Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte gern noch einmal, dass wir uns einen Moment sammeln und darauf zurückbesinnen, um was es hier eigentlich bei dem geht, was wir heute vorgelegt haben und was wir heute diskutieren wollen.

Wir sind aufgefordert worden, ein Konzept zur Beitragsfreiheit für Ü3-Kinder vorzulegen, und genau das haben wir getan. Es liegt ein Konzept vor. Es liegt deshalb kein Konzept zur neuen Finanzierungssystematik vor, und es liegt auch kein Konzept vor, wie wir die weiteren Ausbaupfade, weder in der Stadtgemeinde Bremen noch in der Stadtgemeinde Bremerhaven, machen, sondern wir haben ein Konzept zur Beitragsfreiheit vorgelegt.

Zu diesem Konzept von Beitragsfreiheit, und das ist dann der Punkt, an dem es noch einmal wichtig wird, gehört auch die Diskussion um den weiteren Qualitätspfad, denn das ist der Ausgangspunkt für diese Debatte gewesen. Der Bund ist seit Längerem, schon unter Familienministerin Schwesig, dabei gewesen, mit den Landesfachministerinnen und -ministern ein Gute-Kita-Gesetz, damals hieß es noch anders, ein Qualitätsgesetz zu diskutieren, in dem sich alle Länder verbindlich auf Qualitätsstandards einigen. Der Bund hat damals schon die Zusage gemacht, dass er für diese gemeinsame Qualitätsentwicklung Mittel zur Verfügung stellt. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen im Bund ist es dann dazu gekommen, dass die Frage der Gebührenfreiheit auch Teil dieses Gute-Kita-Gesetzes geworden ist, und dies wiederum war Anlass für die beiden Regierungskoalitionen, den Auftrag auszulösen und zu sagen: Gut, wenn der Bund diesen Weg freimacht, dann kann sich auch Bremen mit beiden Kommunen, die sich durchaus in Haushaltsnotlage befinden, diesem Prozess nicht verwehren.

Der Koalitionsvertrag im Bund ist am 12. März 2018 unterzeichnet worden. Die Diskussionen darüber sind ja im Vorfeld sehr intensiv geführt worden, und am 13. März 2018 hat uns, glaube ich, hier die Bürgerschaft den Auftrag gegeben. Also noch einmal ganz klar: Der Hintergrund ist diese Debatte, die wir auf Bundesebene haben. Und deshalb heißt natürlich auch die bremische Antwort darauf, dass wir sagen, wir brauchen ein Kita-Qualitäts- und Finanzierungsgesetz in Umsetzung der Maßnahmen. Jetzt haben wir aber gesagt, wir wollen die Familien im Hinblick auf die Frage der Beitragsfreiheit nicht so lange hinhalten, und werden deshalb – –, und das waren ja eben Fragen, die auch aufgetaucht sind, und so sagt es das Konzept auch, dass wir jetzt schnell für den Sommer mit der Beitragsfreiheit einsteigen werden.

Zur Qualitätsentwicklung haben wir an einen runden Tisch eingeladen, an dem, und das ist jetzt auch noch einmal ganz wichtig, weil hier die ganze Zeit immer nur über Fakten aus der Stadtgemeinde Bremen diskutiert worden ist, beide Stadtgemeinden sitzen. Da sitzen auch die Träger, da sitzen Eltern, da sitzen Verbände, da sitzt die Wissenschaft, um uns dann auf geeignete Qualitätsstandards zu verständigen, die heute auch deshalb noch nicht Teil dieses Konzepts sein können.

