Beschäftigungspolitisches Aktionsprogramm 2014 bis 2020: Was erreicht das aktuelle BAP? Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 22. März 2017 (Drucksache 19/993)
Meine Damen und Herren, gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Herr Staatsrat, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich als Erstes für die Antwort des Senats bedanken. Ich weiß, es ist ein ausführliches Zahlenwerk gewesen, dahinter steckt sprichwörtlich Arbeit.
Ganz einverstanden bin ich selbstverständlich nicht mit den Konsequenzen und den Einordnungen, die daraus gezogen worden sind. Bremen erhält für seine Landesarbeitsmarktpolitik nicht unwesentlich Mittel aus Brüssel, und zwar deshalb, weil wir hier eine strukturschwache Region sind. Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir haben insbesondere eine Langzeitarbeitslosigkeit, die es zu bekämpfen gilt. Wir haben eine nicht unerhebliche Armutsquote. Das heißt, wir sind letztendlich eine Region, die genau die Indikatoren vorweist, warum wir diese Strukturförderung bekommen.
Wenn nun die Antwort des Senats ist, wir können diese weltkonjunkturellen Faktoren nicht beeinflussen, ist mir das, ehrlich gesagt, deutlich zu wenig, und es geht auch an der Sachlage vorbei,
denn ob wir im Vergleich mit der Bundesentwicklung aufholen oder zurückfallen, das hat sehr wohl mit unserer Landesarbeitsmarktpolitik zu tun.
Wir müssen uns also darüber Gedanken machen: Müssen wir umsteuern? Müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen? Machen wir etwas falsch? Geht es in die richtige Richtung? Es sind schließlich nicht unerheblich wenig Mittel, da finde ich es gerechtfertigt, die Sinnfrage zu stellen, was mit diesen Mitteln passiert und welche Effekte sie erzielen.
Es geht zwar auch, aber nicht nur darum, dass wir EU-Vorschriften und -Richtlinien einhalten, sondern auch darum, dass unser Land etwas davon hat.
Der Arbeitsmarkt ist bei uns eine durchaus zentrale Größe, und wir haben abgefragt, wie das eigentlich im Verhältnis zu den wichtigen Kennzahlen in dem Zusammenhang hier im Land Bremen ist. Die Kennzahlen geben kein positives Bild, weder im Hinblick auf die Unterbeschäftigung noch auf die eigentlichen Arbeitslosenzahlen, da sind wir seit dem Jahr 2015 Schlusslicht. Ich finde, das ist eine Entwicklung, die bedenklich stimmt. Das Einzige, was hier vielleicht noch als Ausnahme gelten kann, ist
Ich möchte aber noch einmal kurz auf vier Entwicklungen beziehungsweise Bereiche eingehen. Das eine ist, die Zahl der Qualifizierungen hat seit dem Jahr 2012 abgenommen, das heißt, die ausbildungsunterstützenden Maßnahmen sind schier in sich zusammengebrochen. Das ist etwas, was im Vergleich zu dem, was wir eigentlich festgestellt haben, überhaupt keinen Sinn macht.
Zweitens, die Förderzentren! Eventuell, würde ich einmal sagen, muss man sich darüber Gedanken machen, dass wir hier die falschen Instrumente fördern. Man muss einmal darüber nachdenken, ein Platz kostet 1 000 Euro pro Monat! Davon zahlt das Jobcenter 700 Euro, das ist richtig, aber es ist trotzdem Geld, das nicht in unerheblichem Maße da hineinfließt. Wenn man das alles zusammenzählt, sind es aktuell 12,7 Millionen Euro, Jobcenter-Geld und auch ESF-Geld. Im Vergleich zu dem, wie der Output der Förderzentren ist, ist das, ehrlich gesagt, geradezu bestürzend schlecht, einmal abgesehen davon, dass die Auslastungszahlen auch nicht gerade sehr erhellend aussehen!
Das Dritte sind die Alleinerziehenden, auch die haben wir als Zielgruppe hier schon einmal ausführlich debattiert. Auch dafür, muss ich sagen, gibt es hier keine positiven Anhaltspunkte. Zum einen machen sie schon einen relativ geringen Anteil bei allen Maßnahmen aus. Dann gibt es zum anderen in dem Zusammenhang auch noch die Feststellung, dass bei der Erhebung von Alleinerziehenden die Alleinpflegenden mit aufgenommen werden, das heißt also, wahrscheinlich ist die Anzahl der Alleinerziehenden, die in den Maßnahmen überhaupt beteiligt worden sind, noch geringer, als hier ausgewiesen.
