Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

Damit haben wir die Punkte ohne Debatte alle behandelt.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) für eine Mittagspause bis 14.30 Uhr.

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, den Tagesordnungspunkt 19 für diese Sitzung auszusetzen.

Konzept „Beitragsfreiheit in Kindergartengruppen im Land Bremen“ Mitteilung des Senats vom 7. August 2018 (Drucksache 19/1763)

Dazu als Vertreterin des Senats Senatorin Dr. Bogedan.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im März haben wir bereits ausgiebig darüber debattiert, warum die Kitas ab 2019 beitragsfrei sein sollen. Wir haben den Senat beauftragt, ein Konzept zur Realisierung vorzulegen, und dies liegt jetzt vor.

Wenn möglicherweise morgen dann auch das Gute-KiTa-Gesetz verabschiedet wird, dann können die Länder das Geld sowohl für die Verbesserung der Qualität als auch für eine Beitragsentlastung der Eltern ausgeben, so zumindest der letzte Stand der Einigung in Berlin. Das bedeutet, wir

könnten dann sogar mit Bundesmitteln nicht nur einen Teil der Mehrkosten kompensieren, sondern können auch noch weiter in die Qualität investieren. Dazu müssten dann aber auch Anfang 2019 zügig Kooperationsvereinbarungen mit dem Bund geschlossen werden.

Meine Damen und Herren, vielleicht einige wesentliche Punkte aus dem Konzept, neben hoffentlich bald erfreulichen Nachrichten aus Berlin: Wir wollen weiterhin mit unserer Beitragsfreiheit an das Modell in Niedersachsen anknüpfen. Das bedeutet eine generelle Beitragsfreiheit im Ü3-Bereich von acht Stunden und nicht, wie in Hamburg, mit deutlich weniger Stunden. Das ist aus unserer Sicht auch sinnvoll, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich zu ermöglichen. Der Bildungsbericht 2018 zeigt auch einen Anstieg an Erwerbstätigkeit von beiden Elternteilen, sowohl in Vollzeit- als auch in der Teilzeitbeschäftigung. Genau diese Familien wollen wir mit dieser Beitragsfreiheit unterstützen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, auch im Konzept ist deutlich, dass alle Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, dann beitragsfrei die Kita besuchen können. Auch das wäre dann analog zu Niedersachsen geregelt. Die Verpflegung wäre weiterhin für die Inhaber des Bremen-Passes beitragsfrei. Man könnte jetzt noch auf viele Details aus dem Konzept eingehen.

Es ist ja auch ein bremisches Kita-Qualitäts- und Finanzierungsgesetz geplant, in dem wir verbindliche Qualitäts- und Versorgungsstandards regeln möchten. Wichtiger ist aber die klare Botschaft an alle Familien, dass es ab August 2019 keine Elternbeiträge mehr für Kitas in Bremen und Bremerhaven geben wird. Damit unterstützen wir Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen, wollen junge Familien in Bremen halten oder gar zu einem Umzug nach Bremen motivieren. Dazu können wir vielleicht viele weitere Eltern davon überzeugen, ihr Kind in eine Kita zu schicken, gerade weil dort auch die Grundlagen für gute Bildung gesetzt werden.

