Protokoll der Sitzung vom 09.11.2017

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Mordfälle im Raum Freiburg aus dem Herbst des Jahres 2016, die auch sehr breit diskutiert worden sind, haben die Frage aufgeworfen, ob insbesondere die StPO-Regelungen zur molekulargenetischen Untersuchung noch zeitgemäß sind.

Seit der erstmaligen Einführung der Paragrafen 81e und f hat sich die Wissenschaft unbestreitbar enorm weiterentwickelt, und die beiden Verbrechen an den Mädchen haben auch die natürlichen Grenzen der DNA-Analyse nach der bestehenden StPO-Regelung deutlich gemacht. Wenn wir nämlich die DNAIdentifikationsmuster mit der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes abgleichen und es zu keinem Treffer führt, dann führen die Ermittlungsergebnisse erst einmal ins Leere, obwohl ja den Wissenschaftlern im Labor alle weitergehenden Informationen zum Erbgut des Täters vorliegen. Wir dürfen nur nicht darauf zugreifen, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen.

Das ist aus unserer Sicht mittlerweile untragbar, und das ist vor allem auch den Opfern und den Angehörigen von schweren Verbrechen überhaupt nicht mehr vermittelbar, meine Damen und Herren. Deswegen fordern wir auch, eine entsprechende erweiterte DNA-Analyse einzuführen. Es drängt sich nämlich geradezu auf, die Fortschritte der Wissenschaft aufzugreifen und den Weg für DNA-Analysen zu bereiten, die äußerlich erkennbare Merkmale und auch die biografische Herkunft erfassen.

Dabei sind natürlich Grenzen zu beachten, verfassungsrechtliche Grenzen und Grenzen der Menschenwürde. Sie ergeben sich primär aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, und sie sind dann betroffen, wenn der Kern

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dieses Persönlichkeitsrechts angetastet wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn Feststellungen über Charaktereigenschaften getroffen werden oder aber charakterbezogene Persönlichkeitsmerkmale. Im Gegensatz dazu werden bei der Feststellung der Hautfarbe, der Augenfarbe oder auch des Alters lediglich äußerlich erkennbare Merkmale festgestellt, die für jedermann ersichtlich sind, und die zum Teil auch im Personalausweis niedergeschrieben sind. Somit sehen wir mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde im Grundgesetz bei einer Erweiterung des Paragrafen 81e keinerlei Bedenken.

Gleiches gilt auch für die Feststellung der biografischen Herkunft. Sie führt ebenso wenig zu einem Persönlichkeitsprofil, aber natürlich ist auch hier, wie bei der Bestimmung der Hautfarbe, gerade im besonderen Maße darauf zu achten, dass die Ermittlungen vorurteilsfrei und nicht stigmatisierend und geradezu in einen Racial Profiling münden. Dazu müssen natürlich Verhältnismäßigkeitsgrundsätze gewahrt werden und Vorkehrungen, damit festgestelltes Material eben nicht zur Ausforschung der Persönlichkeit führt.

Wir reden hier natürlich von einem Wissenschaftsthema. Ich habe mir im Vorfeld die Argumente angeschaut, und ich möchte sie auch nicht von der Hand weisen, vor allem auch die Kritik im Hinblick auf die Zweifel bei der Erforschung der Herkunft. Aus meiner Sicht aber sind sie nicht vollends überzeugend, und vor allem haben sie auch nicht das Gewicht, um das Persönlichkeitsrecht zu tangieren. Ich möchte den Kritikern entgegenhalten, dass die Eingrenzung des Täters zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von unbeschuldigten Menschen führt.

Der eine oder andere mag sich vielleicht an den Fall im Jahr 2003 in den Niederlanden erinnern. Dort ist in unmittelbarer Nähe in einer Flüchtlingsunterkunft ein Mord begangen worden. Die Stadt hat gleich automatisch die Flüchtlinge beschuldigt. Die ganze Stadt war in heller Aufruhr, es herrschte eine enorm vergiftete Stimmung, und die Staatsanwaltschaft war geradezu aufgefordert zu handeln. Sie haben ohne gesetzliche Grundlage eine erweiterte DNA-Analyse angeordnet, und sie führte zu dem Ergebnis, dass der Täter ein Nordeuropäer ist. Das hat die Situation beschwichtigt, und dadurch kann man, wie man an diesem Fall sieht, Persönlichkeitsrechte von unbeteiligten Menschen schützen.

