Aber als weiteres Beispiel: Sie verwenden die schwache Subsidiaritätsklausel in Ihrem Entwurf, wenn Sie beispielsweise die Herausgabe von Bild- und Tonaufzeichnungen schon ermöglichen wollen, wenn die Abwehr einer Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert würde. Warum orientieren Sie sich da nicht wenigstens an der Wohnraumüberwachung der Strafprozessordnung, die dieses nur erlaubt, wenn die Erforschung des Sachverhalts unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre? Das sind auch Sachen, über die man inhaltlich diskutieren kann.
Ich möchte auf zwei Punkte noch abheben, die mir wesentlich sind. Es macht, glaube ich, keinen Sinn, in die einzelnen Vorschriften einzutreten, weil der Gesetzentwurf in dieser Form ohnehin keine Zustimmung finden wird. Uns sind Videoüberwachung und Telekommunikationsüberwachung daneben wichtig. Das sind eigentlich die Knackfelder. Auf den anderen Feldern werden wir überall ganz schnell eine Einigung bekommen. Sie haben ja einen § 29a eingeführt, in dem Geschäftsinhaber verpflichtet werden sollen, Aufnahmen, die bei ihnen gemacht werden, herauszugeben. Damit haben wir Probleme, weil das eine Arztpraxis betreffen kann, ein Anwaltsbüro betreffen kann. Wir haben Probleme damit. Ist das verhältnismäßig, dass man das machen kann?
Aber entscheidend ist, zur Videoüberwachung noch einmal folgende Bemerkung: Wir haben ja um den Bahnhof herum Videoüberwachung gehabt, ohne wesentlichen Erfolg.
Wir haben jetzt auferlegt bekommen, aus Mitteln von etwa einer Million Euro eine neue Videoanlage im Bereich Bahnhof, im Bereich Bahnhofstraße, Haltestellen einzurichten. Wir sagen, Sie haben in der Vergangenheit versäumt, die Polizei personell anständig auszustatten. Das werfen wir Ihnen seit vielen Jahren vor, und ich habe heute das erste Mal vom Senat durch Herrn Fecker gehört: Das war ein Fehler.
Das Wichtigste ist, nicht immer nur über diese technischen Themen nur zu debattieren, sondern wir brauchen Polizei in Person, die auch vor Ort auftritt. Das schafft Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung, und das schreckt potenzielle Kriminelle ab
und das müssen wir wollen. Die Polizei muss personell besser ausgestattet werden, und da komme ich mit meinem Schlenker zur Videoüberwachung zurück. Videoüberwachung kann nicht dazu führen, dass es als Beruhigungspille gilt, dass wir die Fläche überwachen und dann möglichen Vorfällen hinterherlaufen, sie irgendwann aufzeichnen und dann hinterherlaufen. Das ist keine Prävention. Dann sind die Täter verschwunden. Das reicht nicht.
Sondern Sie brauchen erst einmal die permanente Bildschirmüberwachung, aber Sie brauchen dann auch, wenn ein Vorfall akut wird, die unmittelbare Information an einen Beamten, nach unserer Vorstellung vor Ort am Bahnhofsplatz, der gleich den Zugriff machen kann. So muss Videoüberwachung laufen, nicht, dass wir irgendwelche Fernsehaufnahmen machen und uns irgendwann später einmal darüber unterhalten, was dort abgelaufen ist. Dann ist alles zu spät. Polizei vor Ort, Videoüberwachung als Unterstützung und die Kombination zwischen Videoüberwachung, Bildschirmüberwachung und unmittelbarer Informationen an die Beamten vor Ort, das ist anständige Videoüberwachung. Und da ist der Zugriff durch die Polizei unmittelbar garantiert.
Das zur Videoüberwachung. Dass wir mobile Videoüberwachung für sinnvoll halten, hatte ich auch schon das eine oder andere Mal ausgeführt. Das macht Sinn, neu entstandene Kriminalitätsschwerpunkte so auszutrocknen. Da ist man flexibel, das ist eine gute Überlegung, die man hat.
Jetzt noch einmal zu unserem IT-Grundrecht. Sie wissen und haben ja mitbekommen, dass einige Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion und ein paar altgestandene Liberale, die mit Bürgerrechten seit Jahrzehnten unterwegs sind – LeutheusserSchnarrenberger, großer Lauschangriff, das kam auch schon einmal vor, Gerhart Baum oder Herr Dr. Hirsch – das Thema Staatstrojaner, Telekommunikationsüberwachung beim Bundesverfassungsgericht noch einmal zum Thema machen werden, und wir halten dies für einen guten und richtigen Weg, und zwar deshalb: Es kommt nicht nur darauf an, Polizei als Kavallerie auszustatten, dass sie alle Möglichkeiten hat, sich durchzusetzen, sondern wir wollen auch, dass die Maßnahmen, die die Polizei bekommt und die sie einsetzen kann, dass sie verfassungsrechtlich halten. Das ist wichtig.
