Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

(Beifall CDU)

Die Antragsteller erhalten, also alle Antragsteller, dabei die Möglichkeit, Tatsachen und Beweismittel vorzulegen, die belegen, dass ihnen abweichend von der von mir eben dargestellten Regelvermutung im Herkunftsland dennoch Verfolgung droht. Ist dieser Nachweis anzuerkennen, können diese Personen Anspruch auf Asyl erheben. Wenn nicht, wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt mit der Folge, dass Rechtsbehelfsfristen verkürzt werden und damit das Verfahren beschleunigt wird. Frau Aulepp hat darauf hingewiesen, als Juristin wissen Sie, dass Verfahrensbeschleunigung nicht gegen jemanden gerichtet ist, sondern dass in diesem Verfahren durchaus die Rechte desjenigen, der hier Asyl beantragt, geltend gemacht werden können.

Die Asylanerkennungsquoten, Herr Zenner hat darauf hingewiesen, für diese Länder sind laut BAMF sehr gering, nämlich für Georgien, ich wiederhole es noch einmal, 0,7 Prozent, Algerien 1,2 Prozent, Tunesien 1,9 Prozent und Marokko 2,3 Prozent. Ich finde – und deswegen habe ich es jetzt wiederholt –, es ist wichtig zu wissen, wie umfangreich das Verwaltungsverfahren ist, wenn wir nach dieser Betrachtung alle weiteren Maßnahmen genauso

treffen wie bei Menschen, die aus anderen Ländern mit einem hohen Asylanspruch kommen.

Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht, Frau Aulepp, und das sollte gerade für Sie als Juristin wichtig sein, in der Vergangenheit in zwei Entscheidungen das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten bestätigt. Für die Fraktion der CDU hat der humanitäre Grundsatz des Asylrechts natürlich eine sehr große Bedeutung, das steht für uns außer Frage.

(Beifall CDU, BIW)

Dabei muss nach einer rechtskonformen und sachgerechten Anwendung des Asylrechts im Asylverfahren der Fokus auf die anerkannt Hilfesuchenden mit umfangreichen Integrationsangeboten gelegt werden.

(Beifall CDU)

Das bedeutet, rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber müssen dagegen grundsätzlich unser Land wieder verlassen, denn wir wollen ja den Fokus auf die legen, die hier einen rechtskräftigen Asylbescheid, also anerkennenden Bescheid bekommen haben. Alles andere wäre ein Aufwand, den wir betreiben, ohne dass der Personenkreis, der wirklich davon betroffen ist, das auch genießen und in den Vorteil geraten kann. Das würde auch unser Rechtswesen überfordern und darüber hinaus – das muss auch einmal deutlich gesagt werden – den Sozialstaat durchaus beanspruchen. Die Ablehnung dieses Antrags von Rot-Grün ist deshalb für uns völlig unverständlich, insbesondere – und da, Frau Aulepp, verweise ich noch einmal auf Sie – weil die Bundes-SPD in diesem Zusammenhang aktuell eine völlig andere Meinung vertritt. Die Fraktion der CDU stimmt deshalb dem vorliegenden Antrag der FDP zur Einstufung der Länder Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer zu. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder schön, über Flüchtlings- und Asylfragen zu diskutieren, vielleicht doch ein bisschen getrieben von der politischen Situation. Ich will mich einmal mit den wie

derkehrenden Behauptungen, die hier rund um sichere Herkunftsstaaten immer wieder auftauchen, auseinandersetzen. Die erste Falschmeldung, die in diesen Debatten immer kommt, ist: Wir lösen ein großes Problem.

(Zuruf CDU: Das hat keiner gesagt!)

Das ist falsch. Schutzsuchende aus den betroffenen Ländern machen nur einen verschwindend geringen Teil der Schutzsuchenden insgesamt in Deutschland aus. Die Zahl der Antragsteller aus diesen Ländern hat sich seit 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um 85 Prozent reduziert ohne Einstufung. Die Zahl der Rückführungen hat sich in Deutschland verzehnfacht ohne Einstufung.

