Seit der vergangenen Woche liegen beim Bundesverfassungsgericht auch Klagen gegen den Einsatz der sogenannten Staatstrojaner im Strafverfahren vor. Die Staatstrojaner – und damit komme ich zu Ihnen, Herr Dr. vom Bruch! – sind ja auch ein zentraler Teil des vorliegenden CDU-Antrags zur Änderung des Bremer Polizeigesetzes.
(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Ich wollte nur darauf hinweisen, Bayern liegt ein bisschen weiter im Süden!)
Staatstrojaner, auch das haben wir schon oft genug diskutiert, sind Einbruchs- und Überwachungssoftwares, mit denen Ermittlungsbehörden Computer und Smartphones manipulieren, um die sogenannte Quellen- und Telekommunikationsüberwachung und die sogenannte Onlinedurchsuchung durchzuführen. Zu diesem Thema gibt es – darauf hat der Kollege Zenner hingewiesen – fast ein Dutzend Kleine Anfragen beim Bundestag, die fast vollständig der Geheimhaltung unterliegen. Das heißt im Klartext, die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber, aber auch die Richterinnen und Richter können in keiner Weise beurteilen, wie dieser staatliche Hackerangriff konkret ausgestaltet sein
soll, um das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme zu wahren.
Es stellt sich auch die Frage, wie die staatliche Hackingsoftware überhaupt in die Geräte kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir kennen ja nun alle – auch wir Abgeordneten – diese sogenannten Phishing-E-Mails, diese Betrugs-E-Mails vom unbekannten Onkel oder Telekomsimulationen. Da braucht man nur noch auf einen bestimmten Link zu klicken, und dann käme Geld, oder man hätte irgendwie sein Konto bei der Telekom gesichert. Beim Staatstrojaner läuft das aber natürlich etwas anders.
Die Justizministerkonferenz hat jüngst getagt und sich damit beschäftigt. In dem Beschluss heißt es, ich zitiere: „Die derzeit zulässigen Möglichkeiten“ – es ist etwas sperrig, das tut mir leid! – „zur Aufbringung der Software sind mit erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Problemen behaftet. Um die neuen Ermittlungsmaßnahmen effektiv und praxistauglich einsetzen zu können, erachten die Justizministerinnen und Justizminister die Schaffung eines gesetzlichen Betretungsrechts zum Zwecke der Aufbringung der Software als zielführende Alternative.“ Ich sage, das klingt etwas sperrig, aber kurz gesagt bedeutet das, die Polizei soll unerkannt in Wohnungen hineindürfen, um Computer und Smartphones mit der Schadsoftware zu infizieren.
Der FDP-Prozessbevollmächtigte in dem Verfahren gegen den Staatstrojaner kommentiert das, wie ich finde, zutreffend, und ich zitiere ihn: „Wenn heimlich in eine Wohnung eingebrochen werden darf, um Veränderungen an einem Computer vorzunehmen, dann erreicht das eine neue Qualität. Das erinnert an totalitäre Regime und Sabotageakte zwielichtiger Geheimdienste. Es wäre ein weiterer großer Verlust an Freiheit.“ Das sagte der Prozessbevollmächtigte der FDP, Nicolaos Gazeas, und ich finde, er hat völlig recht mit dieser Beurteilung.
Man kann daran gut sehen, dass einmal geschaffene Überwachungsmöglichkeiten eine Spirale immer weiterer Verschärfungen und Gesetzeserweiterungen auslöst: Damit die Überwachungsmaßnahme A in der Praxis funktioniert, muss noch eine Überwachungsmaßnahme B erlaubt werden und so weiter. Das ist eine Logik, ein sich verstärkender Prozess von Verschärfungen, und deswegen gibt es
auch so gut wie keine Beispiele, bei denen Parlamente Sicherheitspakete von sich aus einmal entschärft haben, da mussten immer die Gerichte nachhelfen. Diesen Trend lehnen wir LINKEN entschieden ab, und natürlich auch den Entwurf der CDU.
Über die Placebomaßnahmen von Videoüberwachungen und Fußfesseln haben wir hier auch schon oft gesprochen. Ich mache es deswegen an dieser Stelle kurz: Wie wir wissen, ist der Nutzen bei der Fußfessel sehr begrenzt. Im Mai 2014 – ich habe das Beispiel, glaube ich, hier schon einmal vor eineinhalb Jahren genannt – nahm ein per Fußfessel überwachter Islamist am Flughafen in Frankfurt einen Flug in die Türkei. Er konnte die Grenze nach Syrien völlig unbehelligt überqueren, und dort hat er sich dem IS angeschlossen. Die Behörden wussten dank der Fußfessel zwar, wo er ist, aber mehr auch nicht.
