Protokoll der Sitzung vom 14.06.2017

Wir haben sechs Schwerpunkte definiert, für die wir die Mittel einsetzen wollen: das ist die Gewinnung von zusätzlichen Einwohnern, das ist die Gewinnung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, das ist die Stärkung des Industriestandorts, das ist die bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen.

Ich will es nur für diejenigen sagen, die auf die Zeit der Großen Koalition despektierlich zurückblicken und die diese Zeit vielleicht noch mit dem Space Park und dem Musicaltheater verbinden: Gerade im Wissenschaftsbereich zeigt

sich, was man tatsächlich in Bremen verändern kann, wenn man gemeinschaftlich an einem Strang zieht. Die Arbeitsplätze, die im Wissenschaftsbereich in den letzten Jahren entstanden sind, Ausgründungen, die aus diesem Bereich stattgefunden haben, sind ein Teil unserer Stärke. Diese Stärke geht ganz wesentlich auf die Investitionen zurück, die in der Zeit der Großen Koalition getätigt worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wollen wir heute auch nicht vergessen.

(Beifall CDU - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer tut das denn? - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Lange nicht mehr angesprochen!)

Wir haben dazu gesagt, dass wir alle Maßnahmen auch im Arbeitsmarktbereich daraufhin überprüfen wollen, ob sie einen tatsächlichen Arbeitsplatzerzielungsfaktor haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, häufig beschäftigen wir uns zu sehr mit uns, aber häufig beschäftigen sich auch Initiativen zu sehr mit sich. Deshalb müssen wir dort einen Schwerpunkt setzen. Der letzte Schwerpunkt, den wir definiert hatten, war der Bereich Bildung bis 2035. Der Jahrgang, der 2034/2035 in Bremen Abitur machen wird, soll der erste Jahrgang sein - so steht es in unserem Papier -, der tatsächlich vom Hort über die Kita und die Grundschule bis hin zum Abitur ein kostenfreies, aber gleichzeitig verbindliches Angebot in Anspruch nimmt. Das sind unsere Zusagen für die Periode 2020 bis 2035, meine sehr verehrten Damen und Herren. Damit ducken wir uns nicht vor den heutigen Problemen. Sinnvoll ist es, Probleme nicht immer erst zu lösen, wenn sie anstehen, sondern frühzeitig zu sagen, wohin man will, und die Politik darauf auszurichten.

(Beifall CDU)

Ich möchte noch zwei Bemerkungen machen, weil das in der Debatte bisher gar nicht angesprochen worden ist. Bei dem Thema „Bildung“ war ich gerade. Es gibt zum Glück über Bundesmaßnahmen auch Fördertöpfe, zum Beispiel zum Ausbau, zur Verbesserung und für Investitionen in Bildung und damit auch für Schulen. Erster Fördertopf 3,5 Milliarden Euro, bremischer Anteil 38,77 Millionen Euro, per Dezember 2016 sind 2,71 Millionen Euro abgerufen worden. Meine Damen und Herren, wenn das Geld zur Verfügung gestellt wird, dann muss es natürlich auch abgerufen werden. Das müssen wir nutzen.

(Beifall CDU)

Landtag 3375 45. Sitzung/14.06.17

Es gibt mittlerweile einen zweiten Fördertopf von 3,5 Milliarden Euro. Die Bundeskanzlerin hat jetzt schon deutlich erklärt, dass sie im Fall eines Wahlsieges nach der Wahl weitere Mittel in diesem Topf zur Verfügung stellen wird. Wir begrüßen das außerordentlich. Wir hoffen aber auch, dass Ihr Senat, Herr Bürgermeister, dann in der Lage sein wird, diese Mittel möglichst schnell abzurufen und die Missstände, die es in Bremen gibt, tatsächlich zu beseitigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Ein zweiter Hinweis betrifft die Kompetenz, die jetzt für die Autobahnen, Bundesstraßen et cetera auf den Bund übergeht. Ich glaube, dass das auch eine Chance für unser Land ist. Wir haben in den letzten zehn Jahren teilweise den Eindruck gehabt, dass es im Senat eine Betonallergie gibt.

