Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

das wir haben. Wir haben in der Abschiebungshaft – und das ist aus Rechtsgründen auch so gestaltet – eine Verwaltungshaft. Die Abschiebungshaft dient eigentlich nur der zwangsweisen Sicherung von Verwaltungshandeln, nämlich der Rückführung in das Heimatland des Ausreisepflichtigen.

Wir haben bei den Gefährdern die zusätzliche Komponente, dass wir einer drohenden Gefahr, einem Sicherheitsrisiko entgegenwirken. Die Abschiebungshaft ist ausdrücklich, weil es Verwaltungshaft ist, „lockerer“ gestaltet als die Strafhaft oder die Untersuchungshaft, und das ist auch völlig in Ordnung, wenn es nur darum geht zu verhindern, dass Leute sich einer behördlichen Maßnahme entziehen. Das stellt uns aber vor Probleme, wenn diese Menschen gefährlich sind und eine Bedrohung für Mitinsassen, für Beschäftigte oder für die Bevölkerung insgesamt darstellen. Deshalb ist die wirkliche Herausforderung, vor der wir stehen, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten für diesen Personenkreis zu finden.

Das geht nicht nur uns so, das geht inzwischen allen Bundesländern so. Wir haben ja hier in der Bürgerschaft bereits einmal im Rahmen der Fragestunde über die gemeinsame Unterbringung der norddeutschen Länder gesprochen. Wir haben gesagt, wir als Land Bremen sind eigentlich nicht daran interessiert, daran mitzuwirken, weil wir eigene Kapazitäten haben, aber für bestimmte Personengruppen wäre das für uns interessant. Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein Kontakt aufgenommen. Sie haben uns aber mitgeteilt, dass sie für diese problematische Gruppe von Gefährdern – das kann im Übrigen auch einmal im Einzelfall eine besonders schwer straffällige Person sein, von der ein Sicherheitsrisiko ausgeht –, also für diesen Personenkreis, auch keine Haftanstalt aufbauen. Das heißt, auch sie haben kein Interesse daran, uns an diesem Punkt entgegenzukommen.

Anders vielleicht Berlin: Die Berliner Kolleginnen und Kollegen haben eine spezifische Abschiebehafteinrichtung für gefährliche Personen und Gefährder in Vorbereitung, und wir werden mit den Berlinerinnen und Berlinern einmal über die Frage reden, ob dort gegebenenfalls auch die Unterbringung von Bremer Gefährdern möglich wäre. Ich gehe davon aus, dass auch andere Länder dieses Interesse haben. Es ist ja kein Regelfall, dass die Bundesländer mit einem solchen Personenkreis umgehen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es deshalb wenig Sinn macht, dass jedes Bundesland dafür eine eigene Einrichtung aufbaut,

aber eine oder zwei zentrale Einrichtungen in Deutschland würden nach meiner Überzeugung für diesen Personenkreis Sinn machen.

Wir werden mit den Kollegen in Berlin darüber reden, ob eine gemeinsame Nutzung dieser Einrichtung für diese spezifischen Einzelfälle möglich ist, und wenn das gelänge, bräuchten wir zwar keinen Erlass mehr in Bremen, aber wir hätten tatsächlich eine Lösung, die uns in der Praxis deutlich weiterhelfen würde. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die Deputation für Inneres vorgesehen.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/1530 zur Beratung und Berichterstattung an die Deputation für Inneres seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Schwerbehindertenausweis umbenennen Mitteilung des Senats vom 20. Februar 2018 (Drucksache 19/1543)

Wir verbinden hiermit:

Stigmatisierung verhindern. Schwerbehindertenausweis ersetzen. Teilhabepass einführen Antrag der Fraktionen der FDP und DIE LINKE vom 23. Mai 2018 (Drucksache 19/1674)

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Siering.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diese Debatte hier am 6. April 2017 geführt und in der Bundesrepublik verfolgen können. Ausgehend von Schülern in der Werkschule Neustadt haben wir diskutiert, ob eine Stigmatisierung stattfindet, ob ein Schwerbehindertenausweis nicht zu sehr auf Defizite ausgerichtet ist und man nicht eher positiv auf Anrechte hinweisen sollte, die Menschen mit Beeinträchtigungen haben. Deswegen haben wir mit der breiten Mehrheit aller Fraktionen beschlossen – und auch schon einen Antrag eingebracht – dass der Senat eine Bundesratsinitiative ergreifen möge, um den Schwerbehindertenausweis umzubenennen.

