Angesichts der Demokratiedefizite, die es in dieser zentralistischen europäischen Struktur gibt, lautet mein dringender Appell: Wenn wir die Europäische Union erhalten wollen, dann lassen Sie sie uns bitte reformieren und gemeinsam überlegen, wie wir das europäische Haus bauen und in diesem europäischen Haus wohnen können. Lassen Sie uns niemanden ausgrenzen, erst recht nicht 30 Prozent der Franzosen, die eine Partei wählen, die Sie als populistisch betrachten. Wir müssen - -.
Nationalistisch! Prima! Heißt das, wir können uns mit 30 Prozent der Franzosen nicht unterhalten? Heißt das, wir nehmen die Kritik von 30 Prozent der Franzosen nicht ernst?
(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Unterhalten kann man sich mit jedem, aber man muss nicht seine Auffassung teilen!)
Wir müssen die Defizite der EU gemeinsam angehen; sonst werden wir sie verlieren. Die EU ist es wert, dass wir gemeinsam für sie kämpfen.
Wir werden uns, was diesen Antrag angeht, enthalten, weil er uns als Ganzes zu sehr eine Gut-Wetter-Erklärung ist. Wir wünschen uns wirklich etwas mehr Ernst und Bewusstsein, was die Probleme angeht, die wir in der Europäischen Union haben
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal fällt es schwer, die Reden hier zu hören und sie mit den angekündigten Abstimmungsergebnissen unter einen Hut zu bekommen.
(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP) Frau Leonidakis, ich will ganz kurz mit Ihnen anfangen. Ihr Engagement, das Sie ja immer wieder für Griechenland an den Tag legen, finde ich positiv, obwohl ich inhaltlich längst nicht alles teile. Für mich ist es ein gelebtes Beispiel der europäischen Idee. Wir feiern 60 Jahre Römische Verträge; vor 100 Jahren waren wir im Ersten Weltkrieg; im Jahr 1917 wurde der Spruch „Im Westen nichts Neues“ geprägt, weil sich deutsche und französische Armeen in einem Stellungskrieg befanden, in dem weder in die eine noch in die andere Richtung etwas ging. An solchen historischen Tagen und vor dem Hintergrund der Debatte, die wir darüber führen, dass sich Bremen engagiert, muss man sich meiner Meinung nach einmal grundsätzlich anschauen, wohin man in Europa gekommen ist. Ich bin stolz darauf, wohin wir in Europa gekommen sind. (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)
Natürlich ist es auch richtig, über die Defizite zu reden, zu diskutieren und zu streiten. Übrigens ist es mittlerweile im Rahmen von demokratischen Auseinandersetzungen in Europa Gott sei Dank auch möglich, dass man miteinander redet und vielleicht auch manchmal schlecht über ein anderes Land redet. In dem Moment, in dem in Europa früher schlecht über ein anderes Land geredet wurde, sind die Panzer bestellt worden und losgefahren. Das ist der Unterschied zu heute. Deshalb ist es gut, dass wir Europa heute so haben, wie wir es haben.
Ich war ganz erstaunt, als Sie am Ende Ihrer Rede plötzlich sagten, Sie stimmten dem Antrag zu. Offensichtlich sind Sie für den Antrag, den wir hier gestellt haben. Aber in Ihrer inhaltlichen Begründung habe ich das leider kaum erkennen können.
Bei Herrn Schäfer war es andersherum. Ich dachte: Er erzählt uns, dass wir für Europa kämpfen müssen und dass es dort natürlich auch Defizite gibt. Dass das niemand hier im Haus bestreiten wird, habe ich gerade schon gesagt. Aber warum enthalten Sie sich dann bei dieser Initiative? Sie können doch guten Gewissens zustimmen. All das, was die Basis dieser Verbesserungsvorschläge ist, die Sie gerade eingebracht haben, können wir doch hier diskutieren. Wir können gemeinsam Vorschläge erarbeiten. Kommen Sie in den Europaausschuss. Diskutieren Sie dort mit uns. Aber die Grundlage dafür sind die Römischen Verträge, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP) Aus diesem Grunde bin ich froh, dass wir Europa so haben, wie es ist. (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)
Ich sehe ganz erheblichen Reform- und Weiterentwicklungsbedarf. Ich sehe auch viele neue Themen, die in Europa angegangen werden müssen. Das Thema Energiepolitik, mit dem ich häufiger zu tun habe, wird eine große europäische Aufgabe bis zum Jahr 2050 sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dazu sind jetzt mit dem Winterpaket erste Vorschläge gemacht worden, aber es wird uns mindestens noch 30 Jahre beschäftigen, wie uns der Umbau des europäischen Energiesystems hin zu umweltfreundlicher Energiegewinnung gelingt. Darüber müssen wir mit anderen Ländern streiten. Nicht jeder teilt automatisch unsere Auffassung.
