Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

(Beifall FDP – Abgeordneter Senkal [SPD] Wir woll- ten Ihren Antrag überweisen, aber jetzt nicht mehr!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Wort Extremismus hört sich nach etwas an, das am äußersten Rand der Gesellschaft ist, aber nicht in der Mitte der Gesellschaft, auf jeden Fall ist es etwas, das wenige Menschen betrifft. Wenn wir über den Rechtsextremismus oder über den Linksextremismus reden, dann ist das gar nicht der Fall, weil unsere Gesellschaft zerfällt und weil die Lager insgesamt etwas extremer werden.

Auf nationaler Ebene ist es die Universität Leipzig, die alle zwei Jahre eine Studie zum Thema Rechtsextremismus herausgibt. Ich weiß, als ich angefangen habe, mich politisch aktiv mit der Gründung einer Partei, die viele heute von Ihnen mit dem Begriff Rechtsextremismus assoziieren, zu betätigen, war die Aussage der Universität Leipzig zu der Partei mit den meisten Mitgliedern und einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild die SPD.

Die SPD hatte im Jahr 2013 die meisten Mitglieder mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild. Das ist heute anders. Heute ist es tatsächlich so, dass ein Drittel der Wähler mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild die AfD wählen. Das ist die neue Heimat für diese Wähler. Ein Drittel bedeutet, dass zwei Drittel der Wähler immerhin noch andere Parteien wählen, und deshalb kann man den Rechtsextremismus mit der AfD nicht gleichsetzen, zumal die AfD im Verhältnis zum Potenzial des Rechtsextremismus in Deutschland eine relativ kleine Partei ist.

Ich zitiere jetzt einmal einige Zahlen aus der Studie der Universität Leipzig: Elf Prozent der Befragten in Deutschland sagten, wir sollten einen Führer haben, der Deutschland mit starker Hand regiert. Elf Prozent der Befragten in Deutschland haben dieser Aussage zugestimmt. Ein Drittel der Befragten sahen die Bundesrepublik durch Einwanderung als überfremdet an. 41 der Befragten sagten, man

sollte Muslimen generell die Zuwanderung untersagen. 41 Prozent! 50 Prozent der Befragten fanden, man sollte Sinti und Roma aus Innenstädten verbannen. Wir reden hier vom Extremismus, aber 50 Prozent der Bevölkerung sind dieser Meinung.

Der Staat sollte mit der Vergabe vom Asylrecht nicht so großzügig sein, finden 80 Prozent der Befragten, 80 Prozent! Immerhin fanden es 40 Prozent der Befragten ekelerregend, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen.

Das sind alles Beispiele für den Rechtsextremismus, für Zelophobie und für die Einstellung gegenüber Minderheiten, die wir im Grunde genommen alle für verabscheuungswürdig halten müssten, aber zwischen einem Drittel und 80 Prozent unserer Bevölkerung stehen dahinter. Wenn wir weiterhin so tun, als sei der Extremismus die Sache einer bestimmten Partei, die wir in eine Ecke stellen und sie damit assoziieren, dann schaffen wir es – und dann können sich Herr Eckhoff und Herr Röwekamp weiterhin darüber lustig machen, Leute wie mich dazu zu bewegen, aus der Partei wieder auszutreten und irgendetwas anderes zu machen –, dass die Schmerzfreien in der Partei bleiben. Sie ändern in der Partei gar nichts, im Gegenteil, Sie machen die Partei noch viel mehr zu der Heimat, die sie bekämpfen wollen.

Wir versäumen, den Dialog miteinander zu führen. Nicht den Andersdenkenden in die Ecke stellen, sondern wir müssen über die Themen, die uns alle beschäftigen, offen reden. Es ist nicht zielgerichtet, wenn wir Leute, die eine abweichende Meinung haben, diskreditieren. Der Erfolg dieser Politik ist, dass sich diese Leute radikalisieren. Wir können nicht jemanden, der den hehren Idealen des Multikulturalismus etwas abgewinnen will, als rechtsextrem beschimpfen und diskreditieren, denn am Ende wird er zu einem solchen. Das ist das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung.

Wir erleben das in allen Ländern der westlichen Welt. Wir erleben das in den USA, wir erleben das in Österreich, in Holland, in Frankreich, in Deutschland und überall. In Deutschland zwar mit einiger Zeitverzögerung, aber nicht zu intensiv, wie wir das in anderen Ländern erleben. Mein dringender Appell ist, lassen Sie uns lernen, miteinander zu reden, und zwar auch über Dinge, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind.

