Wenn man sich anschaut, was in dieser Woche passiert ist: Es wird eine Zukunftskommission initiiert. Ich habe mich natürlich gefragt, woran arbeitet sie sich eigentlich ab, wenn wir die Zukunft mit dem vorgelegten Haushalt gestalten müssten. In dem Haushaltsentwurf habe ich darauf keine Antworten gefunden, aber auch nicht in der Aufgabenstellung der Zukunftskommission.
Man muss sicher schon einmal die richtige Frage stellen. In diesem Land wäre die richtige Frage: Auf welche Weise können wir die Positionen als Schlusslicht verlassen? Letzter im Bildungsbereich, höchste Kinderarmut, höchste Leiharbeitsquote, höchste Quote bei prekären Beschäftigungen, ich könnte diese Liste fortsetzen, ich will es aber nicht, denn sie ist bekannt. Das sind die Aufgaben, die vor uns liegen, damit wir die Positionen als Schlusslicht endlich einmal verlassen können, und zwar nicht erst im Jahr 2035.
Wir müssen mit diesem Haushalt, aber nicht erst im Jahr 2020, die Weichen dafür stellen, dass wir diese Positionen als Schlusslicht verlassen. (Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Damit sind wir sehr einverstanden!)
Natürlich muss man die Menschen in die Lage versetzen, damit sie keine Sozialleistungen beziehen. Natürlich muss man die Weichen dafür stellen, dass die frühkindliche Bildung und die Bildung gestärkt werden, denn damit stärkt man auch den Bereich Wirtschaftsförderung. Man muss sich auch einmal vor Augen führen, welche Arbeit wir fördern. Ist es gute Arbeit, oder sind es weiterhin große Lohnlücken zwischen Frauen und Männern? Es sind Bereiche, die auf den Prüfstand gestellt werden müssen, ganz klar.
Herr Kollege Röwekamp, die CDU ist mir in den sechs Jahren, in denen ich Mitglied dieses Parlaments bin, jede Antwort darauf schuldig geblieben, wie sie diese Frage lösen will. Ihr haushaltspolitischer Sprecher spricht sich dafür aus, die 400 Millionen Euro, die Bremen ab 2020 erhalten soll, komplett der Schuldentilgung zuzuführen. Wie soll das denn mit Ihren Ansprüchen und Anträgen, die Sie hier stellen, funktionieren? Das ist doch nicht möglich!
Sie stellen sich hier hin und erklären, Sie wollten Qualität in der Bildung gerieren. Das will ich auch. Sie wissen aber auch, dass wir steigende Schülerzahlen haben, und zwar in einem enormen Ausmaß. Bei der mittelfristigen Finanzplanung sind sie noch nicht einmal richtig berücksichtigt. Das heißt, dass wir auch zusätzliches Personal benötigen. Wie Sie das mit Ihren haushaltspolitischen Vorstellungen, die Sie hier in Haushaltsdebatten immer vortragen, darstellen wollen, ist mir völlig schleierhaft. Das muss ich einmal ganz klar sagen.
Wenn es nach Ihren haushaltspolitischen Vorstellungen geht, könnten wir keine einzige Lehrerin einstellen.
Ich finde, man muss hier einmal ehrlich diskutieren, wie dieses Land in zehn Jahren oder in 15 Jahren unter welchen haushaltspolitischen Vorstellungen aussehen soll. Natürlich haben wir sprudelnde Einnahmen. Bei guter Konjunktur können wir im Jahr 2020 einen Haushalt verabschieden, der tatsächlich ein paar Mehrausgaben ermöglicht. Ich sehe es allerdings ähnlich, wie Sie es bereits in Ihrem ersten Debattenbeitrag gesagt haben, dass ein Teil bereits verpfändet ist, weil er verpfändet sein muss. Das will ich Ihnen einmal erläutern.
Wir haben Schülerinnen und Schüler in einer Größenordnung in das System integriert, die wir uns vor drei Jahren nicht vorstellen konnten. Wir haben nicht nur durch die Zuwanderung und fluchtbedingt eine wachsende Stadt, sondern es kommen auch wieder die Menschen aus dem Umland nach Bremen.
Doch, auch die komme nach Bremen, Herr Röwekamp, das wissen Sie auch! Sie wissen auch ganz genau, dass das Statistische Landesamt Ihnen das auch in drei Monaten bestätigen wird, wenn es seinen Bericht vorliegt.