Daran halten wir fest, meine Damen und Herren, und werden den Änderungsantrag der SPD ablehnen. Genauso wie wir auch den

Änderungsantrag der FDP ablehnen, weil sie den Anwendungsbereich der erweiterten DNAAnalyse, der wir grundsätzlich zustimmen, zu stark eingrenzen will. Wenn es nach der FDP geht, würden - -.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Genau richtig eingren- zen aus unserer Sicht!)

Genau, aus Ihrer Sicht eingrenzen, eine Eingrenzung, die ich nicht für sinnvoll erachte! Wenn es nach der FDP geht, würden zum Beispiel Wohnungseinbrüche nicht mehr in den Anwendungsbereich fallen, und gerade mit Blick auf die Probleme, die das Land Bremen mit Serientätern hat, kann das überhaupt nicht überzeugen, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, BIW)

Unsere Grenze sind die Bagatelldelikte, beispielsweise Fahrraddiebstahl, oder Antragsdelikte, wie Beleidigungen. Bei allen Straftaten, die oberhalb dieser Bagatellgrenze liegen, soll grundsätzlich eine erweiterte DNA-Analyse angewendet werden, natürlich nach erfolgloser Treffersuche bei der BKA-Datenbank.

Letztendlich, und das möchte ich zum Abschluss sagen, ist die DNA-Analyse kein Allheilmittel. Sie ist aber eine sinnvolle Hilfe für die Ermittlungsbehörden, und sie hat eine geradezu überragende Indizwirkung. Deswegen bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Erweiterungen der DNA-Analyse im einschlägigen Paragrafen 81e StPO ist aus unserer Sicht dringend geboten, um den wissenschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Molekulargenetik für die Strafverfolgung nutzbar zu machen. Dadurch können die Verhandlungsarbeiten beschleunigt werden, was die Polizei entlastet und die innere Sicherheit stärken würde. Nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften dürfen am Tatort gefundene Genspuren nur sehr unvollständig ausgewertet werden. Das muss geändert werden. Vor allem die Aufklärung von Kapitalverbrechen, wie Entführung, Sexual- oder Tötungsdelikten, ist von hohem öffentlichen Interesse, denn solche Straftaten tangieren das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger besonders stark.

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Die Ermittlungen nehmen oftmals Jahre in Anspruch, weil Tausende von Spuren auszuwerten sind. Die Ausdehnung der Untersuchungsmöglichkeiten auf weitere äußere Merkmale eines Menschen, wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe, würde dazu beitragen, einen flüchtigen Straftäter schneller dingfest zu machen. Zeitnahe Erfolge bei der Fahndung nach einem Delinquenten stärken das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat. Denn je früher man einen Tatverdächtigen fassen kann, desto schneller wird die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch mögliche Folgetaten minimiert.

Außerdem wird die Verbrechensprävention gestärkt, weil durch den Einsatz der erweiterten DNA-Analyse das Entdeckungsrisiko für potenzielle Täter stiege. Stehen mit der erweiterten Genanalyse mehr Informationen über einen Tatverdächtigen zur Verfügung, wären auch zielgenauere Ermittlungen möglich. Das würde die Zahl der ansonsten notwendigen reinen Gentests zur Aufklärung schwerer Straftaten, die wir ja in Paragraf 81h StPO finden, verringern, die stets einen Eingriff in die Rechte unbeteiligter Dritter darstellen. Außerdem würde man die Verbrechensprävention verbessern. Die Absicht des Bundesgesetzgebers, den einschlägigen Paragrafen 81e StPO zu erweitern, ist deshalb grundsätzlich zu befürworten. Wir sehen aber Anpassungsbedarf, um die Novelle zu optimieren.

