Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Mit ihrem Antrag rennt die FDP of

fene Türen ein. Das ist schon im Verlauf der Debatte deutlich geworden.

(Beifall SPD, FDP)

Die Forderung, Bremen solle sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass das Betreuungsgeld nach der Aufhebung in den Ausbau der Kinderbetreuung fließt, entspricht voll und ganz unserer Haltung. Wir haben in der Debatte um das Betreuungsgeld immer schon für diese Lösung gekämpft. Wir haben uns von Anfang an vehement gegen das Betreuungsgeld ausgesprochen, weil es ein völlig verfehltes gesellschaftspolitisches Signal aussendet. Es ist wichtig, diesen Standpunkt immer wieder deutlich zu machen, denn wir werden die Debatte um den Sinn oder Unsinn eines solchen Instruments unter Umständen auch in Zukunft weiter führen müssen. Es ist daher umso wichtiger, für einen breiten Konsens für den weiteren bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung zu arbeiten und diese Aufgabe gemeinsam zu schultern.

Das Betreuungsgeld ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch nicht endgültig und überall vom Tisch. Das Gericht hat sich inhaltlich nicht mit dem Betreuungsgeld und seiner Zielsetzung auseinandergesetzt und es in der Sache verworfen, sondern das Gericht hat vielmehr festgestellt, dass der Bund an dieser Stelle gar nicht zuständig ist.

Wenn es am Ende also darauf hinausliefe, dass die Länder über die Mittel in eigener Zuständigkeit entscheiden können, wird mancherorts vielleicht auch diskutiert werden müssen, ob ein Landesbetreuungsgeld eingeführt oder die Kindertagesbetreuung ausgebaut werden soll. Ich erwarte diese Debatte für Bremen nicht, möchte hier aber trotzdem ganz deutlich sagen: Das Betreuungsgeld ist bildungs- und familienpolitischer Unsinn, wir können es hier nicht gebrauchen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Als Senatorin für die Bereiche Kinder und Bildung kann ich sagen, dass der bildungspolitische Anspruch in der frühkindlichen Förderung, den wir in einem Ausbau der Kindertagesbetreuung sehen, für uns zentraler Bestandteil unserer Politik ist. Die frühkindliche Bildung ist der Schlüssel zu lebenslangem Lernerfolg. Wir wollen den Kindern – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihrem Umfeld – gleich gute Chancen für den weiteren Lebensweg bieten, deshalb werden wir bereits in der Kita ansetzen. Der Ausgleich von Benachteiligungen muss bereits vor Eintritt in die Schule einsetzen, dafür brauchen wir den weiteren Ausbau von Betreuungsplätzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Die besondere Situation Bremens mit einer Vielzahl von Menschen in schwierigen sozialen Verhältnissen motiviert uns besonders, den Kita-Ausbau in unserem Land mit Nachdruck zu betreiben. Der verstärkte Zuzug von Menschen, die vor Krieg und Gewalt auf der Flucht sind, ist eine zusätzliche Herausforderung, diese stellt uns auch vor Integrationsprobleme im KitaBereich. Unser Engagement für einen umfassenderen Ausbau der Kitas ist darum auch ein wichtiger Schritt zu einer besseren Integration dieser Menschen.

Der Senat ist im Rahmen des Konzeptes zum sozialräumlichen Ausbau der Kindertagesbetreuung davon ausgegangen, dass zum bedarfsgerechten Ausbau in der Stadtgemeinde Bremen bis zum Jahr 2020 rund 1 000 weitere Plätze für unter dreijährige Kinder und rund 1 500 Kindergartenplätze neu entstehen müssen. Dafür werden allein investiv bis zu 90 Millionen Euro einzusetzen sein, von denen der Bund gerade einmal 1,5 Millionen Euro zuschießt.

Konsumtiv steigen die Ausgaben um rund sechs Millionen Euro jährlich. Angesichts der weiteren demografischen und weltpolitischen Situation erscheint es zudem als wahrscheinlich, dass die angestrebten Zielzahlen in Zukunft nicht mehr ausreichen werden, sondern wir weiteren Bedarf in diesem Bereich haben werden.

Der Ausgleich sozialer Benachteiligung sowie die Integration von Zuwandererkindern verlangen außerdem qualitative Anstrengungen, die ebenfalls nicht zum Nulltarif zu haben sind. Allein deshalb sind die Länder und insbesondere Bremen vor gewaltige finanzielle Herausforderungen gestellt, die sie nicht allein werden tragen können. Die Forderung, die Mittel für das Betreuungsgeld alternativ in den Ausbau der Kindertagesbetreuung zu investieren, ist deshalb so alt wie der Streit um das Betreuungsgeld an sich.

Aktuell gibt es einen Entwurf für einen Entschließungsantrag, der – man höre und staune! – von Niedersachsen und Bayern in den Bundesrat eingebracht wird. In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel komplett den Ländern für eine Verbesserung der Kindertagesbetreuung zur Verfügung zu stellen.