Die Qualität der Betreuung soll dabei keinesfalls sinken, sondern im Gegenteil auch steigen. Sowohl die Schaffung weiterer zusätzlicher Kita-Plätze als auch die Investitionen in Qualität der Betreuung werden viele weitere Millionen Euro kosten. Aber jeder Euro, den wir hier investieren, ist gut angelegt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Nun haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der CDU, jüngst vorgeschlagen, dass das dritte Kita-Jahr verpflichtend wird. Ihr Argument dafür, ich zitiere einmal Herrn Röwekamp, der leider noch nicht da ist: „Viele Kinder starten mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule, die dann kaum noch aufgefangen werden können. So hat mehr als jedes dritte Kindergartenkind in Bremen Sprachförderbedarf. Das ist ungerecht, denn es beeinflusst ihren gesamten Lebensweg, insbesondere die Sprache ist die wichtigste Voraussetzung, um dem Unterricht zu folgen.“ Mit dieser Einschätzung liegen wir hier im Haus, glaube ich, gar nicht auseinander. Trotzdem ist klar, dass das Grundgesetz dafür geändert werden müsste. Ob dafür Mehrheiten zu finden sind, ist völlig unklar. Es ist aber wichtig, dass wir hier in Bremen 98 Prozent aller Fünfjährigen über unsere Kitas erreichen, allerdings mit der Einschränkung, dass das je nach Stadtteil auch schwankt und variiert. Da es Ihnen aber darum geht, Kinder mit Sprachförderbedarf besonders früh in die Kita zu bekommen – –.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Nicht nur das! Das sind ja gerade die, die wir nicht errei- chen!)

Also wenn wir 98 Prozent der Fünfjährigen erreichen, erreichen wir möglicherweise einen Großteil davon. Aber warten Sie kurz ab, Herr Dr. vom Bruch, denn ich glaube, da haben wir noch eine gemeinsame Aufgabe, die wir anpacken können. Wenn es uns allen darum geht, die Kinder mit Sprachförderbedarf besonders früh in die Kita zu bekommen, und wir machen ja relativ früh einen Sprachtest, dann wäre es noch einmal interessant, sich § 36 Absatz 2 des Schulgesetzes anzuschauen. Dort haben wir eine Möglichkeit, Kinder mit Sprachförderbedarf zu verpflichten an Sprachfördermaßnahmen teilzunehmen.

Das Instrument sollten wir uns gemeinsam noch einmal genauer anschauen und uns vor allen Dingen auch einmal über die praktische Umsetzung der letzten Jahre berichten lassen. Denn wir finden es alle gemeinsam sinnvoll, dass Kinder früh in der Kita ankommen und von zusätzlicher frühkindlicher Bildung profitieren. So weit erst einmal. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Güngör, werfen wir einmal zusammen einen Blick zurück. Im Dezember 2016 haben wir hier gemeinsam die koalitionäre, damals neue Beitragstabelle und drei weitere Oppositionsanträge beraten. Damals forderte das Finanzressort noch zwei Millionen Euro Mehreinnahmen, obwohl von 36 Prozent der beitragsbefreiten Eltern nun 56 Prozent beitragsbefreit werden sollten. Heraus kam eine Beitragstabelle mit Beiträgen bis zu 465 Euro, und das Ganze ging zurück auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen.

(Zuruf Abgeordnete Ahrens [CDU])

Dann machte Niedersachsen die Kitas beitragsfrei. Herr Meyer-Heder, der Spitzenkandidat der CDU, kam mit einem Vorschlag um die Ecke, und was machen Sie? Sie machen die Kitas beitragsfrei.

(Zuruf Abgeordneter Güngör [SPD] – Unruhe)

Ich finde, Ihre Kita-Beitragspolitik ist ambitionslos und getrieben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Im März wurde der Senat von der Bürgerschaft beauftragt, ein Konzept vorzulegen, das die Beitragsfreiheit – –. Herr Güngör, Sie sind gerade nicht daran!

(Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde sagen, wir hören jetzt der Kollegin zu, die hier vorn am Rednerpult steht, denn sie hat uns ganz viel zu sagen!

(Beifall)

Danke, Herr Präsident! Es kann ja sein, Herr Güngör, dass es Ihnen nicht gefällt, wenn herausgearbeitet wird, dass Sie ambitionslos und getrieben sind, aber genauso ist es doch. Sie können nicht sagen, dass Sie von selbst auf diese Idee gekommen sind. Das waren an dieser Stelle ja wohl andere.

