Der zweite Einwand lautete, dass die Polizei mit unbegründeten dienstrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren überzogen werden würde. Das konnte bislang auch nicht nachgewiesen werden, und auch dafür hat die CDU kein einziges Beispiel.
Vielleicht könnte man an dieser Stelle so ehrlich sein – bevor Sie sich erneut aufregen, Herr Hinners – und sagen, dass diese Befürchtungen bei der Einführung der Kennzeichnungspflicht überzogen gewesen und glücklicherweise nicht eingetreten sind.
Wenn man es zusammenfasst, dann sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Kennzeichnungspflicht nötig ist, um Rechtsmittel einlegen zu können. Die Nachteile sind nicht eingetreten, sodass Ihr Antrag überflüssig ist.
Die CDU möchte weiterhin verdachtsunabhängige Kontrollen mit nicht angeblich unnötiger Bürokratie belasten. In grenznahen Gebieten und in Zügen heißen verdachtsunabhängige Kontrollen Schleierfahndung. In Bremen werden sie an einzelnen Gefahrenorten eingesetzt. Das ist in den letzten Jahren hier mehrfach diskutiert und verändert worden. Im Moment finden sie beispielsweise auf der Discomeile und im Viertel statt. Hier kann man kontrolliert werden, ohne dass ein konkreter Verdacht besteht.
Die Kritiker dieses Verfahrens beklagen seit Jahren, dass verdachtsunabhängige Kontrollen nicht nach bestimmten Kriterien vorgenommen werden. Weiße Menschen im Alter von 50 Jahren werden eher selten kontrolliert, junge Männer, die aussehen, als ob sie einen Migrationshintergrund hätten, werden hingegen statistisch gesehen deutlich häufiger oder sehr regelmäßig kontrolliert. Verschiedene Gerichte haben deswegen diese Kontrollen als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eingestuft.
(Abgeordneter Hinners [CDU]: In Bremen oder wo? Herr Hinners, lassen Sie mich doch einmal ausre- den! Zuletzt wurde vor vier Wochen ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ver- öffentlicht, in dem eine solche Kontrolle für rechts- widrig und diskriminierend eingestuft worden ist. Deswegen gibt es Vorschläge, wie man diese Kon- trollen besser ausgestalten kann, damit keine Dis- kriminierung stattfindet. Im Gegensatz zum Kollegen Welt bewerte ich die Erfahrungen aus Großbritannien ein bisschen an- ders. Nach den Vorfällen im Jahr 2011 erstellt die Polizei nach einer solchen Kontrolle einer Art Quit- tung. Der Anlass der Kontrolle wird festgehalten. Es wird vermerkt, ob die kontrollierte Person einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Diese Quit- tung wird dann ausgehändigt. Die Statistiken zei- gen, dass das sogenannte Racial Profiling, also Kontrollen aufgrund diskriminierender Zuschrei- bungen, danach stetig und deutlich zurückgegan- gen sind. In England hat sich das Quittungssystem bewährt. Ich habe, ehrlich gesagt, nirgendwo – ich habe eben gerade noch versucht, es zu googeln – eine Information gefunden, dass die Quittungen abgeschafft worden seien. Vielleicht können mir das am Rande der Sitzung noch einmal klären, ich habe jedenfalls eben gerade keine entsprechende Information gefunden. Die CDU beantragt – ich finde ziemlich interessant, dass wir das in Bremen nicht bekommen sollen, wir haben darüber in der Innendeputation geredet, die Grünen und unser Deputierter haben sich dazu an- geregt geäußert, sagen wir es einmal so, aber es liegt noch kein Antrag vor – hier vorbeugen etwas, dass wir irgendetwas nicht beantragen sollen. Das, finde ich, ist gediegen, aber so ist es. Man könnte durchaus einmal über ein Modellprojekt reden. Das tun wir jedoch an dieser Stelle nicht, sondern wir sagen ganz einfach, dass wir den CDU Antrag ab- lehnen. – Danke schön! (Beifall DIE LINKE)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Ausführungen den Hinweis, dass ich mich sehr geschmeichelt fühle, dass Sie meiner politischen Arbeit einen Antrag widmen, Herr Kollege
Ich will ganz kurz auf die Inhalte eingehen. Die Arbeit der Polizei Bremen und die der Ortspolizeibehörde Bremerhaven stellt in der Tat eine der wichtigsten und eine der herausforderndsten Tätigkeiten für unser Gemeinwesen dar. Polizistinnen und Polizisten – und das ist an dieser Stelle von der grünen Fraktion und allen anderen Fraktionen immer wieder betont worden – verdienen für das, was sie leisten müssen, unseren Respekt und unsere Anerkennung. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass ich mich nicht mit ihrer Arbeit auseinandersetzen muss, denn es die Aufgabe dieses Hauses, die Exekutive zu kontrollieren, und genau das tun wir.
