Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Lübke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Überschrift klingt ja erst einmal ganz harmlos: „Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung für Beamtinnen und Beamte“. Wenn man sich die Mitteilung des Senats zu dem Antrag dann etwas genauer anschaut und tiefer einsteigt, wird sehr schnell klar, was sich dahinter verbirgt, wie im Übrigen in Hamburg auch: das langsame Ausbluten der privaten Krankenversicherung und die Einführung der Bürgerversicherung sozusagen durch die Hintertür. Das haben Sie ja gerade auch gesagt, es soll der erste Schritt dahin sein.

(Abgeordneter Pirooznia [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist keine Hintertür, würde ich sagen!)

Denn das passiert natürlich, wenn immer mehr Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln: Die PKV wird dementsprechend teurer und ist dann nicht mehr attraktiv und, wie ich eben schon gesagt habe, wird nicht mehr existent sein. Meine Damen und Herren, das überrascht Sie auch nicht, ich kann jetzt schon einmal

ganz deutlich sagen, wir als Fraktion der CDU machen das nicht mit.

(Beifall CDU, FDP)

Getragen ist die Idee der Bürgerversicherung oder die Öffnung dahin von den Zielen größerer Verteilungs- und Finanzierungsgerechtigkeit. Wer mehr hat, soll mehr zahlen, und niemand soll sich dem entziehen dürfen, wie es aktuell der Fall ist. Die weiteren Argumente sind: privat Versicherte zahlen mehr für die Behandlung, deswegen werden sie bevorzugt, sie bekommen frühere Termine, in Kliniken operiert sie der Chefarzt und so weiter, während Kassenpatienten länger auf Termine warten und sich mit Mehrbettzimmern zufriedengeben müssen. Wieso das Ganze nicht aufheben und alle gemeinsam versichern? Alle bekommen die gleiche Gesundheitsversorgung und zahlen dafür in die Versicherung je nach Einkommen ein. Der rotgrüne Traum von der Bürgerversicherung, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Traum sollte besser nicht in Erfüllung gehen.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Wir als Fraktion der CDU sind davon überzeugt, die Bürgerversicherung oder die Öffnung des Systems ist eine Scheinlösung, sie würde das deutsche Gesundheitssystem keinesfalls billiger, gerechter oder besser machen. Ganz im Gegenteil, es würde schlechter werden nach einem jahrelangen, teuren Umbau. Meine Damen und Herren, 27 Prozent der Einnahmen der niedergelassenen Ärzte werden von den rund 10 Prozent in Deutschland versicherten Privatpatienten generiert. Das heißt, wenn man die Privatpatienten in die GKV integriert, muss sich die Bezahlung der Ärzte erheblich erhöhen, wenn man nicht will, dass massenweise Praxen insolvent werden.

(Beifall CDU, FDP)

De facto ist es heute schon so, dass Privatpatienten mit den deutlich höheren Honoraren, die sie den Ärzten zahlen, die Kassenpatienten quasi quersubventionieren, –

(Abgeordnete Sprehe [SPD]: Das ist doch nicht der richtige Weg!)

auch zum Beispiel durch medizinischen Fortschritt. Gesetzlich Versicherte bekommen eine relativ gute Gesundheitsversorgung zu im Durchschnitt relativ günstigen Preisen. Warum sollen Ärzte und Krankenhäuser ihre Patienten eigentlich besser behandeln, nur weil die Kassen ihre Beitragsgelder nach einem neuen System einsammeln? Eine Bürgerversicherung dürfte eher zu schlechteren Behandlungen führen, weil es keine private Konkurrenz und damit keinen Wettbewerb gibt.

(Beifall CDU, FDP)

Die Bürgerversicherung ist damit letztendlich ein Konzept zur Einführung der von Ihnen beklagten Zweiklassenmedizin mit noch viel gravierenderen Ungerechtigkeiten. Wir als Fraktion der CDU halten es für besser, gerechter und auch wirtschaftlich für sinnvoll, das bestehende System zu verbessern, mehr echter Wettbewerb wäre auch hier ein vernünftiger Ansatz.

(Beifall CDU, FDP)

Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal stellvertretend für viele weitere Standesvertreter den Präsidenten der Ärztekammer, Herrn Prof. Ulrich Montgomery zitieren. „Wer die Bürgerversicherung will, startet den Turbolader in die Zweiklassenmedizin.“

(Unruhe Plenum)

Das hat er gesagt. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Das Gesundheitssystem wird erstens ganz sicher nicht billiger werden. Zweitens, die Frage nach der Gerechtigkeit kann man unterschiedlich bewerten. Drittens, es gibt einen Punkt, der ganz eindeutig dafür spricht, das jetzige System beizubehalten, und das ist der Wettbewerb. Das Gesundheitssystem wird durch eine Bürgerversicherung nicht besser an Versorgungsleistungen.

Problematisch ist bei Ihrer Einführung des Systems natürlich auch der Wechsel der Beamtinnen und Beamten zwischen den Bundesländern, der wird deutlich erschwert. Während in Berlin die Bürgerversicherung erledigt ist, will Bremen einen politischen Alleingang wagen, dessen Folgen finanziell und auch bundesweit noch gar nicht geprüft sind, und das Ganze ist auch, finde ich, verfassungsrechtlich bedenklich. Wer die private Krankenversicherung abschafft, schafft den Wettbewerb ab. Herzlich willkommen in der Staatsmedizin samt

Wartezeiten und Leistungskürzungen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Prof. Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Dehne und Herrn Pirooznia dankbar für ihre offenen Redebeiträge, denn es geht ihnen eigentlich gar nicht darum, Wahlmöglichkeiten zu schaffen.

