Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sport ist die schönste Nebensache der Welt. Darum haben wir ausgerechnet jetzt und – das darf man, glaube ich, sehr anerkennend sagen – gemeinsam mit allen Fraktionen diesen Antrag auf den Weg gebracht. Wir reden hier nicht über unsere Sportvereine im Lande Bremen, in Bremen und in Bremerhaven. Dort wird in der Tat eine hervorragende Arbeit im Bereich der Ehrenamtlichkeit derer geleistet, die für unsere Bürgerinnen und Bürger da sind.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir reden über die Spitzensportförderung. Insbesondere der McLaren-Report und auch die Berichterstattung, die uns in der letzten Woche ereilt hat, haben noch einmal sehr weit zurückliegende Ereignisse im Bereich des Spitzen- und Hochleistungssports deutlich gemacht, sodass wir heute und hier noch einmal

bekräftigen wollen, dass der Spitzensport fair, sauber und regelkonform zu erfolgen hat.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Unbestritten ist, Spitzensport, Hochleistungssport, benötigt eine gute Förderung und die Unterstützung des Staats. Das ist für uns alle nachvollziehbar und richtig. Hochleistungssport, Olympische Spiele und Weltmeisterschaften benötigen auch Quote. Auch das wissen wir. Sie benötigen die Wirtschaft, sie benötigen Ausrüster und vieles mehr. Es erfordert immer wieder charismatische Sportlerinnen und Sportler, die den Sport sozusagen der Welt präsentieren.

Vor allem aber erfordert es Sportlerinnen und Sportler, die große und kontinuierliche sportliche Erfolge vorweisen können, die dafür stehen und dafür trainieren. Eine Sportart, ein Sportverband ist in aller Regel so erfolgreich wie seine Athletinnen und Athleten. Aus den Erfolgen der Athletinnen und Athleten des jeweiligen Sportverbands oder der Sportart – darin liegt ein bisschen das Problem in diesem System – ergibt sich nicht zuletzt die Höhe der Förderung und Unterstützung für diesen Verband.

Der Deutsche Bundestag und auch die Sportorganisation DOSB befassen sich zurzeit mit einer Neuaufstellung der Spitzensportförderung, bei der all diese Dinge eine Rolle spielen. Man spricht dort von einer sogenannten Potenzialanalyse, also von den Fragen: Welche Leistungen werden in dieser Sportart erbracht? Wie erfolgreich ist dieser Verband und kann dieser Verband auch in der Nachwuchsarbeit sein? – Daraus berechnet sich letztendlich die Höhe der Unterstützung.

Die Neuaufstellung dieser Spitzensportförderung ist zunächst allein Sache des Bundes. Dabei muss dieser offensichtliche Zielkonflikt, so möchte ich das einmal nennen, ganz klar im Blick sein. Ich will drei Punkte benennen.

Erstens: Die Ausgangslage ist, wir können Doping leider nicht von heute auf morgen wegzaubern. Das haben die Berichterstattungen gezeigt. Es gibt ganz unterschiedliche Ausprägungen von Doping, mit denen wir gerade in den letzten Wochen und Monaten konfrontiert worden sind. Der McLaren-Report hat dazu einen wesentlichen Baustein geliefert.

Zweitens: Wir haben eine Verantwortung. Im Sinne unserer jungen Athletinnen und Athleten müssen wir uns nachdrücklich für manipulationsfreien Spitzensport einsetzen. Doping darf keinen Platz haben.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Manipulationen – welcher Art auch immer – dürfen somit nicht Grundlage für ein Fördersystem im Spitzensport sein.

