müssen Sie sich nicht nur einfach aufregen, sondern sich vielleicht auch einmal ernsthaft mit der Sache befassen.

(Abg. Rohmeyer [CDU]: Eine Unverschämtheit!)

Wir haben nicht gestritten. Wir haben auch nicht parteipolitisch darüber gestritten.

(Abg. Rohmeyer [CDU]: Doch!)

Nein! Wir haben uns die Zeit genommen, die notwendig war, um eine Entscheidung zu treffen!

(Abg. Rohmeyer [CDU]: Unglaublich! – Abg. Kasten- diek [CDU]: Eine gespaltene Wahrnehmung! – Glocke)

Ich sage ganz offen, ich bin – offensichtlich im Unterschied zur CDU-Fraktion – froh, dass wir jetzt einen prominenten Ort gefunden haben, und zwar nicht irgendwo dazwischen, das ist offensichtlich Ihre Auffassung, sondern im Zentrum der nachweisbaren Speditions- und Logistikunternehmen. Also genau die Stelle, an die ein solches Mahnmal fachlich und historisch aufgestellt werden sollte, und die im Übrigen auch Bezug zum heutigen Wirtschafts- und Logistikstandort hat. Denn wir erinnern uns an die Vergangenheit, um natürlich jetzt und in der Zukunft besser und verantwortlicher zu handeln, und das haben wir geschafft.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben uns in der Debatte und in der Entscheidung von dem Beschluss leiten lassen, der auf Antrag der Grünen am Montagabend im Beirat Mitte verantwortungsvoll – und im Übrigen parteiübergreifend, die CDU im Beirat Mitte ist anscheinend weiter, als die CDU hier in der Bürgerschaft – gefasst worden ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben uns auch nach intensiver fachlicher Beratung dafür entschieden, einen Standort zu wählen, der sich nicht auf einen ohne Frage sehr wichtigen Akteur verengt, sondern deutlich macht, dass die Verantwortung bei vielen Profiteuren liegt, und zwar im wirtschaftlichen, im staatlichen und auch im privaten Bereich. Selbst zahlreiche Bremerinnen und Bremer profitierten unmittelbar als Käufer des Hausrats ihrer kurz zuvor deportierten Nachbarn. Die örtlichen Behörden, Finanzen und Wirtschaft, tragen auch Verantwortung. Der Standort ist so gewählt, dass er auch das pädagogische Anliegen, nämlich die poli

tische Bildung künftiger Generationen, erfüllt, weil er, wie wir es verabredet hatten, im Herzen der Stadt liegt und begehbar ist.

Meine Damen und Herren, ich bin stolz darauf, dass wir in Bremen zu einer intensiven und inhaltlichen vertieften Auseinandersetzung gekommen sind, die jetzt allerdings von der CDU diskreditiert werden soll. An dieser Auseinandersetzung haben sich im Übrigen auch die bremische Wirtschaft, die Handelskammer und die Unternehmensverbände beteiligt, und sie haben sich auch zu ihrer Verantwortung bekannt. Ich finde es bezeichnend, dass Sie das, meine Damen und Herren von der CDU, nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, wir haben im Koalitionsausschuss auch über unsere Bildungseinrichtungen, über unsere Kitas und über unsere Schulen gesprochen. An der Stelle gab und gibt es natürlich das Einvernehmen, dass wir in diesem Bereich alle Anstrengungen unternehmen werden, um ausreichend Plätze zu schaffen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sie sind auf einem guten Weg? – Glocke)

Frau Kollegin Aulepp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rohmeyer?

Wenn Herr Rohmeyer gern möchte!

(Abg. Röwekamp [CDU]: Sonst hätte er sich nicht gemeldet!)

Bitte, Herr Kollege!

Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie als Koalition hier – verfrüht aus unserer Sicht – einen Standort in der Bürgerschaft festgelegt haben, dass in unserem Antrag, den wir Ihnen im letzten Jahr vorgelegt haben, ein breiter gesellschaftlicher Konsens als Ziel vorgesehen gewesen ist, und zwar unter Beteiligung all derer, die Sie eben genannt haben, dass dieser Antrag von Ihnen abgelehnt worden ist und dass Sie aus unserer Sicht eine schädliche Debatte über einen Standort, den Sie selbst festgelegt haben, führen, die die Opfer eher beschämt und beschädigt hat? Das ist das, was wir kritisieren, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Herr Rohmeyer, ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie dieser Auffassung sind. Ich möchte dem allerdings vehement widersprechen, denn ich habe eben gerade dargelegt – vielleicht haben Sie auch nicht richtig zugehört –, dass wir am

Ende jetzt eine Entscheidung getroffen haben, die, wenn man sie sich ansieht, und zwar auch, wie sie im Beirat diskutiert worden ist, genau diese breite gesellschaftliche Mehrheit gefunden hat und eine Übernahme der Verantwortung der Wirtschaft, der Handelskammer und der Unternehmensverbände, im Übrigen auch der Firma Kühne + Nagel, repräsentiert. Das nehme ich nicht nur zur Kenntnis, sondern ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es gab natürlich weitere Themen! Ja, es besteht eine große Herausforderung für den Bereich der Kitas und Schulen. Das ist erst einmal erfreulich, denn das hängt mit dem Anstieg der Geburten zusammen. Das hängt auch damit zusammen, dass die öffentliche Kindertagesbetreuung eine steigende Akzeptanz erfährt. Menschen wünschen sich, dass ihre Kinder betreut werden, und zwar nicht nur um den Beruf und die Familie zu organisieren, sondern auch damit ihre Kinder gemeinsam mit anderen Kindern aufwachsen.

Diese Akzeptanz führt zu einer steigenden Nachfrage, und zwar glücklicherweise in allen Stadtteilen. Von daher müssen wir uns dieser Herausforderung stellen, und wir werden es auch tun.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich gibt es dann, wenn man große Herausforderungen zu bewältigen hat, auch Probleme. Ja, wir müssen geeignete Flächen finden. Ja, es müssen Planungen erstellt werden, Bauanträge abgearbeitet, es muss geeignetes Fachpersonal gefunden werden und viele Dinge mehr. Diese Probleme haben aber nicht nur Bremen und Bremerhaven, sondern sie sind auch in anderen Städten vorhanden.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das beruhigt uns aber ungemein!)

Wir sind uns völlig darin einig, dass das mit Priorität bearbeitet wird. Dieter Reinken hat es gestern mit Blick auf eine andere Situation genauso schön wie richtig gesagt: Alle Ressorts müssen miteinander untergehakt losmarschieren. Das dafür die nötigen Finanzen zur Verfügung gestellt werden, darin ist sich die Finanzsenatorin mit allen anderen, die in diesem Koalitionsausschuss und in der Koalition vertreten sind, völlig einig.

Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal ganz deutlich sagen, wir standen und stehen hier vor immensen Herausforderungen. Wir haben allen Unkenrufen und Schlechtrednern zum Trotz schon immens viel erreicht. Noch nie sind so schnell so viele Kitaplätze geschaffen und Kinder untergebracht worden. Von gut 18 000 Plätzen im Sommer 2016 werden es in diesem Jahr knapp 2 000 Plätze zusätzlich sein. Es hat noch nie einen solchen Zuwachs gegeben. Das

haben wir geschafft, und das ist gut, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme nun zu einem zweiten Punkt und der Frage, ob die Integration von Flüchtlingen noch auf der Tagesordnung steht oder nicht. Noch nie sind so viele zusätzliche Kinder so schnell und so geräuschlos in den laufenden Schulbetrieb integriert worden,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: „Geräuschlos“?)