Zudem hat eine Anhörung stattgefunden, die das Wirtschaftsressort, das zuständig ist für das Integrationsamt, durchgeführt hat. Da gab es eben zwei Positionen. Ich glaube, die haben zwei Seiten deutlich gezeigt. Die eine wurde eher von älteren Menschen mit Beeinträchtigungen vertreten, die andere eher von den jüngeren. Die einen haben gesagt, wir haben doch für dieses Recht gestritten, wir haben uns daran gewöhnt, und das kostet Geld, und das Sozialhilfegesetzbuch sei eben noch kein Teilhabegesetz und sei noch nicht so weit, dass man einen Schwerbehindertenausweis Teilhabepass oder Teilhabeausweis nennen könne. Ja, das letzte Argument mag juristisch richtig sein. Zugleich ist es aber politisch falsch. Denn es geht doch gerade darum, einen Namen zu wählen, der darauf hindeutet, wohin wir mit dem Gesetz wollen. Es geht um das Recht der Menschen, teilzuhaben an der Gesellschaft, die dies aufgrund von Beeinträchtigungen, von Behinderungen nicht können.

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Deswegen setzen wir Freien Demokraten und die Fraktion DIE LINKE uns dafür ein – und damals auch die anderen Fraktionen –, dass hier eine Umbenennung stattfindet; eine Umbenennung, die deutlich macht, wir wollen die Teilhabe der Menschen an der Gesellschaft und gerade nicht auf Defizite, sondern auf Rechte dieser Menschen hinweisen. Die Jüngeren sehen sich stigmatisiert. Beispiel dort ist immer wieder die Fahrkartenkontrolle. Da gibt es eben noch keine anderen Möglichkeiten, als dass man den Schwerbehindertenausweis mit dem entsprechenden Beiblatt vorlegt. Das muss aber nicht sein, und deswegen sind wir der Meinung,

dass das geändert werden müsste. Dort einen Teilhabepass vorzulegen wäre doch etwas.

Wir haben alle die Berichte gesehen, dass eine Behinderte, ein Mädchen mit Down-Syndrom, hingegangen ist und sich einen Schwer-in-OrdnungAusweis gebastelt hat, einfach um zu sagen, ich will das anders haben. Das ist eben diese Haltung der jungen Menschen, die deutlich machen wollen, wir wollen eine andere Kennzeichnung haben.

(Beifall FDP)

Wir haben alle miterlebt, dass im Nachbarland Hüllen gefertigt worden sind, die dann den Schwerbehindertenausweis überklebbar machen in einen Teilhabepass, in einen Teilhabeausweis, wie wir als Fraktion das auch jetzt gebastelt haben, um deutlich zu machen, wir wollen eine andere politische Haltung. Wir wollen auch, dass das anders wird und dass deutlich wird, dass wir einen Teilhabepass für richtig halten, weil diese Stigmatisierung wegfallen soll, aber das ist nur ein Überkleben, und das kann es am Ende nicht sein. Am Ende muss es eine andere Haltung und eine andere Benennung geben.

(Zuruf Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen])

Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele hat, als sie es noch war, auch die Umbenennung gefordert, und das Bremische Behindertenparlament hat sich im Dezember letzten Jahres auch dafür eingesetzt und mit Mehrheit beschlossen, einen Teilhabepass zu schaffen. Weil wir das richtig finden und diese Forderung des Behindertenparlaments unterstützen, fordern wir, eine Bundesratsinitiative von Bremen aus zu starten, denn wir sind nicht der Meinung, dass wir nur abwarten sollten, wie einige Fraktionen das sagen, sondern wir sollten weiter Motor sein und nicht nur Beifahrer.

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Es mag irgendwann möglich sein, dass es andere Vorzeigepflichten gibt, dass man das elektronisch regeln kann und so weiter. Bisher ist das noch nicht auf dem Personalausweis speicherbar oder auf der MIA-Karte, die man umsonst bekommt, wenn man entsprechende Rechte hat. Das ist alles nicht so geregelt. Deswegen muss es solche Übergangslösungen geben wie einen Teilhabepass und eben nicht nur solche Hüllen. Insofern wollen wir etwas tun, damit die jungen Menschen selbstbewusst durch

das Leben gehen können, und deswegen bitten wir um Unterstützung für unseren Antrag, den Schwerbehindertenausweis schnellstmöglich umzubenennen, und das eben in einem Prozess, der jedes Mal, wenn ein neuer Antrag gestellt werden muss – das ist in der Regel alle zwei Jahre der Fall –, dann auch nach und nach vollzogen wird, damit hier klar wird, wir wollen, dass die Menschen deutlich machen, welche Rechte sie haben. Dies wollen wir zum Ausdruck bringen und nicht warten, bis das Sozialgesetzbuch oder andere sich bewegt haben. Seien Sie Teil des Motors und seien Sie nicht weiter Beifahrer und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank!