Drittens: Fairness muss sich lohnen. Spitzensportförderung, die letztendlich auch eine Belohnung darstellt, muss sich auf jene Verbände und Sportarten konzentrieren, in denen fair und regelkonform spitzensportliche Leistungen erbracht werden. Deshalb haben wir unseren heutigen Antrag gestellt, sich auf der Bundesebene dafür einzusetzen, dass im Spitzensport zwingend bei der Beschlussfassung über dieses neue Konzept eine Koppelung von Förderung und sauberem, fairem und regelkonformem Wettbewerb hergestellt wird. Wir haben gemeinsam diesen Antrag auf den Weg gebracht. Insofern bitte ich Sie alle um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Lübke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal betonen, dass wir als CDU-Fraktion uns freuen, dass wir hier zusammen mit allen Fraktionen zu diesem wichtigen, ja existenziellen Thema im Sport eine gemeinsame Botschaft aussenden. Wir als CDUFraktion sind davon überzeugt, dass der Sport und der Staat im Kampf gegen Doping etwas tun müssen.

(Beifall CDU)

Wir können uns dem vielfältigen Sportfunktionär Helmut Digel anschließen, der einmal gesagt hat: „In einem erfolgreichen Kampf gegen Doping ist der Staat gefordert – und der Sport selbst. Es gilt, das Kulturgut Sport zu schützen.“ – Hinter dieser Erklärung sollten und könnten wir uns alle versammeln.

Der McLaren-Report hat zutage gebracht, was viele bereits vermutet haben, nämlich systematisches Doping bei den russischen Athleten bei den olympischen Winterspielen in Sotschi. Es wurde bekannt, dass in Russland unter dem Einfluss staatlicher Stellen systematisch Dopingproben russischer Athleten zum Schutz vor positiven Tests manipuliert wurden. Es wurde weiterhin bekannt, dass im Anti-Doping-Labor in Sotschi eine Methodik eingesetzt wurde, die die Teilnahme russischer gedopter Athleten an den Olympischen Spielen ermöglichte. Als i-Tüpfelchen des Ganzen leitete und steuerte das russische Sportministerium die Manipulationsvorgänge unter aktiver Teilnahme der beiden Anti-Doping-Labors in Moskau und Sotschi.

Meine Damen und Herren, das alles sind erwiesene Fakten. Dadurch wird deutlich, dass der Sport durch ein systematisches Staatsdoping für eine bessere Präsentation des Landes durch eine bessere Platzierung im Medaillenspiegel missbraucht wird.

Einmal ganz abgesehen davon, dass Doping wissenschaftlich erwiesen nachhaltig ungesund ist, muss man sich auch einmal in die Lage der Sportlerinnen

und Sportler versetzen, die sich nicht dopen. Wir als CDU-Fraktion finden, Dopingmittel verzerren Chancengleichheit, sind gerade deshalb in hohem Maße unfair und müssen deshalb nicht nur in Russland, sondern weltweit bekämpft werden.

(Beifall CDU, SPD)

Liebe Kollegen und Kollegen, nun ist es ja so, dass aktuell viel über die Förderung des Spitzensports in Deutschland und darüber diskutiert wird, wie man dort etwas verbessern kann. Das liegt letztendlich darin begründet, dass man sich den Medaillenspiegel der Olympischen Sommerspiele der vergangenen Jahre angeschaut hat. Man hat festgestellt, dass ähnlich viele Medaillen und damit die Plätze eins bis drei erlangt wurden wie in den vergangenen Jahren. Wenn man sich aber die Platzierungen hinter Platz drei anschaut, ist eine ganze Masse auf den Plätzen vier bis acht oder zehn weggebrochen. Dabei handelt es sich oft um Athleten, die sich bis zur nächsten Olympiade in ihrer Leistung steigern und die Plätze drei bis eins anpeilen.

Insofern finde ich die Diskussion über die Spitzensportförderung wichtig. Als Ergebnis dieser Diskussion auf Bundesebene ist bereits durchgesickert, dass die Spitzensportförderung verändert werden soll, und zwar dergestalt, dass stärker nach Bedarf und weniger in der Fläche gefördert werden soll. Zudem soll diese Spitzensportförderung nach dem Willen von CDU und SPD auf Bundesebene dann nicht mit weniger, sondern mit mehr Geld durchgeführt werden. Auch das ist der richtige Weg, wie ich finde.