(Widerspruch Senator Dr. Lohse)

Herr Lohse, ich gestehe zu, bei Ihnen ist sie vielleicht nicht ganz so schlimm wie bei Ihrem Vorgänger, bei dem sie besonders ausgeprägt war.

Es ist jetzt eine Chance, dass wir, wenn diese Maßnahmen jetzt tatsächlich koordiniert mit Bundesmitteln angegangen werden - -.

(Glocke)

Herr Präsident?

Ten Minutes!

(Abg. Eckhoff [CDU]: No!)

Yes! Nach der Geschäftsordnung sind es zehn Minuten für die Parlamentarier. Es ist leider so bei uns, dass wir weniger Redezeit haben als der Senat.

(Abg. Eckhoff [CDU) ]: Entschuldigung, Herr Präsident! Nach meiner Kenntnis wird die Redezeit um die Zeit verlängert, die der Präsident des Senats auch in Anspruch genommen hat. - Abg. Tschöpe [SPD]: Es wird verlängert! - Abg. Röwekamp [CDU]: Interfraktionelle Absprache! So haben wir es verabredet!)

Es war nicht so verabredet, meine Damen und Herren. Wir haben das nach der Geschäftsordnung verabredet. Das sind zehn Minuten für die Parlamentarier. - Bitte, Herr Eckhoff!

Ich möchte trotzdem

noch drei, vier Anmerkungen machen. Ich bitte, das zu entschuldigen. Ich habe das bisher anders verstanden, nämlich dass die Zeit dazukommt. Vielleicht können wir das gleich noch klären.

Ich möchte noch einmal den Hinweis geben, dass wir über die Jahre 2020 bis 2035 reden. Wir werden dann in einer Welt leben, die sich schneller verändert, als wir es in den letzten zehn Jahren sowieso schon erlebt haben. Die disruptiven Ansätze, wie es neudeutsch so schön heißt, das heißt die Veränderungen, die unsere Strukturen wirklich von den Grundfesten her erschüttern, werden zunehmen. Das bietet enorme Chancen für Bremen. Wir haben hier eigentlich hervorragende Rahmenbedingungen. Bremen und Bremerhaven sind mit 650 000 Menschen für viele Sachen ein idealer Testmarkt. Wir haben eigene Gesetzgebungskompetenzen. Wie schon angesprochen wurde, haben wir eine gute Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Wir haben dann auch wieder finanzielle Investitionsspielräume. Dies ist eine gute Ausgangsvoraussetzung, wenn man daraus die richtigen Schlüsse zieht. Ich möchte deshalb auf vier Themen noch kurz eingehen, Herr Präsident.

(Glocke)

Das geht so nicht, Herr Kollege! Wir haben das nach der Geschäftsordnung vereinbart. Es sind zehn Minuten für die Parlamentarier in der ersten Runde. In der zweiten Runde sind es noch einmal fünf Minuten. So war die Vereinbarung, Herr Kollege. Wir haben es, solange ich hier oben sitze, immer so gemacht. Sie haben in der zweiten Runde die Möglichkeit, noch einmal fünf Minuten zu reden.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Okay, ich nehme das zur Kenntnis!)

Herr Kollege, ich höre Ihnen gern zu. Das ist gar keine Frage. An Regeln müssen wir uns aber halten.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Na ja, okay! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und werde mich vielleicht gleich noch einmal zu Wort melden!) (Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Klaus-Rainer Rupp, Ihren Redebeitrag könnte ich wörtlich träumen.

Ja, es ist völlig klar, dass die Regelung der

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Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz verankert ist, ein Hemmnis für öffentliche Investitionen ist. Ich glaube, das bestreitet in Deutschland kein Mensch mehr. Es ist ja auch nicht so, dass Bremen einen unglaublichen Sanierungsstau in den Schulen hat und dies die Folge der Konsolidierungsvereinbarung sei, wie gestern hier so getan wurde. Man muss ja nur einmal schauen, welchen Sanierungsstau vergleichbare Städte in anderen Bundesländern bei ihren Schulen haben.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Die haben auch die Schuldenbremse!)

Der Sanierungsstau in Hannover beträgt 740 Millionen Euro. Der Sanierungsstau in Dresden beträgt 650 Millionen Euro. In ganz Sachsen wird der Sanierungsstau auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Die KfW schätzt den Sanierungsstau in Deutschland nur im Schulbereich auf 40 Milliarden Euro.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Die Schuldenbremse gilt bundesweit! Nicht nur hier!)

