Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

in die Nähe von nationalsozialistischen Verbrechen stellt, dass zu akzeptieren ich auch von der LINKEN nicht bereit bin, ich will das ausdrücklich so sagen!

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Die Antwort der Grünen ist viel einfacher als unsere. Die Antwort der Grünen auf den Zustrom, der uns vor große Herausforderungen stellt, lautet ganz einfach: Kommet alle, wie viele ihr auch immer seid, nach Deutschland! Es ist nur eine Frage des Geldes, wir bezahlen das schon.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir schaffen das!)

Wer so denkt, ist so weit von den Menschen in Bremen und Bremerhaven entfernt, dass er sich in diesem Parlament eigentlich überhaupt nicht mehr zu Wort melden soll. Wie sieht denn Ihre Lösung aus?

(Beifall CDU – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wir schaffen das, Herr Röwekamp! – Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Ihre Kanzlerin!)

Ja, wir schaffen es, in diesem Jahr in Deutschland rund eine Million Menschen aufzunehmen. Davon bin ich fest überzeugt. Ich sage aber genauso deutlich, wir schaffen es nicht jedes Jahr, eine Million, zwei Millionen oder drei Millionen zugewanderte Menschen in unsere gesellschaftlichen Systeme zu integrieren. Das ist keine Frage des Geldes. Das ist einfach eine Frage der Kapazitäten in Schule, Kindergarten, Bildung, Arbeitsmarkt und Integrationsfähigkeit unserer Bevölkerung. Sie reden an den Menschen vorbei, Deutschland schafft einfach nicht, was Sie den Menschen versprechen und vorgaukeln!

(Beifall CDU, ALFA)

Ja, Europa schafft das. Wenn sich alle Länder in Europa so solidarisch und vorbildlich verhalten würden wie Deutschland, dann würden wir das Problem in Europa lösen. Europa kann eine Million, zwei Millionen oder drei Millionen Menschen vertragen, die vor Verfolgung und Vertreibung in ihrem Land und meinetwegen teilweise auch deshalb fliehen, weil es ihnen elend geht und sie diskriminiert werden. Deutschland schafft es aber entgegen dem, was Sie zu vermitteln versuchen, nicht, das Problem auf Dauer allein zu lösen.

(Beifall CDU)

Wir reden heute aber nicht darüber, was wir in Europa tun wollen. Ich bin froh, dass das Verhandlungstalent für diese Fragen bei der Großen Koalition in Berlin liegt. Ich bin ganz sicher, Angela Merkel und Frank

Walter Steinmeier werden dafür sorgen, dass wir in Europa zu einer gerechteren Verteilung von Flüchtlingen kommen werden und dazu jetzt auch der Druck vorhanden ist, um verbindliche Vereinbarungen zu treffen.

Wir müssen uns aber doch so lange überlegen, was wir national in Deutschland machen können. Auch hier zitiere ich wieder Herrn Gabriel und Herrn Steinmeier aus dem „Spiegel“-Artikel. Der sagt in Bezug auf den Kompromiss vom 24. September:

„Deutschland hat gehandelt. Länder und Kommunen werden entlastet. Wir haben mit dem Asylpaket nationale Voraussetzungen geschaffen, um vor allem den wirklich Schutzbedürftigen helfen zu können. Unsere rechtsstaatliche Kultur mitsamt den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten werfen wir dabei nicht über Bord.“

Beide haben Recht. Niemand schränkt Grundrechte ein. Niemand will dafür sorgen, dass wir unsere Kultur Flüchtlingen gegenüber aufgeben. Wir werden Sie auf Dauer aber nur dann gewährleisten können, wenn wir uns auf die konzentrieren, die wirklich verfolgt sind, die wirklich aus Bürgerkrieg, Flucht und Vertreibung kommen und wenn wir nicht jedem Zuflucht gewähren, der hier in Deutschland auch nur an die Tür klopft. Das funktioniert eben gerade nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, ALFA)

Lassen Sie mich noch einen Satz zu sicheren Herkunftsstaaten sagen! Wie bekommen Sie das eigentlich auf die Reihe, Frau Dr. Schaefer? Wir reden bei Serbien und Montenegro über zwei Beitrittskandidaten der Europäischen Union. Wir reden bei der Türkei, die bei Ihnen eine sehr kritische Rolle gespielt hat, über einen Staat, bei dem die Grünen noch Anfang der 2000er-Jahre die Bundesregierung massiv dafür gescholten haben, dass wir ihn nicht endlich in die Europäische Union aufgenommen haben. Sie wollen diese Menschen in unsere Wertegemeinschaft der Europäischen Union aufnehmen und sagen aber gleichzeitig, es gibt so massive Menschenrechtsverletzungen vor Ort, dass wir sie nicht zu sicheren Herkunftsstaaten erklären können. Was ist das eigentlich für ein Spagat, den Sie in Ihrem Kopf organisiert bekommen?