Natürlich gibt es weitere Themen. In anderen Ländern ist Jugendarbeitslosigkeit in Größenordnungen vorhanden, die nicht akzeptabel sind. Also müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie man verstärkt einen Austausch organisieren kann. Ich bin sehr dafür, Austauschprogramme schon zu Schulzeiten deutlich zu intensivieren
und übrigens auch finanziell auszustatten. Solche Möglichkeiten muss es auch grenzübergreifend geben, sodass es für einen Deutschen nachher selbstverständlich ist, eine Ausbildung gegebenenfalls in Spanien oder Frankreich zu machen, und es auch für französische, griechische und andere Jugendliche selbstverständlich ist, in Deutschland, den Niederlanden oder in anderen Ländern eine Ausbildung zu absolvieren.
Um das zu ergänzen: Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Bremen und Bremerhaven in zwei Städten leben, in denen wir, wenn über Europa diskutiert wird, immer mit einer positiven Grundrichtung diskutieren, und dass sich viele an diesen Diskussionen beteiligen und sich einbringen. Ich bin auch froh darüber, dass es Menschen gibt, die sich darüber Gedanken machen und die nicht einfach stumpf auf die Straße gehen und sagen „Früher war alles besser“, wie man es ja hin und wieder hört.
Nein, früher war nicht alles besser. Früher war fast alles schlechter, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb finde ich es toll, dass jetzt in den Europawochen so viele Veranstaltungen angeboten werden und dass es internationale Gruppen gibt, die Bremen als Basis nehmen, um sich schlau zu machen, sich zu informieren, zu streiten, zu diskutieren und sich gegenseitig kennenzulernen. Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wer hätte das vor gut 25 Jahren für möglich gehalten, als Deutschland in den Wiedervereinigungsprozess eintrat und viele vor der deutschen Rolle in der Mitte Europas Angst hatten? Was hat sich seither alles verändert! Wie viele osteuropäische Länder sind mittlerweile in die EU gekommen!
Daher finde ich es richtig, dass wir heute über diesen Antrag diskutieren. Ich hoffe, dass wir ihn gleich möglichst einstimmig hier im Parlament verabschieden werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne eine Delegation Parlamentarier unter der Leitung des Majority Leaders Ronald Marino aus Massachusetts/USA recht herzlich begrüßen, die sich anlässlich der WINDFORCE in Bremerhaven und Bremen aufhält. Massachusetts ist der erste USBundesstaat der USA, der ein verbindliches Gesetz zur Förderung von Offshore Wind hat: 1,6 Gigawatt in den nächsten 10 Jahren. Anschließend fährt die Delegation weiter nach Hamburg. Seien Sie recht herzlich willkommen heute hier in der Bürgerschaft!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Abgeordneten, liebe Besucherinnen und Besucher! Diese Debatte und dieser Antrag haben, wie ich finde, schon deutlich gezeigt, wie es in Bremen ist. Ich bin davon überzeugt, dass Bremen und Bremerhaven Europa leben und dass wir viel mehr tun, als viele von einem Parlament erwarten.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass schon in unserer Verfassung steht - vorne in den Grundrechten ist das mit formuliert -, dass wir das Zusammenwachsen Europas als eine Grundvoraussetzung verstehen. Das zeigt, für wie wichtig wir Europa auch für uns halten. Ich kann für den Senat sagen: In allen Aufgabenbereichen spielen die Europäische Union und Europa eine große Rolle. Aber auch in der Bürgerschaft, im Parlament, ist Europa immer sehr präsent und wird aktiv unterstützt.
Auch an dieser Stelle von mir als Zuständige einen herzlichen Dank dafür, dass hier zentral im Haus seit über zehn Jahren der EuropaPunkt seinen Platz hat, damals von Herrn Barroso eingeweiht und zum Teil über die Europäische Kommission finanziert. Er ist nach wie vor ein Beispiel für einen Ort der Informationen und Veranstaltungen. Andere Städte und Bundesländer würden sich wünschen, dass es auch dort solch eine Präsenz gibt.
