Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Andere Forderungen sind zwar wünschenswert, aber finanziell zurzeit nicht realisierbar.

Wir freuen uns, dass Eltern, die ihr Kind früh einschulen, nun finanziell nicht mehr anders behandelt werden als Eltern, die ihr Kind noch ein Jahr im Kindergarten lassen. Ich bin der Überzeugung,

dass Eltern, die ihren Kindern mehr Entwicklungszeit zugestehen, nicht schlechtergestellt werden dürfen.

(Beifall FDP)

In meiner Zeit als Schulleitung habe ich in unzähligen Gesprächen erfahren, dass der finanzielle Aspekt bei den Eltern eine Rolle spielt. Beitragsfreie Kindergartenbetreuungsplätze für Karenz-Kinder würden nicht nur das Portemonnaie der Eltern entlasten, sondern kämen vor allem den Kindern zugute.

(Beifall FDP, CDU)

Wer seine schulische Bildungslaufbahn zu früh beginnen muss, hat über Jahre damit zu kämpfen, den Rückstand aufzuholen. Im Ländervergleich werden in Bremen besonders viele junge Kinder eingeschult. Ich bin fest davon überzeugt, dass die neue Regelung hier für eine Veränderung sorgen wird.

In dem Vorstoß der Koalition zur Beitragsfreiheit sehen auch wir die von uns geforderte parteiübergreifende Zusammenarbeit, die wir benötigen, um endlich eine positive Veränderung im Bildungssystem zu erreichen. Wir werden Ihrem Antrag heute zustimmen und darauf achten, dass Sie in Zukunft Ihre selbstgesteckten Ziele einhalten. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte gibt es naturgemäß breiten Konsens. Das finde ich gut.

Ich finde es auch gut, dass wir uns, anders als noch in der Beratung über die neuen Beiträge im Dezember 2016 in der Stadtbürgerschaft, darüber einig sind, dass der öffentlich vermittelte Eindruck, nur die Reichen würden zahlen, falsch ist. Die Kita-Beitragsgebühren, die jetzt gezahlt werden, zahlt im Wesentlichen die Schicht derjenigen, die über durchschnittliches Einkommen verfügen. Ich bleibe dabei – und spreche damit für die CDUFraktion –: Dass ausgerechnet diese Schicht die wesentliche Last der Beiträge zu tragen hat, finden wir ungerecht.

(Beifall CDU, FDP)

Zweite Bemerkung! Als ich in meinem vorherigen Redebeitrag die Umland-Debatte angestoßen habe, ging es mir nicht nur um die Frage, was der Wegzug von Familien aus Bremen für uns fiskalisch bedeutet. Darüber kann man nämlich streiten. Einige Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass wir fiskalisch kaum etwas verlieren, wenn jemand nicht in Bremen wohnt. Einige gehen sogar so weit, dass es eigentlich gut wäre, wenn niemand nach Bremen zöge, da uns das im geltenden System der Bund-Länder-Finanzbeziehungen mehr brächte, als wenn der Betreffende hier wohnen würde.

Meine Damen und Herren, mir geht es an dieser Stelle nicht um die fiskalischen Effekte, sondern um den Hinweis darauf, dass uns diese Schicht in Bremen fehlt. Die Disparität, das weitere Auseinanderdriften von Arm und Reich, kann man zwar ideologisch, mit Umverteilung, bekämpfen. Wichtiger für Bremen ist es aber, dass die Menschen, die hier arbeiten, auch hier wohnen, dass sie Teil unserer Gesellschaft werden.

(Beifall CDU)