Für mich ist es eine Auseinandersetzung vor allem und in erster Linie einmal mit der Lebens- und Arbeitsrealität der Beamtinnen und Beamten. Ich nehme durchaus auch wahr, dass es bei ihnen auch so gesehen wird.
Natürlich finden zu einzelnen Maßnahmen immer wieder interessante Diskussionen statt, und ich wäre geradezu enttäuscht, wenn auf Personalversammlungen nicht irgendeine grüne Idee an die Wand gemalt wird, die man falsch findet. Sie können aber nicht bestreiten, dass Ihre Bedenken in Bezug auf die Kennzeichnungspflicht – Sie haben ja den Untergang des Abendlandes und marodierende linke Gruppierungen, die jetzt künftig allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auflauern, befürchtet –
Sie können auch nicht verleugnen, Herr Hinners, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 9. November 2017 die Bundesrepublik Deutschland für die unzureichende Strafverfolgung gegen Polizeikräfte in Bayern verurteilt hat.
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung betont, dass behelmte Polizeikräfte ein sichtbares Unterscheidungsmerkmal tragen sollten, wie beispielsweise eine Kennzeichnungsnummer. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie wollen Sie dem Bürger die Chance geben, sich gegen staatliches Handeln korrekt zur Wehr setzen zu
können, wenn Sie ihm nicht die Chance geben, die Person benennen zu können, sei es auch in numerischer Form? Für uns ist es vollkommen klar, die Kennzeichnungspflicht Bestandteil einer transparenten und bürgerlichen Polizei ist.
Jetzt ist es auch so, weil Sie die Frage der Kontrollen und der Kontrollquittung angesprochen haben, dass die EU-Grundrechteagentur, aber nicht der grüne Parteitag, aufgrund einer umfangreichen Erhebung im Jahr 2010 festgestellt hat, dass auch in Deutschland Angehörige von ethnischen Minderheiten einem größeren Kontrolldruck durch die Polizei unterworfen sind und dass hierdurch das Vertrauen in die Arbeit der Polizei belastet wird.
Man kann jetzt natürlich sagen, dass das auf Bremen nicht zutreffe, aber man kann natürlich auch sagen, dass das immer wieder ein Punkt sei, mit dem die Innenpolitiker von Bürgern konfrontiert werden. Sie vielleicht jetzt nicht, Herr Hinners, aber andere. Ich finde es bemerkenswert, wie gut sich die Polizei Bremen aufgestellt hat. Sie hat nämlich gesagt, dass es das nicht gebe, sondern sie hat sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt, entsprechende Fachtage zum Thema Racial Profiling durchzuführen und es auch zum Bestandteil der Arbeit und der Ausbildung zu machen. Meine Damen und Herren, ich stelle mir auf diese Weise eine gute und ausbildende Polizeiarbeit vor.
Abschließend zur Frage der Quittung! Sie kennen eine Deputationsvorlage, denn Sie sind ja Vorsitzender der Innendeputation, in der die Einführung der Quittung im Kapitel Ortspolizeibehörde Bremerhaven eine vorgeschlagene Maßnahme gewesen ist. Nun kann man lange diskutieren, ob die OPB das vorgeschlagen hat oder nicht. Ich habe es so verstanden, dass sich die OPB sofort von der Aussage, dass sie das vorgeschlagen habe, distanziert hat, aber trotzdem ist es ein Instrument, das immer wieder vorgeschlagen worden ist. Das man dann als Abgeordneter sagt, wenn dieser Vorschlag wiederholt gemacht worden ist, vielleicht ist die Durchführung eines Testlaufs in Bremen sinnvoll, ist doch nachvollziehbar.
