Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Ich glaube, das funktioniert nicht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie eine Große Anfrage – ich glaube, sie umfasst 96 Fragen – gestellt haben. Damit ist das Ressort lange Zeit beschäftigt. Wenn das Ressort mit der nötigen Intensität die 96 Fragen beantwortet hat, werden wir im Rahmen der dann folgenden Plenardebatte über die Frage, wie wir die Wirtschaftsförderung am besten steuern sollten, sicherlich noch intensiv beraten.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Genau!)

Ich will mir erlauben, einige klare Ansagen in Richtung Hachez zu machen, weil ich nicht damit einverstanden bin, gerade mit Blick auf die Menschen, die dort um ihre Arbeitsplätze kämpfen, dass diese Entscheidung im Großen und im Allgemeinen sozusagen untergewuselt wird. Es ist in der Tat so, dass wir in der Bremer Öffentlichkeit und vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kalt erwischt worden sind von der Kaltschnäuzigkeit der Kommunikation mit den Beschäftigten und dem Stammsitz Bremen. Es ist doch so, dass es Wochen vorher in der Presse noch ein Bekenntnis der örtlichen Geschäftsführung zu Bremen gab. Kein Wort über Probleme! Es gab, so wissen wir, eine intensive Kommunikation mit dem Ressort über den Standort, über Fragen von gemeinsamem Interesse, ohne Hinweis darauf, dass man beabsichtigt, die Fertigung hier zu schließen.

Dieses Muster kennen wir: Ferne Konzernzentralen entscheiden, örtliche Geschäftsführungen werden angewiesen. So ist es im Fall Bosch, früher bei uns unter dem Namen Nacam bekannt, gewesen. Es entscheiden nicht die traditionelle Standortbindung, nicht die soziale Verantwortung, nicht die Arbeitsplätze in Bremen, sondern der Profit. Das muss man auch politisch kritisieren. Diese Kritik teile ich. Zu dieser Entwicklung müssen wir sagen: Das geht nicht! Das verstehen wir nicht unter Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeord- nete Vogt [DIE LINKE]: Sonntagsreden reichen nicht aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es zeigt sich aber auch, dass die Einflussmöglichkeiten von Wirtschaftspolitik begrenzt sind. Denn diese Entscheidung hat nichts mit den Standortbedingungen zu tun. Wir haben hier qualifizierte Beschäftigte. Die hergestellten Produkte sind qualitativ hochwertig. Gute Marktzugänge sind vorhanden. Wenn die Produktion hier beendet wird, die zentralen, für den Marktzugang nicht nur nützlichen, sondern auch notwendigen Verwaltungsstrukturen aber in Bremen bleiben, dann ist doch deutlich, worum es geht. Es geht um das Lohngefälle zwischen West- und Osteuropa.

Man kann natürlich darüber reden, dass wir ein Europa wollen; das wollen wir alle. Aber es wird nicht ausreichen, den Menschen in der Fertigung, die möglicherweise ihre Arbeitsplätze verlieren, zu sagen, das sei halt der Lauf der Welt. Ich bin dezidiert dafür, dass wir darum kämpfen, dass auch Fertigungsarbeitsplätze in unserer Region verbleiben. Dafür sollten wir alles tun.

(Beifall SPD)

Noch ein Blick in die Geschichte! Bis 2012 war Hachez ein eigentümergeführter Familienbetrieb. Er ist dann verkauft worden. Damals hat das „Handelsblatt“ geschrieben:

„Alleiniger Grund für den Schritt sei die Zukunftssicherung des Familienunternehmens, berichteten die bisherigen Eigentümer … Nachfolger aus den eigenen Familien hätten nicht zur Verfügung gestanden.“

Das Unternehmen hatte damals 450 Beschäftigte. Kollegin Vogt hat zu Recht daran erinnert, dass es 2015 zum ersten Personalabbau kam. Dazu wurde

im „Weser-Kurier“ kommentiert, die früheren Besitzer hätten ein schweres Erbe hinterlassen, da zu wenig investiert worden sei. Dazu sage ich sehr deutlich, ohne zu tief in die Einzelheiten des Unternehmens einzusteigen und ohne den Blick zu weit in die Vergangenheit zu richten: Es ist notwendig, dass gerade in Betrieben, die mit industrieller Fertigung beschäftigt sind, rechtzeitig und gründlich die Investitionen vorgenommen werden, die die Fertigung an diesem Standort halten. Wer Investitionen vernachlässigt, gefährdet Arbeitsplätze.