Im jetzt diskutierten Gesetzentwurf legt man sich auf bestimmte äußere Merkmale eines Menschen fest, die im Rahmen des Gentests erhoben werden dürfen. Zusätzlich zum Geschlecht soll mithilfe der Untersuchung DNAfähiger Tatortspuren zukünftig auch das Alter sowie die Farbe der Augen, Haut und Haaren vom Tatverdächtigen festgestellt werden können. Diese Regelung, meine Damen und Herren, ist aber zu starr. Sinnvoller wäre es doch, allgemein sämtliche Untersuchungsmethoden zu erlauben, die Hinweise auf äußerliche Merkmale eines Menschen geben könnten und deren Zuverlässigkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. Sollte die Forschung in Zukunft Kriterien entwickeln oder verbessern, die Auskunft über weitere Kriterien geben können, wäre dank dieser flexiblen Formulierung keine neuerliche Ergänzung der Vorschrift erforderlich.

Der Gesetzgeber müsste also nicht ständig dem technischen Fortschritt hinterherlaufen. Außerdem würde durch den Verzicht, bestimmte Kriterien im Gesetzestext zu benennen, dem Vorwurf des Racial Profiling entgegengewirkt, der von einigen Kritikern erhoben wird.

Die von der FDP in ihrem Änderungsantrag geforderte Beschränkung der erweiterten DNAAnalyse auf schwere Straftaten ist nicht zielführend und würde einen Rückschritt gegenüber der heutigen Rechtslage bedeuten. Das Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung als Voraussetzung für die molekulargenetische Untersuchung von entnommenen Körperzellen gilt nämlich nur, wenn zu erwarten ist, dass gegen einen konkreten Beschuldigten auch zukünftig Strafverfahren wegen solcher Taten zu führen sein werden.

Das ist nämlich der Paragraf 81g StPO. In der laufenden Debatte, liebe FDP, geht es aber um die Untersuchung von Tatortspuren einer unbekannten Person im Zusammenhang mit einer konkreten aktuellen Straftat, und das ist Paragraf 81e StPO. In solchen Fällen sieht das Gesetz keine Beschränkung und Abhängigkeit von der Schwere der Tat vor. Das soll auch bei einem zukünftig erweiterten Gentest so bleiben. Im Übrigen kann auch unter den Voraussetzungen des Paragraf 81g StPO eine wiederholte Begehung minderschwerer Straftaten in Summe denselben Unrechtsgehalt haben, wie eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Deshalb ist in diesen Fällen eine DNA-Analyse gegen den Willen des Beschuldigten ebenfalls erlaubt. Die molekulargenetische Untersuchung bloßer Tatortspuren, die keiner bestimmten Person zugeordnet werden können, sollte also grundsätzlich für alle Straftaten, unabhängig von der Schwere, zugelassen werden.

Man denke da zum Beispiel, und mein Vorredner hatte das gesagt, an Serieneinbrüche, in denen es außer DNA-Material keinerlei Hinweise auf den oder die Täter gibt, sodass die klassischen Methoden ins Leere laufen. Auch an der Aufklärung solcher Eigentumsdelikte, die formal keine schwere Straftat sind, besteht ein hohes öffentliches Interesse, weil eben praktisch jeder Einwohner auch Opfer dieses Einbruchs werden kann und auch viele in diesem Bundesland geworden sind. Wegen des hohen Aufwands und der Kosten, die die DNAAnalyse heute verursacht, sollte bei minderschweren Straftaten aber das Opportunitätsprinzip gelten. Polizei oder Staatsanwaltschaften würden dann nach eigenem Ermessen und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit entscheiden, ob sie im Einzelfall eine solche Untersuchung anordnen oder nicht. Das halten wir für einen vernünftigen Kompromiss.

(Beifall BIW - Glocke)

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und SPD stören sich am Kriterium biogeografischer Herkunft, das der Freistaat Bayern in der No

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vellierung des Paragraf 81e StPO aufnehmen will, das teilen wir so nicht.

Ich komme dann eher zum Schluss, weil ich schon abgeklingelt werde.