Wir brauchen die Mittelschicht in der Kita, um auch dort die Diversität der Kinder abzubilden. Wir brauchen die Mittelschicht in der Schule, sie muss auch in den Klassen präsent sein. Wir brauchen die Eltern auf den Elternabenden. Wir brauchen die Erwachsenen als Wählerinnen und Wähler, um das Gefälle zwischen armen und reichen Stadtteilen auch in der Frage der demokratischen Partizipation endlich zu beseitigen. Wir brauchen die Menschen, die jetzt nach Niedersachsen ziehen, in unseren Stadtgrenzen nicht aus fiskalischen Gründen, sondern zur Förderung des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Das dritte Argument betrifft die vorschulische Bildung. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten über die Fortsetzung des Bildungskonsenses beraten. Wir wissen mittlerweile, dass wir, was Strukturfragen betrifft, wahrscheinlich zu ähnlichen Antworten kommen. Die Experten haben uns mit ihrem Hinweis darauf, dass eine gute Struktur noch nicht automatisch für gute Bildung sorgt, auch eine Hausaufgabe gegeben. Die Anstrengungen der nächsten Jahre, vielleicht im Rahmen des nächsten Bildungskonsenses, wenn es ihn geben wird, müssen darauf gerichtet sein, dafür zu

sorgen, dass die schulischen Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler sich verbessern. Ich bin sehr froh darüber, dass wir alle uns über die Bedeutung des vorschulischen Bereichs einig sind. Schon dort geht es um die Entdeckung und Förderung von Talenten, um die Behebung von Mängeln in Auffassungsvermögen, Sozialverhalten und Sprache, und zwar bevor diese Kinder in die Schule kommen. Das ist doch auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Deswegen brauchen wir jedes Kind in der Kita, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen seiner Eltern und unabhängig von Beiträgen. Das sage ich für die CDU-Fraktion.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass wir bei der Finanzierung gar nicht so weit auseinanderliegen. Sie als Koalition trauen sich zu, die Finanzierung ab August 2019 sicherzustellen. Wir als CDU-Fraktion glauben, dass es schon ab August 2018 möglich ist. Es geht, über den Daumen gepeilt, um 20 Millionen Euro. Das kann man im Haushaltsvollzug schaffen, auch wenn es nicht leicht ist. Vielleicht haben wir wieder Zinsersparnisse; im letzten Jahr betrugen sie 37 Millionen Euro. Wir haben zurzeit eine gute Konjunktur mit hohen Steuereinnahmen. Zudem mussten wir im Jahr 2017 über 100 Millionen Euro weniger als geplant für flüchtlingsbedingte Mehrkosten ausgeben. Ich weiß, dass es kein Spaziergang wird.

(Abgeordneter Güngör [SPD]: Es ist doch nicht nur das Geld, Herr Röwekamp, es geht auch um die Qualität in den Kitas!)

Hören Sie mir zu, Herr Güngör! – Mit unserem Änderungsantrag wollen wir nicht mehr erreichen, als dass Sie wenigstens prüfen, ob es unter größten Kraftanstrengungen vielleicht möglich ist, die Beitragsfreiheit schon zum Kitajahr 2018/2019 zu realisieren. Es kann sein, dass Sie das Ergebnis dieser Prüfung schon kennen. Dann müssten Sie aber das Ergebnis der von Ihnen beauftragten Prüfung für 2019/2020 auch schon kennen.

Nein, man muss es tatsächlich seriös durch den Senat prüfen lassen. Wenn Sie, Herr Güngör, sagen, das gehe deswegen nicht, weil dann noch mehr Menschen in die Kita wollen, dann streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Die Anmeldephase war am 31. Januar beendet. Wir wissen, wie viele Eltern ihr Kind in die Kita schicken wollen. Wir können auf der Grundlage dieser Zahlen seriös planen, wie viel Mehrkosten es verursachen wird.

Ich sage Ihnen zu, wir als CDU-Fraktion wären bereit, an einer solchen Kraftanstrengung zur Aufbringung der Mittel für dieses eine, zusätzliche Jahr mitzuarbeiten. Meine Damen und Herren, diese Zusage gebe ich Ihnen für die CDU.

(Beifall CDU, BIW)

Lassen Sie mich noch eine Abschlussbemerkung machen! Herr Güngör und Frau Dr. Bogedan, ich will mit Ihnen nicht darüber streiten, wer es zuerst erfunden hat.

(Abgeordneter Güngör [SPD]: Dazu sage ich noch etwas!)

Ein solcher Streit lohnt sich nicht, außer dass wir beide hinterher vielleicht dickere Arme hätten. Wichtiger als dicke Arme sind kluge Köpfe. Deswegen will ich mit Ihnen darüber nicht streiten. Ich will aber daran erinnern, dass vor 14 Tagen, als wir mit unserem Antrag um die Ecke gekommen sind, Sie und Frau Dr. Bogedan gesagt haben, das sei Quatsch, das gehe überhaupt nicht, das könnten wir uns nicht leisten.