Lassen Sie mich zusammenfassen, verbesserte Spitzensportförderung in unserem Land und verstärkter Kampf gegen Doping stehen überhaupt nicht im Widerspruch, sondern bedingen einander. Wir wollen Spitzensport ohne Doping. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Spitzensportförderung und Breitensportförderung müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Ich frage mich immer, ob wir nicht zuerst einmal die Sportstätten ordentlich instand halten und den Schulsport richtig fördern können, bevor wir über Olympiamedaillen reden.

Umgekehrt ist es aber auch nicht fair, wenn gute Leute international nicht mithalten können, weil sie nicht richtig unterstützt werden. Das demotiviert und ist dann auch schlecht für den Breitensport.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb ist es super, dass wir in Bremen wenigstens einen Bundesstützpunkt haben, nämlich den Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik. Das ist wichtig für Bremen, das ist wichtig für die Sportlerinnen, und das muss auch so bleiben.

(Beifall DIE LINKE; SPD)

Bremen ist nach wie vor bei der Verteilung der Olympiastützpunkte und der Bundesstützpunkte benachteiligt. Deshalb kann es uns nicht kaltlassen, wenn der Bundesminister die Zahl der Stützpunkte reduziert. Er hat da bekanntlich einen ganz anderen Zugang. Er sieht sich im Fernsehen die Olympiade an. Wenn die deutschen Athleten 42 Medaillen schaffen, dann sagt er, das muss ein Drittel mehr werden. Fünfter im Medaillenspiegel zu sein, reicht der Bundesregierung nicht. Das ist der Zugang.

Deshalb krempelt die Bundesregierung die Spitzensportförderung um, wie meine Vorredner auch schon gesagt haben. Statt 19 soll es nur noch 13 Olympiastützpunkte und statt 204 nur noch 165 Bundesstützpunkte geben. Das Geld soll auf die Sportarten konzentriert werden, bei denen man die höchsten Medaillenchancen hat. Es gibt ein Exzellenzcluster, das stark gefördert wird, ein Potenzialcluster, das nicht so toll gefördert wird, und ein „Restecluster“, das tendenziell nichts mehr bekommt. Es soll ein Computer-Programm „PotAS“ geben, das in Zukunft ausrechnet, wo Deutschland Medaillenchancen hat. Dahin soll dann das Geld gehen. So ist der Plan!

Da kommt dann die Frage des Dopings ins Spiel. Die Ringer sagen zu Recht: Wie sollen wir in einer Sportart Goldmedaillen holen, in der ohne Doping nichts geht? Wir hatten eine Bronzemedaille in Rio. Das ist toll für uns. Wir sollen aber aus der Spitzensportförderung herausfallen, weil dem Innenminister das nicht reicht. – Deshalb ist es richtig, wenn im Bürgerschaftsantrag steht, es kann nur um die Chancen in einem fairen Wettbewerb gehen und nicht um den blanken Medaillenspiegel.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE sehen das ganze Konzept einer reinen Medaillenfixierung in der Sportförderung kritisch. Ob eine Sportart gefördert wird, darf nicht nur von der Medaillenfrage abhängen. Es muss genauso darum gehen, wie viele Leute diesen Sport machen, wie viele gute Frauen und Männer wir da haben, auch wenn es vielleicht nicht für Medaillen reicht. Allein die Frage der Stützpunkte entscheidet oft darüber, ob sich eine junge Sportlerin oder ein junger Sportler zwischen Sport und Studium entscheiden muss, oder ob beides geht. Sportpolitik muss vor allem faire und gute Bedingungen für Sportlerinnen und Sportler und den Nachwuchs schaffen und darf nicht in erster Linie die optimale Zahl der Medaillen im Blick haben.