Zweite Falschmeldung: Wir haben schnellere Verfahren. Das BAMF selbst, also das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, stuft die Zeitersparnis bei den Anhörungen auf einige wenige Minuten ein. Durch die Verkürzung der Rechtsmittelfristen höhlen sie zwar das Asylrecht aus, gewinnen am Ende aber keine Zeit. Im Gegenteil, durch zusätzliche Klagen werden diese Prozesse wesentlich länger, als es vorher der Fall war.

Dritte Falschmeldung: Wir können die Menschen schneller zurückführen. Das ist vollkommener Blödsinn. Am Ende können Sie nämlich niemanden abschieben, wenn das Herkunftsland seine Bürger nicht wieder aufnimmt.

Vierte Falschmeldung: Beim Balkan hat das doch auch alles hervorragend funktioniert. Richtig ist, dass die Zugangszahlen aus dem Westbalkan bereits vor der Einstufung zurückgegangen sind, weil nämlich gleichzeitig legale Wege im Bereich der Arbeitsmigration durch Bündnis 90/Die Grünen und die SPD in den Ländern gemeinsam erstritten worden sind.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Kommen wir einmal zur fünften Falschmeldung: Sicher ist sicher, denn per Gesetz kann man ja alles erklären. Sämtliche Menschenrechtsorganisationen kommen zu einer anderen Einschätzung. In allen drei Maghreb-Staaten werden Homosexuelle mit hohen Gefängnisstrafen bedroht und staatlich verfolgt. Kritische Journalisten, Oppositionelle, Religionsgemeinschaften oder ethnische Minderheiten, denken Sie beispielsweise an die West-Sahara, werden in diesen Ländern verfolgt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gesagt: Gibt es

im Land mindestens eine Region, in der politische Verfolgung herrscht, oder mindestens eine Personengruppe, die verfolgt wird, ist dies kein sicheres Herkunftsland. Dies setze nicht voraus, dass alle Angehörigen dieser Gruppe oder alle Personen in dieser Region verfolgt werden.

Meine Damen und Herren von der FDP, wie Sie es hinbekommen, beim Christopher Street Day in Bremen für die Rechte von Homosexuellen zu demonstrieren und gleichzeitig diese Menschen der Strafverfolgung in ihren Heimatländern aussetzen zu wollen, das ist für mich an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Im Übrigen, was für ein Zeichen setzen Sie eigentlich für die Zivilgesellschaft in diesen Ländern? Diese Zivilgesellschaft streitet für die Menschenrechte vor Ort und gleichzeitig erklärt Deutschland, bei euch ist alles gut.

Ja, die nächste Falschmeldung kommt bestimmt auch gleich noch einmal: Bündnis 90/Die Grünen wollen ja nicht abschieben. Ich gebe zu, dass sich unsere politische Bilanz nicht in der Anzahl von Abschiebungen messen lässt. Das ist nicht unsere politische Zielsetzung, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Uns ist schon deutlich, dass wir schnelle und faire Asylverfahren brauchen, damit Schutzsuchende rasch wissen, woran sie sind. Wir brauchen Rechtssicherheit und Klarheit in diesen Verfahren, gerade auch im Interesse der Menschen, die zu uns gekommen sind. Das bedeutet auch, dass wir eine frühzeitig und eine unabhängige Verfahrensberatung brauchen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Woran scheitern denn Abschiebungen in der Regel eigentlich? Ich meine, die Debatte über geduldete Menschen führen wir hier nicht das erste Mal. Woran scheitert es denn? Erst einmal an fehlenden Pässen und damit auch an der Frage von verlässlichen Rücknahmeabkommen mit den Ländern. Sie können die ganze Welt für sicher erklären, Sie brauchen funktionierende Rücknahmeabkommen, und darum hat sich diese Bundesregierung in den letzten Jahren ehrlicherweise überhaupt nicht gekümmert. Sie sägen munter weiter und weiter am Grundrecht für Asyl, lösen im Kern aber kein einziges Problem. Für diese Symbolpolitik und für diese

Aushöhlung des Asylrechts müssen Sie sich andere Partner suchen. Wir von Bündnis 90/Die Grünen lehnen das Instrument der sicheren Herkunftsstaaten und die Ausweisung der genannten Länder und damit auch Ihren Antrag ab. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, wenn ich eingangs meines Beitrags auf § 16a Absatz 2 des Grundgesetzes verweise, demzufolge niemand ein Anrecht auf ein Asylverfahren in Deutschland hat, der aus einem sicheren Drittland kommt. All diejenigen, die hier im Moment ein Asylverfahren bekommen und aus einem sicheren Drittland kommen, – –. Im Prinzip dürften Hunderttausende von Asylverfahren nicht durchgeführt werden. Wenn es aber eine Gleichheit im Recht gibt, muss es auch eine Gleichheit im Unrecht geben.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Es gibt keine Gleich- heit!)