Fußfessel und Aufenthaltsverbote oder Kontaktverbote setzen, wie der Kollege Zenner es hier in den Zusammenhang gebracht hat, eine lückenlose personalintensive Eins-zu-eins-Überwachung voraus, die es in Bremen überhaupt nicht geben kann, denn über den Zustand der Personalstärke der Polizei wissen wir hier durchaus Bescheid.
Zum Thema Videoüberwachung kann ich hier noch einmal erwähnen – auch das habe ich hier schon wiederholt gesagt –, dass der Attentäter vom Breitscheidplatz in Berlin, Anis Amri, nachdem er den Anschlag begangen und zwölf Leute in den Tod gerissen hatte, breit lächelnd in eine Überwachungskamera gegrüßt hat. Weder die Überwachungskamera noch die Videoüberwachung haben aber den Anschlag verhindert. Die Videoüberwachung – auch das habe ich hier schon ein paarmal gesagt – kann bei der Aufklärung von Straftaten helfen, einen Abschreckungseffekt hat sie allerdings nicht, anders, als es hier suggeriert wird. So viel Wahrheit gehört dazu, das muss man der Bevölkerung auch sagen.
Ich möchte abschließend aber noch einmal einen Punkt erwähnen, über den in diesen ganzen Debatten kaum geredet wird. Verschärfungen der Polizeigesetze, wie die CDU sie überall fordert, verhindern in der Konsequenz leider oft Prävention. Menschen, die in Netzwerken oder in kriminellen Zirkeln sind, die Anschläge begehen wollen, werden sich natürlich auch hochrüsten, und sie werden sich
immer klandestiner verhalten. Ich fürchte, für Sicherheitsbehörden wird es dann schwieriger werden, Anschläge zu verhindern, von denen man Kenntnis bekommt, und wir wissen, es sind ein paar Anschläge verhindert worden.
Zweiter Punkt: Menschen, die aussteigen wollen, werden nicht mehr so leicht erreicht, und ich finde, darüber müsste man auch einmal nachdenken.
Unser Fazit: Wir halten das jetzige Polizeigesetz, das wir in Bremen haben, für völlig ausreichend. Wir werden einer Verschärfung nicht zustimmen, auch nicht, wenn die CDU drei Monate immer wieder die gleichen Forderungen aus ihrer Mottenkiste holt. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich mische mich hier einmal in dieses Wahlkampfgetöse der CDU ein, um auf das Grundsätzliche einzugehen, was die CDU und natürlich auch Teile der SPD mit der Gesetzesverschärfung bewirken wollen.
Grund- und Freiheitsrechte werden mit dieser Verschärfung massiv eingeschränkt. Das habe ich hier in früheren Debatten immer wieder deutlich gemacht, und die Menschen in Bremen haben auf diese Debatten reagiert. Motto: Freiheit statt Angst. So hat sich in Bremen ein Bündnis gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes gebildet, das Bündnis Brementrojaner. Ich bin eine der Sprecherinnen, habe das Bündnis initiiert, das aus zivilgesellschaftlichen Gruppen, Parteien und Einzelpersonen besteht. Es wächst kontinuierlich und weist auch immer wieder auf die fatalen Konsequenzen hin.
Ein weitreichender Ausbau staatlicher Videoüberwachung im öffentlichen Raum, diese verdrängt als teures Placebo Kleinkriminalität lediglich an andere Orte und setzt zugleich alle Menschen unter Beobachtung. Die Einführung elektronischer Fußfesseln zur lückenlosen Aufenthaltskontrolle mutmaßlicher Gefährder, welche Menschen kriminalisiert, die nicht unter einem konkreten Verdacht
stehen, sondern denen Straftaten lediglich zugetraut werden aufgrund unklarer Anhaltspunkte. Ein ganz entscheidender Punkt ist die massive Ausweitung der polizeilichen Überwachung von Computern und Smartphones, insbesondere durch heimlich eingeschleuste Schadsoftware, besser bekannt als Staatstrojaner.
All diese Vorhaben, ob von der SPD oder CDU, sind unzulässige Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitsrechte. Ich erinnere an die Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung hier in der Bremischen Bürgerschaft im Mai dieses Jahres. Trügerische Sicherheit hieß der Titel. Der Chef des Bremer Verfassungsschutzes stellte klar, dass das verfassungskräftige Trennungsgebot der Aufgaben und Befugnisse zwischen Polizei und Geheimdienst in Gefahr ist, etwa
wenn die Polizei Online-Durchsuchungen durchführt und Staatstrojaner einsetzt, um scheinbar Verdächtige weit im Vorfeld strafbarer Handlungen zu überwachen. Der Gesetzentwurf zielt nicht nur auf Terrorverdächtige, sondern auf jeden. Wir alle können ohne konkreten Verdacht überwacht werden, wie nur zum Beispiel der Autor Marc-Uwe Kling, der mit einem kommunistischen Känguru zusammenwohnt in einer Wohngemeinschaft. Nach eigener Aussage hat das kommunistische Känguru aufseiten des Vietcongs gekämpft, will das System umstürzen und betreibt einen Boxclub – als Romanfigur in der Fiktion seiner Bücher, was aber missverstanden werden könnte und zum Gegenstand von Überwachung wird.