Es macht keinen Sinn, etwas durchzuführen, und im Anschluss wird man, weil sich Leute dagegen gewehrt haben, darüber belehrt, dass das rechtswidrig war. Das ist nicht unser Ding, sondern es macht hier Sinn, dass dieses IT-Recht, das 2008 einmal vom Bundesverfassungsgericht geschaffen worden ist, anerkannt worden ist. Dann gibt es die neue BKA-Entscheidung aus dem Jahr 2016. Wie halten wir es also mit dem Grundrecht auf Gewährleistung, Vertraulichkeit, Integrität von informationstechnischen Diensten? Das ist bei dieser Telekommunikationsüberwachung das eigentliche Hauptthema, und das ist das, was hier gelöst werden muss. Da bieten Sie keine Lösung an, auch nicht einmal eine Position in einer Diskussion. Da hätten wir wirklich erwartet, dass Sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Das betrifft alle Bürger. Wenn irgendwo ein Trojaner eingeschaltet wird, können Tausende von Menschen davon betroffen sein, nicht nur der Gefährder, nicht nur der Kriminelle, sondern das geht in alle möglichen anderen Richtungen, und da müssen wir technisch sicherstellen, dass andere Menschen, die mit diesem Thema gar nichts zu tun haben, davon nicht betroffen sind. Da muss es technische Vorgaben geben, dass man dieses einschränken und begrenzen kann. Darüber ist bisher nichts von Ihnen dargelegt worden, und es ist nach meinen Informationen so, dass bisher die Bundesregierung auch auf Anfragen der FDP zu diesem Thema, nicht in der Lage
Man hat sich dann auf ein Staatsgeheimnis berufen oder dass man den Verhandlungserfolg dadurch gefährden würde. Geht das? Kann man so als Staat gegenüber den Bürgern agieren, oder muss man so viel Auskunft erteilen, dass jeder weiß, was durch einen solchen Eingriff auf ihn zukommen kann oder auch auf alle anderen unbeteiligten Dritten? Jeder, der einmal ein Handy verloren hat, weiß, dass es nicht nur um ein Telefon geht, sondern dass da sehr viele persönliche Daten gespeichert sind, in die dann jeder hineinsehen kann, obwohl man mit der Tat gar nichts zu tun hat. Hier brauchen wir ein sicheres Gerüst, und deswegen ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit diesem Thema noch einmal befassen muss.
Abschließende Bemerkung, wenn Sie so wollen, in erster Runde: Wir wollen die personelle, sachliche Ausstattung der Polizei verbessert wissen. Da haben Sie auch erheblichen Nachholbedarf von der CDU, das müssen Sie auch einmal zugeben. Wir wollen mehr Polizeipräsenz im öffentlichen Raum, Videoüberwachung sehr maßvoll und mit sofortigem Eingriff. Kontakt-, Aufenthaltsverbote, -gebote kombiniert mit der Fußfessel, eine Regelung für Bodycams, die sicher ist, und eine verfassungsrechtlich sichere Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ.
Nur, wenn das gewährleistet ist, kann man ein Polizeigesetz verabschieden und kann man auf diesem Polizeigesetz polizeiliche Maßnahmen ergreifen. – Danke schön!
Wir haben das jetzt so gemacht: Nach Geschäftsordnung sind es 20 Minuten Redezeit, das heißt eigentlich zehn Minuten, fünf Minuten, fünf Minuten. Aber wir haben das nicht unterbrochen bei der Einführungsrede von Herrn Röwekamp, der hat 14 Minuten geredet. Jetzt haben wir das bei Herrn Zenner auch so laufen lassen. Herr Zenner, Sie haben jetzt nur noch zwei Minuten für eine mögliche, nicht vorhandene zweite Runde. Das entscheide ich aber nicht hier oben, oder wir. Aber ich wollte Sie nur einmal darauf hinweisen, dass wir das geöffnet haben, weil wir das bei diesem wichtigen Punkt nicht unterbrechen wollten. Das war der Grund.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bürgermeisterin, der Präsident hat uns vorhin darauf hingewiesen, dass Sie heute einen runden Geburtstag feiern. Deshalb auch von mir ganz herzlichen Glückwunsch!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Röwekamp! Ich kann ja nachvollziehen, dass Sie sich die Hände gerieben und gedacht haben, da legen wir noch einmal nach. Ich muss ja zugeben, menschlich ist das nachvollziehbar, wir haben das ja mit dem Antrag zum Cannabis damals auch gemacht.
