Protokoll der Sitzung vom 21.02.2018

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Fraktionen haben eben ihr Statement dargelegt. Wir haben das Thema unter vielen Aspekten beleuchtet und sehen jetzt keinen Bedarf für eine Wiederholung der Debatte. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat, dass Sie auf einen Wortbeitrag verzichten.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tassis mit der Drucksachen-Nummer 19/1434 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, Abg. Frau Wendland [parteilos])

Stimmenthaltungen?

(BIW, Abg. Schäfer [LKR])

Psychotherapeutische Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen sicherstellen! Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 22. August 2017 (Drucksache 19/1201)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Kück.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Acar.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Zulassungskriterien der vertragsärztlichen Versorgung richten sich im Wesentlichen nach dem angenommenen Versorgungsbedarf der Bevölkerung und medizinischen Aspekten. Sonderbedarfe für bestimmte Zielgruppen, wie beispielsweise behinderte Menschen oder Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, werden im Ausnahmefall berücksichtigt, wenn dies aus medizinischen Gründen für erforderlich erachtet wird.

Nicht ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache gehören bisher jedoch nicht zu den medizinischen Gründen. Nach derzeitiger Rechtslage kann eine besondere Sprach- und Kulturkompetenz keine Bevorzugung bei der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung begründen. Dies ist aus Sicht der medizinischen Versorgung unverständlich, da somit zunehmende Bevölkerungsteile praktisch von der psychotherapeutisch-medizinischen Versorgung ausgeschlossen sind. Im Bereich der sprechenden Medizin, das heißt insbesondere in der Psychotherapie, ist die Möglichkeit zu kommunizieren die zwingende und notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

(Beifall SPD)

Eine gute sprachliche und interkulturelle Verständigung gilt als eine der grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung.

Ohne die Schaffung entsprechender Therapiebedingungen ist vielen Personengruppen der Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung verwehrt.

Daher ist der Abbau von Sprachbarrieren zumindest im psychotherapeutischen Bereich aus medizinischen Gründen erforderlich. Die derzeit geltende Rechtslage trägt diesem Versorgungsgebot allerdings nicht Rechnung.

Im Bundesland Bremen haben rund 180 000 Menschen einen Migrationshintergrund, also knapp 28 Prozent. Durch den Zuzug von vielen Tausend Geflüchteten in den letzten beiden Jahren hat sich der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsangeboten, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet sind, noch deutlich erhöht. Migrantinnen und Migranten leiden fast doppelt so häufig unter psychischen Erkrankungen wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Die medizinische Versorgungsproblematik ist in diesem Bereich also offensichtlich.

In Bremen sind trotz einer formal guten psychotherapeutischen Versorgungsquote die Wartezeiten für eine psychotherapeutische Behandlung entsprechend der deutschlandweiten Situation grundsätzlich zu lang. Viele Patientinnen und Patienten, die keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, stehen vor dem fast unüberwindlichen Problem, in Bremen und Bremerhaven Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu finden, die eine Behandlung in der jeweiligen Erstsprache anbieten können. In der ambulanten Versorgung werden die Sprachmittlungskosten seitens der Krankenkassen bisher nicht regelhaft übernommen.

Ein ähnliches Finanzierungsproblem existiert zudem für die aus kommunalen Mitteln oder Landesmitteln finanzierten Beratungsstellen, zum Beispiel Notruf, REFUGIO, in denen für die psychologische Beratung von traumatisierten geflüchteten Menschen der Einsatz von Dolmetschern erforderlich ist. Die Finanzierung der Dolmetscherkosten ist zurzeit ungeklärt und wird zumeist von den Beratungsstellen selbst übernommen.

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, erstens, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die sozialrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass eine psychotherapeutische Versorgung, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet ist - auch im Rahmen der Sonderbedarfsförderung - verstärkt angeboten werden kann. Das Kriterium der Sprachen- und Kulturkompetenz muss insbesondere für den psychotherapeutischen Bereich berücksichtigt werden, um eine Unterversorgung der betroffenen Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken.