Der vierte Punkt betrifft die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, insbesondere in den Sozialräumen. Angetreten ist dieses BAP mit der Aussage, dass wir sozialversicherungspflichtige Beschäftigung schwerpunktmäßig fördern wollen. Fakt ist aber, dass wir von über 1 000 Maßnahmen inzwischen bei 270 Teilnehmerinnen sind, das heißt, der Vergleich ist geradezu erschütternd, wenn man sich das im Laufe der Jahre anschaut. In den Quartieren, in unseren Stadtteilen, gerade in denen, die es besonders nötig haben, ist letztendlich davon kaum etwas angekommen. Wir haben jetzt das Programm LAZLO, das ist auch gut und richtig, das hatten wir nie anders debattiert. Es kommt nur sehr langsam in Gang, das heißt, hier gibt es noch extremen Nachholbedarf, und es ist
faktisch viel zu wenig. Das ist der Zusammenhang, insbesondere wenn man sich noch einmal anschaut, dass wir dringend die Sprach- und Kulturmittler in allen Stadtteilen brauchen. Überall sind diese Bedarfe konstatiert worden. Wir haben 21 Stellen aktuell besetzt. Das ist miserabel.
Wenn der Senat sagt, es seien die makroökonomischen Bedingungen, und daran könne leider nichts geändert werden, dann muss ich ganz ehrlich fragen: Warum machen wir denn dann überhaupt Arbeitsmarktpolitik? Dann könnten wir das lassen, es ist dann keine große Selbstbeschäftigungsmaschinerie, dann ist diese gesamte Aufgabe hier eigentlich daran vorbeigegangen. Von Anfang an relativ wenige Zielzahlen in den Raum zu stellen und dann zu sagen, letztendlich sei es nichts, das wir in irgendeiner Weise erreichen könnten: Ich meine, wenn man sich keine Ziele setzt, braucht man sich nicht damit auseinanderzusetzen, ob man sie erreicht oder nicht.
Ich finde aber, das ist in dem Zusammenhang sehr bedenklich, und wir müssen dringend über eine Umsteuerung nachdenken. Ich hoffe, dass es da in der weiteren Debatte noch zu anderen Einschätzungen kommen wird. - Danke!
(Beifall DIE LINKE Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan. Abg. Frau Dogan (Bündnis 90/Die Grünen)*) : Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Wir diskutieren die Große Anfrage der LINKEN zum Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm 2014 bis 2020. Die Fragen sind, was dieses Programm erreicht, und ob tatsächlich umgesteuert werden soll. Das sind diese Fragestellungen, die Sie eben auch hier ausführlich dargestellt haben.
Der Senat bewertet in der Antwort auf die Große Anfrage die bisherige Umsetzung des neu ausgerichteten Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms als positiv. Dieses Programm setzt vor allem auf Ausbildungsförderung für Jugendliche und auf abschlussbezogene Qualifizierung für Langzeitarbeitslose und prekär Beschäftigte. Für uns Grüne sind das die wichtigsten Stellschrauben, um Menschen zu unterstützen, damit sie eines Tages in der Lage sind, eine existenzsichernde Beschäftigung zu finden und zu behalten.
Zunächst möchte ich auf die beiden Gruppen, die im Mittelpunkt des aktuellen Programms stehen, eingehen. Die erste Gruppe, das sind die Jugendlichen und jungen Menschen. Durch die Ausbildungsgarantie, und damit verbunden den Einsatz zusätzlicher Landesmittel, sind seit 2014 pro Jahr vier Millionen Euro eingestellt worden. Wir glauben, dass das wichtige Schritte hinsichtlich einer Ausweitung von Angeboten sind, insbesondere bezüglich außerbetrieblicher Ausbildung und der schulischen Ausbildung in den Berufsgruppen, für die es keine duale Ausbildung gibt.
Diese zusätzlichen Angebote unterstützen maßgeblich die Arbeit der ebenfalls neu gegründeten Jugendberufsagentur. Die Erfolge der Arbeit der Jugendberufsagentur spiegeln sich in den abgefragten Daten der Großen Anfrage nicht wider, da hier nur zusätzlich geförderte Ausbildungsplätze abgefragt und dargestellt worden sind.
Die zweite Gruppe dieses Programms sind die Erwachsenen. Für das Landesprogramm Perspektive Arbeit, LAZLO, sind im Jahr 2016 zwei Millionen Euro und für 2017 fünf Millionen Euro aus Landesmitteln vorgesehen. Hierdurch werden gemeinsam mit dem Jobcenter neue Instrumente zu längerfristigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen von langzeitarbeitslosen Menschen geschaffen. Auch die durch dieses Programm erzielten Erfolge finden sich noch nicht in der Senatsantwort, meine Damen und Herren, sie werden sich erst in den folgenden Jahren, ab Ende 2017 und die darauf folgenden Jahre, darstellen lassen.