(Beifall CDU, FDP – Unruhe Bündnis 90/Die Grünen)

Entweder sind es Menschen, die reif sind, und Regierungen, die reif sind, zu uns in der Europäischen Union zu gehören, oder nicht. Wenn ja, dann muss ich sie auch in der Flüchtlingspolitik solidarisch aufnehmen können. Diese Menschen aus Serbien und Montenegro können visumfrei nach Deutschland kommen, und Sie sagen, das seien keine sicheren Herkunftsstaaten? Das ist ein gedanklicher Spagat, den man nur hinbekommt, wenn man jahrelang bei den

Grünen irgendwie unterwegs gewesen ist und sich schöne Menschenrechtsreden angehört hat.

(Zurufe Bündnis 90/Die Grünen)

Das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun!

(Beifall CDU)

Ich wehre mich entschieden

(Abg. Tuncel [DIE LINKE]: Wir auch!)

dagegen, dass Sie die einzige Partei in Deutschland sind, für die Flucht, Vertreibung und Menschenrechte ein Thema sind! Unsere Partei mit unserer christlichen Verantwortung gibt es schon viel länger als die Grünen, sehr geehrte Frau Dr. Schaefer.

(Zuruf Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen])

Wir haben schon viel mehr Menschen Zuflucht und Schutz geboten, als es den Grünen in ihrer noch vor ihnen liegenden Zeit möglich ist. Von Ihnen brauchen wir keine Belehrungen in Fragen der Menschenrechte und Grundrechte, sehr geehrte Frau Dr. Schaefer. – Danke!

(Beifall CDU – Zuruf Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, Sie brauchen keine Belehrungen von mir, ich brauche, glaube ich, auch keine Belehrungen von Ihnen!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Was mich vorhin an Ihrem ersten Redebeitrag schon geärgert hat, war das Wort Konsensfähigkeit. Wir wären nicht konsensfähig, da frage ich mich, wer definiert denn Konsensfähigkeit? Ist man nur konsensfähig, wenn Ihnen das Ergebnis genehm ist? Darunter verstehe ich nicht Konsensfähigkeit.

Sie haben gesagt, wir würden unterstellen, dass das Gesetz rechtswidrig sei. Das hat hier keiner bemängelt, Herr Röwekamp.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Doch! Frau Dogan! Verfas- sungswidrig hat sie gesagt!)

Sie haben von einem Geben und Nehmen gesprochen. Ein Kompromiss ist ein Geben und Nehmen, haben Sie gesagt, aber manchmal – –.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Mit Verlaub, Frau Dr. Schae- fer, das ist eine Lüge! – Unruhe)

Herr Röwekamp, für uns ist vielleicht manchmal dann auch das Geben und Nehmen nicht mehr im Ausgleich, deshalb – –.

(Glocke)

Ich bitte darum, die Emotionen ein wenig herunterzufahren. Das tut uns, glaube ich, allen gut.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ich nehme das Wort Lüge zurück! Das war unwahr!)

Aus dem Grund haben wir Grünen in Bremen beschlossen, dass wir dieses Gesetz nicht mittragen können. Herr Röwekamp, wir sind ja auch nicht allein in Deutschland, in Thüringen gibt es einen Kabinettsbeschluss,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, das ist die Krönung!)

der besagt, dass man sich im Bundesrat enthalten soll. Brandenburg wird sich enthalten, und die Niedersachsen sitzen gerade aktuell in einem Koalitionsausschuss, um auch zu beraten, ob sie sich morgen im Bundesrat enthalten, also können Sie doch nicht sagen, dass die Grünen hier in Bremen die Einzigen sind, die sich dem Gesetz kritisch entgegenstellen und dazu führen, dass man sich im Bundesrat enthält. Es gehört im Übrigen auch zu einer Demokratie dazu, dass es, wenn man sich nicht einig ist, Instrumente wie eine Enthaltung gibt.

Wenn Sie behaupten, wir würden hier sagen, kommet doch alle! Es ist doch Ihre Bundeskanzlerin, Herr Röwekamp, die sagt, kommt herbei, wir schaffen das!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Sie jedoch sagen, nein, wir schaffen es nicht. Das ist dann auch eine self-fulfilling prophecy. Sie stellen Ihre eigene Bundeskanzlerin infrage.

(Widerspruch CDU)

Sie stellen unsere Demokratiefähigkeit infrage, und damit habe ich ein Problem! Noch einmal: Ich bleibe dabei, wir haben die Gründe benannt, weshalb wir dieses Gesetz nicht mittragen können, und wir werden es auch nicht mittragen. Herr Röwekamp, wirklich – –.

(Zuruf: Er ist ärgerlich!)

Ja, da kann man sich fragen, warum er so ärgerlich ist, aber Demokratiefähigkeit, und Regierungsfähig