Klar ist, meine Damen und Herren, jedes zusätzliche Merkmal, das mithilfe der molekulargenetischen Analyse bestimmt werden kann, ermöglicht es der Polizei, ihre Ermittlungen schneller, effizienter, gezielter und mit großem Erfolg durchzuführen. Je mehr wir über einen Tatverdächtigen wissen, desto leichter können Personen, die nichts mit den Tatgeschehen zu tun haben, aus der Fahndung ausgeklammert werden, sie bleiben unbehelligt.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Unter dem Strich ist der Einsatz der DNA-Analyse also ein Gewinn für den Rechtsstaat und höhlt ihn nicht aus, wie Kritiker meinen. - Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuchel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Thema, DNA-Analyse weiterentwickeln und umfassend nutzen. In der Tat hat sich in den letzten Jahren die DNA-Analyse zu einem wichtigen Instrument des kriminalistischen Verfahrens entwickelt. Zu diesem Thema liegen heute mehrere Anträge beziehungsweise Änderungsanträge vor. In der aktuellen Debatte dreht es sich um die Frage, ob man diese Technik nicht auch dann noch besser nutzen kann, wenn man zwar eine DNA-Spur hat, aber eben noch keinen Verdacht, wer der Täter sein könnte. Der genetische Fingerabdruck hat die Ermittler nach Gewalttaten in unzähligen Fällen auf die richtige Spur zum Täter gebracht. Mittlerweile hat sich der Stand der Wissenschaft so erheblich verändert, dass eine Diskrepanz zwischen der Gesetzeslage und der Wissenschaft besteht.

Zurzeit darf anhand einer DNA-Spur, sage ich einmal, nur das Geschlecht einer Person ermittelt werden. Dabei wäre technisch in der Tat noch viel mehr möglich. Den Chancen aber, einer Ausweitung der DNA-Analyse, stehen allerdings Risiken gegenüber. Die CDUFraktion fordert in ihrem Antrag, die Bundesratsinitiative zur Erweiterung des Umfangs der DNA-Untersuchung zu unterstützen, und es geht dabei um die Augen-, Haar- und Hautfarbe, das biologische Alter; bis dahin besteht Einigkeit. Jedoch bei der biografischen Her

kunft besteht ja Dissens zwischen uns und dem vorliegenden Antrag. Aus fachlicher Sicht ist das Gesamtthema zu unterstützen. Die SPD-Fraktion lehnt aus den von mir genannten Gründen den Antrag der CDU und den Änderungsantrag der FDP ab.

Entsprechend dem im Bundesrat vorliegenden Antrag des Landes Baden-Württemberg wird auf das aus verfassungsrechtlichen und praktischen Gründen fragwürdige Merkmal der biogeografischen Herkunft verzichtet. Die Berichtsfrist wird aufgrund der seit einer Antragstellung verstrichenen Zeit um zwei Monate verlängert.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig darüber nachzudenken, was ist technisch möglich, was kriminalistisch sinnvoll, was ethisch vertretbar, und was ist nach dem Grundgesetz überhaupt erlaubt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte darum, unserem Änderungsantrag der Koalition zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! DNA-Proben können schon seit Langem als Beweismittel vor Gericht eingeführt werden, beispielsweise können nach einem Einbruch DNA-Spuren eines Einbrechers gefunden werden. In den Fällen handelt es sich um die sogenannte uncodierte DNA, die vom Bundeskriminalamt in bestimmten Fällen auch in Datenbanken abgespeichert wird. Man prüft also, übersetzt gesagt, ob eine DNA-Probe mit einer anderen übereinstimmt.

Die Forderung des Landes BadenWürttemberg geht nach der Vergewaltigung mit dem anschließenden Mord in Freiburg darüber hinaus. Baden-Württemberg möchte die DNA-Analyse zukünftig als Fahndungsmittel einsetzen, praktisch ein genetisches Fahndungsfoto. Tatsächlich ist es forensisch möglich, sogenannte codierte DNA-Stränge auszuwerten und Rückschlüsse auf die dazugehörige Person zu ziehen. Es handelt sich allerdings auch um kollektive Merkmale und um Wahrscheinlichkeiten, so viel muss man hier einfach einmal sagen.

Die erweiterte DNA-Analyse arbeitet also mit Vorhersagen, das ist ein wichtiger Unterschied

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zu der herkömmlichen Methode. Mit Wahrscheinlichkeit kann zum Beispiel anhand der erweiterten DNA-Analyse die Haarfarbe, die Augenfarbe, die Pigmentierung und das Alter einer Person bestimmt werden.