Das Konzept ist ganz klar, wir wollen beitragsfrei ab drei, das, glaube ich, kann man sich einfach

merken. Das wird dazu führen, dass man in Gruppen Kinder hat, die unterschiedlich behandelt werden. Das hätte man auch mit jedem anderen Konzept, denn pädagogisch ist es unsere Zielstellung, dass wir eigentlich mehr altersintegrierte Gruppen haben wollen, in denen dann auch gar nicht mehr die Altersgrenze darüber entscheidet, ob es eine Krippen- oder eine Kindergartengruppe ist. Wir wollen damit eine Beitragsfreiheit und einen kostenfreien Zugang zu Bildung für alle, und zwar vom dritten Lebensjahr an, schaffen. Das ist eine Linie, die sich entsprechend durchzieht. Bildung muss kostenfrei sein, und sie soll auch ohne Hürden ausgestattet sein. Für die Stadtgemeinde Bremen gilt, dass bereits heute ein erheblicher Teil an Familien keine Beiträge zahlt. In Bremerhaven ist es etwas anders geregelt, dort haben die Eltern die Möglichkeit, sich das Geld rückerstatten zu lassen. Aber insofern, glaube ich, hilft trotzdem eine Abschaffung von Kita-Beiträgen, weil sie das Signal aussendet, dass hier keine zusätzlichen Hürden erhoben werden.

(Beifall SPD)

Ich halte es für eine völlig verfehlte Wahrnehmung, zu glauben, dass sich Eltern deshalb von der Krippenbetreuung fernhalten lassen, denn dann würde das heute schon gelten. Aber ich glaube, dass man diese Steuerungswirkung wahrlich nicht entdecken kann. Allein die Fakten sprechen dagegen. Schauen Sie sich an, wie sich die Inanspruchnahme von Plätzen entwickelt hat, und vor allem, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir insbesondere in den Stadtteilen hier in der Stadtgemeinde Bremen, Blumenthal und Gröpelingen Plätze aufgebaut haben und wie sich da genau die Inanspruchnahme entwickelt hat. Nämlich: Wenn die Plätze da sind, dann werden sie in Anspruch genommen. Dann ist, glaube ich, auch klar, dass wir an der Stelle eben kein Krippenfernhaltegesetz machen, sondern dass dieses Konzept dafür gedacht ist, einen ganz anderen Anspruch zu realisieren, nämlich den, dass wir auch weiterhin eine soziale Durchmischung haben wollen.

(Beifall SPD)

Wir wollen eben nicht die Reichen von unseren Kitas fernhalten, sondern wir wollen, dass Kinder aus allen sozialen Lagen gemeinschaftlich zusammen arbeiten.

Es wird in der gesetzlichen Grundlage auszuschließen sein, und das werden wir garantieren, dass Fa

milien mit mehreren Kindern sich durch die Beitragsfreiheit schlechter stellen. Herr Dr. Güldner, das hatten Sie ja noch einmal gefragt, wie das mit der Geschwisterkinderregelung ist. Klar ist, dass natürlich nur die gezählt werden können, für die auch gezahlt wird. Aber trotzdem wird es einen Schutz geben, dass keiner schlechter steht als zur heutigen Situation. Das ist klar, das Gesetz werden wir entsprechend vorlegen.

Deshalb ist es, glaube ich, auch gut und wichtig gewesen, dass wir heute unser Konzept einbringen können, dass wir auf der Basis dieses Konzepts dann auch weiterarbeiten können. Gesagt worden ist auch schon, dass das Land den Kommunen die Mindereinnahmen erstatten wird und dass wir das eben mit Hilfe von Mitteln tun, die aus dem GuteKita-Gesetz kommen.

Was wir heute noch nicht abschließend sagen können, ist tatsächlich, welche Wirkung diese Beitragsfreiheit auf die Inanspruchnahme haben wird. Denn da liegen auch aus anderen Bundesländern bislang keine richtigen Erfahrungen vor. Es ist auch deshalb so schwierig, weil wir uns natürlich insgesamt auf einem Pfad bewegen, auf dem das mehr Familien in Anspruch nehmen. Aber klar ist, und das, finde ich, ist ganz wichtig, dass wir das hier noch einmal festhalten: Unser aller Ziel, so habe ich es verstanden, ist, dass wir möglichst 100 Prozent aller Kinder ab drei Jahren erreichen wollen, um ihnen frühestmöglich den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

(Beifall SPD)

Wir sehen einen Beitrag in dieser Initiative, wir sehen einen Beitrag dazu in unserem Ausbaupfad, und Herr Dr. Güldner hat noch einen anderen Pfad aufgewiesen, und ich glaube, genau darüber müssen wir uns unterhalten: Wie kann es uns gelingen, dass wir die Kinder so frühzeitig erreichen, dass wir allen einen fairen und guten Zugang ermöglichen? Dazu, glaube ich, sind weitere Gespräche zu führen. Die haben aber erst einmal mit dem Thema Kita-Beitragsfreiheit aus meiner Sicht nur in zweiter Linie etwas zu tun. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats Kenntnis.

Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor unterhalb der Armutsschwelle Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 17. August 2018 (Drucksache 19/1773)

Dazu

Mitteilung des Senats vom 25. September 2018 (Drucksache 19/1842)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann.

Ich gehe davon aus, dass der Senat die Antwort auf die Große Anfrage nicht mündlich wiederholen möchte, sodass wir direkt in die Aussprache eintreten können. – Das ist der Fall!

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Lucht.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas Verwirrung bei der Partei DIE LINKE, aber das kennt man ja auch manchmal. Wir haben ja gestern schon im Parlament eine Mindestlohndebatte geführt. Die grundsätzlichen Argumente dazu sind bereits ausgetauscht. Trotzdem möchte ich für die Fraktion der CDU noch einmal betonen, dass es falsch ist, beim Mindestlohn ausschließlich von der Bedarfsseite zu argumentieren, zumal diese Bedarfe eben abhängig von der individuellen Situation sehr unterschiedlich sind. Das Haushaltsnettoeinkommen, auf das es letztlich ankommt, wird neben der absoluten Lohnhöhe von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, darunter dem Umfang der Arbeitszeit, der Haushaltsgröße und der familiären Situation, der Steuer- und Abgabenlast sowie einer Vielzahl ergänzender Sozialleistungen.

Ist zum Beispiel nur ein Arbeitsumfang von 15 oder 20 Wochenstunden möglich, ist auch ein Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde nicht existenzsichernd. Immerhin schafft es der deutsche Sozialstaat, die Unterschiede bei den Markteinkommen durch Steuer- und Sozialtransfers bei den Haushaltsnettoeinkommen in großem Umfang zu nivellieren. Das nennt man soziale Marktwirtschaft. Dies funktioniert aber nicht in erster Linie über höhere Mindestlöhne, auch wenn es natürlich richtig ist,

dass es dieses Sicherheitsnetz für nicht tarifgebundene Bereiche gibt. Doch auch ein Mindestlohn muss meist irgendwie ökonomisch begründet sein. Ein politischer Überbietungswettbewerb, den wir hier zwischen SPD und LINKEN erleben, birgt erhebliche Gefahren für den Verlust von Arbeitsplätzen, gerade in Bereichen, in denen gering Qualifizierte noch Chancen auf einen Job haben. In einer Marktwirtschaft müssen die Löhne immer erst einmal verdient werden.

(Abgeordneter Gottschalk [SPD]: Meinen Sie, Sie können das genau zurechnen?)

Löhne und Gehälter lassen sich nicht einfach politisch von der Produktivität abkoppeln. Denn irgendjemand muss auch bereit sein, gegebenenfalls teuer gewordene Produkte und Dienstleistungen zu kaufen. Jetzt ist die Versuchung natürlich groß, diese Gesetzmäßigkeit bei der öffentlichen Hand auszuhebeln. Denn die staatlichen Dienstleistungen müssen ja in Anspruch genommen werden, egal wie teuer sie sind. Es muss vermeintlich niemand dafür bezahlen. Das ist aber doch ein Trugschluss, meine Damen und Herren! Denn letztendlich sind es alle Steuerzahler, die dafür bezahlen. Gerade in einem Haushaltsnotlageland wie Bremen bedeuten Mehrausgaben an der einen Stelle, in diesem Fall beim Personal, eben Kürzungen auch an anderer Stelle.