(Beifall SPD)

Die Politik kann nicht den Unternehmen vorschreiben, wann und wie sie zu investieren haben. Die Politik muss für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen. Aber der Schlüssel für Investitionen liegt im Unternehmen. Was gehört zu den Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen muss? Wir müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass in Bremen die für Qualifizierung, Forschung und Entwicklung notwendigen Infrastrukturen vorhanden sind. Dazu gehört auch die Schaffung der entsprechenden Netzwerke. All das trägt dazu bei, dass Unternehmen sich hier sinnvoll betätigen können. Ich betone, die Investitionsentscheidungen – die mehr sind als die Herstellung des Marktzugangs für die Produkte – müssen von den Unternehmen getroffen werden. Wir können dazu beitragen, dass sie sich für Investitionen entscheiden. Dafür bin auch ich. Wir sollten aber bitte nicht verwechseln, wer wofür zuständig ist.

Ich warne dringend davor, am Beispiel Hachez die ganze Branche zu zerreden. Robert Bücking hat schon einige richtige Hinweise gegeben, die alle genau gehört haben. Er hat darauf hingewiesen, dass sich Untersuchungen mit dieser Branche näher beschäftigt haben. Wir erleben in der Tat einen Strukturwandel, haben aber nicht einen Arbeitsplatzabbau in der Dimension, die in der Öffentlichkeit oft vermutet wird. Im Rahmen dieser Untersuchungen konnte sogar festgestellt werden, dass die große Krise 2008 in der Nahrungs- und Genussmittelbranche viel sanfter als in anderen Branchen beendet worden ist. Wir verzeichnen ein Wachstum gerade kleiner und mittelständischer Betriebe. Im Jahr 2008 hatten wir 156, heute sind es 185. Wir haben einen Wandel in dieser Branche.

Dieser vollzieht sich in der Tat entlang bestimmter Strukturen. Wir müssen diesen Wandel unterstützen – das ist Aufgabe der Wirtschaftspolitik –, zum Beispiel durch entsprechende Flächenangebote,

Schaffung von Netzwerken und Qualifizierungsangebote. Entscheidender Taktgeber dabei sind die Unternehmen. Man muss deren Ideen und Ziele fördern. Wenn es darum geht, sind wir dabei.

Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Situation in Bremen insgesamt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Bremen ist von 303 000 im Jahr 2013 auf 325 000 im Jahr 2017 gestiegen. In diesem kurzen Zeitraum von vier Jahren sind in Bremen 22 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Ist das etwa ein Beweis dafür, dass es hier dem Elend entgegengeht?

Wir verzeichnen eine leichte Steigerung im produzierenden Gewerbe. Es ist in der Tat ein Problem, dass das produzierende Gewerbe – übrigens bundesweit – nicht mehr die Steigerungsraten aufweist, die wir uns wünschen.

Wir verzeichnen eine deutliche Steigerung bei den Unternehmensdienstleistungen – um 10 000 Arbeitsplätze –, im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleister sind es 9 000 Arbeitsplätze mehr.

Das wird fast überall anerkannt, offensichtlich nur in der politischen Debatte nicht. Es ist ein großer Fehler, wenn wir in Debatten wie dieser hier immer wieder unseren Standort, dessen wesentliche Kennzahlen sich nach oben bewegen, herunterreden. Das ist nicht das, was wir brauchen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abgeord- nete Vogt [DIE LINKE]: Wir sind daran schuld, dass Hachez geht?)

Wir müssen uns aus meiner Sicht den Herausforderungen des Strukturwandels stellen. Unsere Förderung muss in Richtung wissensorientierter Betriebe, in Richtung Forschung und Entwicklung, in Richtung Technik gehen. Auch die Anforderungen des produzierenden Gewerbes müssen wir im Blick haben. Dazu gehören Fragen der Flächen, der Qualifikation und der Infrastruktur. Ob wir in jedem Detail, etwa wenn wir von der Oberflächenwasserabgabe oder der Wasserentnahmegebühr reden, immer richtig liegen, wird sich im Laufe der Zeit herausstellen. Ich betone, wir müssen auch die besonderen Bedingungen des produzierenden Gewerbes im Auge haben. Das ist sicherlich unstrittig.

