Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Ja, bitte!

Herr Hilz, ist Ihnen bekannt, dass der Lohnkostenanteil an den Betriebskosten eines Schiffes unter fünf Prozent liegt?

Das ist mir bekannt.

(Abg. Schmidt [SPD]: Das ist gut, dann danke ich Ihnen für die Ausführungen! – Heiterkeit SPD)

Vielen Dank für die Nachfrage!

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn das man immer so zackig ginge! – Zuruf Abg. Gottschalk [SPD])

Ich freue mich jedenfalls, dass wir hier zum Schluss noch einmal wenigstens ein Landesthema haben, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Punkt eins stimmen wir zu, auch bei Punkt zwei sind wir Freien Demokraten, nachdem Sie es noch einmal geändert haben, ebenfalls dabei. Autonome Hochschulen sollen frei entscheiden, welche Studiengänge sie anbieten, gegen weitere Werbung ist nichts einzuwenden. Damit stärken wir auch den Reedereistandort, indem wir qualifizierte Arbeitsplätze hier am Standort haben. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Özdal.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich versuche, mich jetzt einmal nicht von dieser Hektik anstecken zu lassen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Auch zu so später Plenarstunde muss ich Ihnen ein paar Zahlen zumuten.

95 Prozent des interkontinentalen, 90 Prozent des europäischen Außenhandels und 60 Prozent des deutschen Exports werden über den Seeweg abgewickelt.

(Abg. Frau Wendland [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist aber leise!)

Wie bitte?

(Abg. Tschöpe [SPD]: Einfach weitermachen!)

Diese Zahlen verdeutlichen unmissverständlich die Bedeutung der maritimen Wirtschaft für Deutschland und selbstverständlich auch für Bremen.

Zur maritimen Wirtschaft zählen wir vor allem den Schiffbau, die Häfen, die maritimen Technologien, die Zulieferindustrie und selbstredend die Seeschifffahrt. In ihrer Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen

ist gleichzeitig die Wissenschaft und Ausbildung auf dem maritimen Sektor, vor allem zur Sicherung des deutschen seemännischen Know-hows und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Hierzu werden aktuell mehrere Studiengänge sowohl in der Hochschule Bremerhaven als auch in der Hochschule Bremen angeboten, in Bremerhaven zum Beispiel der Studiengang Schiffsbetriebstechnik, in Bremen Schiffbau und Meerestechnik sowie der hier relevante Studiengang Internationales Management.

Im Folgenden möchte ich der Reihenfolge nach auf den Antrag der CDU-Fraktion eingehen. Unter Ziffer 1 a des Antrags wird der vollständige Lohnsteuereinbehalt für Seeleute an Bord von deutschflaggigen Handelsschiffen gefordert. Hierzu muss ich leider wieder einige Zahlen nennen.

3 150 Schiffe der deutschen Handelsflotte, Stand Juli 2015, sind derzeit auf den Weltmeeren unterwegs. Seit 2012 ist hierbei ein Rückgang von rund zehn Prozent zu verzeichnen, also innerhalb von drei Jahren. Im Jahr 2010 fuhren noch 566 Handelsschiffe unter deutscher Flagge, im Mai 2015 waren es nur noch 354 Schiffe unter deutscher Flagge. Hinsichtlich des hier relevanten Aspekts des Lohnsteuereinbehalts gab es im dritten Quartal 2013 7 546 sozialversicherungspflichtige deutsche Seeleute, im zweiten Quartal 2015 dagegen nur noch 6 705 sozialversicherungspflichtige Seeleute in ganz Deutschland.

Den Rückgang der genannten Zahlen führen die Bremer Reedereien sowohl auf die seit 2008 andauernde Krise in der Weltschifffahrt und den dadurch noch weiter verschärften weltweiten Wettbewerb als auch auf die vergleichsweise schwereren Bedingungen am Standort Deutschland zurück. Hierzu werden unter anderem genannt: der Verwaltungs- und der damit verbundene sehr hohe Zeitaufwand der Reedereien, teilweise muss man bis zu zwölf Behörden kontaktieren, um eine Genehmigung zu erhalten; weiterhin werden von den Reedereien angegeben die vor allem im Vergleich zum Welt- und europäischen Markt zu hohen Lohn-und Personalkosten und mittlerweile auch die hohen administrativen Kosten.

Nach Auskunft des Bremer Rhedervereins haben Bremens Reeder aktuell 313 Schiffe in Fahrt und beschäftigen dabei rund 700 Mitarbeiter an Land und weitere 8 000 an Bord. Wie viele davon allerdings Sozialversicherungspflichtige aus dem Land Bremen sind, konnte mir der Rhederverein nicht mitteilen. In rechtlicher Hinsicht dürfen derzeit die Reedereien in Deutschland gemäß Paragraf 41 a Einkommensteuergesetz 40 Prozent der einbehaltenen Lohnsteuer für sich behalten und müssen diese nicht an das Finanzamt abführen. Dies stellt eine direkte Subvention dar.