Der Senat soll sich weiterhin auf Bundesebene dafür einsetzen, dass eine bundeseinheitliche Regelung für die Übernahme der notwendigen Dolmetscherkosten für die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der Angebote von kommunal finanzierten oder aus Landesmitteln finanzierten Beratungsstellen erarbeitet wird.

Zweitens: Die Bürgerschaft fordert den Senat auf, auf Landesebene die Möglichkeit der Fort- beziehungsweise Ausbildung im Bereich Psychotherapie nach einer Anerkennung eines im Ausland erworbenen Abschlusses als Ärztin oder Arzt noch besser bekannt zu machen und gegebenenfalls bestehende Hürden in der Umsetzung zu beseitigen.

Drittens: Der Bürgerschaft soll bis Sommer 2018 ein entsprechender Bericht vorgelegt werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pirooznia.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD und wir Grüne haben den dringend notwendigen Antrag „Psychotherapeutische Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen sicherstellen!“ eingebracht, um eine Vielzahl von Personengruppen den Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen zu ermöglichen.

Im Bundesland Bremen leben zurzeit rund 180 000 Menschen mit einem Migrationshintergrund, also knapp ein Drittel der Bevölkerung. Durch den Zuzug von Geflüchteten in den letzten beiden Jahren hat sich der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsangeboten, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet sind, deutlich erhöht.

Aus welchen Gründen ist eine mehrsprachige und kultursensibel ausgerichtete psychotherapeutische Behandlung notwendig? Ich habe mir ein Beispiel überlegt, das verdeutlicht, wie wir selbst in diese Lage kommen könnten. Sie kennen vielleicht die Situation, wenn Sie nicht im deutschsprachigen Ausland sind, wenn Sie sich so krank fühlen, dass Sie einen Arzt aufsuchen müssen und wenn sie nicht in der Lage sind, sich aufgrund sprachlicher oder kultureller Barrieren auszudrücken. Sie sind nicht in der Lage zu sagen, ob Ihr Schmerz stechend, drückend oder pulsierende ist, denn das bedarf einer sprachlichen Fähigkeit. Diese Situation

ist schlimm, und ich glaube, dass wir sie uns alle vorstellen können.

Es gibt aber einen großen Unterschied zu diesem Beispiel: Für eine Vielzahl von Menschen mit Migrationshintergrund ist der Weg in eine psychotherapeutische Behandlung noch schwieriger, weil erstens nur Menschen mit sehr schweren psychischen Problemen psychotherapeutische Angebote nutzen, so der Glaube, oder zweitens, weil die sprachlichen Barrieren beziehungsweise die Andersartigkeit der Gefühle in anderen als uns bekannten Bildern auszudrücken, schwierig ist. Um diese Bilder zu verstehen, bedarf es dann einer Sprach- und Kulturkompetenz in den psychotherapeutischen Angeboten. Die medizinische Versorgungsproblematik ist in diesem Bereich allzu offensichtlich.

In Bremen sind trotz einer formal guten psychotherapeutischen Versorgungsquote die Wartezeiten für eine psychotherapeutische Behandlung, genau wie auf Bundesebene, grundsätzlich zu lang. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von erkrankten Menschen reduziert die Kosten für unser Gesundheitssystem. Lassen Sie uns daher gemeinsam dafür eintreten, dass die sozialrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass eine psychotherapeutische Versorgung, die mehrsprachig und kultursensibel ausgerichtet ist auch im Rahmen der Sonderbedarfsförderung verstärkt angeboten werden kann.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, FDP)

Das Kriterium der Sprache und Kulturkompetenz muss insbesondere für den psychotherapeutischen Bereich berücksichtigt werden, um einer Unterversorgung der betroffenen Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns liegt der Antrag vor, nach dem wir uns stärker für die psychotherapeutische Behandlung der Menschen einsetzen sollen, die die deutsche Sprache nicht so stark beherrschen und die Schwierigkeiten haben, sich in unserer Kultur zurechtzufinden.

