um dadurch festgestellten Fehlentwicklungen mit den geeigneten Instrumenten, das Zauberwort wären in diesem Zusammenhang beispielsweise Vergütungsanreize, entgegenzuwirken. Ich glaube,
wir würden die medizinische Versorgung nachhaltiger und schneller verbessern, wenn wir zunächst die aufgezeigten Strukturprobleme, also die Fehlverteilung und die Fehlanreize beseitigen und parallel Lösungswege einschlagen wie Arbeiten in Teams, medizinische Versorgungszentren, Delegation von Aufgaben an andere Gesundheitsberufe, Wieder- und Quereinsteigerprogramme und natürlich die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um nur einige Möglichkeiten aufzuzählen.
Ich komme zum Ende meiner Rede, daher möchte ich an dieser Stelle auf die finanziellen Auswirkungen zu sprechen kommen, denn auch dieser Aspekt spielt bei dem Abstimmungsverhalten meiner Fraktion eine wichtige Rolle. Finanzmittel sind eine wichtige begrenzte staatliche Ressource, die nachhaltig eingesetzt werden muss. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht über unterschiedliche Kostenschätzungen streiten. Unabhängig davon, ob die Implementierung eines Medizinvollstudiums zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 50, 90 oder gar 120 Millionen Euro per annum kostet, diese Finanzmittel haben wir nicht.
Wir haben gestern ohne die Berücksichtigung eines Medizinvollstudiums den Wissenschaftsplan 2025 beschlossen. Das heißt, die dazu benötigten zusätzlichen Mittel müssen irgendwo herkommen und dürfen nicht einfach von anderen Fachbereichen abgezogen werden
oder so wichtigen Entwicklungen wie beispielsweise dem Schul- oder Kitaausbau oder der Stärkung der Kulturlandschaft im Land Bremen entgegenstehen. Nein, das geht so nicht. Auch wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der CDU die zusätzlichen Finanzmittel, die Bremen ab 2020 bekommt, bekanntlich zu 100 Prozent in die Schuldentilgung stecken.
Also noch einmal die Frage: Mit welchen Mitteln wollen Sie dieses Projekt finanzieren? Vor diesem Hintergrund bin ich bereits jetzt auf die Ergebnisse des Konzepts hinsichtlich der klinischen Phase der Machbarkeitsstudie gespannt und freue mich auf die weiteren Diskussionen zu diesem Thema. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meiner Damen und Herren! Die Fraktion der CDU hat einen Antrag gestellt, um eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben und zu prüfen: Wäre ein Medizinstudiengang in Bremen möglich? Was würde es kosten und welche Voraussetzungen braucht man dafür? In der Fraktion DIE LINKE haben wir über diesen Antrag intensiv diskutiert und mehrere Punkte miteinander abgewogen.
Auf der einen Seite gibt es viele Argumente, die für ein Medizinstudium sprechen. Wir haben davon heute schon einige gehört. Wir wissen alle, es gibt sehr viele Studieninteressierte, bis zu 50 000, und ich finde es eine Schande, dass man in Deutschland mit einem Abiturdurchschnitt von 1,2 auf ein Medizinstudium verzichten muss, weil man angeblich zu schlecht sei.
Viele studieren deshalb an den Universitäten in Nachbarländern. In Deutschland könnte also wesentlich mehr ausgebildet werden, aber die Studienplätze sind so begrenzt, dass es nur die Besten der Besten schaffen oder die, die dafür gehalten werden, weil sie einen Abiturdurchschnitt von 1,0 haben. Hätten wir viele Ärzte, die wir nicht einstellen könnten, weil es keine Arbeitsplätze gibt, dann könnte ich die derzeitige Ausbildungspraxis in Deutschland verstehen. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Es gibt einen hohen Bedarf an zukünftigen Ärztinnen und Ärzten. Der Präsident der Bundesärztekammer spricht von 1 000 zusätzlichen Studienplätzen. Auch wenn in der Fachwelt immer wieder darüber gestritten wird, ob es wirklich einen flächendeckenden Ärztemangel gibt, gibt es drei Fakten, vor denen niemand die Augen verschließen kann. Erstens: Es gibt in bestimmten Regionen und in bestimmten Fachgebieten einen Ärztemangel. Zweitens: Es werden immer mehr Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland angeworben, um die fehlenden Stellen zu besetzen. Drittens: Es gibt Tausende Studieninteressierte, die hier keinen Studienplatz finden.