Wenn wir uns schon entgegen unserem § 16a entscheiden, diesen Leuten ein Asylverfahren zu gewähren, dann verstehe ich nicht, warum wir bestimmten Menschen dieses Asylverfahren nicht gewähren und anderen ja. Ich verstehe nicht, warum ein Asylbewerber aus Ghana ein solches Asylverfahren bekommt und ein Asylbewerber aus Algerien nicht. Selbst wenn von 15 000 Asylbewerbern aus dem Maghreb und Georgien nur 500 anerkannt werden, müsste man doch die Frage stellen, was denn eigentlich mit diesen 500 ist. Was ist mit diesen 500 anerkannten Asylbewerbern, die womöglich nicht anerkannt worden wären, wenn ihre Heimatländer als sichere Herkunftsländer eingestuft worden wären? Entspricht das nicht einer Benachteiligung gegenüber Menschen aus, sagen wir einmal, Nigeria, die nach unserem Grundgesetz genauso wenig ein Anrecht auf ein Asylverfahren hätten, aber dieses eingeräumt bekommen haben?

Um es kurz zu machen, wir lehnen Ihren Antrag ab, was die Definition von sicheren Herkunftsstaaten angeht, weil er aus unserer Sicht das individuelle Recht auf Asyl unterminiert. Dennoch legen wir Wert auf die Feststellung, dass nicht nur 99 Prozent dieser Asylverfahren, die in Deutschland durchgeführt werden, völlig unnötig durchgeführt werden,

weil sie nach unserem eigenen Grundgesetz eigentlich nicht durchgeführt werden dürfen. Sie spielen auch überhaupt keine Rolle, denn wie das Asylverfahren auch ausgeht, die Menschen dürfen sowieso hier bleiben. Die Duldungspraxis ist so verbreitet, dass im Prinzip jeder, der seinen Pass verliert oder anderen Gründe vorschiebt, nicht zur Ausreise gezwungen werden kann. Darüber hinaus haben wir sogar noch ein Kontingent von 1 000 Visa zum Familiennachzug für subsidiär Geschützte pro Monat, das im Moment auch ausgeschöpft wird. Wir, um es ganz deutlich zu sagen, lehnen die Einwanderung bildungsferner Schichten unter dem Deckmantel des Asyls ab. Das Asylrecht selbst ist aber ein hohes Gut und wir wollen es für alle gleichsam erhalten. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt ein bisschen verwirrt. Wenn man sich für das Asylrecht einsetzt, dann muss es erst einmal für alle gelten, egal ob gebildet oder nicht gebildet, das Asylrecht ist ein universelles Recht, das für alle gilt. Ich glaube, das muss hier noch einmal kurz richtiggestellt werden. Wir diskutieren heute einen Antrag der Fraktion der FDP, der Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sicher erklären möchte beziehungsweise die Zustimmung des Senats im Bundesrat will. Ich finde, ehrlich gesagt, da haben Sie wirklich altbekannte Sachen hervorgeholt, und ich finde, es ist auch ein ziemlich billiges Manöver, das jetzt wieder aufzuwärmen.

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Haben Sie mit- bekommen, dass das immer mehr debattiert wird?)

Die Bundesregierung hat das ja schon 2016 versucht, im März 2017 hat der Bundesrat dann genau zu diesem Ansinnen nein gesagt, auch mit den Bremer Stimmen, und das war auch richtig so.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Seehofer hat diesen Beschluss dann ignoriert, er versucht es jetzt noch einmal. Er hat es in den Bundestag eingebracht und ich finde, er ignoriert damit nicht nur den Bundesrat, sondern er ignoriert auch alle Fakten. Mit ihm tun das auch die FDP und leider auch die SPD im Bund. Die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts sind ziemlich eindeutig, was die Einstufung von Ländern als angeblich sicher angeht. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dort dürfe keine Folter oder unmenschliche