Wir haben in den letzten zwei Jahren Kinder in die Kitas und in die Schulen in einer Größenordnung integriert, die vor zwei Jahren nicht absehbar gewesen ist. Im Schulbereich waren es 6 000 Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht als erste Sprache sprechen. Wie wollen Sie es machen, wenn Sie sagen, Sie
wollen in die Qualität investieren, ohne die Mittel bereitzustellen, damit das entsprechende Fachpersonal eingestellt werden kann?
In der letzten Woche war ich in Gröpelingen auf einer Fachtagung. An der Fachtagung haben alle Kita-Leitungen und alle Schulleitungen teilgenommen. Wenn die Kita-Leitungen erzählen, dass von 120 Kindern in den Kitas 13 deutscher Herkunft sind und wenn mir die Schulleitungen erzählen, dass in den Klassen und in den Lerngruppen in Gröpelingen und in Blumenthal nur noch drei oder vier Kinder deutscher Herkunft sind, dann können wir keine weiteren Bildungserfolge erreichen, weil in den Lerngruppen die Sprachvorbilder und im Übrigen auch die Verhaltensvorbilder fehlen. Hier setze ich an.
Der Bildungshaushalt spiegelt den Status quo wider, das habe ich anerkannt, er reagiert auf die steigenden Schülerzahlen. Der Kollege Güngör hat hier auch erwähnt, dass ich das so feststelle, und er weiß auch ganz genau, warum.
Herr Güngör, es war in der Vergangenheit nicht immer üblich, dass der Status quo gewahrt worden ist. Das hat zu dem Rücktritt einer Senatorin und zu permanentem Unterrichtsausfall geführt. Man konnte insofern sagen: Der Senat hat verstanden, dass man mit Unterrichtsausfall und fehlendem Personal im Zweifelsfall Wahlen an der Tafel verliert, und er steuerte gegen. Das ist auch richtig.
Ich habe eben von den Herausforderungen geredet habe, die mit den vielen zusätzlichen Kindern, die eine andere Sprache sprechen, verbunden sind, die vielleicht auch nie in der Schule gewesen sind, weil sie sich in Flüchtlingslagern im Libanon aufgehalten haben. Außerdem findet auch noch ein Familiennachzug statt. Im Augenblick werden alle in vier Stadtteilen untergebracht, nämlich in Gröpelingen, in Blumenthal, in Huchting und in Obervieland. Die Schulen und die Kitas gehen dort in die Kniee.
Es sind dort nicht nur verstärkte Anstrengungen im Bildungsbereich notwendig - denn die Herausforderungen sind nicht einmal mehr ansatzweise über den Bildungshaushalt lösbar -, sondern es sind auch neue Ansätze im Bereich der Stadtentwicklung, die überhaupt nicht stattgefunden hat, notwendig. Man muss sich einmal überlegen, welche Lösung es dafür gibt, dass auch einmal Menschen mit einem höheren Einkommen in diese Stadtteile zie
hen. Das heißt natürlich auch, dass man die Weichen dafür stellen muss, dass Menschen mit einem niedrigen Einkommen auch in den Stadtteilen wohnen können und dass ihre Kinder dort in Kitas und in die Schule gehen können, in denen die Menschen voll beschäftigt sind, und zwar beide, Männer wie Frauen, und in denen das Durchschnittseinkommen über 100 000 Euro liegt.
Es ist auch eine Frage der Steuerung, wie man Menschen dazu bewegt, damit sie eine Ausbildung bekommen können, sodass sie hinterher nicht von Sozialleistungen leben müssen. Es ist doch völlig klar, dass ein Kind, das vielleicht vier oder fünf Jahre in der Türkei oder im Libanon in einem Flüchtlingslager gelebt hat, nie eine Schule besucht hat, in einem Lernumfeld, in dem es deutsche Sprachvorbilder hat und die Armut vielleicht nicht so drückt --.
Sie wissen ja, wie es in Gröpelingen, in Teilen von Tenever und in Blumenthal ist - Sie haben es sich ja im Armutsausschuss anhören dürfen -, wenn die Leute dort ankommen, Sozialleistungen erhalten oder über ein niedriges Einkommen verfügen, dann haben sie für das zweite Kind nicht mehr das Geld, um dem Kind eine vernünftige Schere mit in die Schule geben zu können. Man muss hier doch ganz klar sagen, dass man diese Stadtteile vor der hohen Segregation endlich einmal bewahren muss, indem man eine vernünftige Steuerung der Wohnungsbaupolitik und der bildungspolitischen Maßnahmen vornimmt.