Wenn wir uns weiterhin mit Extremismusvorwürfen gegenseitig diskreditieren, dann wird es

zwangsläufig zu einer tieferen Spaltung der Gesellschaft führen, und es wird zu einer Zunahme sowohl des Rechtsextremismus als auch des Linksextremismus kommen. - Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich den Debattenverlauf anschaut, dann ist es irgendwie so wie immer, wenn wir über den Rechtsextremismus debattieren, und das stimmt mich ein bisschen nachdenklich.

Man kann in der Tat über sehr viele Extremismusformen diskutieren, aber der Antrag der Koalitionsfraktionen beschäftigt sich sehr deutlich mit dem Rechtsextremismus. Meine Erwartungshaltung ist daher gewesen, dass man sich mit diesem Phänomen und dieser Thematik auseinandersetzt,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

denn der Rechtsextremismus ist eine reale Bedrohungssituation in unserem Land, und sie findet statt. Man kann sich nicht einfach hinstellen und sagen, es gebe auch noch viele andere schlimme Dinge, zweifellos, es gibt sie. Unser Antrag hatte eine ganz klare Stoßrichtung, und insofern habe ich jetzt eigentlich erwartet, dass gerade diejenigen, die hier nicht mit eigenen Anträgen glänzen, sich zum Antrag äußern.

Ich will ganz kurz etwas zu den einzelnen Punkten sagen. Frau Schnittker, ich habe aus Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie versucht haben, sinnentstellend den „Weser-Kurier“ zu lesen.

(Abgeordnete Schnittker [CDU]: Ich habe ihn da- bei!)

Wir lesen ihn dann vielleicht zusammen, denn es ist manchmal ein bisschen hilfreich, wenn man etwas Hilfe hat. Es ging um den G20-Gipfel in Hamburg, da gab es – Zitat –: „Fecker: Da gab es fraktionsübergreifend eine klare und einheitliche Botschaft, die Kritik“ – es ging um die Kritik von Herrn Müller – „halte ich für nicht zutreffend. Auch die Grünen hätten bisher immer deutlich gemacht, dass Gewalt kein legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen und damit zu verurteilen bleibt. Alle Extremismusformen müssen bekämpft

werden.“ Wie Sie aus diesen Ausführungen entnehmen können, dass ich etwas gleichsetze, kann ich nicht nachvollziehen.

Wenn Sie den Absatz weiterlesen, dann kommen Sie in der Tat zu meinem Hinweis, dass es unterschiedliche Zielgruppen gebe und dass man daher unterschiedliche Konzepte entwickeln müsse. Ich empfehle, den „Weser-Kurier“ zukünftig aufmerksamer zu lesen, denn es lohnt sich sowieso immer.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will ganz kurz etwas zum Hinweis auf den vergessenen Linksextremismus und Salafismus sagen. Das ist vollkommener Quatsch. Ein Blick in das Medienecho hätte ausgereicht, um zu erfahren, dass gerade die Frage der Frauen und Mädchen im Salafismus von uns thematisiert worden ist. Es ist uns als politische Kraft in diesem Land also bewusst, dass dort Handlungsbedarf besteht. Dem Handlungsbedarf kommen wir aus unserer Sicht nach. Dass Sie das anders sehen, das liegt vielleicht an Ihrer politischen Rolle, aber zu negieren, dass sich dieses Parlament oder Rot-Grün nicht mit diesen Themen auseinandersetzen, ist so weit weg von der Realität, dass das schon wehtut, Entschuldigung!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Tassis, ich habe vorhin zur Rhetorik der AfD vulgär, pöbelnd und so weiter gesagt. Ihre Rede war gerade ein schöner Beleg dafür. Wenn man sich Ihre Wortwahl anschaut, Zitat, „Schandantrag, Schwatzhaftigkeit“, dann erinnert sie an alte Diskussionen. Ich meine, das ist doch genau die Rhetorik,

(Abgeordneter Tassis [AfD]: Das ist schön! – Abge- ordnete Vogt [DIE LINKE]: So ein bisschen „Stür- mer“-Rhetorik!)

mit der man die Demokratie, mit der man die Instrumente der Gremien der Demokratie verächtlich macht. Nichts anderes ist ihr Ziel und das Ziel Ihrer Partei!