In diesem Sinne sollten wir konstruktiv weiter diskutieren und der Elendsphilosophie, die heute wieder vorgetragen wurde, entgegenwirken. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich frage mich, was eigentlich los ist in Bremen. Auf der einen Seite überschlagen sich gerade die Positivnachrichten. Auch diese muss man erwähnen. Bremen liegt wieder auf Platz 6 der größten deutschen Industriestädte. Unser Bruttoinlandsprodukt steigt überproportional, was super ist. Auf der anderen Seite gibt es trotzdem Negativmeldungen wie „Flucht aus Bremen“ und „Flucht der Unternehmen nach Niedersachsen“. Auch haben wir es nach wie vor mit einer hohen, zum Teil verfestigter Arbeitslosigkeit zu tun.

Früher war Bremen die Markenhauptstadt überhaupt. Das wissen Sie viel besser als ich. Ich habe Ihnen das entsprechende Buch von unserem Schünemann-Verlag mitgebracht. Sie kennen es vielleicht. Jedem, der es noch nicht kennt, kann ich es nur ans Herz legen. Darin wird eindrucksvoll geschildert, wer hier alles zu Hause ist oder, leider aufgrund von Abwanderung, war. Das ist eine beeindruckende Lektüre.

Viele Unternehmen haben, wie gesagt, den Standort Bremen leider verlassen. Zum Teil wurden Unternehmen verkauft. Dann fehlen oft der Bezug zu Bremen und damit die Standorttreue, die vor allem vonseiten der Inhaberfamilien immer sehr hoch gehalten wurde. Beispiele sind – Frau Vogt hat einige schon genannt – Beck’s, Nordmende, Eduscho und Jacobs. Aber es gibt noch viele mehr.

Jüngst ereilte uns die Meldung, dass auch Hachez die Produktion in Bremen schließen und nach Polen verlagern will. Das ist für Bremen ein schwerer Schlag. Mit Hachez und Feodora verlassen uns wieder zwei für unser Land Bremen sehr bedeutende Marken.

Ich glaube, man hätte diese Entwicklung früher mitbekommen können. Insoweit bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Reinken. Wir als Verpackungshändler haben schon vor drei Jahren etwas davon mitbekommen, als nämlich, obwohl noch am

Standort Bremen produziert wurde, die Verpackung nach Polen verlagert wurde. Zuvor waren die Pralinen auch in Bremen verpackt worden.

Wenn man die Entwicklung früher gesehen hätte, hätte man sicherlich mit dem Unternehmen reden können; das glaube ich tatsächlich. Obwohl ich auf das Thema Umweltzone hier nicht weiter eingehen will, so glaube ich doch, dass die Umweltzone für ein Unternehmen, das in der Westerstraße angesiedelt ist, eine schwierige Herausforderung darstellt. Wenn man früher mit dem Unternehmen ins Gespräch gekommen wäre, um zu schauen, was getan werden kann, um es am Standort zu halten, hätte man vielleicht eine Lösung finden können.

Was noch gar nicht angesprochen wurde – wir sprechen immer von den harten Zahlen; auch ich nenne gleich noch ein paar –, sind die Zulieferer der großen Unternehmen. Es sind eben nicht nur die Arbeitsplätze direkt bei Hachez oder Könecke betroffen, sondern auch die Arbeitsplätze in den kleinen und mittelständischen Zulieferunternehmen. Diese profitieren extrem davon, dass große Unternehmen am Standort sind, leiden aber auch massiv, wenn die großen Unternehmen weggehen. Sie kommen durch den damit einhergehenden hohen Umsatzverlust oft stark in die Bredouille. Hachez ist ja nur eines dieser größeren Unternehmen. Es reiht sich ein in die Reihe derer, die Bremen verlassen oder zumindest viele Arbeitsplätze abbauen.