(Beifall CDU)

Es geht ihnen darum, die Bürgerversicherung über die Hintertür einzuführen.

(Beifall FDP, CDU – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das wäre schön!)

Das haben Ihre Kollegen in Hamburg ja bereits gemacht. Was mich ein bisschen erstaunt, ist eigentlich, dass Sie das hier im Hauruckverfahren machen wollen. In Niedersachsen oder auch in Hamburg wurde das zunächst in den Ausschüssen beraten. In Niedersachsen gibt es eine Anhörung. Ich habe in diesem Zusammenhang das „niedersachsen magazin“ des NBB Niedersächsischer Beamtenbund und Tarifunion gefunden. Die Mitglieder sind ja der Personenkreis, denen Sie anscheinend helfen wollen.

Gesundheit, ich hoffe, Sie sind gut versichert!

(Beifall CDU – Abgeordneter Rupp [DIE LINKE]: Ich glaube, das ist eine Phrasenallergie!)

Zurück, es ist ein ernstes Thema, das wir besprechen. Es geht Ihnen an dieser Stelle nicht um die Beamtinnen und Beamten. Ich glaube, sowohl in Hamburg als auch in Niedersachsen sind die Positionen des Deutschen Beamtenbundes eindeutig. Sie lehnen diese Möglichkeiten ab, diese Wahlmöglichkeiten, denn es ist der Einstieg zur Bürgerversicherung. Es ist ein Ende der derzeitigen medizinischen Versorgung, wie sie vorliegt. Was ist die Folge, wenn Sie zur Einheitsversicherung übergehen? Ich sage Ihnen: Das Gesundheitssystem kann auf die Gelder, die aus den privaten Krankenversicherungen in das System fließen, nicht verzichten.

(Beifall FDP)

Das Gesundheitssystem lebt auch zum Teil von den Geldern, die aus den privaten Versicherungen dort hineinfließen. Wenn Sie das ändern, dann wird es für alle teurer werden. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. In dem Moment, in dem die Gelder wegfallen, muss das Ganze kompensiert werden. Das geht im Wesentlichen nur über die Erhöhung der Beiträge. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, meine Damen und Herren!

(Beifall FDP)

Wenn wir uns noch einmal die Antworten des Senats anschauen, dann sind die Zahlen nicht ganz eindeutig. Es gibt verschiedene Modelle, mit denen gerechnet wird, aber eins ist klar: Es wird auf jeden Fall teurer. Das wissen wir aber nicht erst seit heute, sondern das wissen wir schon aus der Vergangenheit. Bis Mitte der neunziger Jahre war dieses Modell in Bremen möglich und wurde auch entsprechend praktiziert. Es wurde im Wesentlichen aus Kostengründen in den neunziger Jahren abgeschafft. Seitdem haben wir das System, das hier mehrfach beschrieben wurde. Also für uns ist das der falsche Weg, der falsche Schritt. Es ist der erste Schritt in Richtung Bürgerversicherung, und die Bürgerversicherung wird am Ende zu wesentlich schlechterer Versorgung mit höheren Beiträgen führen. Deswegen werden wir das ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP, BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Ich glaube, das ist heute ein richtig guter Ausklang dieser Bürgerschaftswoche.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe Ihnen noch einmal von ver.di mitgebracht: Bremer Beamtinnen und Beamte fordern, Krankenkassen wählbar zu machen. Ich will damit eigentlich nur zeigen, dass es viele Beamtinnen und Beamte in diesem Land gegeben hat, die schon lange darauf gewartet haben, dass sich da endlich etwas bewegt. Ich will auch sagen, wir haben es damit, ich sage einmal, in einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit tatsächlich geschafft, dass es für die Beamtinnen und Beamten dieses Landes, sozusagen für die Fachkräfte dieses Landes, einmal einen Grund gibt, stolz zu sein, dass sie hier in Bremen Beamtinnen und Beamte sind und nicht woanders.

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Der Beamten- bund sagt etwas anderes!)

Das wiederum, finde ich, ist ein großes Plus, was wir bisher noch nie geschafft haben. Bisher ging es, wenn es um Beamtinnen und Beamte betraf, immer darum, Beförderungen nachzuholen, Besoldung zu kürzen und so weiter, Aufstiege zu verhindern, all das, was nicht gut für die Beamtinnen und Beamten gewesen ist. Jetzt gibt es endlich einmal eine Situation, in der Bremer und Hamburger Beamtinnen und Beamte wirklich froh sein können, dass sie hier beamtet sind und nicht woanders. Ich finde, das ist ein Schlüssel.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Noch ist nichts geregelt! Das ist heute die Aufforderung an den Se- nat, das zu regeln! – Beifall FDP)

Von daher finde ich einfach, das ist ein gutes Ergebnis, das wir hier erzielt haben. – Weiter so! Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Lühr.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat begrüßt die Initiativen zur Stärkung der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist schließlich überfällig, jetzt durch die Einräumung einer Wahlfreiheit unterschiedliche Wege zu ermöglichen. Ob die von Herrn Prof. Dr. Hilz gerade so aus dem Stand eingebrachten gesundheitsökonomischen Entwicklungen so antizipierbar sind? Da vertrauen wir doch eher auf die demnächst vorliegenden Forschungen der Bremer Universität im Bereich Sozialökonomie, die genau das untersucht haben.

(Beifall SPD)