Weiter wird im Rahmen des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms auf die Aktivierung Qualifizierung und temporäre Beschäftigung von Zielgruppen des Arbeitsmarktes gesetzt, um deren Beschäftigungsperspektiven und ihre Teilhabechancen zu verbessern. Wir wollen Chancen eröffnen, die ohne diese Angebote, meine Damen und Herren, ungenutzt blieben. In den Jahren, seit 2012, haben sich die arbeitsmarktpolitischen Kennziffern im Land Bremen, Frau Bernhard ist kurz darauf eingegangen, aus unserer Sicht größtenteils als positiv entwickelt. Natürlich gibt es auch Kennziffern, die sich nicht so entwickelt haben. Die Arbeitslosenquote insgesamt ist im Land Bremen gesunken, die Schulabbrecherquote, darauf sind Sie ja eingegangen, in Bremen war 2012 im Bundesvergleich relativ hoch, und inzwischen ist sie stark gesunken. Im Land Bremen sind die beruflichen Chancen für Menschen ohne beruflichen Abschluss besonders hoch. Hier haben sie zu einem besonders hohen Anteil eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Leider, und das muss man auch deutlich sagen, darauf sind Sie auch eingegangen, das ist richtig, Frau Bernhard, ist die Anzahl der Langzeitarbeitslosen seit dem Jahr 2012 nahezu konstant geblieben. Wobei aber auch die Anzahl von langzeitarbeitslosen Frauen im Land Bremen leider auch steigt, das muss man auch feststellen. Trotzdem hat der Senat in seiner Antwort deutlich gemacht, dass er zum jetzigen Zeitpunkt keinen programmatischen Umsteuerungsbedarf sieht. Diese Aussage können wir Grüne im Angesicht dieser Zahlen so nicht uneingeschränkt teilen, das möchten wir hier deutlich sagen. Insbesondere die Förderung von Frauen sehen wir noch längst nicht im ausreichenden Maße umgesetzt, meine Damen und Herren.
Wobei es ja nicht so ist, dass der Senat das nicht sieht, und dass nicht viele Ressorts schon dabei wären, hier nach Abhilfe zu suchen. Aber noch immer wissen wir nicht, warum sich so viele Frauen von den zahlreichen, jetzt schon existierenden Beratungsstellen nicht angesprochen fühlen. Warum nutzen sie diese vielen Fördermöglichkeiten nicht so, wie wir es uns vorstellen, und welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es tatsächlich? Deshalb hat der Senat in seiner Antwort auch deutlich gemacht, das fand ich sehr gut, dass zur Erreichung dieses programmatischen Querschnittziels der Beteiligung von Frauen, weitere Anstrengungen erforderlich sind, um Frauen stärker in die Förderung einzubeziehen. Konkrete Maßnahmen und Maßnahmeplanungen und Analysen sind gemeinsam mit dem ESF-Begleitausschuss im Mai 2017 geplant, das ergibt sich auch aus der Antwort auf die Anfrage.
Ein weiteres Problem möchte ich auch ansprechen, darauf sind Sie auch eingegangen, Frau Bernhard. Ich glaube, dass wir uns tatsächlich darum kümmern müssen, und zwar sind das die Förderzentren. Während diese in Bremerhaven eine ordentliche Arbeit leisten, sind sie in der Stadt Bremen nicht ausreichend ausgelastet, das ist uns auch aufgefallen. Es gibt ganz hohe Abbruchquoten, und, Sie haben es auch gesagt, das kostet sehr viel Geld.
Ich komme zum Schluss! Das wäre gut ausgegebenes Geld, wenn es seinen Zweck tatsächlich erreichen würde. In Bremerhaven ist die Bilanz gut, in der Stadt Bremen dagegen nicht, und da ist es doch wichtig zu schauen, was läuft da in Bremerhaven besser, und können wir uns da in Bremen etwas abschauen. Bei der demnächst nötigen Ausschreibung der Trägerschaft
für die Förderzentren müsste dies, unserer Ansicht nach, Berücksichtigung finden. Es ist auch noch einmal festgestellt worden, dass die Beteiligung von Frauen leider in allen Förderzentren ungefähr gleich gering ist, und deswegen ist es ein Grund mehr, aus unserer Sicht, genau hinzuschauen.
Das sind die Problempunkte, die ich hier für uns festgestellt habe, und daran müssen wir gemeinsam noch weiterarbeiten. - Ich bedanke mich zunächst für die Aufmerksamkeit!