Vor wenigen Tagen hat Airbus angekündigt, Jobs abzubauen. In Bremen stehen laut Medienberichten 300 Jobs auf dem Spiel. Kellogg hat seine Produktion in der Überseestadt Anfang dieses Jahres eingestellt; 200 Mitarbeiter haben ihren Job verloren. Im Jahr 2017 hat der Windenergiekonzern Senvion in Bremerhaven über 300 Arbeitsplätze abgebaut. Im Jahr 2016 schloss Coca-Cola sein Abfüllwerk in Hemelingen; 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren betroffen. Ebenfalls 2016 schloss die DHL Home Delivery ihren Standort in Bremen. Dadurch sind 350 Arbeitsplätze verloren gegangen. Bosch hat angekündigt, mehr als die Hälfte der 400 Arbeitsplätze in Bremen abzubauen.

Ich finde es schade, dass der Senat in diesen Fällen die Schuld immer woanders sucht.

(Beifall FDP, BIW)

Man hört nicht: „Was haben wir falsch gemacht?“, sondern immer nur: „Das ist eine freie Entscheidung der Unternehmen. Sie können machen, was

sie wollen.“ Wenn der Senat sich immer nur auf die Unternehmensentscheidungen beruft, dann ist das falsch. Sie, der Senat, können das beeinflussen. Sie können dafür sorgen, dass Unternehmen sich am Standort Bremen wohlfühlen, sodass sie hierbleiben oder sich hier ansiedeln.

(Beifall FDP, BIW)

Mich macht das tatsächlich wütend. Ein ganz einfaches Beispiel zeigt, wie es anders geht. Schauen Sie ein paar Meter weiter, nach Achim! Schauen Sie sich diese Nachbargemeinde an! Angesichts dessen ist schon die Frage erlaubt, was unser Wirtschaftssenator für die Wirtschaft am Standort Bremen macht. In Achim brummt es ohne Ende. Ein engagierter Bürgermeister kümmert sich vor Ort um die Unternehmen. Er wird von diesen als Ansprechpartner sehr geschätzt. Er hat ein großes Angebot an Gewerbeflächen und entwickelt diese auch. Darüber hinaus ruft er proaktiv Unternehmen an. Übrigens haben auch wir schon einen Anruf erhalten, ob wir nicht Lust hätten, nach Achim umzuziehen. Das ist eine legitime Frage.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die Bewohner sind genervt davon! – Abge- ordneter Tschöpe [SPD]: Die FDP will umziehen?)

Ich erwähne das, weil es um die Frage geht, was man dafür tun kann, dass Unternehmen bleiben beziehungsweise sich ansiedeln. Sie können sich darüber lustig machen, aber im Endeffekt stellt sich die Frage: Was macht der dortige Bürgermeister richtig, dass der Standort Achim jetzt eine solche Entwicklung nimmt, und was machen wir vielleicht falsch, wenn Unternehmen von hier weggehen beziehungsweise freiwillig nicht herkommen? Diese Frage muss endlich gestellt werden!

(Beifall FDP, BIW)

Ich finde, bei allem Respekt, jedes Unternehmen, das nach Achim beziehungsweise Niedersachen gegangen ist, hätte zumindest überlegen sollen, ob Bremen nicht der bessere, geeignetere Standort gewesen wäre. Leider sprechen einige Faktoren gegen eine Ansiedlung in Bremen. Schlechte Bildung hält zum Beispiel Fachkräfte davon ab, nach Bremen zu ziehen. Die Gewerbeflächen beziehungsweise deren Anzahl sind viel zu klein. Wir sind nicht angebotsorientiert. Wir haben kein Angebot für die großen Bedarfe. Der Verkehr bricht an einigen Stellen zusammen. Auch der seit Jahrzehnten fehlende Ringschluss macht uns leider eher zum Lacher der Nation.

(Beifall FDP, BIW)

Lieber Senat, es ist allerhöchste Eisenbahn. Sie dürfen sich nicht mehr damit begnügen, sich dafür zu feiern, wie gut die Wirtschaft sich selbst entwickelt. Man muss sagen, die Wirtschaft floriert trotz Politik, nicht wegen Politik.

(Beifall FDP, BIW)

Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Fangen Sie bitte endlich an, sich über die harten und die weichen Standortfaktoren, die Unternehmen dazu bewegen können, sich in Bremen anzusiedeln, Gedanken zu machen.