Es sind etliche Menschen. In Bremen sind es 180 000 Menschen mit einem Migrationshintergrund. Einige haben sicherlich sprachliche Fähigkeiten erworben, aber trotzdem haben sie einen anderen kulturellen Hintergrund, den es zu kennen und zu beachten gilt. Selbst als deutscher Psychotherapeut kann man etwas dazulernen und interkulturelle Kompetenz erwerben. Dennoch sind Menschen vorhanden, die nicht richtig versorgt sind und auf die nicht richtig eingegangen wird.

Ich merke, dass sich viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bemühen, auf diese Gruppe einzugehen. Sie versuchen, das Bestmögliche zu leisten. Das ist anerkennenswert und verdient Lob und Dank. Trotzdem reicht es nicht aus, was dort getan wird, und zwar nicht deshalb, weil diese Leute, versagen, sondern weil das Angebot einfach besser werden muss. Also mein Dank an die Menschen, die sich bemühen, zugleich genauso besteht die Notwendigkeit, dass hier etwas getan wird.

Die Übernahme der Dolmetscherkosten ist nur ein Hilfsangebot, weil es nur hilft, dass die Brücke geschlossen wird. Besser wäre es, wenn Dolmetscher gar nicht benötigt werden würden. Deswegen ist die Initiative richtig, dafür zu sorgen, dass psychisch kranken Menschen, die einen anderen kulturellen Hintergrund, eine andere Sprachfähigkeit haben, kultursensibel begegnet werden kann. Wir als Freie Demokraten unterstützen den Antrag der Grünen und der SPD, weil er richtig ist und weil er den richtigen Ansatz beschreibt.

Es ist eben in der Rede von Herrn Pirooznia zu Recht deutlich geworden, dass es darum geht, dafür zu sorgen, dass die Wartezeiten verkürzt werden. Deshalb ist es notwendig, dass die ambulante psychotherapeutische Versorgung ausgebaut wird, damit die Wartezeiten verkürzt werden. Denn wir beklagen uns ja zu Recht, dass wir viele psychiatrische Bedarfe im stationären Bereich haben. Woher kommen diese Bedarfe? Ich bin sicher, dass ein Teil davon verursacht wird, dass die Menschen zu lange auf eine ambulante Behandlung warten müssen, sodass für sie dann zunächst eine stationäre Behandlung notwendig wird. Das trifft sicherlich auf einen Teil der Fälle zu, und deshalb besteht auch hier die Notwendigkeit, etwas zu tun.

Wir sprechen uns dafür aus, dass es zu den Sonderbedarfszulassungen kommt, dass man hier entsprechend tätig wird und dass der Leistungskatalog der Kassen um die Kostenübernahme für die Dolmetscherleistung erweitert wird. - Vielen Dank!

(Beifall FDP, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir hier über die psychotherapeutische Versorgung sprechen, dann sprechen wir im großen Feld der Gesundheitspolitik einmal nicht über teure Apparatemedizin und Digitalisierung, nein, wir beschäftigen uns mit der sprechenden Medizin. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass die sprechende Medizin auf alle Fälle gestärkt werden muss.

(Beifall CDU, SPD)

Dieser Antrag befindet sich schon seit einiger Zeit im parlamentarischen Verfahren, und zwar weit vor der Bundestagswahl, die im letzten Jahr stattgefunden hat. Zwischenzeitlich sind von vier Fraktionen - wenn man die CDU/CSU als zwei Fraktionen ansieht - Koalitionsverhandlungen geführt worden, die gescheitert sind. Anschließend ist der Entwurf eines Koalitionsvertrags - immer noch halbwegs aktuell - von der CDU/CSU und der SPD erarbeitet worden. Sie haben einiges von dem, was auch in diesem Antrag steht, der in vielen Teilen lobenswert ist, aufgegriffen, haben ganz viel in den Entwurf des Koalitionsvertrags zum Thema Gesundheit niedergelegt und haben auch einige Passagen zur psychotherapeutischen Versorgung erwähnt. Kennen Sie das Ergebnis? Ich meine jetzt nicht das Ergebnis der SPD-Mitglieder, sondern ich meine das Ergebnis der Fachlichkeit.