Marc-Uwe Kling hat übrigens zusammen mit zwei Bremern, den Rechtsanwälten Rolf Gössner und Helmut Pollähne, unter dem Dach von Digitalcourage kürzlich Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz von Bundesstaatstrojanern eingelegt. Begründung: Staatstrojaner sind für sie, und das ist auch voll und ganz meine Meinung, digitale Waffen, mit denen der Staat heimlich IT-Systeme, Computer und Smartphones ausforschen kann. Die Polizei bricht damit in die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte ein, in informationelle Selbstbestimmung und in die Meinungsfreiheit der Betroffenen. Ein schwerer Eingriff in die Grundrechte, es ist die digitale Totalüberwachung. Ich merke an, es war insbesondere das Bündnis Brementrojaner, das Bremen auf die gravierenden Auswirkungen des Polizeigesetzentwurfes hingewiesen hat und meine Haltung hier im Parlament unterstützt. Die Grünen zogen danach die Reißleine, und die CDU
nutzt jetzt die Gunst der Stunde. Arm in Arm mit dem Entwurf des SPD-Innensenators zielt die CDU bewusst darauf,
(Abgeordneter Tschöpe [SPD]: Das ist er nicht! – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das ist er ja nun einmal nicht!)
durch angstmachende Fantasien einer angeblich erhöhten Terrorismusgefahr in Bremen die Bremer Polizei zu schwerwiegenden Eingriffsrechten zu ermächtigen. Da bin ich jetzt wieder beim Wahlkampfgetöse. Die CDU zielt darauf, Zwist in der rot-grünen Koalition zu schüren. Aber, meine Damen und Herren, massive Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte dürfen kein Gegenstand von Wahlkampfgetöse sein.
Auch wenn Sie jetzt massiv widersprechen sollten: Wir sind auf dem Weg in einen Überwachungsstaat, und viele hier im Parlament unterstützen das, und auch Teile der SPD gaukeln uns mit diesen Gesetzesentwürfen vor, die angebliche Terrorismusgefahr in den Griff zu bekommen. Ich nenne das Sicherheitsfolklore zulasten unserer Freiheitsrechte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Wendland, von Folklore verstehen Sie wahrscheinlich mehr als ich, und von Wahlkampf, glaube ich, vielleicht auch.
Wenn man sich Ihre Biografie so ein bisschen anschaut und Ihre Wanderungsbewegungen, ich glaube, dann wissen Sie schon genau, wie es geht, wie man einzelnen Menschen nach dem Mund redet und eben nicht bereit ist, Gesamtverantwortung für die Bremerinnen und Bremer zu übernehmen
Ich will zum Verlauf der Debatte nur einige wenige Anmerkungen machen! Der erste Vorwurf, der uns gemacht wurde, ist, dass der CDU-Entwurf handwerkliche Fehler hätte: Herr Senkal, ich habe das
jetzt nicht im Einzelnen überprüft, aber ich bin ein Mensch, der sagt, Menschen machen Fehler, ich will nicht ausschließen, dass es darin handwerkliche Fehler gibt.
Das kann vielleicht auch dazu führen, dass man es nicht so beschließen kann, wie wir es jetzt vorgelegt haben, aber, Herr Senkal, handwerkliche Fehler einer anderen Fraktion als Ausrede dafür zu nehmen, selbst nichts vorzulegen, das finde ich ehrlicherweise sehr scheinheilig.
Wenn Sie sagen, unseren Entwurf kann man so nicht beschließen, dann halten Sie sich doch an das, was Sie selbst beschlossen haben!
Dann bringen Sie doch den Gesetzentwurf ein, den Sie für beschlussfähig halten! Dann beschäftigen Sie das Parlament doch mit dem, was Sie selbst versprochen haben, aber zu sagen: Nein, wir machen gar nichts – Sie machen gar nichts! –, und deswegen können wir das, was die CDU vorlegt, nur alternativlos ablehnen,
das ist ehrlicherweise eine Spur von billigem Machtgehabe, das in diesem Parlament auch nicht richtig aufgehoben ist.
Nein, Herr Senkal! Zum Einbringen gehört erst einmal, dass der Senat das umsetzt, was das Parlament ihm als Auftrag gegeben hat, übrigens mit Ihren Stimmen. Darin steht: Der Senat wird aufgefordert, bis zum dritten Quartal – das ist nun wirklich vorbei! – einen Gesetzentwurf vorzulegen. Nun kann es ja sein, dass Sie sagen, ich habe nichts dagegen, wenn der Senat nicht das macht, was das Parlament beschließt, aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich finde, dass ein Senat das zu tun hat, was das Parlament beschließt, und zwar unabhängig von politischen Opportunitäten.