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute den Antrag der Fraktionen der FDP und DIE LINKE mit dem Titel „Stigmatisierung verhindern. Schwerbehindertenausweis ersetzen. Teilhabepass einführen!“ Ich will es einmal so formulieren: Aus meiner Sicht erleben wir gerade oder haben doch auch in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft eine große Veränderung erlebt, die sich auf die Menschen mit einem Handicap der verschiedensten Art und Weise bezieht. Das Selbstbewusstsein dieser Menschen hat sich in den letzten Jahren deutlich positiv verändert.

Aufgrund dessen ist auch einzuordnen, dass es ein Stück weit eine Lawine ausgelöst hat, wie mein Vorredner auch schon gesagt hat, als diese Hanna aus Pinneberg mit dem Down-Syndrom sich einfach einen eigenen Ausweis gebastelt hat. Sie gesagt hat, ich will endlich wegkommen davon, dass ich einen Ausweis habe, der im Grunde genommen meine Schwächen besonders benennt, also dass ich behindert bin, schwerbehindert bin, eine schwere Behinderung habe, dass ich bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen kann, Hilfe und Unterstützung brauche und so weiter. Das ist eine Betonung der Negativseite dieses Menschen, und das hat diese Hanna meiner Meinung nach sehr, sehr deutlich erkannt und hat dem einen Schwer-in-OrdnungAusweis entgegengesetzt.

Dieser Schwer-in-Ordnung-Ausweis, oder auch das, was wir jetzt diskutiert haben, was das Behindertenparlament diskutiert hat, bedeutet, wir wollen einen Teilhabepass haben. So glücklich bin ich

mit dem Namen auch nicht, aber Teilhabe ist doch zumindest deutlich, es formuliert ein positives Recht. Ich habe einen Anspruch, an dieser Gesellschaft teilzunehmen, und dafür gibt es entsprechende Regeln, die ich mit diesem Ausweis einfordern kann. Ich finde, das ist ein Unterschied. Das eine ist die Betonung der Schwächen und das andere die Betonung eines positiven Rechts.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Deshalb finden wir, gemeinsam mit der Fraktion der FDP, lasst uns einfach einen Schritt machen. Wenn man in Behindertenkreisen, ich sage das noch einmal so, mit vielen Menschen spricht, muss man schon bemerken, dass diese Lawine, die diese Hanna losgetreten hat, bei sehr vielen läuft. Für ganz viele Menschen ist das irgendwie auch ein Licht am Horizont, dass sich etwas geändert hat. Ich komme jetzt noch einmal darauf, mein Vorredner hat es auch schon gesagt, es ist schon so, da muss man auch noch einmal hinschauen, und ich persönlich bin, so wie wir es auch beantragt haben, dafür, dass wir den Schwerbehindertenausweis einfach erst einmal in Teilhabepass umwandeln.

Das wird schwierig genug sein, unter anderem wegen der Bundesvorschriften, aber Niedersachsen zum Beispiel hat solch einen Weg gewählt, indem dort auch so eine Art Wettbewerb und ein Aufruf gestartet wurden und sie gesagt haben, wir wollen einfach so eine Hülle machen, in die der jetzige Schwerbehinderten- oder von mir aus auch Teilhabeausweis hineinkommt, aber den man außen noch gestalten kann, indem darauf meinetwegen Schwer-in-Ordnung-Ausweis oder irgendetwas anderes steht. Ich finde, das ist eine Möglichkeit, mit der auch der Kreativität freien Lauf gelassen werden kann, wo man einfach dieses neue andere Bewusstsein ein Stück voranträgt.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Abschließend will ich noch einmal sagen, ich war auch beim Behindertenparlament, es war eine knappe Entscheidung. Bei den zwei Gruppierungen, die sich da jetzt gegenüberstehen, habe zumindest ich das so identifiziert, dass ein Teil sagt, der Ausweis kann doch gar nicht Teilhabepass heißen. Das Gesetz, das dahinter steckt, garantiert uns keine Teilhabe, das ist viel zu wenig. Diese Personen sind einfach ganz viele Menschen, die sich schon seit Jahren engagieren, die in Behindertenorganisationen tätig waren, die schon zwanzig Jahre gekämpft haben und jetzt sagen, Teilhabe ist ja ganz schön, es ist ein modisches Wort, aber das

reicht uns nicht aus. Das ist die eine Gruppe, und die anderen sind in der Tat eher junge Menschen, die für sich sagen, ich bin es mir irgendwie einfach auch selbst wert.

(Glocke)

Ich möchte das endlich anders haben, ich möchte eine positive Betonung erreichen. Ich glaube, wenn man sich das aus der Perspektive ansieht – –. Ich habe dann auch mit Menschen diskutiert, die zu der ersten Gruppe gehören, die lange gekämpft haben, die gesagt haben, ja, in Ordnung, es könnte auch so gehen.

(Glocke)

Von daher glaube ich – und möchte mich der Fraktion der FDP anschließen –, Glück auf und voran, wir müssen das anpacken. – Danke!