(Abgeordneter Güngör [SPD]: Woher haben Sie denn diese Aussagen?)

Da Sie jetzt, nach 14 Tagen, plötzlich von einer anderen Sachlage ausgehen, stellt sich schon die Frage, was bei Ihnen Überzeugung ist und was Taktik.

(Beifall CDU, BIW – Abgeordneter Güngör [SPD]: Herr Röwekamp, Sie müssen schon sagen, woher Sie solche Aussagen haben! Wann haben wir ge- sagt, dass es Quatsch sei?)

Wir als CDU-Fraktion wissen, dass es eine Kraftanstrengung ist. Aber wir tun das aus Überzeugung, Herr Güngör, und nicht aus Taktik. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin froh, dass wir uns mittlerweile – das war 2016 noch nicht so – im Grundsatz einig sind. Dennoch bin ich etwas enttäuscht, dass ich von der Koalition zu meinen Ausführungen, die ich zu den kontraproduktiven gleichstellungspolitischen Auswirkungen ihres Ansatzes gemacht

habe, nichts gehört habe, außer der Aussage, wir könnten uns Gleichstellung leider nicht leisten. Das finde ich etwas dünn an dieser Stelle.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie haben nicht zugehört! Das habe ich nicht gesagt!)

Sie haben gesagt: Tut uns leid! Das Geld dafür, die Beitragsfreiheit wirklich für alle Altersgruppen einzuführen, ist nicht da.

Zur Kollegin Kohlrausch! Frau Kohlrausch, natürlich wünschen auch wir uns, dass die Ganztagsgrundschulen früher und besser realisiert werden. Wir sind hier aber nicht bei Wünsch-dir-was. Wenn wir uns in die Augen schauen, müssen wir so ehrlich sein und feststellen, dass vor 2025 nicht alle Grundschulen Ganztagsschulen sein werden. Bis dahin sind wir beziehungsweise die Eltern auf Hortangebote angewiesen. Das, was dazu von den übrigen Fraktionen dieses Parlaments gekommen ist, war dünn bis gar nichts. Das finde ich enttäuschend.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Röwekamp, dass Sie nichts zu der Gleichstellung gesagt haben, mag vielleicht an Ihrer Partei liegen. Das kann ich durchaus verstehen.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Gleichstellung von was?)

Ich meine die gleichstellungspolitischen Auswirkungen, das heißt, dass eher auf die Mütter Druck entsteht, zu Hause zu bleiben.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Ach so!)

Ich glaube, damit schneiden Sie sich ins Fleisch, in das Fleisch Ihrer eigenen Klientel. Herr Meyer-Heder, der vorhin hier war, ist Unternehmer. Ich gehe nicht davon aus, dass er in Zukunft länger auf die Rückkehr der Mütter in sein Unternehmen warten möchte. Sie sollten sich also besser bewusst werden, welche Auswirkungen Ihr Modell der Beitragsfreiheit hätte.

In einem Punkt kann ich Ihnen aber nachdrücklich zustimmen: Auch wir wollen die Kinder mit Migrationshintergrund in den Einrichtungen haben. Wir wollen die Heterogenität der Gesellschaft in den Einrichtungen abgebildet sehen. Wir streben ein inklusives Bildungssystem an, das die Diskriminierungsspiralen unterbrechen kann. Dafür aber muss

man – Herr Röwekamp, auch das habe ich ausgeführt – die Kinder früher in die Einrichtungen bekommen. Wenn dies erst im letzten Kitajahr geschieht, ist es viel zu spät. Das wissen wir aus allen Studien. Deswegen ist Ihr Vorschlag nicht geeignet, die soziale Ungleichheit zu bekämpfen.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Alle drei Jahre beitragsfrei!)

Diese Anmerkung ging in Richtung FDP. Das habe ich mit meinem Arm angezeigt. Das hätten Sie gesehen, wenn Sie hochgeschaut hätten, Kollege Röwekamp.