Ganz ehrlich, wenn man sich den Bildungshaushalt genau ansieht - ich komme noch einmal kurz auf dem Bildungshaushalt zurück! -, dann sind tatsächlich mehr Lehrer vorhanden. Das ist auch nötig, denn wir haben eine Zuweisungsrichtlinie, und wir haben steigende Schülerzahlen. Von den zusätzlichen Lehrern sind ja viele erstmalig im Bildungshaushalt ausgewiesen. Sie sind vorher aus konsumtiven Mitteln bezahlt worden. Wenn man sich letztlich die Zahl der zusätzlichen Lehrerstellen anschaut, dann sind im Bildungshaushalt für die Stadt Bremen 55 und für die Stadtgemeinde Bremerhaven zehn zusätzliche Stellen ausgewiesen worden. Diese Stellen sind für die Verstärkung in den Brennpunktschulen vorgesehen. Das ist richtig, denn damit wird eine alte Forderung von uns erfüllt. Sie sind für die Verstärkung bei den regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren angedacht. Das ist auch richtig, denn damit wird auch eine alte Forderung von uns erfüllt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Tatsache, was sich im letzten Jahr in den Stadtteilen an Problemen und Herausforderungen aufgetürmt hat, ist das bei Leibe nicht genug. Wir benötigen auch einmal einen anderen Blick darauf, was wir mit der Schulreform und mit der Umsetzung der Inklusion in Gang gesetzt haben, denn die Förderquote ist in diesen Stadtteilen auch viel höher.
Das heißt, ich finde es gut, dass im Bildungshaushalt der Status quo gewahrt wird. Wenn man aber dieser hohen Segregation tatsächlich Herr werden will, und wenn man erreichen möchte, dass wir bei der Integration der vielen Kinder und Jugendlichen - die im Übrigen in den nächsten zehn Jahren noch nachkommen werden - nicht scheitern, dann benötigen wir erheblich andere Anstrengungen und dann darf man Bildung nicht mehr als reine Bildungspolitik betrachten. Es ist dann auch eine Aufgabe der Sozialpolitik, und es ist dann auch eine Aufgabe des Wohnungsbaus. Es ist dann auch eine Aufgabe der Qualifikation von jungen Erwachsenen, damit wir kein Prekariat erleben müssen, in dem letztlich in den Bremer oder in den Bremerhavener Häfen Menschen arbeiten und in dem der Mindestlohn unterlaufen wird.
Ich arbeite dafür, damit wir uns in Zukunft - vielleicht in zehn Jahren - hier einmal in einer Situation befinden, in der wir über einen Haushalt reden können, in dem die Sozialleistungen nicht mehr ein Drittel des Haushaltsvolumens umfassen, sondern erheblich weniger. Ihre Antwort, Herr Kollege Röwekamp, ist einfach nur reine Polemik gewesen.
Sie haben keine Wege aufgezeigt, damit diejenigen - wir werden es wahrscheinlich nicht mehr sein -, die hier in zehn oder 15 Jahren über einen Haushalt beraten, nicht mehr über einen Sozialleistungsetat sprechen müssen, der ein Drittel des Haushalts umfasst. - Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, ich möchte auch noch einmal auf Ihren Redebeitrag eingehen. Sie haben gesagt, die Steuereinnahmen seien in keinem anderen Land in dem Maße wie in Bremen gestiegen. Es scheint dann ja doch etwas zu funktionieren!
Allerdings haben Sie auch zu Recht gesagt, ja, gerade im Sozialbereich ist der Ausgabenanteil extrem hoch. Meine Damen und Herren, das hat hier, glaube ich, auch niemand negiert. Sie haben dann gesagt, es wäre nicht genug gespart worden, gerade im Personalbereich.
Frau Vogt ist mit einem Zwischenruf darauf eingegangen. Warum ist er denn erhöht worden? Meine Damen und Herren, es sind Tarifsteigerungen vorhanden gewesen. Das muss man dann auch einfach einmal zur Kenntnis nehmen.