Für Bremen erklärt der Senat, dass aufgrund der Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte, Zitat, „deutliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um auch in Zukunft eine flächendeckende
Versorgung sicherstellen zu können“. Das ist in Bremen kein Einzelfall, denn jeder vierte Arzt wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Junge Ärzte arbeiten aber gern in Teilzeit oder machen nicht mehr so selbstverständlich so viele Überstunden. Man braucht also heute wesentlich mehr Köpfe, um die gleiche Versorgung anbieten zu können.
Nicht zuletzt ist natürlich auch die Alterung der Gesellschaft ein Punkt, warum der Bedarf an ärztlicher Versorgung größer wird. Da ist es also nur folgerichtig, auch über einen Medizinstudiengang in Bremen nachzudenken. Das Problem bei dieser Sache ist selbstverständlich die Finanzierung. Da können wir noch so gute Argumente haben, warum ein eigenes Medizinstudium sinnvoll wäre, zum Beispiel, um hier einen besonderen Schwerpunkt in die Allgemeinmedizin zu legen und damit die Versorgung mit Hausärzten in den ärmeren Stadtteilen deutlich zu verbessern.
Wir meinen aber, solange hier der Bund nicht einspringt und die Behebung des Bedarfs an zusätzlichen Medizinstudiengängen unterstützt und den armen Bundesländern bei der Finanzierung unter die Arme greift, solange scheint es fast unmöglich, einen Medizinstudiengang in Bremen einzurichten. Denn selbstverständlich kann die Medizin nicht zulasten der Hochschulen gehen und auch nicht zulasten der Kliniken. Da ist nichts zu holen, meine Damen und Herren.
Ich verstehe deshalb durchaus die Skepsis der Koalition, die der CDU nicht mit wehenden Fahnen folgen will und sagt: Großartig, das machen wir jetzt sofort. Denn es ist völlig klar, man muss sich die Frage stellen: Kann Bremen sich den Medizinstudiengang leisten oder würde das Geld an allen Ecken und Enden fehlen, sodass es den Menschen in der Stadt schadet und wir es deshalb nicht verantworten können?
Aufgrund des deutschlandweiten Ärztemangels, der teilweise schon vorliegt oder bald droht, braucht es aus unserer Sicht ein neues Bund-Länder-Programm zur Stärkung und zum Ausbau der Universitätsmedizin. Auch dafür müsste sich der Senat einsetzen.
Natürlich hat die Fraktion der CDU aber Recht, wenn sie sagt: Man kann sich nur ernsthaft Gedanken über eine Finanzierung machen, wenn man weiß, wie viel so ein Medizinstudiengang kosten würde. Die Schätzungen reichen derzeit von 20 Millionen Euro pro Jahr bis zu über 100 Millionen Euro pro Jahr, und die Investitionskosten kommen da noch oben darauf. Deshalb wollten wir dieser Machbarkeitsstudie eine Chance geben, damit wir valide Zahlen auf dem Tisch haben, über die wir dann diskutieren und eine qualifizierte Entscheidung treffen können für oder gegen einen Medizinstudiengang.
Damit für die Machbarkeitsstudie nicht so viel Geld ausgegeben wird, wollten wir im kleinen Gegensatz zur Fraktion der CDU keinen externen, teuren Auftrag vergeben, sondern die Studie über diese Senatsressorts selbst erstellen lassen und wir haben dazu einen Änderungsantrag eingebracht. Dann kam die gemeinsame Sitzung der Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz und des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit. In der Vorlage der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz stand schwarz auf weiß, dass das Ressort die Prüfung eines Vollstudiums und des Teilstudiums, also der Light-Version der Medizinausbildung, die der Senat bevorzugt, vornehmen wird.
Damit wurde selbstverständlich unserem Anliegen entsprochen. Da stand auch ganz eindeutig, ich zitiere: „Die oben skizzierten Varianten des Aufbaus einer Universitätsmedizin beziehungsweise einer Medizinausbildung in Bremen sind nur vor dem Hintergrund ausgearbeiteter Konzepte“, Achtung, hier ist von Plural die Rede, „fachlich und politisch zu bewerten und zu entscheiden.“.
Und Herr Gottschalk, ich glaube, wenn der Senat diese Prüfung macht, dann hätte das nicht 100 000 Euro gekostet. Die Freude auf unserer Seite war allerdings nur von kurzer Dauer, denn was dann passierte, das war wirklich ein Lehrstück einer sehr billigen Show.