Die lebendigen Debatten zeigen aber auch, wie unterschiedlich die Sichtweisen auf die Dinge sind. Ich glaube, Dinge können sich nur gut entwickeln, wenn es auch Kritik gibt. Aber nur wer dabei ist und mitmacht, kann auch gestalten. Alle, die davon abgehen, wie wir das in Großbritannien mit dem Brexit erlebt haben, und die sich von der Grundidee verabschieden, wie wir es zurzeit bei nationalistischen Strömungen in ganz Europa sehen, können nicht mehr mitgestalten und können an diesem großen Projekt, das uns allen am Ende Wohlstand, Frieden und Sicherheit geben soll, nicht mehr mitwirken.
Ich möchte an dieser Stelle den Abgeordneten, insbesondere den Abgeordneten im Ausschuss für Europaangelegenheiten, für ihr großes Engagement danken. Das ist nicht selbstverständlich. Ich hatte Gott sei Dank die Möglichkeit, in der letzten Woche bei einem Teil der Diskussionen in Brüssel mit dabei zu sein. Es ist für unsere Arbeit sehr wichtig, dass auch in Brüssel gesehen wird, wie sich Abgeordnete und Parlamentarier engagieren, wie gut sie sich in den Themen auskennen und dort auch immer wieder für Bremen werben. Andere Länder haben mehr Personal. Das müssen wir durch mehr Engagement wettmachen. An dieser
Ich möchte mich aber auch noch einmal für das nicht selbstverständliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bremerhaven bedanken, zum Beispiel beim Pulse of Europe. Ich weiß, einige von Ihnen waren schon sonntags mit dabei. Seit Anfang des Jahres haben sich hier Bürgerinnen und Bürger organisiert und gesagt: Wir wollen für Europa aufstehen.
Aber ich will ganz besonders auch der EuropaUnion danken, die über die Jahre hinweg auch in nicht so einfachen Zeiten - teilweise mit ein paar Personen und zu später Stunde - wichtige Themen diskutiert hat. All das ist einen wirklichen Dank wert; denn nur davon lebt es.
Eine der größten Kritiken lautet, die Europa-Union komme von oben, sei nur an der Wirtschaft orientiert, sei ein Zweckbündnis. Sie kann aber nur leben, wenn die Bürgerinnen und Bürger mit leben wollen. Ich habe zurzeit bei allen schwierigen Fragen und bei allen schwierigen Auseinandersetzungen das Gefühl, dass die Haltung „Wir wollen in Europa leben, uns sind Europa und die Europäische Union wichtig“ viel mehr spürbar ist und dass es vielleicht eine ganz neue Bewegung gibt, die deutlich macht, wie wichtig dieser Kontinent mit allen seinen Werten und seinen Prinzipien für uns alle ist.
Es ist etwas Tolles, wenn man in einem kleinen Land arbeiten darf, in dem solch ein hohes Engagement vorhanden ist. Auch an den Europawochen, die schon dargestellt wurden, wird dies deutlich. Von Jahr zu Jahr wird es mehr. Es gibt an die 80 Veranstaltungen und 60 Akteure, die sich dort engagieren.
Ich möchte Sie noch einladen, wenn Sie die Möglichkeit haben, in den nächsten Tagen in den EuropaPunkt zu gehen und an unserer Fotoaktion teilzunehmen. Es geht um die Frage: Was ist europäisch? Europäisch bedeutet, sich zu Europa zu bekennen. Sie können mit einem Foto Ihre Meinung sichtbar machen. Sie sind dort herzlich willkommen.
Es gibt weitere Aktionen, wie zum Beispiel „Sehnsucht Europa“, die gerade in den Stadtteilen stattfindet.
Ich lade Sie abschließend auch herzlich für den 22. Mai ein, wenn Robert Menasse in das Theater am Goetheplatz kommt, um mit uns ab 19 Uhr an einem Europäischen Denkpunkt teilzunehmen.
Das ist wichtig, um genau das, was Sie heute hier besprochen haben, weiter gemeinsam zu diskutieren und die Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sondern gute Ideen zu entwickeln, wie wir unsere Zukunft hier in Europa gemeinsam gestalten können. - Herzlichen Dank!