Allerdings wurde dann der Antrag zum Cannabis der rot-grünen Koalition eingebracht und nicht so ein unsinniges Konglomerat von Dingen, die Sie aus anderen Polizeigesetzen abgeschrieben haben, das hat ja der Kollege Senkal hier eben schon gesagt. Deshalb frage ich mich: Wie ernst haben Sie eigentlich Ihren eigenen Antrag gemeint?
Herr Röwekamp und Herr Zenner, Sie haben hier in Ihren Reden eingangs teilweise das Bild eines nicht handlungsfähigen Staates beschworen,
und ich möchte einmal sagen, das ist ein bisschen postfaktisch. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit so wenige Straftaten wie seit 25 Jahren nicht mehr. Gemessen an der Bevölkerungszahl war das im Jahr 2017 auch im Land Bremen so, es war nämlich das sicherste seit 1993.
Ich finde, das muss man einmal zur Kenntnis nehmen, bevor man so argumentiert, wie Sie hier begonnen haben,
denn bei allen Debatten, die wir in dieser Legislaturperiode permanent von Ihnen bekommen – zu Videokameras, Fußfesseln, Präventivgewahrsam, Kommunikationsüberwachung –, geraten diese Zahlen der Polizeikriminalstatistik nämlich regel
mäßig aus dem Blick. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir das tatsächlich einmal geraderücken und die Grundlage dessen nehmen, worüber wir hier eigentlich reden.
Ich möchte auch eines vorweg sagen: Sicherheit ist nicht in erster Linie eine Frage der gesetzlichen Befugnisse. Verschärfungen der Gesetze, wie sie aktuell in vielen Landesregierungen beschlossen wurden oder geplant sind, bringen nämlich nicht zwingend mehr Sicherheit, und ich möchte Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel nennen: Das Sächsische Versammlungsgesetz ist eines der repressivsten dieser Republik. Was da aber in Chemnitz passiert ist oder jeden Montag in Dresden, das spottet jeder Beschreibung,
und da muss man einfach einmal sagen, dass dieser rechte Mob vom Sächsischen Versammlungsgesetz – dem schärfsten in der Republik – offensichtlich ganz wenig beeindruckt ist, und das befürchte ich auch bei Verschärfungen des Polizeigesetzes.
Was die CDU hier heute vorlegt, schränkt die Grundrechte massiv ein, und ich kann keinen Nutzen erkennen. Wir haben diese Debatte hier wirklich schon fünf- oder sechsmal geführt. Mehr Sicherheit wird Ihr Vorschlag nicht bringen, und er ist absolut unverhältnismäßig.
Ich gehe einmal auf das Beispiel Bayern ein, das natürlich in seinem Polizeigesetz, das sie dort vorgelegt haben, wesentlich weiter ging als das, was Rot-Grün vorgelegt hat und auch noch weiter als das, was Sie von der CDU hier vorgelegt haben.
Landtag bezeichnete ein Sachverständiger den Gesetzentwurf als den schärfsten seit 1945. Angeblich ging es bei dem Vorhaben in Bayern um sogenannte Gefährder aus dem Bereich Terrorismus. Tatsächlich wird die verschärfte bayerische Unterbringungshaft bislang elf Mal gegen Menschen eingesetzt, die allesamt keinen Terrorbezug haben, und das Ganze geschieht ohne Anklage und für eine Dauer von bis zu drei Monaten. Außerdem wurden im Polizeiaufgabengesetz in Bayern gesetzlich noch diverse Überwachungsmethoden verankert, für die es teilweise überhaupt noch keine technischen Anwendungsmöglichkeiten gibt. Man erlaubt das alles im parlamentarischen Verfahren, bevor man überhaupt eine konkrete Wirkung seriös beurteilen kann, und das ist keine Verantwortungspolitik, die sich an Fakten orientiert, sondern das ist aus unserer Sicht eher gefährlich und populistisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz liegen jetzt schon diverse Verfassungsbeschwerden vor, und das begrüßt DIE LINKE ausdrücklich.
Seit der vergangenen Woche liegen beim Bundesverfassungsgericht auch Klagen gegen den Einsatz der sogenannten Staatstrojaner im Strafverfahren vor. Die Staatstrojaner – und damit komme ich zu Ihnen, Herr Dr. vom Bruch! – sind ja auch ein zentraler Teil des vorliegenden CDU-Antrags zur Änderung des Bremer Polizeigesetzes.