(Beifall DIE LINKE, CDU)

Oder es war das Oberverwaltungsgericht, oder es war Niedersachsen, oder jetzt ist es der Bund. Von selbst sind Sie nicht auf diese Idee gekommen. Vor zwei Jahren fanden Sie das noch nicht machbar,

jetzt geht es plötzlich. Also scheint es nicht Ihre eigene Ambition gewesen zu sein, das jetzt durchzusetzen, liebe Koalition.

(Abgeordneter Güngör [SPD]: Das stimmt doch auch nicht! So eine Verdrehung der Tatsachen! – Unruhe)

Im März dieses Jahres wurde der Senat von der Bürgerschaft beauftragt, ein Konzept vorzulegen, das die Beitragsfreiheit für Kinder von drei bis sechs Jahren in den Kitas und in der Tagespflege vorsieht. Das finden wir gut.

(Zurufe Abgeordneter Güngör [SPD])

Herr Güngör, würden Sie vielleicht zuhören? Danke schön! Ich habe Ihnen eben auch zugehört.

Es gibt jetzt die Beitragsfreiheit für drei bis sechs Jährige, das finden wir richtig. Was Sie aber außen vor lassen, sind die Krippen und die Horte. Dazu muss ich ganz ehrlich sagen, auch das finde ich ambitionslos, denn Sie verzichten auf sozialpolitische Steuerungsmöglichkeiten, die man mit der Beitragsfreiheit vereinbaren und verbinden könnte. Was Sie machen, ist ein Krippenfernhaltekonzept, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch das finden wir falsch.

(Beifall DIE LINKE)

Denn, was Sie doch eben gesagt haben, wo wir uns doch einig sind: Wir wollen die Kinder mit den Sprachförderbedarfen aus den sozialen Lagen in die Krippen und Kitas bringen. Des Weiteren ist das, was Sie im Moment machen, auch übrigens gleichstellungspolitisch kontraproduktiv.

(Zurufe Abgeordnete Krümpfer [SPD], Abgeord- nete Tuchel [SPD], Abgeordneter Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen])

Denn was hier passiert, ist doch Folgendes: Die Eltern werden sich ganz genau überlegen, ob sie ihr Kind in eine Krippe geben oder ob sie warten, bis die Kita beitragsfrei ist, und dann erst mit dem dritten Lebensjahr das Kind in die Kita bringen. Wenn Sie die Krippen auch beitragsfrei gemacht hätten, wäre das ein Anreiz und die Möglichkeit gewesen, genau dieses Ziel zu erreichen, nämlich die Kinder früher in die Kinderbetreuung zu bringen und damit auch ihre späteren Bildungschancen zu verbessern, die übrigens nachgewiesen sind. Eine Bertelsmann-Studie von 2009 – das ist nicht unsere ideologische Bandbreite, sage ich einmal – hat schon

nachgewiesen, dass die Bildungschancen von Kindern von 36 Prozent auf 50 Prozent erhöht werden, wenn sie in eine Krippe gehen, und was Sie jetzt machen, ist eben ein Krippenfernhaltekonzept. Deswegen finden wir das falsch.

Im Übrigen, wenn Sie von sozial benachteiligten Kindern sprechen, bei den benachteiligten Familien steigern sich die Bildungschancen um zwei Drittel. Genau da hätte man eingreifen können.

(Abgeordnete Tuchel [SPD]: Haben wir ja auch!)

Genau an dem Punkt hätte man sagen können, wir wollen diese Kinder aus den benachteiligten Stadtteilen, die eher später in die Kita gehen, eben früher in die Kitas bekommen, und zwar auch in die Krippen, denn ein Jahr Sprachförderung reicht nicht. Das weiß Herr Dr. vom Bruch, das weiß Frau Vogt; aus allen Bildungsstudien ist bewiesen, dass ein Jahr Sprachförderung nicht reicht. Man muss die Kinder früher in die Krippen und Kitas bekommen, und genau das erreichen Sie nicht. Sie verzichten mit Ihrem Konzept auf diese sozialpolitischen Steuerungsmöglichkeiten, und das finden wir verkehrt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)