(Beifall DIE LINKE)

Das sind sehr konkrete Fragen. Vor zwei Jahren hat es großer Anstrengungen bedurft, damit die Förderung von „Jugend trainiert für Olympia“ nicht ganz gestrichen wurde. Das sind 700 000 Euro, und das ist wirklich Breitensport. Gleichzeitig gibt der Bund jährlich 12 Millionen Euro für die beiden Sportforschungsinstitute aus, um Hightech-Verfahren, bessere Bobkufen oder den Superhelm für Skispringer, zu konstruieren. Der Bund sagt im Sportbericht der Bundesregierung – und da hat er wahrscheinlich recht –, ohne diese Hightech-Verfahren hätte man die Hälfte der Medaillen in Rio nicht bekommen.

Das ist natürlich eine schwierige Entwicklung. Klar, Doping ist unfair, keine Frage! Dass man in vielen Sportarten keine Medaillenchancen mehr hat, wenn man nicht aus einem Land kommt, das sich diese Hightech-Ausgaben leisten kann, ist aber auch nicht fair.

(Beifall DIE LINKE)

Talent, Training und Motivation reichen schon lange nicht mehr aus. Letztlich ist das Doping eben auch ein Kind der Medaillenfixierung. Man wird das eine ohne das andere nicht abschaffen können. Vielleicht kann ja aus dem Dopingskandal um den McLaren-Report eine Haltung entstehen, sodass man sich sagt: Klar, Sport ist auch Wettkampf, und man möchte gewinnen! Das ist aber nicht das einzige Ziel, und es ist nicht das, woran ein Land seine Sportförderung hauptsächlich ausrichten sollte. Ein Land sollte seine Sportförderung daran ausrichten, dass möglichst viele Sportlerinnen und Sportler zu guten und fairen Bedingungen und mit guter Unterstützung Sport machen können und Spaß daran haben. Das ist das Ziel. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns heute über ein Thema, bei dem wir letztlich alle konform gehen. Spitzensport muss fair stattfinden.

Die Spitzensportförderung in Deutschland wird zurzeit neu aufgestellt. Der Bundesinnenminister, der auch für den Sport verantwortlich ist, möchte nur noch die Sportarten fördern, bei denen die Aussicht besteht, dass sie bei Olympia goldmedaillenträchtig sind. So möchte ich das einmal nennen.

Der McLaren-Report steht mit diesem Thema nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang. Die Aufdeckung von Doping gibt es nicht erst seit dem Report. Wir haben das in der Leichtathletik gehabt. Wir haben das vor

allem im Radsport gehabt. Denken Sie an die Tour de France! Wir haben das im Skisport gehabt. Das Thema des Dopings in den Wettbewerben ist seit Jahrzehnten bekannt. Seit Jahrzehnten ist auch bekannt, dass sich Staaten gern mit den Medaillen von Sportlerinnen und Sportlern schmücken und einen großen Beitrag dazu leisten wollen, dass ihr Land beim olympischen Medaillenspiegel oder bei sonstigen internationalen Wettkämpfen gut wegkommt. Denken Sie an den Ost-West-Konflikt! Denken Sie an die Anstrengungen, die Großbritannien für die letzten Olympischen Spiele finanziell unternommen hat.

Doping ist für mich aber auch nicht nur eine Frage des Wettbewerbs von Sportlerinnen und Sportlern. Wir benötigen auch Fairness und Sauberkeit in den Sportverbänden und bei ihren Funktionären. Ich erinnere an die FIFA und auch an die Querelen um den DFB, bezogen auf 2006. Ich erinnere auch daran, dass bei einem solchen Erscheinungsbild des Sports die Bevölkerung an solchen Sportveranstaltungen offenbar keinen Gefallen mehr findet. Denken Sie an die Ablehnung in Hamburg! Denken Sie an die Schwierigkeiten, die Garmisch-Partenkirchen damals gemacht hat, als es um den Wintersport ging. Das ist also ein großes Feld.