Viele Fachleute wurden eingeladen, erklärten ausführlich, warum sie ein Medizinstudium für sinnvoll halten oder dem kritisch gegenüberstehen. Alle Abgeordneten stellten Nachfragen, –
und die Opposition und die Gäste gingen davon aus, dass nun beide Varianten, Vollstudium und Teilstudium, geprüft werden, denn genauso stand es in der Vorlage. Danach hätte man mehr Klarheit, und die Einschätzung der Expertinnen und Experten hätte auch noch Berücksichtigung finden können.
Aber April, April! Das Ganze war nur eine Show. Denn in der letzten Minute kommt Dr. Henrike Müller von Bündnis 90/Die Grünen –
(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Niemand hat dort von einem Vollstudium gespro- chen! – Genau!)
und eröffnet ganz plötzlich, dass jetzt doch lieber nur das Teilstudium geprüft werden soll. Ich muss wirklich sagen, das war absolut unangemessen.
Wieso gaukeln Sie denn mit einer Vorlage, eine offene Prüfung zu machen, allen etwas vor, um dann in allerletzter Sekunde diesen Prüfauftrag zurückzuziehen –
und damit den Prüfauftrag zu halbieren und die Möglichkeit der Prüfung eines Vollstudiums einfach auszuschließen und ad acta zu legen? Das war ein überflüssiges und böses Spiel der Koalition, über das ich mich noch heute ärgere.
Auch die Expertinnen und Experten fanden das nicht witzig. Im „Weser-Kurier“ wurde ein Experte zitiert: „Danke für das Kommen, aber intern ist es ja längst zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen ausgemacht, und nach diesem Motto lief auch die Veranstaltung ab.“ Übrigens, falls es hier irgendjemand im Raum gedacht hat, weil es manchmal so anklang: Niemand hat in dieser Sitzung die Prüfung der beiden Varianten infrage gestellt. Niemand!
Das war auf einmal nur die Koalition. Aber bevor die Koalition dann ihre Absichten offenlegte, änderte die Fraktion der CDU im Glauben, die Koali
tion würde das Vollstudium prüfen, ihren ursprünglichen Antrag und unterstützte die Prüfung beider Varianten gemäß der Ressortvorlage. Nach der Änderung dieser Vorlage in letzter Sekunde macht aus unserer Sicht der CDU-Antrag in der jetzigen Form eigentlich keinen Sinn mehr, weil ihm die Grundlage entzogen wurde.
Deshalb werden wir uns bei dem CDU-Antrag enthalten und den Bericht des Ausschusses werden wir natürlich ablehnen, weil er ausschließlich das Teilstudium prüfen will, und nach diesem Spektakel im Ausschuss bleibt uns auch gar nichts anderes übrig.
Zum Teilstudium gibt es übrigens viele ungeklärte Fragen. Vielleicht werden die noch geprüft. Ich möchte sie trotzdem einmal aufwerfen, weil das ja gerade so stark von der Koalition forciert wird. Welche Universität lässt sich ernsthaft auf die Kooperation ein und bietet den teuren vorklinischen Teil an, um dann zu sehen, wie die Studierenden in der klinischen Phase nach Bremen gehen?
Göttingen fällt absehbar dafür aus, und das war ja der ursprüngliche Plan der Senatorin. Die Universität Göttingen kooperiert jetzt aber mit Braunschweig. Wie viel müsste Bremen für so eine Kooperation bezahlen? Was passiert eigentlich, wenn sich kein Kooperationspartner findet? Wie lässt sich ein besonderer Bedarf für Bremen zum Beispiel bei den Allgemeinmedizinern steuern, wenn Bremen gar keinen Einfluss darauf hat, was in der vorklinischen Phase gelehrt wird und welche Schwerpunkte gesetzt werden, wenn auch Bremen wiederum keinen Einfluss darauf hat, unter welchen Voraussetzungen wer Medizin studieren kann, weil Bremen ja erst in der klinischen Phase einspringt?
Allerletzter Punkt: Die Planungen, ein Teilstudium in Bremen aufzubauen, konterkarieren den Masterplan Medizinstudium 2020, das hatte auch Herr Röwekamp gerade schon angesprochen. Denn hier wird nämlich gesagt, dass Theorie und Praxis enger miteinander verzahnt –
werden sollen, und zwar ab dem ersten Semester. Folgerichtig sagt der Masterplan, Zitat: „Teilstudiengänge gehören der Vergangenheit an.“