Behandlung drohen. Nun gibt es eine Studie des BAMF und das BAMF ist nicht gerade verdächtig, linksradikal, zu menschenrechtsorientiert oder dergleichen zu sein. Eine BAMF-Studie, die sagt, sie ist intern, wurde aber veröffentlicht: Es gebe Foltervorwürfe, politische Verfolgung, Verfolgung von Frauen, Homo- und Transsexuellen und Menschenhandel in den drei Maghreb-Staaten. Wir haben gehört, Marokko besetzt nach wie vor die West-Sahara. Dort findet politische Verfolgung von Oppositionellen statt, die sich gegen die Besetzung wehren. In Algerien werden die Ahmadiyya, eine religiöse Minderheit, verfolgt und unterdrückt. In Tunesien werden Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle strafrechtlich verfolgt. In allen drei Maghreb-Staaten steht Homosexualität mit fünf Jahren Haft in Strafe.

Ich glaube, Ihr Vorhaben hat keinerlei Grundlage, und das sagen im Übrigen auch die Anerkennungszahlen, die Herr Seehofer und Sie, Herr Zenner, hier schönen. Denn wenn man sich die bereinigten Schutzquoten anschaut – und man muss sie bereinigen, denn die reinen Anerkennungszahlen enthalten zum Beispiel auch zurückgenommene Asylanträge et cetera, man muss die bereinigten Anerkennungszahlen nehmen –, dann kommt man für 2018 auf über 5 Prozent bis zu 10,8 Prozent, also zwischen 6,3 und 10,8 Prozent. Das sind offizielle Angaben der Bundesregierung, die können Sie gern nachlesen, wir machen dazu jedes Quartal Anfragen im Bundestag. Ich glaube, wenn man sich das einmal anschaut, dann wird ganz klar, dass dieses Vorhaben jeglicher Grundlage entbehrt.

(Beifall DIE LINKE)

Andere Zahlen sind ja viel interessanter, und da kommt man dem Kern der Sache näher. Der Anteil der Asylantragsteller aus den vier Ländern beträgt im Vergleich zur Gesamtheit der Asylantragstellerinnen und Antragsteller weniger als ein Prozent. Im letzten Jahr waren das zwischen Januar und April bundesweit 1 600 Personen. Das sind für Bremen 16 Personen in dem Zeitraum. Wir können jetzt nicht gerade sagen, dass das die Asylverfahren stark entlastet, wenn man da 1 600 Personen weniger hat, zumal die ja trotzdem den Asylantrag stellen. Man fragt sich also, warum Sie eigentlich so ein Aufhebens davon machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die FDP hat das damit begründet – ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen, auch eine Pressemitteilung von Ihrer Fraktionsvorsitzenden – , Kapazitäten für tatsächlich Schutzbedürftige zu erhöhen. Das passt nicht so zusammen, wenn man

sich vor Augen führt, dass es sich hier um weniger als ein Prozent der Asylantragsteller handelt.

Dann sagen Sie, Sie wollen die Akzeptanz des Asylrechts erhöhen. Man erhöht also die Akzeptanz des Asylrechts, indem man das Asylrecht aushöhlt. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, oder?

(Beifall DIE LINKE)

Wir lehnen – das wissen Sie auch, da erzähle ich Ihnen kein Geheimnis – das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ganz grundsätzlich ab, weil es eine Beweislastumkehr vorsieht. Es sieht sehr verkürzte Rechtsbehelfsfristen von einer Woche vor. Und innerhalb von einer Woche als Asylantragsteller in einem fremden Land einen Rechtsbeistand zu bekommen, die sozialen Kontakte und das Geld dafür zu haben, das ist auch eine soziale Frage. Hier ist es nicht in Ordnung, diese Art von Verfahrensverkürzung hinzunehmen, denn das ist eine soziale Auslese, die dort stattfindet. Das können dann nur die, die wirklich gute Kontakte zu Beratungsstellen, zu Anwälten et cetera haben, die schaffen das innerhalb von einer Woche. Viele andere schaffen das nicht, deswegen ist das eine faktische Aushöhlung des Asylrechts und bringt, dass Menschen nicht zu ihrem Recht kommen können, das sie eigentlich hätten.