Ich habe verstanden, dass es dafür keine politische Mehrheit gibt. Das akzeptiere ich, gleichwohl, finde ich, dass nicht immer eine Form des Misstrauens sein muss, wenn man sich mit der Kontrolle der
Exekutive auseinandersetzt. Vielleicht ist Ihr politisches Handeln dauerhaft durch Misstrauen geprägt, bei mir ist das nicht der Fall.
Herr Kollege Fecker, Sie sind gerade so gut im Redefluss, aber der Kollege Hinners steht schon die ganze Zeit am Zwischenfragemikrofon!
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf die letzte Personalversammlung der Polizei zu sprechen kommen. Ich weiß gar nicht, ob Sie auf der letzten Personalversammlung der Polizei gewesen sind. Herr Hinners, eigentlich nehmen Sie ja als Dauerkarteninhaber an den Personalversammlungen teil. Ich war dort anwesend, und ich glaube, auch viele Kollegen aus diesem Hause.
(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Wer hat denn ein- geladen? Können Sie mir einmal die Einladung zu- kommen lassen?)
Frau Vogt wird nie eingeladen, das steht jetzt auch noch einmal im Protokoll! Vielleicht liegt das auch ein bisschen an euch, aber, egal!
Die Rede von Lutz Müller habe ich auf der Personalversammlung als ziemlich bemerkenswert empfunden. Wenn Sie zugehört hätten, dann wüssten Sie jetzt auch, worüber ich rede. Dass er sich vor die Personalversammlung gestellt und gesagt hat, er könne die ganze Aufregung nicht verstehen, die es zu dem Ausstellen von Kontrollquittungen gebe, denn für ihn sei es vollkommen selbstverständlich, dass die Polizei in diesem Bereich korrekt handelt und dass sie auch nicht zu verbergen habe. Ich habe diesen Ansatz als richtig empfunden, die Polizei so auszurichten.
Ich mache mir auch keine Sorgen, aber ich weiß, dass es immer wieder Einzelfälle gibt. Ich finde, dass es der Politik gut ansteht, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Das ist für uns keine Form des Misstrauens, sondern es ist zum einen unsere Aufgabe und zum anderen eine Auseinandersetzung mit der Arbeitswirklichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die jährlich in Bremen steigenden Kriminalitätsraten sorgen für Unbehagen in der Bremer Bevölkerung. Das nennt man heute wohl postfaktisch.
Wenn man völlig unbeeindruckt von der Entwicklung der letzten 25 Jahre immer wieder an jeder Stelle – nach draußen und nach innen – und in der Bürgerschaft erzählt, dass wir das Problem haben, dass die Kriminalität Jahr für Jahr steigt, dann --.
Wir haben auf der Pressekonferenz am 2. März noch einmal für das Land, für die Städte Bremen und Bremerhaven, die Zahlen der letzten 25 Jahre präsentiert. In den 25 Jahren haben die Senatoren gewechselt, die Farben haben gewechselt, aber es ist deutlich erkennbar, dass in diesen 25 Jahren ein globaler Trend vorhanden ist. Dieser Trend sagt aus, dass es im Jahr 1993 noch 110 000 Straftaten im Lande Bremen gab, im Jahr 2017 waren es 81 000 Straftaten.
Die Zahlen gehen nach unten. Im Bereich der Jugendkriminalität haben wir das Gegenteil von dem, was immer behauptet wird. Die Jugendlichen werden nicht immer krimineller, nein, auch dort ist dieser Trend deutlich erkennbar. Es sind dann gewisse Brüche vorhanden. Sie gehen auf die Öffnung der Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten und auf die Flüchtlingsbewegung zurück. Diese Zahlen haben sich mittlerweile wieder abgeflacht und gehen nach unten.
lich steigende Kriminalitätsraten vorliegen, sondern wir haben erfreulicherweise in diesem Jahr die niedrigste Steigerungsrate seit 25 Jahren. Es sind im Jahr 2017 68 000 Verfahren, und es waren 92 000 Verfahren vor 25 Jahren. Ich sage nicht, dass wir damit schon am Ziel unserer Erwartungen sind. Es sind immer noch zu viel. Es ist die Kriminalität, in der wir im Konzert mit den Großstädten liegen.
Das Ganze ist ja, wie gesagt, nicht darauf beschränkt, dass wir bei den Eigentumsdelikten den größten Rückgang haben, sondern wir haben auch in den Bereichen, die sehr sensibel sind, das ist der Wohnungseinbruch, einen deutlichen Rückgang.