Daraus kann man eine relativ einfache politische Konsequenz ziehen, die uns eint. Die Regelungen der Schuldenbremse sind vielleicht nicht besonders sinnvoll, weil sie notwendige Investitionen verhindern. Da bin ich ganz nah bei Ihnen, Herr Rupp. Welche politischen Auswirkungen hat aber dieser Befund, der wahrscheinlich auch ganz viele einigt? Null, weil die Regelungen im Grundgesetz völlig eindeutig sind! Diese Schuldenbremse gilt für alle. Daran müssen sich alle halten, dementsprechend auch Bremen. Es macht überhaupt keinen Sinn, jedes Mal zu problematisieren, dass auch wir eine Regelung zur Schuldenbremse haben, die im Bund entsprechend verankert ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Nun zu dir, Jens Eckhoff: Gut gebrüllt! Das ist eine klassische Oppositionsrede auf eine Regierungserklärung gewesen, wie ich sie erwartet habe. Ich finde das in Ordnung. Ich hätte mir aber ein bisschen mehr Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein erhofft. Der Senat macht ja hier etwas anderes. Er gibt nicht den Klassiker und sagt: Ich habe den BremenPlan! So hieß das einmal in der SPD. Darin wurde dargelegt, was man sich für vier Jahre vorstellt, und das wurde ausgerechnet.

Der Senat macht hier vielmehr ein Angebot für die Stadt. Er sagt, die unterschiedlichen Stakeholder, die wir hier haben, holen wir in einem strukturierten Prozess an einen Tisch und versuchen, einen gemeinsamen Konsens

darüber zu erzielen, was für die Zukunft dieser Stadt wichtig ist. Das ist der Kern dieser Regierungserklärung und dieser Zukunftskommission gewesen. Dies so zu diskreditieren, wie du das gemacht hast, kann man tun. Das ist sozusagen professionelle Oppositionsarbeit. Ich finde aber, das ist eine verschenkte Chance, weil wir natürlich alle brauchen, die hier sitzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Thema „verschenkte Chance“ möchte ich noch eine weitere Bemerkung machen, weil mir das auch häufig durch den Kopf geht. Welche Politikvorstellung haben wir eigentlich? Ich kann nicht mehr genau zurückdatieren, wer das entwickelt hat, ob das Antonio Gramsci war oder ob das später jemand war. Er hat sich darüber Gedanken gemacht, was Staat eigentlich ist. Sind Staat nur diejenigen, die da sitzen, wir, die hier sitzen, und diejenigen, die sozusagen draußen das umsetzen, was wir hier beschließen, oder ist Staat dieser Teil und dazu die Zivilgesellschaft? Ich bin der festen Überzeugung, dass man bei einem modernen Staatsbegriff dazu kommen muss, dass es keinen Gegenüber gibt, sondern dass sich Staat und Zivilgesellschaft ergänzen, ineinandergreifen und befruchten und dies das Gemeinwesen gestaltet. Auch vor diesem Hintergrund bitte ich euch und alle anderen einfach, beteiligt euch an diesem Zukunftsprozess. Dabei geht es darum, alle Stakeholder in diese Stadt und die Zivilgesellschaft in den Staat einzubinden. Nur das ist ein vernünftiger Prozess, um über die Zukunft dieses Landes zu reden.

(Beifall SPD)

Lasst mich mit einer Geschichte schließen. Ich habe das leider nicht verifiziert. Ich weiß nicht genau, wie das geht. Es gibt aber das wunderbare Zitat. Ich glaube, es ist von Erich Kästner: „Stillstand ist Rückschritt“. Wenn wir etwas nicht gebrauchen können, dann ist das Rückschritt. Lasst uns gemeinsam nach vorn gehen. - Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Möchten Sie eine Kurzintervention machen?

(Abg. Frau Schnittker [CDU]: Ja! Bitte, Frau Abgeordnete! Abg. Frau Schnittker (CDU): Ich habe eine ganz kurze Frage. Herr Tschöpe, gilt denn dieses Angebot nur für die Stadt Bremen?