Der Antrag würdigt ausdrücklich die Fortschritte, die Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in den letzten Jahren beim Ausbau der frühkindlichen Betreuung und Bildung in Deutschland erreicht haben. Er weist aber auch zu Recht darauf hin, dass weiterhin erheblicher Bedarf für eine quantitative und qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Förderung besteht. In diesem Sinne soll der Antrag ein starkes Signal sein, und er wäre es insbesondere dann, wenn es gelänge, ihn als gemeinsamen Antrag aller Länder einzubringen. Bremen wird diesen Bundesratsantrag deshalb unterstützen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich kann Ihnen versichern, dass die in dem hier vorliegenden Antrag formulierte Erwartung im Grunde bereits erfüllt ist. Insofern werte ich ihn als Bestätigung und Unterstützung bei der gemeinsam zu unternehmenden Anstrengung und freue mich, dass wir in diesem Hause bei dieser Frage offenbar alle an einem Strang ziehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/41 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Freiluftpartys in Bremen Große Anfrage der Fraktion DIE LINIKE vom 24. Juli 2015 Drucksache 19/43 Dazu Mitteilung des Senats vom 25. August 2015 (Drucksache 19/46)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Ehmke.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 19/46, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat Ehmke, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage erfolgt eine Aussprache, wenn dies die Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Strunge.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste! In den Sommermonaten suchen sich Freundinnen und Freunde elektronischer Musik gerne einen schönen, abgelegenen Ort im Grünen, um zu tanzen und das Leben zu genießen. Doch der Spaß ist vorbei, sobald

die Polizei Wind davon bekommt, denn spontane Freiluftpartys werden in Bremen illegalisiert. Wir als Linksfraktion haben deshalb eine Große Anfrage an den Bremer Senat gestellt, um den derzeitigen Umgang mit Freiluftpartys zu klären. Die Antwort ist mehr als ernüchternd.

Damit klar ist, wovon wir eigentlich sprechen: Es geht hier nicht um kommerzielle Festivals, es geht nicht um Grillpartys und auch nicht um Alkoholgelage. Es geht um spontane Zusammenkünfte von Menschen, die sich einen Platz im Freien suchen, eine Anlage aufbauen, gemeinsam tanzen und ihren erweiterten Freundeskreis hinzuladen. Oft sind junge Familien mit dabei. Darin sieht der Senat ein Gefahrenpotenzial, zumindest dann, wenn keine Genehmigung vorliegt. Wenn die Party lange im Voraus angemeldet wurde und wenn eine ordentliche Kaution hinterlegt und Verwaltungsgebühren geleistet wurden, dann ist das Gefahrenpotenzial gebannt, denn dann weiß man ganz genau, wer sich wann, warum und wo befindet. Man kann das auch Kontrollzwang nennen.

(Beifall DIE LINKE)

Wie man es auch bewertet, für die meisten Partykollektive ist das offizielle Genehmigungsverfahren kein gangbarer Weg. Es widerspricht vollständig dem Charakter der Spontanität, die die Freiluftpartys zu etwas so Besonderem macht. Man kann diese Partys nicht zwei Monate im Voraus anmelden, und auch die 300 Euro für Kaution und Verwaltungsgebühren, die auf Schüler und Studierende zukommen, welche diese Partys organisieren, stellen einfach ein Problem dar.

Weil die Leute also keine Genehmigung bekommen, feiern sie ohne. Sie suchen sich Orte außerhalb von Wohngebieten, versuchen, nicht aufzufallen, laden nur einen ausgewählten Kreis von Leuten ein.

(Zuruf: Etwa 300 Leute!)

In der Antwort auf unsere Anfrage behauptet der Senat: Wenn die Polizei komme, sei sie stets an einem Interessensausgleich zwischen Partygästen und Anwohnern interessiert. Man versuche, den Fortgang der Veranstaltung zum Beispiel durch Lärmreduzierung zu gewährleisten. Nur wenn alle Maßnahmen nicht erfolgreich seien, dann werde die Party als Ultima Ratio beendet. Entschuldigung, aber da frage ich mich wirklich, wer diese Antwort geschrieben hat. Sie stimmt in keinster Weise mit den Erfahrungen aus diesem Sommer überein. Wenn dieses Verfahren angewandt würde, dann gäbe es ja einen Spielraum und Toleranzrahmen, in dem sich die Polizei bewegen und spontane Partys ermöglichen könnte. Die Realität sieht aber ganz anders aus.

Wenn die Polizei Partys aufspürt, geht alles ganz schnell. Gibt es keine Genehmigung, wird die Party aufgelöst. Warum? Aus Prinzip! Einfach, weil sie nicht

offiziell genehmigt wurde und damit verboten ist. Deshalb sind im August dieses Jahres Hunderte Menschen auf die Straße gegangen und haben für ein Recht auf spontane Partys und die Nutzung des öffentlichen Raumes plädiert.

(Beifall DIE LINKE)

Oft liegen noch nicht einmal Lärmbeschwerden vor, sondern die Feiernden hatten nur das Pech, dass die Polizei am Rande einer Grünfläche verdächtig viele Fahrräder entdeckt hat. Ich sprach eben schon vom Kontrollzwang.

Wenn ich mir die Antwort auf unsere Anfrage so durchlese, dann bezweifle ich aber auch, ob der Senat überhaupt verstanden hat, worum es uns eigentlich ging. Da werden Grillpartys und Freiluftpartys zusammen in einen Topf geworfen und einmal gründlich umgerührt. Aber nur, weil beide Wörter mit „Party“ enden, heißt das noch lange nicht, dass sie irgendetwas miteinander zu tun hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Es handelt sich nämlich um eine kulturelle Praxis, die Teil der kulturellen Vielfalt Bremens ist und die diese Stadt für viele Menschen attraktiver macht. Wenn der Senat an dieser Stelle aber nicht differenziert, ist es kein Wunder, dass bisher keine befriedigenden Lösungen gefunden wurden. Klar ist: Eine andere Praxis muss her. Das bisherige Verfahren tritt die Interessen der Partykollektive mit Füßen und bindet die Kräfte der Polizei mit aus meiner Sicht unnötigen Aufgaben.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)