Wenn Sie sich dann auch noch als frauenfreundlich darstellen, dann hilft gelegentlich der Faktencheck. Aus Ihrem Bundestagswahlprogramm, Kapitel 7.3 – wenn auch Sie mitlesen möchten –, ist zu entnehmen, dass Sie sich gegen jede finanzielle Unterstützung von Organisationen wenden, die Elternfamilien als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf propagieren. Es soll also nur derjenige Alleinerziehende von der

Solidargemeinschaft Unterstützung bekommen – weil Sie sich nämlich vor allen Dingen für die Rechte der Väter einsetzen, Kapitel 7.6, etwas später in Ihrem Wahlprogramm –, der den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängt. Meine Damen und Herren, es ist also völlig egal, ob der Vater für das Kind gut oder schlecht ist.

Lassen Sie mich für Sie als Frauenbewegten noch etwas zitieren:

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Sie sollte nicht vom Thema abweichen!)

„Wir lehnen daher Bestrebungen auf nationaler wie internationaler Ebene ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen zum Beispiel für Frauen, Propagandaaktionen wie den Equal Pay Day oder die geschlechterneutrale Sprache umzusetzen.“

Wo ist denn dort die Frauenfreundlichkeit der AfD?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Das hat mit dem Thema nichts zu tun! Das ist etwas völlig anderes!)

Keine gerechte Bezahlung, keine Sensibilität! Entschuldigung, es tut mir leid, aber nicht deswegen, sondern wegen Ihrer Ideologie! Die AfD ist wegen ihrer Ideologie für mich ein klarer Fall für den Verfassungsschutz, und dabei bleibe ich. Wenn man sich die Herausforderungen anschaut, vor denen die Gesellschaft im Augenblick steht, dann haben wir es mit Reichsbürgern, dann haben wir es mit der Identitären Bewegung und der AfD, vor allen Dingen aber mit der Vernetzung dieser ganzen Gruppierungen zu tun.

Ich fand es schade, dass es heute im Rahmen dieser Debatte nur eine relativ geringe inhaltliche Diskussion zu diesem Phänomen gegeben hat. Ich glaube, es hätte dieser Debatte gut getan. Wir sind immer gern und jederzeit bereit, uns über den Linksextremismus zu unterhalten. Wir können uns auch gern jederzeit zum Salafismus austauschen. Wir können uns über die Methoden und die Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen unterhalten, selbst verständlich gern!

Der gestellte Antrag der Koalitionsfraktionen zielte jedoch auf den Rechtsextremismus, und ich hätte erwartet, dass wir uns mit diesem Phänomen, das

wirklich für unsere Gesellschaft eine Herausforderung ist, eingehender auseinandergesetzt hätte. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Schnittker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich etwas zu Frau Vogt sagen. Aus welchen Gründen wir einen Zusammenhang zwischen dem Linksextremismus und dem Rechtsextremismus sehen und aus denen wir auch immer wieder einen Zusammenhang herstellen werden, habe ich erläutert.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das ist wissen- schaftlich falsch! Das ist nicht nur politisch falsch, das ist auch wissenschaftlich falsch!)

Wenn Sie mir nicht zugehört haben, dann tut es mir leid, ich werde mich jetzt aber nicht wiederholen.

In einem Punkt gebe ich Ihnen recht, Frau Vogt, und das kommt eher selten vor: Ich bin erst seit dieser Legislaturperiode in der Bürgerschaft. Was Sie mir damit sagen wollten, das verstehe ich überhaupt nicht. Wir haben nicht gesagt, dass dieser Bericht falsch oder überflüssig ist, im Gegenteil, ich habe gesagt, wir stimmen diesem Antrag zu. Was haben Sie daran nicht verstanden?

(Beifall CDU – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das wir nicht reflexartig reagieren wie Sie!)

Wenn ich aufzähle, wie reflexartig Sie immer schnell auf der Straße stehen, dann sind wir morgen noch nicht fertig.

Nun noch einmal zu Herrn Senkal und Herrn Fecker! Sie können mir nicht vorwerfen, dass ich Sie falsch zitiere, wenn Sie sich in der Debatte hier hinstellen und andere Passagen vorlesen, schwarz auf weiß „Weser-Kurier“: „Senkal: Wir fragen nach Erkenntnissen. Wir lassen uns berichten, auch wenn das nicht immer öffentlich geschieht.“ Ich habe dann allerdings weggelassen:

(Zurufe SPD: Aha!)

„Wir sind die Letzten, die der Polizei nicht den Rücken stärken.“ Dieser Satz hat aber mit der Sache nicht zu tun.