(Beifall CDU)

Nach Rechnung der LINKEN müsste der Mindestlohn bei 12,63 Euro pro Stunde liegen, um armutsfest zu sein. Das entspräche einer Erhöhung des Landesmindestlohns um vier Euro beziehungsweise rund 43 Prozent. Aus der Senatsantwort auf die Große Anfrage der LINKEN geht hervor, dass in der bremischen Kernverwaltung mit 66 Angestellten nur sehr wenige sind, die im Moment weniger verdienen. Das betrifft die Eigenbetriebe Immobilien Bremen, KiTa Bremen und das Studierendenwerk. Die Zahl der Beschäftigten in den bremischen Mehrheitsgesellschaften, die unter diese Definition fallen, liegt mit über 2 000 hingegen deutlich höher. Das betrifft die BLG und die GeNo. Hier reden wir also über Bereiche, die in einem scharfen Wettbewerb stehen.

Der städtische Klinikverbund steht finanziell ohnehin mit dem Rücken zur Wand. Morgen soll der Haushalts- und Finanzausschuss eine Kapitalerhöhung der Stadt bei der GeNo in Höhe von 26,3 Millionen Euro beschließen. Das ist eine stolze Summe. Wie soll der Klinikverbund in dieser Lage die

Mehrkosten stemmen, die mit der Anhebung des Mindestlohns um 43 Prozent verbunden werden? Wieder werden es am Ende die Steuerzahler sein, die die Pleite der GeNo mit ihrem Geld am Ende verhindern müssen.

Wir halten es daher für populistisch, die Zahlen in der Senatsantwort als Argument für eine drastische Anhebung des Landesmindestlohns zu nutzen. Aus gutem Grund waren wir für die Abschaffung des Landesmindestlohngesetzes. Denn nun bewahrheitet sich unsere große Befürchtung. Die grundsätzlich sinnvolle Koppelung der Höhe des Landesmindestlohns an den Bundesmindestlohn wird nach nur einem Jahr von Rot-Grün einkassiert, weil sie sich von der LINKEN im Wahlkampf bei diesem Thema treiben lassen.

(Beifall CDU)

Die Höhe des Mindestlohns ist aber kein Thema für den Wahlkampf, sondern für eine Kommission der Tarifvertragsparteien. Verantwortungsvolle und verlässliche Politik sieht anders aus. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Schön, dass Sie es noch einrichten konnten!)

Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Kollege Dr. vom Bruch, bei diesen vielen Verschiebungen der Tagesordnungspunkte war ich heute in meiner Liste bei einem anderen Punkt.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Die CDU hat Sie gerettet, Frau Vogt!)

Na gut, ich kann jetzt aber schon auf einiges antworten, das werde ich auch gleich tun. Wir haben diese Anfrage für den öffentlichen Sektor gestellt, weil der aktuelle Mindestlohn nämlich nicht vor Armut schützt. Um eine Rente außerhalb der Grundsicherung, also oberhalb der Grundsicherung, im Alter zu erhalten, ist ein Bruttostundenlohn von 12,63 Euro nötig, und zwar in Vollzeit. Herr Kollege von der CDU, das ist nicht unsere Idee gewesen, das ist keine Erfindung der LINKEN, son

dern das ist die offizielle Angabe aus dem Bundesarbeitsministerium vom August dieses Jahres. Das Bundesarbeitsministerium sagt, wenn man Vollzeit arbeitet, braucht man mindestens 12,63 Euro, um überhaupt eine Rente und nicht hinterher als Rentnerin oder Rentner Sozialhilfe zu bekommen. Wir sind allerdings sehr wohl der Meinung, dass, wer arbeitet und 45 Jahre in Vollzeit gearbeitet hat, nicht mit Sozialhilfe abgefunden werden soll, sondern eine vernünftige Rente verdient hat.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist übrigens auch eine Frage von Würde und wie würdevoll diese Gesellschaft mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mit Menschen im Alter umgeht. Ich glaube, ganz viele Verwerfungen, die wir hier übrigens gerade in diesem Land erleben oder überhaupt in Europa, haben nämlich genau damit etwas zu tun. Menschen, die arbeiten und meinen, ich erfülle doch das, was man mir praktisch als Kind schon beigebracht hat, ich gehe arbeiten, ich arbeite hart, ich bilde mich, sind trotzdem nicht vor Armut geschützt. Das geht einfach nicht, und der öffentliche Sektor muss da eigentlich mit einem guten Beispiel vorangehen.

(Beifall DIE LINKE)