Dieser Antrag der CDU-Fraktion und auch eine parallel laufende Bundesratsinitiative aus Hamburg möchte diesen vierzigprozentigen Lohnsteuereinbehalt auf 100 Prozent erhöhen. Der vorliegende An

trag der CDU-Fraktion ist zudem zeitlich unbefristet, die Bundesratsinitiative aus Hamburg mit der 100Prozent-Forderung hingegen ist bis zum Ende des Jahres 2020 befristet, um zu sehen und zu bewerten, wie sich diese Maßnahme ausgewirkt hat oder hätte.

Der Lohnsteuereinbehalt nach Paragraf 41 a Einkommensteuergesetz stellt nach Auffassung der Gegner dieser Regelung eine systemwidrige Subventionierung dar, die Reeder gegenüber anderen Transportunternehmen begünstigt. Daher wird sie zum Teil als verfassungswidrig angesehen. Der Bundesrechnungshof zum Beispiel hatte im Jahr 2007 sogar die Aufhebung dieser Vorschrift gefordert.

Bislang fehlen auf der Seite der Antragsteller auch jegliche Vorschläge für eine Gegenfinanzierung. In einem Haushaltsnotlageland – diesen Begriff muss ich leider noch einmal strapazieren – wie Bremen ist dieser Umstand selbstredend sehr problematisch und muss unbedingt evaluiert werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

In der Finanzministerkonferenz der Länder haben sich bis auf Schleswig-Holstein und Niedersachsen alle gegen den Vorschlag von Hamburg ausgesprochen. Auch der federführende Finanzausschuss im Bundesrat hat dem Bundesrat empfohlen, den Hamburger Gesetzentwurf hinsichtlich der befristeten Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts bis 2020 von derzeit 40 auf 100 Prozent beim Deutschen Bundestag nicht einzubringen.

(Abg. Bödeker [CDU]: Der Wirtschaftsausschuss hat aber anders empfohlen!)

Ja, ich rede auch vom Finanzausschuss. Es bestehen daher große Zweifel, ob der Hamburger Gesetzentwurf umgesetzt wird. Daher bleibt abzuwarten, wie die Bundesratsinitiative ausgeht.

Der Antrag verlangt in Ziffer 1 b die vollständige Befreiung deutscher Seeleute – gemeint ist hier wohl der Reedereien – auf deutschflaggigen Seeschiffen von den Arbeitgeberbeiträgen zur deutschen Sozialversicherung.

(Glocke)

Ich beeile mich! Hier gelten die gerade aufgezählten Bedenken und Argumente von eben und bedürfen keiner Wiederholung.

Ziffer 1 c betrifft die Anpassung der Schiffsbesetzungsverordnung. Hier fehlen seitens der Antragsteller ebenfalls konkrete Vorschläge, ab welcher Bruttoraumzahl, BRZ, wie viele Crewmitglieder Unionsbürger sein sollten. Hier muss man schon konkrete Zahlen nennen beziehungsweise Forderungen aufstellen, zumal damit eine Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung einhergehen soll.

Der Antrag zielt auf Paragraf 5 Absatz 2 der bestehenden Schiffsbesetzungsverordnung ab, ist sehr pauschal und wirft viele Fragen auf. Gleichzeitig bringt dieser Antragspunkt auch die Sorge mit sich, dass durch eine Verringerung des fachmännisch ausgebildeten Bordpersonals insgesamt die Gewährleistung des Know-hows darunter leidet. Diese Sorge haben Sie, Herr Kollege Bödeker, gerade bestätigt. Sie haben wörtlich gesagt, die deutsche Besatzung aus Kostengründen einschränken zu wollen, damit wir wettbewerbsfähiger werden.

(Abg. Bödeker [CDU]: Unter deutscher Besatzung!)

Das bekräftigt unsere Sorge, dass durch diesen Antrag die deutsche Besatzung und das Know-how verringert werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Zudem widerspricht dieser Punkt der Ziffer 2 Ihres Antrags, desselben Antrags,

(Glocke)

mit dem vom Senat mehr Werbung für Studienplätze beziehungsweise Ausbildungsplätze für den Fachnachwuchs gefordert wird. Wenn aber gleichzeitig die Zahl der Arbeitsplätze für gerade dieses Fachpersonal auf den Schiffen verringert werden soll, dann ist das ein Widerspruch!

(Abg. Bödeker [CDU]: Dann kommen mehr Schiffe!)

Ich muss ein paar Seiten meines Beitrags überspringen

(Heiterkeit, Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

und komme dazu, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das überrascht jetzt doch! – Heiterkeit)

Ich möchte aber betonen – letzter Satz –, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sich ernsthaft, auch schon in der letzten Legislaturperiode, durch Fachdiskussionen und Podiumsdiskussionen, mit dem Maritimen Bündnis um den Nachwuchs bemüht hat und dies auch weiterhin tun wird. – Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Herr Kollege Rupp, das war eine so tiefschürfende, erhellende und alles umfassende Rede, da könnten Sie auf Ihren Wortbeitrag doch jetzt verzichten.

(Heiterkeit, Beifall)